Читать книгу Nur eine Illusion - Christine Trapp - Страница 7

5 Zufallsbekanntschaft

Оглавление

Die Vorlesungen sind uninteressant, die Übungen noch uninteressanter. Schön langsam plagt mich die existenzielle Frage, wieso ich überhaupt hier bin?

Und das schon nach drei Wochen an der Uni.

Zu Hause im Supermarkt ist es eindeutig spannender, vielleicht sollte ich doch dem Rat meiner Eltern folgen und gleich wieder alles hinschmeißen und mich, wie Mama und Papa, in die kleinbürgerliche Existenz einfügen.

Kleinbürgerliche Existenz.

?

Hm?

Wo habe ich das schon wieder her? Vor ein paar Wochen waren mir solche Begriffe überhaupt nicht geläufig.

Vielleicht aus dem Film, den ich letzten Donnerstag im Apollo gesehen habe?

Wie hieß er doch gleich? Der war total gut. Jedenfalls nicht das, was der Titel versprochen hat, ein echter Etikettenschwindel, wenn man so will.

Ich bin mit meinem Vater im Kino gewesen, weil er der Meinung war, dass der Film gut sein könnte, wenigstens wäre es einmal ein Film, der von der katholischen Filmkritik nicht mit „abzulehnen“ klassifiziert wurde, im Apollokino laufen normalerweise nur Filme, die ‚abzulehnen’ wären.

Ich bin da ganz anderer Meinung, aber (noch) hört ja niemand auf mich.

Wie hieß doch gleich der verflixte Film. Ich weiß nur noch, dass er aus Frankreich ist und überdurchschnittlich gut war.

Völlig in Gedanken versunken laufe ich einem langhaarigen Kerl mit Lederjacke und Jeans in die Arme.

„Hi.“

„Salve. Scusi.“

„Was?“

Ich schrecke aus meinem Tagtraum über verloren gegangene Filme.

„Du bist Italienerin?“

„Nein. Wieso?“

„Salve? Scusi? Ist doch Italienisch. Bei uns zu Hause sagt man Pozdravljeni und Žal.“

„Dio mio, wo kommst du denn her?“

Ihm schläft das Gesicht ein.

Fettnäpfchen. Ganz tiefes Fettnäpfchen. Ich werde rot vor Scham und nage mehr als verlegen an meinen Lippen.

„Tut mir schrecklich leid.“

„Schon gut. Du bist nicht die einzige am Campus, die keine Ahnung hat.“

„Es war nicht so gemeint.“

„Na vor mir aus. Ich bin aus Labot, zu gut Deutsch ‚Lavamünd’.“

„Fein.“

Ich muss mich ja wirklich wie die größte Idiotin benehmen, aber mir fällt nichts Besseres ein.

„Warst du schon mal in Labot?“

„Nein.“

„Nette Stadt. Aber total kleinbürgerlich.“

„Ich bin aus Villach, das ist auch nicht viel besser.“

„Findest du?“

„Ja.“

„Villach ist cool. Da ist immer was los.“

Ich sehe mir den Kerl genauer an. Dreitagebart. Haare mäßig gekämmt. Ziemlich abgetragene Klamotten. Hippietyp. Mir dämmert’s. Er ist einer von den jungen Wilden am Campus, der mir vor ein paar Tagen das noch nicht gelesene Flugblatt verpasst hat.

Endlich ein Anknüpfungspunkt.

„Bist du nicht der von der Studienrechtsvertretung an den Filmwissenschaften.“

Bingo. Der Hippiemann zieht einen breiten Grinser auf.

„Ja. Bin ich. Bist du auch an der Fakultät? Ich meine, ich hab dich dort noch nicht gesehen.“

„Ja. Bin ich. Ich bin dort aber der Frischling.“

„Verstehe. Also wir haben letztes Jahr den Verein zu Verteidigung der Kinematographie gegründet, um endlich anspruchsvolles Kino in die Stadt zu bringen.“

Mein Blick spricht Bände.

„Magst du Filme?“

Sicherheitshalber sage ich: Ja.

„Gut. Sehr gut. Also, die Filmwissenschaften hier sind das absolut letzte. Stockkonservativ auch wenn sie auf zeitgemäß machen, aber die Filmgeschichte interessiert hier praktisch keinen. Deshalb gibt es auch unsere Gruppe. Wir zeigen jeden Mittwochabend Filme, komm doch mal vorbei.“

Er gibt mir das Programm.

Ich werfe einen scharfen Blick auf die Filmliste.

Kein Titel ist mir bekannt.

Porco Dio, hier gibt es ja wirklich was zu sehen.

„Ich pendle jeden Tag hin und her“, wispere ich.

„Kein Problem. Für die Aliens haben wir Schlafplätze organisiert. Außerdem ist es bis Mitternacht sicher kein Problem von Klagenfurt nach Villach zu kommen, was ich aber eher abraten würde.“

„Wieso? Werde ich im Zug etwa überfallen?“

„Ach wo. Wenn du schon abends in der Stadt bist, kannst du gleich mit uns abhängen, einen trinken gehen, über den Film quatschen, rumdiskutieren und so weiter und sofort. Das kennst du doch?“

Äh? Bisher noch nicht.

„Zeit für einen Kaffee?“

Ja, immer.

Endlich. Endlich. Endlich. Endlich lerne ich jemanden kennen.

Meine eventuelle kleinbürgerliche Existenz muss noch ein Weilchen warten.

Ich gehe mit Lojze zum Uniwirt am Campus, einem bei den Studenten ziemlich beliebten Lokal, das ich auch schon kenne. Weil es noch warm ist und er raucht bleiben wir im Freien. Ich rauche übrigens auch.

Er raucht Gitanes, weil das nach Eigendefinition, den französischen Filmkünstlern entspricht, auf die er ganz besonders steht.

Hm?

Ich rauche MS, die in Italien viele rauchen, eventuelle künstlerische Hintergründe, wieso man MS raucht oder auch nicht, sind mir nicht bekannt.

Lojze ist nett. Er schwafelt los, erzählt mir jede Menge von mir völlig unbekannten Filmen aus Frankreich.

Mir bleibt die Spucke weg, was es nicht alles so gibt.

Endlich lässt er mich auch mal zu Wort kommen.

„Welche Filme magst du?“

„Ich kenne natürlich nur einen Bruchteil der Filme, die du schon alle gesehen hast. Französische Filme sind nicht viele dabei, außer die mit de Funes oder dem ‚großen Blonden’. Aber „1001 Nacht“ von Pasolini habe ich richtig verschlungen.“

„Pasolini mag ich auch.“

Lojze zählt ein paar Filmtitel auf, die man alle gesehen haben muss, er aber in Wahrheit auch nur aus dem Lexikon kennt, weil sie noch nie in so einer Bananenrepublik wie der unseren gezeigt worden sind, aber so einer dummen Pute aus dem ersten Semester kann man ja alles aufs Auge drücken.

Nach dem dritten Kaffee frage ich ihn, ob er den Film kennt in dem, ein Kerl in der Provinz die Frauen umbringt, um an ihre Lebensversicherungen zu kommen und die Leichen dann in Blausäure auflöst.

Er tippt auf „Trio Infernal“, fügt aber gleich hinzu, damit keine Missverständnisse entstehen: „Nein, Trivialfilme interessieren mich nicht. Ich sehe mir ausschließlich anspruchsvolles Kino an, alles andere ist die reinste Zeit- und Geldverschwendung.“

„Du hast aber gar keine Ahnung. Der Film war total gut!“

Lojze schläft ob meines Widerspruchs die Visage ein.

„Hey, Naseweis, das hat mir noch keine gesagt.“

„Dann bin ich eben die erste. Ich bestehe darauf, der Film war wirklich gut. Er ist mit Michel Piccoli und Romy Schneider.“

Lojze sagt nichts mehr.

Wir zahlen und gehen.

„Ich muss zum Bus“, sage ich.

„Ich bin mit dem Fahrrad hier.“

„Du fährt mit dem Rad von Labot nach Klagenfurt?“

„Nein, ich lass es beim Bahnhof stehen. Du solltest dir auch eines besorgen. Der Bus ist einfach zu teuer, da kannst du echt Geld sparen.“

„Hast du keine Angst, dass es dir jemand klaut?“

„Nein. Ist ein alter Krempel aus dem Versatzhaus. Dort bekommst du ein Fahrrad für ein paar Mäuse, auch wenn du es herrichten musst ist das noch immer billiger als ein neues, und so einen alten Garn klaut keiner.“

Dio mio, wieder was gelernt.

Blicke wechseln.

Wahrscheinlich wartet er darauf, dass ich sage, ich muss jetzt gehen, aber:

„Worauf wartest du noch?“

„Was?“

„Küss mich.“

Äh?

Lojze sieht mich an, als hätte ich ihn an den Pimmel gegriffen.

„Bist du taub? Ich trinke nicht den teuren Kaffee um tiefsinnige Gespräche zu führen“, maule ich los.

Lojze scheint total überfordert zu sein. Nervös sieht er sich um.

Handeln ist angesagt.

Ich schmuse ihn nieder.

Uff. Geschafft. Endlich. Das hätten wir.

Die Schmuserei dauert ein Weilchen. Ehrlich gesagt habe ich schon mal besser geküsst, aber, das behalte ich vorerst noch für mich.

Lojze scheint zufrieden zu sein.

„Moj Bog, du hast ordentlich Pfeffer im Arsch.“

Ich werde leicht rot.

„Villacher Mädchen sind nicht von gestern.“

„Merke ich.“

„Willst du noch mehr?“

Mal sehen was jetzt kommt. Ich bin überzeugt: der liebe Lojze aus Labot hat außer dummen Sprüchen nicht viel drauf.

„Wieso eigentlich nicht? Wo gehen wir hin?“

„Weiß nicht. Hier am Campus gibt es kein ruhiges Gebüsch hinter dem man einen runterreißen könnte.“

Ich lache los.

„Also Gebüsch wäre mal eine Herausforderung für uns beide.“

Verwirrung in Lojzes Kopf.

„Wir gehen ein bisschen spazieren und sehen uns um. Vielleicht ergibt sich ja rein zufällig etwas? Ich zieh den Minirock hoch, du die Hosen runter. Das geht schneller als du denkst.“

„Du willst einen Quickie?“

„Vor mir aus, wenn du es nicht länger schaffst, ist ein guter Quickie besser als gar nichts.“

Lojze lässt das Maul hängen.

Ich hake mich unter und schleppe ihn ab.

So einfach geht das.

Wir spazieren stadtauswärts den Lendkanal entlang. Für Sex unter freiem Himmel sind hier zu viele Leute unterwegs. Sehr gut scheint er sich westlich der Uni nicht auszukennen.

Endlich erreichen wir eine etwas abgelegene Schrebergartensiedlung mit einer verwaisten Telefonzelle.

Gibt es eine bessere Gelegenheit?

Ich ziehe den Schlüpfer aus, lasse mich auf die Telefonbuchablage heben und mache die Beine breit. Der Mini rutscht von selbst hoch.

Schon sind seine Jeans unten.

Sein Schwanz steht. Er ist groß und beeindruckend. Sein Pimmel hat was. Er sieht gesund und kräftig aus, ein Junge vom Land, eben.

Lojze will losrammeln. Schmust mich ab und knautscht meine Brüste.

Momentchen.

Als italienerprobte Sexspezialistin stülpe ich ihm einen Gummi über, auf die Pille alleine ist kein Verlass, wer weiß wohin so ein fickriger Landlümmel seinen Schwengel reinsteckt, wenn er nichts zum Vögeln findet.

Jungs in seinem Alter sind dauererigiert, das ist bekannt. Los geht’s.

Lojze hat was drauf. Ich leiste mir einen guten Ritt auf seinem Gemächt, er leckt und schmust mich, ich und er fangen ein paar saftige Knutschflecke ab.

Aus dem Quicky werden immerhin drei gute Nummern.

Passt für dich. Passt für mich.

Ich masturbiere ihm zum Abschied.

Hosen hoch. Rock runter.

Die erste Campusvögelei ist perfekt und wird auf dem Heimweg im Zug im Taschenkalender für die Ewigkeit notiert.

Irgendwann einmal werde ich meinen Enkelinnen und Enkeln erzählen, dass ich am Donnerstag, dem 15. Oktober im Jahre des Herren so und so es zum ersten Mal an der Alpe Adria Universität zu Klagenfurt ordentlich getrieben habe.

Meine Enkel werden stauen. Meine Enkelinnen werden ihre alte Omi verehren, da bin ich mir ganz sicher.

Sehr zufrieden und total ausgeglichen gondle ich im Spätzug aus der Landeshauptstadt in die Draumetropole.

Nur eine Illusion

Подняться наверх