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Modernes Pilates-Training

Dieses Kapitel zeigt Ihnen, warum Pilates-Übungen gut für Ihr körperliches und geistiges Wohlbefinden sind, wie Sie Ihr Training aufbauen können und wie oft Sie trainieren sollten.


Pilates – eine Trainingsmethode

Aus heutiger Sicht

Wir haben Ihnen im letzten Kapitel die wichtigsten Prinzipien des Pilates-Trainings vorgestellt. Mit großer Wahrscheinlichkeit wurden die meisten dieser Prinzipien von Joseph Pilates selbst entwickelt. Es lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen, welche Teile erst später hinzukamen. Jedenfalls waren es immer Veränderungen auf der Grundlage neuester Erkenntnisse über die Funktionsweise unseres Körpers, die dazu beigetragen haben, die Pilates-Methode stets dem neuesten Stand der Wissenschaft anzugleichen.

Eine Methode ständig den neuesten Erkenntnissen anzupassen, ist aus medizinischer Sicht grundsätzlich sinnvoll und notwendig. Vergleicht man jedoch die unterschiedlichen Pilates-Trainingsprogramme auf dem Markt, findet man zum Teil Änderungen, die wohl eher von Marketingspezialisten entwickelt wurden und sicher nicht auf die Vorstellungen von Joseph Pilates zurückgehen.

Erfolgreiches Training

Beim Pilates-Training steht das ausgewogene Training der Rumpfmuskulatur und vor allem der Bauchmuskulatur im Mittelpunkt. Das, wofür Mediziner und Wissenschaftler Jahrzehnte der Forschung benötigten, war für Joseph Pilates selbstverständliches Wissen. Vielleicht ist das der Hauptgrund dafür, weshalb das Pilates-Training heute so erfolgreich ist.

Wir möchten Ihnen das nötige Wissen an die Hand geben, damit Sie selbst beurteilen können, welches Programm für Sie sinnvoll ist.

Dazu haben wir versucht, folgende Fragen zu beantworten: Welche Prinzipien sind heute noch so aktuell wie zu Zeiten von Joseph Pilates? Welche Grundsätze haben sich als überholt oder gar als falsch herausgestellt?

Körperliches und geistiges Wohlbefinden

Dass körperliches Training zum körperlichen und geistigen Wohlbefinden beiträgt, wussten schon die alten Griechen. Heute bestätigt uns die Wissenschaft die große Bedeutung regelmäßiger Bewegung. In der Praxis erschöpft sich dieses Wissen bei vielen Menschen aber in dem Versuch, ab und zu den Körper sportlich zu fordern.

Joseph Pilates erkannte bereits zu seiner Zeit das, was viele Sporttreibende selbst heute noch unterschätzen: Nur ein methodisches und regelmäßiges Training garantiert den Erfolg!

Der große Verdienst von Joseph Pilates war es, eine Methode zu entwickeln, mit deren Hilfe Sie zu mehr körperlichem und geistigem Wohlbefinden gelangen können. Er hat ein System aus Übungen entwickelt, die aufeinander aufbauen, in ihrem Schwierigkeitsgrad zunehmen und Ihnen zeigen, welche Muskeln Sie ganz persönlich trainieren müssen, um ein körperliches Gleichgewicht zu erreichen. Pilates beschreibt dabei ganz genau, wie die einzelnen Übungen auszuführen sind und welches Ziel jede einzelne Übung verfolgt.

Der Rumpf im Mittelpunkt

Nie war das Thema Wirbelsäule so aktuell wie heute. 80 Prozent der Bevölkerung der westlichen Industrienationen sind in ihrem Leben irgendwann von Rückenschmerzen betroffen. Die Kosten für die Behandlung sind kaum zu beziffern. Es ist vor allem der schlechte Trainingszustand der Rumpfmuskulatur, der vielen Menschen Probleme bereitet. Was Joseph Pilates schon vor 80 Jahren wusste, gilt auch heute: Sehr oft ist eine zu schwache Bauchmuskulatur verantwortlich für Rückenbeschwerden! Ihr wird deshalb viel Aufmerksamkeit gewidmet.

Sanfte Übungen

An dieser Stelle seien ein paar kritische Anmerkungen erlaubt: Vielfach wird behauptet, das Pilates-Training sei eine besonders sanfte Trainingsmethode. Ob diese Behauptung von Joseph Pilates selbst stammt oder später von cleveren Werbestrategen in die Welt gesetzt wurde, lässt sich heute nicht mehr sagen. Aus unserer Sicht sollten die Anleitungen für Pilates-Training sehr genau betrachtet werden. Denn neben vielen sehr guten und empfehlenswerten Übungen gibt es auch solche, die weder hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades noch bezüglich der Belastung für die Wirbelsäule als sanft bezeichnet werden können. Auch in klassischen Pilates-Lehrbüchern gibt es einige Übungen, die Anfänger völlig überfordern und die viel zu anspruchsvoll sind. Betrachtet man die Geschichte des Pilates-Trainings, ist dies eigentlich nicht verwunderlich. Joseph Pilates trainierte viel mit Tänzern, für die diese Übungen aufgrund ihrer körperlichen Konstitution einfach waren. Er konnte nicht ahnen, dass sich innerhalb weniger Jahrzehnte die Leistungsfähigkeit der Durchschnittsbevölkerung dramatisch verschlechtern würde. Die einzelnen Übungen in diesem Buch sind dieser veränderten Situation angepasst worden.

Wie Sie richtig trainieren

Eine zeitgemäße Trainingsform

Sie kennen nun die wichtigsten Grundprinzipien, die Joseph Pilates entwickelt hat, und wissen, wie das Pilates-Training aus heutiger Sicht zu bewerten ist. Das moderne Pilates-Training vereint die traditionellen Pilates-Prinzipien mit den neuesten Erkenntnissen. Sie sollten die Vorteile aus beiden Bereichen nutzen. Im Folgenden erfahren Sie, wie Sie am besten in Ihr modernes Pilates-Training einsteigen.

Richtige Übungsausführung

Joseph Pilates legte bei seinem Übungsprogramm sehr viel Wert auf eine kontrollierte Bewegungsausführung. Die Wichtigkeit dieser Forderung kann aus heutiger Sicht nur unterstrichen werden. Zwar ist es erfreulich, dass immer mehr Menschen sportlich aktiv werden und zum Beispiel ein Fitnessstudio besuchen. Wie dort trainiert wird, ist in manchen Fällen jedoch eher gesundheitsschädlich. Möglichst viel Gewicht wird mit vielen Wiederholungen bewegt, es wird jedoch kein Gedanke an eine saubere Bewegungsausführung verschwendet. Dabei bestätigt die moderne Sportwissenschaft den Ansatz von Pilates: In den ersten Trainingseinheiten muss vor allem die richtige Bewegungsausführung erlernt werden. Trainingsaspekte wie Gewicht, Wiederholungszahl oder Pausenlänge spielen zunächst keine Rolle.


Viele Studios bieten neben Ausdauer- und Muskeltraining auch Pilates an.

Auf die Übung konzentrieren

Konzentration ist eine Grundvoraussetzung für den Trainingserfolg. Trotzdem wird sie häufig vernachlässigt. In der Trainingspraxis sehen wir häufig Menschen, die während des Trainings ein Buch lesen. Sträflicher kann man das Prinzip der Konzentration nicht verletzen.

Sportwissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Ablenkung den Trainingseffekt mindert. Vor allem Anfänger versuchen, sich während des Trainings mit etwas anderem zu beschäftigen.

Könner sind mit ihren Gedanken ganz bei der Bewegung. Dabei ist es egal, um welchen Sport es sich handelt.

Also: Wenn Sie Ihre Übungen ernst nehmen, verzichten Sie beim Trainieren auf Ablenkungen durch Bücher, Zeitschriften, Musik oder Fernsehen.

Ideale Ergänzung

Fast jede Sportart birgt die Gefahr von Fehlbelastungen. Sei es beim Skifahren, Tennis oder Laufen – die meisten Freizeitsportler werden irgendwann von Beschwerden geplagt. Pilates ist die ideale Ergänzung für fast alle Sportarten, weil die Übungen unseren gesamten Bewegungsapparat im Gleichgewicht halten oder ins Gleichgewicht bringen können.

Gleichmäßig atmen

Die Kontrolle der Atmung wird ebenfalls häufig vernachlässigt. Es ist sehr wichtig, dass Sie während der Ausführung Ihrer Übungen ruhig und gleichmäßig weiteratmen.

Wenn Sie bei einer Kräftigungsübung den Atem anhalten, steigt Ihr Blutdruck stark an: Je anstrengender die Übung ist, desto höher wird der Blutdruck. Dem Gesunden macht das nichts aus. Wer jedoch Probleme mit dem Herz-Kreislauf-System hat, für den wird es gefährlich.

Achten Sie daher bei jeder Übung darauf, nicht den Atem anzuhalten (Pressatmung). Können Sie das nicht, ist die Übung für Sie zu schwierig. Wählen Sie also den Schwierigkeitsgrad einer Übung immer so, dass Sie niemals in die Gefahr der Pressatmung kommen.

Ohne Schwung

Es gibt beim Pilates-Training praktisch keine Übungen, die mit Schwung durchgeführt werden. Schwunghafte Bewegungen bedeuten, dass die Muskulatur wenig, der passive Bewegungsapparat (Sehnen, Bänder, Knochen, Knorpel) hoch belastet wird.

Eine gute Übung zeichnet sich aber dadurch aus, dass die Muskulatur hoch und der passive Bewegungsapparat wenig belastet wird. Daher gilt: Absolvieren Sie jede Bewegung langsam und kontrolliert. Schwunghafte Bewegungen sollten Sie vermeiden. Werden die Übungen mit Schwung ausgeführt, gilt dasselbe wie für die Atmung: Meist ist der Schwung ein Ausdruck dafür, dass die Übung für Sie (noch) zu schwierig ist.

Zu Beginn gedrosselte Intensität

Gerade für Anfänger ist es wichtig, zunächst die korrekte Bewegungsausführung zu erlernen. Dies ist aber nur dann möglich, wenn die Übung zu intensiv ist. Bei den ab Seite 49 vorgestellten Übungen haben wir deswegen die traditionellen Pilates-Übungen für Anfänger einfacher gemacht! Nur so ist gewährleistet, dass Sie sich nicht überfordern. Wir empfehlen Ihnen, nach der grundlegenden Körperschule (siehe Seite 35ff.) mit den Anfängerübungen zu beginnen. Wenn Sie die Bewegungsausführung exakt beherrschen, können Sie – je nach Leistungsfähigkeit – relativ schnell zu den Übungen für Fortgeschrittene (ab Seite 71) übergehen.

Wie viele Wiederholungen?

Joseph Pilates legte keinen Wert auf viele Wiederholungen. Stattdessen stellte er die saubere, kontrollierte Bewegungsausführung in den Vordergrund.

Heute wissen wir allerdings, dass unser Gehirn etwa 2.000 Wiederholungen braucht, um eine neue Bewegung zu lernen. Daher gibt es keinen Widerspruch zwischen einer hohen Wiederholungszahl bei einer Übung und der korrekten Bewegungsausführung. Eine leichte Übung können Sie öfter wiederholen als eine schwierige. Gerade für Anfänger ist dieser Punkt entscheidend. Bei unseren Übungsprogrammen haben wir die Anzahl der Wiederholungen vorgegeben. Es ist aber nicht schlimm, wenn Sie zu Beginn nicht alle schaffen.

Die richtige Reihenfolge

Pilates reihte seine Übungen in einer Art Choreografie aneinander. Viele Übungen gehen fast nahtlos ineinander über. Dieses Prinzip wird auch beim modernen Pilates-Training beibehalten. Entscheidend dabei ist allerdings, dass Sie die einzelnen Übungen nicht zufällig hintereinander absolvieren, sondern in der in den folgenden Übungsprogrammen vorgegebenen Reihenfolge. Nur dann haben die Übungen auch den gewünschten Trainingseffekt. So garantiert zum Beispiel das Prinzip des Wechsels zwischen Belastung und Erholung den Trainingseffekt. Der Übergang zwischen den einzelnen Übungen kann nahtlos, ohne Pause, erfolgen. Ist Ihnen eine Übung in einem Programm noch zu schwer, absolvieren Sie das Programm nur bis zu dieser Übung. Lassen Sie sie nicht einfach weg und machen mit der nächsten Übung weiter – das würde den Aufbau des Programms stören.

Nehmen Sie immer erst die nächste Übung zu Ihrem Programm dazu, wenn Sie die vorhergehende wirklich problemlos beherrschen. Kommen Sie gar nicht weiter, arbeiten Sie an Ihrer Beweglichkeit (Dehnprogramm) und an den Grundtechniken der Körperschule, dann klappt es bestimmt bald!


Pilates ist die optimale Ergänzung zu jedem Ausdauersport.

Wichtige Tipps für Ihr Training

Vor dem Training

► Sollten Sie irgendwelche Beschwerden körperlicher Art haben (Rückenschmerzen, Gelenkprobleme, Herz-Kreislauf-Störungen usw.), sprechen Sie vor Trainingsbeginn unbedingt mit Ihrem Arzt oder Krankengymnasten.

► Trainieren Sie in bequemer, nicht einengender Kleidung. Schuhe sind nicht unbedingt notwendig.

► Eine rutschfeste Gymnastikmatte erleichtert die Ausführung der Übungen. Sie können aber auch eine Decke unterlegen.

► Legen Sie ein kleines, festes Kissen oder ein zusammengefaltetes Handtuch zum Unterlegen für den Kopfbereich.

► Ihr Trainingsraum sollte gut belüftet, aber nicht zu kalt sein.

► Machen Sie Ihre Übungen an einem ruhigen Ort, wo Sie möglichst wenig in Ihrer Konzentration gestört werden.

Die Übungsphase

► Wärmen Sie sich fünf Minuten auf (Laufen auf der Stelle, Seilspringen, Tanzen o. Ä.).

► Beginnen Sie Ihr Training mit einer Phase der Konzentration und Entspannung (siehe Körperschule, Seite 35ff.). Richten Sie Ihre ganze Aufmerksamkeit auf das folgende Übungsprogramm. Hören Sie keine Musik im Übungsraum.

► Achten Sie auf eine exakte Übungsausführung. Gleichmäßige und langsame Bewegungen erhöhen den Trainingseffekt und schonen die Gelenke.

► Halten Sie während der Übungen ständig die Muskelspannung in Ihrem „Powerhouse“ aufrecht. Nur so erzielen Sie den gewünschten Effekt.

► Atmen Sie beim Üben ruhig und gleichmäßig (Seitenatmung, siehe Seite 40). Pressatmung oder auch Luftanhalten hemmt die Blutzirkulation und ist ein Zeichen für Überforderung.

► Vermeiden Sie Überlastungen! Die Übungen dürfen nur schmerzfrei durchgeführt werden. Beenden Sie sofort das Training bei Symptomen wie Krämpfen, Schwindelgefühl oder Übelkeit.

Nach dem Training

► Vermeiden Sie ein abruptes Ende Ihres Pilates-Programms, und gönnen Sie sich einige Minuten der Entspannung und Erholung.

► Machen Sie zuerst ein paar Dehnübungen (siehe Seite 28ff.). Das entspannt die Muskulatur und beugt einem Muskelkater vor.

► Danach können Sie zum Beispiel eine CD mit entspannender Musik einlegen. Bleiben Sie einfach noch ein paar Minuten auf Ihrer Matte liegen und atmen Sie tief ein und aus.

So oft sollten Sie trainieren

Joseph Pilates empfahl, lieber nur kurz, aber dafür häufig und vor allem regelmäßig zu üben. Aus heutiger Sicht können wir diese Aussage nur unterstützen. Vor allem am Anfang ist es wichtig, die Übungen ständig zu wiederholen, damit das Gehirn die neuen Bewegungen schnell lernt. Mit diesem Wissen sollten Sie vor allem als Anfänger jeden Tag Ihr Pilates-Programm absolvieren. Die Pausen sollten nicht mehr als einen Tag betragen.

Wenn Sie später einmal sehr geübt sind und das Übungsprogramm intensiver wird, können Sie auch ungefähr zwei Tage Pause machen. Länger sollte der Ruhezeitraum aber auf keinen Fall sein.

Ihr persönlicher Trainingsplan

Anzahl EinheitenTrainingsdauer
Anfänger4–7 Mal pro Woche10–15 Minuten
Fortgeschrittene4–6 Mal pro Woche15–25 Minuten
Könner3–5 Mal pro Woche20–40 Minutes

Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung, um Ihr Training zu unterstützen.

Pilates im Überblick

Folgende Übersicht soll Ihnen die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zwischen der klassischen Pilates-Methode und den neuesten sportwissenschaftlichen Erkenntnissen zeigen. Unser modernes Pilates-Training beruht auf diesen beiden Säulen:

Klassisches Pilates-TrainingNeueste sportwissenschaftliche Erkenntnisse
Systematik der TrainingsmethodeErste wichtige GrundprinzipienWeiterentwickelte Prinzipien, die maximalen Erfolg bei minimalem Aufwand garantieren
Bedeutung der RumpfmuskulaturPilates erkannte als einer der Ersten die Bedeutung der Rumpfmuskulatur bei RückenproblemenDas Training der Rumpfmuskulatur kann aus heutiger Sicht nicht hoch genug eingeschätzt werden
Funktionalität der ÜbungenIm Regelfall schonende, aber auch einige wenige belastende ÜbungenSehr schonende Übungen, vor allem durch den Einsatz moderner Trainingsgeräte
Übungsausführung
AtmungVon Pilates zu Recht höher eingeschätzt als in der SportwissenschaftLediglich die Vermeidung der Pressatmung wird hervorgehoben
KonzentrationVon Pilates zu Recht höher eingeschätzt als in der SportwissenschaftHat in der Sportwissenschaft keine Bedeutung
Kontrolle und BewegungstempoVon Pilates zu Recht höher eingeschätzt als in der SportwissenschaftHier ist die Forschung noch ganz am Anfang
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