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ОглавлениеInterkulturelle Managementforschung
Genese: Entstehung des Forschungsfelds
Die Interkulturelle Managementforschung ist relativ jung. Ab den 1960er Jahren hat sie sich von Nordamerika und Westeuropa aus mittlerweile vor allem in angelsächsischen, skandinavischen, deutschsprachigen und frankophonen Ländern verbreitet – und mit ihr die faszinierende Idee, Management nicht allein als betriebswirtschaftliche Herausforderung zu begreifen, sondern zudem als kulturabhängiges Gestaltungsfeld, in dem interkulturelle Interaktion vom Management berücksichtigt werden muss. Um die Geschichte dieses Forschungsfelds nachzuvollziehen, bietet es sich an, auf bereits vorhandene Einteilungen zur Entwicklung zurückzugreifen.
Aus der Perspektive der Managementforschung zeichnet Scholz (2014a, 900) einen Weg nach, der von einer betriebswirtschaftlichen »Kulturignoranz« über verschiedene Zwischenphasen bis hin zu einer Integration von Kultur in die Wirtschaftsforschung führt (Tab. 7). Er konzentriert sich damit auf die Rezeption kultureller Themen in der klassischen Managementforschung. Der beschriebene Entwicklungspfad spiegelt den »Paradigmenwechsel der Managementlehre von der Analyse ökonomischer, nach Nutzenmaximierung orientierter Leistungsprinzipien hin zur wertorientierten und verhaltenswissenschaftlichen Betrachtungen organisationalen Handelns von Mitarbeitern wider« (Barmeyer 2000, 99).
Zeit | Ausgangsebene | Stadium | Betrachtungsweise |
bis 1960 | betriebswirtschaftliche »Kulturignoranz« | Kultur als nicht-existierendes Phänomen | |
ab 1960 | Makroebene | Cross-Cultural Management | kulturfreier Managementansatz kulturgebundener Managementansatz (Landeskultur als unabhängige Variable) |
ab 1970 | Comparative Management | Wechselbeziehungen zwischen Landeskultur und Managementverhalten | |
ab 1980 | Mikroebene | Unternehmenskulturforschung | Untersuchung/Beeinflussung der Unternehmenskultur weitgehend ohne landeskulturellen Kontext:a)Ansatz der (individuellen) Verhaltensforschungb)organisationstheoretischer Ansatzc)Ansatz des strategischen Managements |
ab 1990 | Makro- und Mikroebene | Kulturintegration | Wechselbeziehungen zwischen Unternehmens- und Landeskultur |
ab 2000 | Globalebene | Kulturpointillismus | kleinste Kultureinheiten in einem grenzenlosen Raum, die je nach Perspektive zu unterschiedlichen Kulturansichten führen |
ab 2010 | eingebettete Mikroebene | Kultursituativität | Unternehmen gestalten in Abhängigkeit von Strategie und Kontext bewusst ihre individuelle Kultur |
Tab. 7: Entwicklungspfad der Management-Kulturforschung (Scholz 2014a, 900)
Adler (1983) wählt eine andere Perspektive, welche die Suchrichtung der Interkulturellen Managementforschung im Zeitverlauf nachzeichnet (Tab. 8). Von der Suche nach Ähnlichkeiten des Managens in verschiedenen Kulturräumen verschiebt sich der Fokus nach und nach auf die Suche nach Ähnlichkeiten und Unterschieden im Management verschiedener Länder als für Unternehmen bewusst nutzbare Ressource. Unterschiedlichkeit wird nicht länger als Defizit verstanden, sondern als Wertschöpfungspotenzial (Barmeyer 2012a, 118–119).
Forschung | Kulturbezug der Studien | Ansatz in Bezug auf Ähnlichkeit und Unterschiedlichkeit | Zentrale Forschungsfrage |
Eng | Studien in einzelnen Kulturen | Angenommene Ähnlichkeit | Wie verhalten sich Menschen in Organisationen bei ihrer Arbeit? Obwohl die Ergebnisse nur anwendbar sind für das Management in einer Kultur, wird angenommen, dass sie für das Management in vielen Kulturen gelten. |
Ethnozentrisch | Studien in einer zweiten Kultur | Suche nach Ähnlichkeit | Können Theorien aus dem eigenen Stammland im Ausland angewendet werden? Kann eine Theorie für Organisationen in einem Land A auf Organisationen in einem Land B übertragen werden? |
Polyzentrisch | Studien in vielen Kulturen | Suche nach Unterschiedlichkeit | Wie arbeiten Manager und wie verhalten sich Mitarbeiter in einem Land X? Welche Muster der organisationalen Beziehungen herrschen in einem Land X vor? |
Vergleichend | Studien zur Gegenüberstellung vieler Kulturen | Suche nach Ähnlichkeit und Unterschiedlichkeit | Inwieweit sind Managementstile und Mitarbeiterverhalten über Kulturen hinweg ähnlich oder verschieden? Welche Theorien gelten kulturübergreifend und welche nicht? |
Geozentrisch | Internationale Managementstudien | Suche nach Ähnlichkeit | Wie funktionieren multinationale Organisationen? |
Synergetisch | Interkulturelle Managementstudien | Nutzung von Ähnlichkeit und Unterschieden als Ressource | Wie kann die interkulturelle Interaktion in einer nationalen oder einer internationalen Organisation gemanagt werden? Wie kann eine Organisation Strukturen und Prozesse gestalten, die eine effektive Zusammenarbeit mit Mitgliedern aller Kulturen ermöglichen? |
Tab. 8: Typologien kulturorientierter Management-Studien (Adler 1983, 30–31, Auszug, unsere Übersetzung)
Wieder eine andere Perspektive nehmen Boyacigiller et al. (2004, 102–138) zunächst für die internationale Kulturforschung sowie später Sackmann und Phillips (2004) für die Interkulturelle Managementforschung ein: Sie unterscheiden die drei Hauptströmungen (1.) nationenübergreifender Kulturvergleich, (2.) interkulturelle Interaktion und (3.) multiple Kulturen (Tab. 9). Wichtig ist für sie der Einfluss des jeweiligen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Kontexts:
–Die Strömung nationenübergreifender Kulturvergleich (Cross-National Comparison) versteht Kultur als Ausdruck der jeweiligen Nationalität, die Individuen durch Sozialisation erfahren. Dementsprechend vergleichen meist quantitativ-statistisch angelegte Studien Nationalkulturen, um kulturübergreifende, universelle Kulturdimensionen zu verdeutlichen, wie dies etwa Hofstede (1980) und die GLOBE-Studie (House et al. 2004) tun.
–Die Strömung interkulturelle Interaktion (Intercultural Interaction) versteht Kultur als das in einer Gemeinschaft geteilte Bedeutungssystem, das aus einer Innenperspektive der Akteure und an konkreten Interaktionssituationen manifest wird. Dementsprechend betrachten induktiv angelegte, qualitative Feldstudien insbesondere, wie kulturelle Passung zwischen den Interaktionspartnern sozial konstruiert und ausgehandelt wird.
–Die Strömung multiple Kulturen (Multiple Cultures) setzt an den Individuen an, die in zunehmend fragmentierten und dynamischen Lebenswirklichkeiten multiple kulturelle Identitäten ausbilden, die der Vielfalt ihrer kulturellen Referenzsysteme und sozialer Milieus entsprechen. Dementsprechend untersuchen vornehmlich interpretativ-emische Studien Identitätsbildungsprozesse in Mikrokontexten, also beispielsweise Subkulturen auf Gruppenebene.
In jüngster Zeit führen die in »westlichen« Gesellschaften beobachtbaren spätmodernen »postmaterialistischen« (Inglehart 1998) oder »singularistischen« (Reckwitz 2017) Entwicklungen zu einer Aufwertung der plurikulturellen Multiple-Kulturen-Ansätze (z. B. Mahadevan 2012), was sich auch in der Entwicklung des Diversity Management-Ansatzes (Cox 1993; Özbilgin/Tatli 2008; Genkova/Ringeisen 2016) widerspiegelt.
Nationenübergreifender Kulturvergleich | Interkulturelle Interaktion | Multiple Kulturen | |
Die Entstehung der Strömung begünstigender Kontext | –Nach dem 2. Weltkrieg–Aufkommen multinationaler Unternehmen–US-amerikanische Praktiken als Vorbild–Aufkommen des Vergleichenden Managements–Nationalstaat als zentraler wirtschaftlicher Akteur | –Sich verändernde Balance der globalen wirtschaftlichen Macht–Dramatischer Anstieg ausländischer Direktinvestitionen (Joint Ventures, Auslandsniederlassungen, multinationale Unternehmen) | –Verschmelzung nationaler Grenzen–Zunehmende Globalisierung–Zunehmende strategische Allianzen in nationalen Grenzen/über nationale Grenzen hinweg–Wachsende globale Mobilität von Menschen–Wachsende Beachtung von Identitätsunterschieden |
Theorien, Annahmen, Modelle | –Nationalstaat = »Kultur«–Kulturelle Identität als eine gegebene, einheitliche, unveränderliche individuelle Eigenschaft–Kulturelle Konvergenzthese–Suche nach universell anwendbaren Kulturdimensionen | –Kultur = sozial konstruiert–Nationalkultur/-identität ist von entscheidender Wichtigkeit–Emergente/ausgehandelte Kultur abgeleitet aus•organisationaler Kulturforschung•interpretativem Paradigma•anthropologischen Theorien•interkulturellem Kommunikationsmodell | –Kultur = kollektives, sozial konstruiertes Phänomen–Organisationen = Multiplikation von Kulturen–Individuen können sich mit vielen Kulturen identifizieren–Das Wechseln zwischen kulturellen Gruppen und Identitäten ist eine empirische Fragestellung |
Beitrag zum Wissensstand | –Kultur ist lenkbar – Generalisierungen, Kulturcluster–Nationenübergreifende Überprüfung organisationaler Theorien, Prozesse und Praktiken–Entwicklung von Kulturdimensionen und Kulturkategorien–Begrenztes Set an Kulturdimensionen kann von anderen Disziplinen genutzt werden | –Wichtigkeit der Kontextanalyse–Prozessorientierung–Emergente »ausgehandelte« Kultur–Lenkung der Aufmerksamkeit auf interkulturelle Kommunikation am Arbeitsplatz–»Dichte Beschreibung« kultureller Kontexte–Brückenfunktion zur Strömung multiple Kulturen | –Erkennt Kultur als sozial konstruiert–Fokus auf Sinngebung und praktische Anwendbarkeit–Wertschätzung kultureller Unterschiedlichkeit und Ähnlichkeit–Wahrnehmung der Komplexität von persönlicher Identität und Paradoxien in Organisationen–Möglichkeit zur Synergieerzielung–Identifikation von Fähigkeiten, die für die Arbeit in multikulturellen Umgebungen benötigt werden–Methodenvielfalt |
Tab. 9: Hauptströmungen der Kulturforschung im Interkulturellen Management (Sackmann/Phillips 2004, Auszug, unsere Übersetzung)
Aktuell ist die Interkulturelle Managementforschung interdisziplinär angelegt (Chanlat/Pierre 2018). Dies musste sich allerdings erst in einem Konvergenzprozess der beteiligten Disziplinen entwickeln. Die disziplinären Wurzeln liegen in zwei Wissenschaftsgebieten, die nach und nach integriert wurden: den Sozial- und Kulturwissenschaften auf der einen Seite und den Wirtschaftswissenschaften auf der anderen Seite (Tab. 10). Die einzelnen Disziplinen beschäftigen sich auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlicher Intensität mit dem Thema Kultur und Interkulturalität in Organisationen.
Sozial- und Kulturwissenschaften | Wirtschaftswissenschaften | |
Disziplinen | –Kulturanthropologie/Ethnologie (Kluckhohn/Strodtbeck 1961; Hall 1959; Chanlat 1990; Chanlat/Pierre 2018; Moosmüller 2004; Roth 2004; Romani 2008; van Maanen 2011; Mahadevan 2017)–Soziologie (Parsons 1952; D’Iribarne 1989)–Sozialpsychologie (Thomas 2003c; Berry 1990; Triandis 1995; Thomas 2008)–Interkulturelle Philosophie (Demorgon 1989; 1998)–Interkulturelle Kommunikation (Rogers et al. 2002; Lüsebrink 2005; Müller-Jacquier 2004) | –Internationales Management (Dülfer 2001; Usunier 1992; 1998; Perlitz 1993; Welge/Holtbrügge 1998; Urban/Mayrhofer 2011; Kutschker/Schmid 2011)–Kulturvergleichendes Management (Hofstede 1980; Keller 1982; Usunier 1992; Sorge 2004a)–Interkulturelles Management (Adler 1986; Bergemann/Sourisseaux 1992; Trompenaars 1993; Schneider/Barsoux 1997; Barmeyer 2000; Chevrier 2003a; Scholz/Stein 2013; Mayrhofer 2017; Holden et al. 2015a) |
Erkenntnisinteresse | –Historische Perspektive auf kulturelle Begegnungen–Individuelle und Gruppenreaktionen auf Verschiedenheit–Quellen interkultureller Missverständnisse | –Internationalität wirtschaftlicher Organisationen und ihrer Aktivitäten–Kontrastierung kulturell geprägter Management- und Arbeitspraktiken–Erfolgsstrategien im globalisierten Wirtschaftssystem |
Dominantes Paradigma | –Interpretativ-verstehend–Qualitative Empirie | –Objektiviert-gestaltend, funktionalistisch–Quantitative Empirie |
Tab. 10: Wissenschaftsgebiete der Interkulturellen Managementforschung
Die Integration verschiedener Disziplinen zur Interkulturellen Managementforschung konnte bewusster erfolgen, nachdem die Unterschiede zwischen verschiedenen disziplinären Ansätzen herausgearbeitet und benannt wurden. So unterscheidet Sorge (2004b) als die hauptsächlichen Ansätze der kulturvergleichenden Organisationsforschung Kulturalismus, Symbolischer Interaktionismus und Institutionalismus, dem sich eklektische Ansätze zugesellen (Tab. 11).
Ansatz | Aussage | Kultur | Autoren |
Kulturalismus | Geht davon aus, dass sich Gesellschaften »vor allem hinsichtlich ihrer grundlegenden Werte unterscheiden« (Sorge 2004b, 718) | System von Werthaltungen einer Gemeinschaft | Hofstede 1980, 2001 |
Symbolischer Interaktionismus | Fragt nach der »qualitativen Besonderheit von Handlungen und Strukturen aus dem gemeinten, inter-subjektiv geteilten und sozial auf andere Handelnde und Artefakte bezogenen Sinn« (Sorge 2004b, 719) | Symboliken, Handlungspraktiken und Wissensbestände von Gemeinschaften | Berger/Luckmann 1966; D’Iribarne 1989 |
Institutionalismus | Untersucht »die in Institutionen wurzelnden Wege der Koordination und Steuerung von Transaktionen in und zwischen Unternehmen« (Sorge 2004b, 719) | Überdauernde Handlungspraktiken, die zur Legitimitätswahrung entwickelt, übernommen und modifiziert werden | Whitley 1999; Hall/Soskice 2001 |
Eklektische Ansätze, wie z. B. gesellschaftlicher Effekt | »Auf einer hauptsächlich interaktionistischen Grundlage der Wechselwirkungen zwischen Handlungs- oder Sinnsystemen einerseits und der wechselseitigen Konstituierung von Akteuren (mit Wissen und Orientierungen) sowie inter-subjektiven Artefakten anderseits werden gesellschaftliche Verschiedenheiten in der Gestaltung von verschiedenartigen Gebilden und Handlungen erklärt« (Sorge 2004b, 720) | Kultur als interaktionistische Wechselwirkungen zwischen Handlungs- und Sinnsystemen sowie den Akteuren selbst | Maurice et al. 1982; Maurice/Sorge 2000 |
Tab. 11: Ansätze kulturvergleichender Organisationsforschung (nach Sorge 2004b, 718)
Dass sich auf dem Weg der interdisziplinären Zusammenführung der Interkulturellen Managementforschung Friktionen in Bezug auf grundlegende Paradigmen, Forschungsannahmen und Methoden zeigen würden, war zu erwarten: Die jeweils disziplinären Sozialisationen üben eine hohe Prägekraft aus (Schmid/Oesterle 2009). Obwohl dieser interdisziplinäre Abgleich noch nicht abgeschlossen ist, ergibt sich gerade hieraus die Stärke der Interkulturellen Managementforschung: Sie macht Interkulturalität in Bezug auf Organisationen und Management in einer Weise verständlich, dass interpretative, sozial konstruierte Einsichten mit strategisch-ökonomischen Kalkülen abgestimmt werden können.
Die interdisziplinäre Konvergenz zeigt sich besonders anschaulich an der Institutionalisierung der Interkulturellen Managementforschung. So werden Publikationen aus diesem Feld disziplinübergreifend wahrgenommen und auf internationalen Konferenzen zur Interkulturellen Managementforschung treffen sich inzwischen Sozial- und Kulturwissenschaftler mit Wirtschaftswissenschaftlern zu einem Diskurs, der nicht primär ihre Unterschiedlichkeit in den Vordergrund stellt. Als anerkannte Publikationsorgane dienen spezifische Zeitschriften wie etwa Cross-Cultural & Strategic Management, International Journal of Cross-Cultural Management, European Journal of Cross-Cultural Competence and Management, International Journal of Intercultural Relations und Journal of Intercultural Communication Research. Auch wissenschaftliche Vereinigungen wie IACCM (International Association of Cross-Cultural Competence and Management) und SIETAR (Society for Intercultural Education, Training and Research) sind wichtige Foren, die ausgehend von der Forschung teilweise immer stärker die Praxis interkulturellen Trainings und interkultureller Beratung durchdringen. An Hochschulen ist Interkulturelles Management inzwischen ein etabliertes Fach, für das attraktive Studiengänge bestehen.
Gegenwart: Gegenstandsbereich der Forschung
Das Objekt der Interkulturellen Managementforschung ist das Interkulturelle Management. Seine Definition ist nicht einheitlich, verweist aber durchgehend auf einen spezifischen Kontext, Akteure, ihr Verhalten und ihr Zielsystem (Tab. 12).
Autor | Definition |
Adler 1986, 10–11 | »Cross-Cultural Management studies the behavior of people in organizations around the world and trains people to work in organizations with employees and client populations from several cultures. It describes organizational behavior within countries and cultures; compares organizational behavior across countries and cultures; and, perhaps most importantly, seeks to understand and improve the interaction of co-workers, clients, suppliers, and alliance partners from different countries and cultures.« |
Bergmann 1993, 197 | »Es geht beim interkulturellem Management um das Gestalten der Zusammenarbeit von Personen, die auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Kulturen eine Situation: verschieden wahrnehmen (Perzeption), sie verschieden erleben (Fühlen) und, auf sie verschieden reagieren (Handeln), wobei wir, ohne Kultur definieren zu wollen, davon ausgehen, dass man in der Tat, sowohl das System gesellschaftlicher Verhaltensweisen, als auch das ihm zu Grunde liegende Wert- und Sinnsystem berücksichtigen muss.« |
Kumar 1995, 684 | »Von interkulturellem Management spricht man dann, wenn Managementaufgaben in (interkultureller) Interaktion mit Menschen aus fremden Kulturen oder/und mit fremdkultureller Umwelt wahrgenommen werden. Dabei ist stets die Frage immanent – und insofern als (latenter) Bestandteil der Definition anzusehen –, ob die eigenen Lösungsmuster im Rahmen der interkulturellen Interaktion gültig sind oder angepasst werden müssen, um die angestrebten Ziele zu erreichen.« |
Barmeyer 2012a, 118 | »Forschungs- und Praxisfeld, das sich mit Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Fach- und Führungskräften verschiedenkultureller Zugehörigkeit im Rahmen interpersonaler Interaktionen und organisationaler Prozesse beschäftigt und sich auf Theorien und Konzepte der Sozial- und Kulturwissenschaften stützt. Im Rahmen von Managementaktivitäten (wie Strategie, Organisation, Planung, Führung, Kontrolle usw.) werden diese Unterschiede und Gemeinsamkeiten anhand von Wahrnehmungsmustern, Grundannahmen, Denkhaltungen und Arbeitsweisen deutlich.« |
Tab. 12: Definitionen Interkulturellen Managements
Diese Definitionen machen deutlich, dass dem Interkulturellen Management ein kulturalistisches Paradigma zugrunde liegt, das Kultur als einen zentralen Einflussfaktor auf Arbeitsverhalten und Organisationen (Strukturen, Prozesse, Kultur und Strategien) ansieht. Demzufolge kann Wissen über Logiken und Funktionsweisen von Kultur und Interkulturalität zu einer konstruktiveren Zusammenarbeit beitragen. Zentrales Anliegen ist somit, interkulturelle Beziehungen in Organisationen zu (1.) beschreiben und zu (2.) analysieren, um sie bewusst konstruktiv zu (3.) gestalten. Kultur ist zudem ein Erklärungsfaktor für menschliches Verhalten, für Kommunikation und Kooperationen in und zwischen Organisationen. Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob und wie die eigenen Lösungsmuster im Rahmen der interkulturellen Interaktion gültig sind oder angepasst werden müssen, um die angestrebten Ziele zu erreichen. In diesem Sinne stehen – interkulturelle – Kommunikations- und Interaktionsprozesse und ihre Wirkung beim Gegenüber im Mittelpunkt.
Als Wissenschaft verfolgt die Interkulturelle Managementforschung drei Ziele:
–wissenschaftliche Ziele (Empirismus und Rationalismus): das Analysieren, Verstehen und Erklären kultureller Spezifika, kultureller Unterschiede und interkultureller Interaktionen;
–praxisorientierte Ziele (Pragmatismus): das konstruktive Gestalten von Kulturkontakten, um persönliche und organisationale Ziele leichter zu erreichen;
–gesellschaftliche Ziele (Humanismus): das Beitragen zu friedvollem Miteinander und Völkerverständigung durch Verständnis für kulturelle Unterschiedlichkeit in einem humanistischen Sinn.
Dabei bezieht sie sich auf die gesamte Breite des Managementhandelns. Klassische Themenbereiche des Interkulturellen Managements in Lehrbüchern (Adler 1986; Schneider et al. 2014; Thomas/Peterson 2015) oder Sammelwerken (Bhagat/Steers 2009; Chanlat et al. 2013; Holden et al. 2015a; Mayrhofer 2017) betreffen die interkulturelle Führung von Menschen, die Organisation von Unternehmen im internationalen Kontext sowie das Personalmanagement in einem von interkulturellen Dynamiken geprägten Arbeitskontext (Tab. 13).
Führung | Führungsverhalten und -stilInterpersonale Kommunikation und InteraktionFührungseinstellungenWerthaltungenArbeitsverhalten und Arbeitszufriedenheit Verhalten in Arbeitsgruppen |
Organisation | PlanungsprozesseEntscheidungsstilUmsetzungsprozesseKommunikationsprozesse und InformationsprozesseArbeitsteilungOrganisationsentwicklungOrganisationskultur |
Personalmanagement | Personalbeschaffung und -auswahlPersonalbeurteilungAnreiz- und EntlohnungssystemePersonalentwicklungAuslandsentsendung und ReintegrationIntegration von Mitarbeitern aus anderen Kulturen |
Tab. 13: Bereiche kulturvergleichender und Interkultureller Managementforschung (angelehnt an Holzmüller 1995, 46)
Wichtig zur Abgrenzung der Interkulturellen Managementforschung ist es zu bestimmen, was sie nicht ist. So ist sie weder ein Sammelsurium verwunderlicher oder erheiternder Anekdoten interkultureller Begegnungen und kulturellen Besonderheiten noch eine Sammlung konkreter Handlungsempfehlungen »How to do business with …« für den Umgang mit anderskulturellen Menschen. Sie lässt sich nicht auf die Erforschung der Auslandsentsendung von Mitarbeitern in multinationalen Unternehmen reduzieren. Und Interkulturelle Managementforschung ist auch nicht mit einer Grundnormativität versehen, etwa im Sinne von »Man muss sich an andere Kulturen immer anpassen«. Vielmehr ist sie ein faszinierendes, interdisziplinäres und ganzheitliches Forschungs- und Praxisfeld, das durch seine Vielfalt, Komplexität und Multiperspektivität ein systemisches Herangehen erfordert.
Zukunft: Forschungsherausforderungen
Einerseits hat sich Interkulturelle Managementforschung als wichtiges internationales Forschungsfeld etabliert: »Few can doubt the importance of cross-cultural management as a field of ever greater significance in the pantheon of academic management disciplines, and their related streams of literature. It has in recent years matured in both depth and scope.« (Holden et al. 2015b, xlv)
Andererseits kann Interkulturelle Managementforschung als ein sich weiterentwickelndes Forschungsgebiet angesehen werden (Barmeyer 2004a). Mit dem Zuwachs an Erkenntnis können auch Forschungslücken, Forschungsdesiderate und Forschungskritik klarer benannt und konstruktiv angegangen werden. In einer solchen Phase kritischer (Selbst-)Reflektion befindet sich die Interkulturelle Managementforschung zurzeit. In dieser Phase kommen auch die kulturellen Dynamiken im Weltmaßstab – sei es in der Politik, der Gesellschaft, dem Ökosystem oder der Religion – zum Tragen, die ihrerseits vielfältige Herausforderungen an Fragestellungen, Untersuchungen und Lösungsvorschläge mit sich bringen.
Zukünftige Herausforderungen der Interkulturellen Managementforschung setzen an den gängigen Kritiken an, die vielfach geäußert werden. Diese spiegeln – im Sinne eines Überblicks – die zehn kritischen Feststellungen wider, die wesentliche Grundcharakteristika der bisherigen Interkulturellen Managementforschung aufgreifen, hinterfragen und Perspektiven aufzeigen (Tab. 14). Einzelne ausgewählte Aspekte werden in den nachfolgenden Abschnitten ein wenig vertieft.
Zielrichtung von Kritik | Kritische Feststellung zur bisherigen Interkulturellen Managementforschung | Antworten (unter anderem in diesem Buch) |
(1) Grundparadigma | Häufig steht das positivistische Paradigma im Vordergrund, das Kultur und interkulturelle Beziehungen als messbar und von außen deterministisch gestaltbar ansieht. Es dominiert die quantitative Forschung. | Stellenwert des interpretativen Paradigmas, das davon ausgeht, dass Kultur erlebt und beobachtet und von innen mitgestaltet werden muss, nimmt zu. Qualitative Forschung gewinnt an Bedeutung. |
(2) Erkenntnisinteresse | Interkulturelle Managementforschung zielt häufig entweder auf rein theoretische oder auf rein praxisorientierte Erkenntnisse ab. | Verzahnung von Theorie und Praxis nimmt zu. |
(3) Kulturelle Prägung der Forschung | Dominanz westlicher und US-amerikanischer Forschung mit Paradigmen, Modellen, Instrumenten und untersuchten Grundgesamtheiten führt zu einer systematischen Verzerrung (Bias) der Forschungsergebnisse. | Forschungen aus nicht-westlichen Ländern und mit Bezug auf nicht-westliche Kontexte werden verstärkt berücksichtigt. |
(4) Interdisziplinarität | Bislang dominieren in diesem Forschungsgebiet noch zu stark die zwei monodisziplinären Felder »Interkulturforschung« und »Managementforschung«. | Interdisziplinarität der Interkulturellen Managementforschung nimmt aktuell zu. |
(5) Zugrunde gelegtes Kulturkonzept | Vorrangig werden simplifizierende, statische Kulturkonzepte verwendet. | Interkulturelle Managementforschung weitet sich auf offene, dynamische Kulturkonzepte aus. |
(6) Terminologie | Es findet eine Verwechslung und Vermischung verschiedener Begriffe wie Kultur, kulturspezifisch, Kulturvergleich und Interkulturalität statt. Die Begrifflichkeit ist teilweise beliebig, teilweise inhaltsleer. | Saubere Trennung in Kulturspezifika, Kulturvergleich und interkulturelle Führung (»Interkultureller Dreischritt«) dient der klaren Konzeption der Interkulturellen Managementforschung. |
(7) Referenzsystem | Es wird zu wenig differenziert, auf welcher Aggregationsebene Interaktionen stattfinden, ob sie also individuell, gruppenbezogen oder gesamtkulturell erfolgen. | Geschichtet-differenzierte Analyse einzelner Akteure, sozialer Systeme (wie zum Beispiel Organisationen) und ganzer Gesellschaften (»Drei-Ebenen-Modell«) ist notwendig. |
(8) Nutzenerwartung | Vielfach sollen konkrete, häufig operative Probleme im Rahmen gegebener Kulturbedingungen gelöst werden können. | Verschiebung in Richtung komplementär-synergetischer Lösungen, die zudem strategischer gedacht und damit langfristiger gestaltet werden, ist zu beobachten. |
(9) Generalisierungsanspruch | Häufig werden aus empirischen Befunden universelle, dekontextualisierte Schlussfolgerungen abgeleitet. | Moderner Forschungsansatz wählt einen holistisch-systemischen Betrachtungsfokus und kontextualisiert bewusst, beispielsweise auf der Organisationsebene. |
(10) Legitimität | Legitimität von wirtschaftlicher Rationalität und Umgang mit Kultur wird vorausgesetzt und nicht hinterfragt. | Kritische Ansätze wie die Critical Management Studies und die kritische Kulturtheorie hinterfragen den Zweck der Forschung. |
Tab. 14: Zehn kritische Feststellungen und Antworten zur Interkulturellen Managementforschung
Die meisten Kritiken zielen auf eine unzureichend komplexe Sicht der Dinge ab: So werden weder die Komplexität des gesellschaftlichen und ökonomischen Umfelds noch die Komplexität des Kulturbegriffs noch die Komplexität der inhärenten Interdisziplinarität ausreichend erfasst.
Dies beginnt mit der Dominanz des funktionalistischen Kulturparadigmas. Lange Zeit wurde die Interkulturelle Managementforschung von positivistischen und funktionalen Paradigmen bestimmt, die Kultur und interkulturelle Beziehungen als messbar und als von außen deterministisch gestaltbar ansehen. An ihre Stelle treten nun zunehmend interpretative und postmoderne Paradigmen europäischer und nicht-westlicher Forschung. Diese Ansätze nehmen Interkulturalität, die sich lange Zeit nur auf Nationalkultur bezog, wesentlich differenzierter und mehrschichtiger wahr. So werden zunehmend sozialhistorische Kontexte berücksichtigt (D’Iribarne 2003; Ybema/Byun 2009; Dupuis 2014). Nach und nach – wenn bisher auch eher vereinzelt – beeinflussen postkoloniale und Gender-Studien, die schon lange in den Kultur- und Sozialwissenschaften Einzug gehalten haben, die Interkulturelle Managementforschung (z. B. Jack/Westwood 2009; Primecz et al. 2016; Mahadevan 2017). In den Vordergrund rücken auch ungleich verteilte, von Beteiligten nicht immer bewusst wahrgenommene Macht- und Dominanzstrukturen von Akteuren, Organisationen oder ganzen Gesellschaften. Bislang dominieren »die Mächtigen« »die Schwachen« und setzen infolgedessen ihre Interessen, Themen und Entscheidungen durch. Doch interkulturelle Beziehungen sind in bestimmte Kontexte eingebunden, in denen Interessen und Strukturen der Macht asymmetrisch wirken, was die Betrachtung der unterschiedlichen Sichtweisen und divergierenden Erwartungen der beteiligten Akteure erfordert. Die Differenzierung zwischen tendenziell monokulturell ausgerichteten Situationen und interkulturellen Situationen ist zukünftig noch deutlicher zu differenzieren.
Die kulturelle Prägung – konkreter, die westliche Perspektive – der Interkulturellen Managementforschung zu überwinden, ist eine große Zukunftsaufgabe. Ein Blick in die Forschungsgeschichte zeigt, dass ihre Wurzeln in westlichen Gesellschaften liegen (Saussois 1994): in der deutschen Soziologie in der Tradition Max Webers, in den französischen Impulsen seit Henri Fayol, in der US-amerikanischen Managementpraxis seit Frederick Winslow Taylor. Wie stark ein großer Teil der Managementpraxis von den USA geprägt ist, darauf verweisen unzählige Methoden und Instrumente in Organisationen wie Change-Management, Knowledge Management, Matrix-Organisation, Corporate Values, MBO, Feedback, 360°-Feedback, Empowerment, Assessment Center, Coaching, Diversity Management, Corporate Social Responsibility, Work-Life-Balance, Compliance. Der Eindruck der US-amerikanischen Hegemonie (z. B. Frenkel/Shenhav 2003; Schmid/Oesterle 2009; Tietze/Dick 2013) resultiert zum Teil aus der Dominanz der englischen Sprache, mit der auch (US-amerikanische) Normen auf Management- und Wissenschaftspraktiken übertragen werden (z. B. Archer 2000; Tietze 2004; Gmür 2007; Davoine/Gmür 2012; Chanlat 2014). Hinzu kommt ein Oligopol aus fünf dominierenden Wissenschaftsverlagen (Elsevier, Taylor & Francis, Wiley-Blackwell, SAGE Publications, Springer Nature), die weltweit mehr als die Hälfte der internationalen Journal-Publikationen herausgeben (Larivière et al. 2015). Die Folge ist eine weltweite Harmonisierung der Zugänge zu Forschung (Adler/Harzing 2009) und Standardisierung der Publikationsformate, die bei Zugrundelegung einer universellen Wissenschaftsauffassung funktional erscheint. Jedoch ist kritisch zu hinterfragen, ob die US-amerikanisch dominierte Interkulturelle Managementforschung den konkurrierenden Forschungstraditionen anderer Länder tatsächlich qualitativ überlegen ist (Barmeyer/Ivens 2011). Und der norwegische Friedensforscher Johan Galtung (1981, 1983) hat bereits in einem amüsanten und vielbeachteten Essay zu intellektuellen Stilen thematisiert, dass Wissenschaftslogiken nicht universell sind, sondern ihre Spezifika – er unterscheidet teutonische, gallische, sachsonische und nipponische – aufweisen. Es ist an der Zeit, die Internationalität der Interkulturellen Managementforschung in den Blick zu nehmen, indem der Forschung von Forschern aus nicht-westlichen Ländern, in nicht-englischer Sprache und mit Bezug auf nicht-westliche Kulturen ein höherer Stellenwert eingeräumt wird (D’Iribarne 2007; Jack/Westwood 2009).
Eine weitere, vermutlich nur langfristig lösbare Herausforderung ist, Theorie und Praxis der Interkulturellen Managementforschung stärker miteinander zu verzahnen. Beide liegen relativ weit auseinander, es existieren nur wenige Berührungspunkte zwischen diesen beiden Welten und beide Welten scheinen sich sogar noch voneinander zu entfernen: »Praktiker misstrauen den wissenschaftlichen Konstrukten der Theoretiker, diese wiederum misstrauen den typologisierend-pragmatischen Ansätzen der Praktiker. Im Interkulturellen Management müssen Beratungsfirmen notgedrungen mit Generalisierungen arbeiten, um die Komplexität kultureller Systeme für Trainingsteilnehmer verständlich zu machen« (Barmeyer 2000, 100). Hinzu kommt, dass die Interkulturelle Managementforschung Folgerungen für ein zielrationales Verhalten vor dem Hintergrund einer multidimensionalen Kultureffektivität ableiten will, wohingegen die Interkulturelle Managementpraxis eine viel engere ökonomische Effektivität in den Vordergrund rückt (Keller 1982). Während die Forschung fragt: »Wie können wir Kulturspezifika und ihren Einfluss auf Organisationen und Arbeitsverhalten analysieren?« oder »Müssen starre und hermetische Kulturannahmen zugunsten multipler Kulturen abgelöst werden?«, interessiert sich die Praxis für Fragen wie »Wie können wir pragmatisch und zielführend mit Kulturunterschieden umgehen?« oder »Was können wir verbessern?«. Im Kern spiegelt sich auch hier der zentrale Unterschied im Umgang mit Komplexität wider: Die Forschung erkennt Komplexität als Chance und will sie nutzen, die Praxis erkennt Komplexität als Risiko und will sie reduzieren. Diese Entkopplung zwischen Theorie und Praxis gilt es zu überwinden: mittels Überwindung der Selbstreferentialität beider Bereiche sowie mittels Betonung der Komplementarität von Forschung und Praxis: »Die Forschung kann durch die Anwendungsbezogenheit der Praxis neue Impulse und Entwicklungen bekommen; die Praxis kann von den Forschungsergebnissen der Wissenschaft profitieren und sie auf den Beratungsalltag übertragen.« (Barmeyer 2000, 101). Für ein Konstruktives Interkulturelles Management müssten daher immer wieder Gelegenheiten der Begegnung und des Dialogs geschaffen werden, in gemeinsamen Institutionen und mit grenzüberschreitenden Akteuren, die sich zwischen dem Forschungs- und dem Praxissystem hin- und her bewegen.
Eine weitere Herausforderung der Interkulturellen Managementforschung betrifft die ausgeprägte Problemorientierung (Cameron 2017; Chanlat/Pierre 2018), die einseitig auf Unterschiede fokussiert. Zu diesem Ergebnis kommen auch Stahl und Tung (2015). Sie zeigen anhand einer Inhaltsanalyse von 244 Artikeln des Journal of International Business Studies (JIBS) über 24 Jahre hinweg sowie anhand von 400 Artikeln des Cross Cultural Management: An International Journal (CCM) über 18 Jahre hinweg, wie negative Aspekte von Interkulturalität betont werden, positive jedoch weitgehend unbeachtet bleiben: Probleme, Hindernisse und Konflikte, die durch kulturelle Unterschiede hervorgerufen werden, stehen im Fokus, wohingegen die positiven Dynamiken und Resultate kultureller Unterschiede außen vor bleiben (Tab. 15).
»While there are suggestions in the literature that cultural diversity can offer meaningful positive opportunities to individuals, groups, and organizations, we argue – and demonstrate empirically – that the problem-focused view of cultural diversity is by far predominant in research on culture in International Business. In other words, we know much less about the positive dynamics and outcomes associated with cultural differences than we know about the problems, obstacles, and conflicts caused by them.« (Stahl/Tung 2015, 393)
Effekte kultureller Unterschiedlichkeit | Theoretische Artikel | Empirische Artikel mit theoretischen Annahmen | Empirische Artikel mit empirischen Ergebnissen |
Journal of International Business Studies (JIBS) | |||
negativ | 69 % | 75 % | 53 % |
neutral/ausgewogen | 27 % | 20 % | 40 % |
positiv | 4 % | 5 % | 7 % |
Cross-Cultural Management: An International Journal (CCM) | |||
negativ | 50 % | 42 % | 10 % |
neutral/ausgewogen | 48 % | 58 % | 90 % |
positiv | 2 % | 0 % | 0 % |
Tab. 15: Ergebnisse der Inhaltsanalyse für theoretische und empirische Artikel in JIBS und CCM (Stahl/Tung 2015, 396, 397, unsere Übersetzung)
Diese Sicht kultureller Unterschiedlichkeit als negativ und als Problem lässt sich vielfach begründen (Barmeyer/Davoine 2016) – beispielsweise dadurch, dass
–Wissenschaftler eher auf negative Phänomene mit stärkerem oder zumindest sichtbarerem Einfluss auf soziale Systeme und Interaktionen reagieren als auf positive (Cameron 2008, 2017),
–das Praxisinteresse an negativen Erfahrungen in der Managementpraxis größer ist als an Positiverfahrungen (Margolis/Walsh 2003)
–es in der Natur der westlich geprägten Dialektik liegt, Kontraste und Polaritäten (gut versus schlecht) zu betonen (Fang 2012).
Stahl et al. (2017) empfehlen, dass die Interkulturelle Managementforschung zunehmend den Blick auf positive Effekte kultureller Unterschiedlichkeit lenkt, um konstruktive Interkulturalität zu fördern. Das wird sie insofern auch müssen, als sich in Zukunft die Interkulturelle Managementforschung verstärkt mit Themen wie dem Management in Schwellenländern oder Integration kulturell diverser Personen in Organisationen und Gesellschaften befassen muss – was unter dem Blickwinkel des Negativen sicherlich nicht lösbar sein wird.
Durch die zahlreichen gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und technologischen Umbrüche und Entwicklungen hat sich der Kontext, in dem Organisationen agieren, dramatisch geändert. Somit müssen auf die komplexen neuen Herausforderungen auch entsprechende differenzierte Antworten gefunden werden, wie es Phillips und Sackmann (2015, 16) betonen: »If the discipline is to be helpful and flourish, scholars will need to investigate adequately the multifaced nature of culture in organizational settings, to share this well-grounded knowledge with practitioners, and to provide them with more differentiated framework and language.« Hierzu gehören etwa die stärkere Berücksichtigung der Kontextgebundenheit von Situationen und die Anwendung pluralistischer Forschungsmethoden (Barmeyer 2004a).
Es ist an der Zeit, Interkulturelle Managementforschung neu zu denken: Interkulturelle Herausforderungen von Organisationen lassen sich weder mit simplifizierenden und dekontextualisierten Handlungsanleitungen in Form von dos und don’ts noch mit deterministischen starren Kulturverständnissen meistern, sondern mit Bewusstsein und Wissen über die Bedeutung von Interkulturalität, multiplen Kulturen und dynamischer Interkultur. Somit versteht sich die zukünftige Interkulturelle Managementforschung als strategischer Ansatz zur Gestaltung konstruktiver Interkulturalität.