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„Janko kämpfte für uns alle“

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Zehn Tage sind seit dem Doppelmord vergangen. Am Ende eines enger werdenden Tales tauchen erst Häuser und dann ein Dorf auf: Štiavnik, Ján Kuciaks Heimatgemeinde, im Jahr 1439 in einer Schrift des Habsburgers Albrecht II. erstmals urkundlich erwähnt. Entlang der einzigen breiteren Straße drängen sich geduckte kleine Häuser. Dahinter nehmen dichte Buchenwälder ihren Anfang. Bratislava liegt zweihundert Kilometer oder eine ganze Welt entfernt. In der Kirche sitzen die Menschen eng gedrängt auf den Bänken, noch mehr stehen fassungslos davor. Schon eine Stunde bevor die Totenmesse beginnt, murmeln die alten Frauen aus dem Ort den Rosenkranz. Es ist ein weinendes und klagendes Memento, unterbrochen von lautem Schluchzen, das aus der Aufbahrungshalle dringt. Dort wachen die Eltern, seine Schwester und der Bruder vor Ján Kuciaks Leiche am offenen Sarg. Er liegt darin im Anzug, den er bei seiner Hochzeit getragen hätte. So wie seine Verlobte drei Tage zuvor im weißen Brautkleid bei ihrem Begräbnis. TV-Teams aus aller Welt platzieren sich vor dem mit grünem Samt und weißen Rosen ausstaffierten Grab. Sie filmen die Leere in der Tiefe. Als die Glocken dumpf und beharrlich schlagen, gleitet der Sarg ins Dunkel. Später spricht Marek Vagovič, Kuciaks Chef. Er steht wie etliche seiner investigativ tätigen Kollegen seit Bekanntwerden des Mordes rund um die Uhr unter Polizeischutz und sagt: „Ján war so jung, so voller Ideale, mit dem ganzen Leben noch vor sich. Er glaubte daran, einmal in einem Land zu leben, an dessen Spitze keine korrupten Politiker und Mafiosi mit weißen Hemdkrägen stehen. Jeden Tag kämpfte Ján dagegen an, beschäftigte Polizei, Prokuratur und Gerichte. Aufgrund seines außergewöhnlichen Talents schuf er sich rasch einen großen Kreis von Feinden. Trotzdem ließ ihn das nicht zurückschrecken, denn er tat es nicht für sich selbst, nicht für Ruhm oder Geld. Janko kämpfte unermüdlich für uns alle, damit wir besser leben und ruhiger schlafen können. Wir dürfen jetzt nicht resignieren. Wir müssen in Jáns Sinne weiterarbeiten, um die Wahrheit zu suchen und die Angst zu überwinden. Seine Courage sollte unsere Inspiration und Verpflichtung dabei sein.“


Gedenken an den ermordeten Journalisten und seine Verlobte

Bild: Ricardo Herrgott

Wer wollte, dass Ján Kuciak stirbt? Und warum? Wer überschritt diese letzte Grenze jeglichen rationalen menschlichen Handelns und glaubte, einen Journalisten nur mehr aufhalten zu können, indem er Männer dafür bezahlte, ihn zu töten? Wie konnten der oder die Auftraggeber annehmen, mit einer solchen Hinrichtung mitten im Herzen Europas davonzukommen? Waren sie, die Hintermänner des Mordes, gelöst, erleichtert und befreit, nachdem die Killer ihre Arbeit getan hatten? Was verbarg Ján Kuciak, das ihn sein Leben kostete? Und warum nahmen die Täter in Kauf, auch seine Verlobte mit ihm zu töten, so als sei sie nur ein Kollateralschaden ihres Verbrechens?

Die Ermittlungen, die auf den Doppelmord folgten, förderten unvorstellbar Geglaubtes zutage. Sie führen zu einer Geschichte von Macht und deren Missbrauch, zu Servilität und Sex, zu einem mafiösen Netzwerk, das Morde beging und weitere plante. Zum Vorschein gelangt ein System, das vom Verbrechen ausgehöhlt und unterwandert worden ist, privatisiert und instrumentalisiert von kriminellen Gruppen, deren Tentakel weit hineinreichen in Justiz, Polizei und bis in die Spitzen der Politik. Wäre das alles nur der Hollywood-Plot für einen Polit-Thriller, die Produzenten würden das Drehbuch wohl zurückwerfen: zu abgründig, zu abstrus, zu brutal, zu viel von allem. Doch es ist die Wahrheit, und die gewährt einen selten intimen Einblick ins Innere eines Systems. Denn es war ein politischer Mord. Ján Kuciak und Martina Kušnírová mussten sterben, weil sie in einem Mafia-Staat lebten.

Ján Kuciak und die Paten von Bratislava

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