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Im Ratssaal des Grünbaums zu Würzburg wurde es laut. Hatte die Fertigstellung der gewaltigen Turmhaube der riesigen Bürgerkirche am neuen Markt wenige Jahre zuvor denn nicht schon genügend hart in ihrer aller Säckel der Stadt gewütet? Kostete der Anteil des Rates an der Neuerrichtung der großen Brücke die braven Bürger nicht schon genug? Brauchte es an der Kirche da wirklich auch noch eine Figurengruppe entlang der hoch aufragenden Strebepfeiler, die so geschickt den Schub des Netzgewölbes im Innern aufnahmen?

„Zu den Themen der Maria und des Weltengerichtes an den Portalen passen nun einmal die Heiligen Apostel unseres Herrn. So seht das doch ein“, sagte Johann von Allendorf mit erhobener, Autorität gewohnter Stimme. Der Probst des Ritterstifts St. Burkard, Domherr und enger Vertrauter des alten Fürstbischofs Rudolf von Scherenberg nahm als Vertreter des Oberrates an der Sitzung teil.

„Es sind doch nicht die Apostel unseres Herrn, es ist das Geld, das uns drückt. Zwölf lebensgroße Figuren in der Höh’ dort oben. Herrschaftszeiten, lassen wir der Kapell’ doch alleweil mal die Ruh’. Wir kommen doch kaum noch mit der vielen Steuer deines Bischofs hinterher“, entgegnete Endres Stein von der mächtigen Zunft der Wirte und Weinmesser.

„Und die Brücke“, rief ein anderer aus den Reihen der einfachen Räte, „sag dem Allendorfer doch mal, wer dem Bischof die Brücke baut.“

So ging es für eine Weile hitzig hin und her. Den Vertretern des Oberrates und dem Fürstbischof warf man vor, die Stadt und ihr Bürgertum nicht nur kontrollieren zu wollen, sondern mittels erzwungener Pflichten wie dem Neubau der Brückenbögen und Fahrbahn in Stein, immer weiterer Mauern, Tore und Türme sowie nun auch noch die Figuren an der städtischen Kirche in nicht endender Sorge und Geldnot halten zu wollen. Die Oberräte hielten dagegen, dass Brücke und Mauern zwar einer Sorge ihres gnädigen Landesherrn entsprängen, aber es sei dies doch nur die Sorge um das Wohlergehen der Stadt und ihrer Bürger, die Sorge um seine Untertanen. Endlos hätte der Wortkampf aus Rede und Widerrede angedauert, wäre nicht der Anton Mühlbach aus der Hauger Vorstadt schließlich vorgetreten, um den Räten einen neuen Vorschlag anzutragen. Er hatte hier das Rederecht, durfte bei Entscheidungen aber nicht mitstimmen.

„Ihr Herren, geben wir der Stadtkirche doch zunächst nur zwei große Figuren. Sehen wir, wie das Volk diese aufnimmt und ob es die weiteren sodann bezahlen will.“

Unschlüssiges Raunen. „Nur zwei Apostel?“, meldete sich nun wieder Endres Stein misstrauisch zurück. „Welche wählst du dafür aus?“

Mühlbach rieb sich kurz den spitz geschnittenen Bart. „Keine Apostel. Es müssten andere sein, eine Zweiergruppe, ein Paar …“

„Da kannste der Maria ja gleich Adam und Eva hinstellen“, feixte ein anderer dazwischen und schlug sich auf die Schenkel, gefolgt von einigem Gelächter aus dem Kreis der Räte.

‚Adam und Eva! Das ist es doch, Ihr Herren, der Mutter Gottes stehen wohlgefällig die ersten Menschen, die Eltern des Menschengeschlechts zur Seite.“

Getuschel breitete sich im Wenzelsaal aus, zum ersten Mal an diesem Tag. Dann ließ sich einer der Zunftvertreter vernehmen: „Aber wo stellen wir die dort oben an den Pfeilern auf? Nach Süden sind es vom Chor bis zum Westportal genau zwölf Pfeilerplätze für die Figuren. Auch deshalb die Apostel. Willst du sie also daruntersetzen?“

Wieder überlegte der besonnene Mühlbach. „Nicht darunter, nein. Dem Südportal mit der Krönung Mariens zu den Seiten. Im Tabernakel, geradewegs wie es für Apostel an den Pfeilern vorgeschlagen wurde.“

So wie es dem Rat anstand, wurde das Für und Wider noch zur Gänze ein Stündchen lang abgewogen. Der beinahe einmütige Beschluss fiel indess zur Beauftragung zweier lebensgroßer Figuren von Adam und Eva für das Südportal der ebenso riesigen wie prachtvoll lichten Kapelle der Würzburger Bürgerschaft aus. Der Bildhauer zur Ausführung wäre noch zu bestimmen, das hatte Zeit, vielleicht ja der junge Meister Til von der Sankt-Lukas-Gilde. Nicht wenige beglückwünschten den pfiffigen Mühlbach für seine kluge Idee zu der doch sehr viel kleineren Gruppe. So gewann man gegenüber Oberrat und Bischof Zeit, solcherlei Jahre wahrscheinlich, und man sparte sich viele städtische Gulden, die an anderer Stelle dringender gebraucht wurden. Es kam nicht oft vor in diesen Zeiten, dass es ihrem Rat gelang, der fürstbischöflichen Obrigkeit eine lange Nase zu drehen. Die großen Ratskrüge wurden herbeigeschafft und dem Anlass gemäß recht ordentlich gefüllt.

Johann von Allendorf aber verließ mit den übrigen Gesandten des Oberrates grußlos den Saal: „Dies hier ist noch nicht vorbei. Es fängt gerade erst an!“

Tilman und die Nackten

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