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Was ist stärker globalisiert: Kultur oder Wirtschaft?

Globalisierung wird vor allem als wirtschaftliches Phänomen wahr- genommen, doch ist der Grad der Vernetzung in manchen kulturellen Bereichen sogar höher. Darüber hinaus ist die scharfe Trennung von Kultur und Ware oftmals nicht möglich, denn Kulturgüter sind auch Teil der ökonomischen Globalisierung. Die Politik mag hinter deren Dynamik zurückgefallen sein, doch die Nationalstaaten haben bereits auf zahlreichen Politikfeldern einen Teil ihrer Souveränität an supra-oder internationale Organisationen abgetreten. Alle Bereiche der Globalisierung sind jedoch von Akteuren weniger Staaten dominiert.

Coca-Cola oder Schule: Was ist globaler?

Globalisierung wird zumeist in Verbindung mit der Angst um Arbeitsplätze oder mit weltumspannenden Kapitalmärkten in Verbindung gebracht. Die Assoziation ist nicht zufällig, denn der Begriff „Globalisierung“ stammt aus der Betriebswissenschaft. Doch ist die Ökonomie tatsächlich die am stärksten globalisierte Dimension der menschlichen Existenz? Überall auf der Welt finden sich nicht nur eine Coca-Cola-Büchse oder ein McDonald’s-Restaurant, sondern auch Schulen, Poststationen und Polizisten. Zwar mögen Schulen von Ort zu Ort sehr unterschiedlich ausgestattet sein, doch orientieren sie sich alle an der Idee, dass Kinder getrennt von zu Hause von professionellen Lehrpersonen unterrichtet werden soll.

Die Frage ist, ob diese Vereinheitlichung nur an der Oberfläche aller Weltkulturen aufzufinden ist und ob nicht, wie Eberhard Schmitt meint, die Globalisierung „gerade auch das Gegenteil, nämlich bewusste Regionalisierung,|9◄ ►10| bewusstes Festhalten an kultureller Eigenart“ (Schmitt 2009: 23) fördert.

Begriffsgeschichte: Strategieentwürfe für Unternehmen

Bevor der Begriff „Globalisierung“ zu Beginn der Neunzigerjahre in Mode kam, wurde von Internationalisierung gesprochen. Damit wollte man darauf hinweisen, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten zwischen („inter“) den Nationen zugenommen haben. Die Betonung lag noch auf „Nationen“, da man davon ausging, dass die jeweilige Nation in ihren Grenzen und insbesondere in ihrer Fähigkeit, diesen Grenzen Geltung zu verschaffen, bestehen blieb. Unternehmen, die nicht nur ins Ausland exportierten, sondern dort auch produzierten, wurden multi- bzw. transnationale Konzerne genannt. Doch wirklich „multi“-national, d.h. in mehreren Ländern gleichermaßen heimisch, waren nur die wenigsten Unternehmen. Auch heute noch werden die meisten global agierenden Unternehmen von ihrem ursprünglichen Stammsitz aus von Personen aus dem Land dieses Stammsitzes geführt (Ausnahmen: der schweiz-schwedische Maschinenbaukonzern ABB, der deutsch-französische Chemiekonzern Aventis). Deshalb traf die Bezeichnung „transnationaler“ Konzern eher zu, da sie das über die Grenzen einer Nation Hinausgehende betont.

Die frühen transnationalen Konzerne verhielten sich zumeist auch im Ausland „national“, ihre Produktions- und Verkaufsstrategien waren auf den jeweiligen nationalen Markt gerichtet. Deren ausländische Produktionsstätten hatten vor Ort ihre Zulieferer und bedienten im Wesentlichen den dortigen Markt. In manchen Fällen unterschied sich ihr ausländisches Produkt von ihrem heimischen Produkt ganz erheblich: Ein bei Köln in Deutschland hergestellter Ford Taunus hatte keine Ähnlichkeit mit einem Ford in den USA. Doch war es gerade die Firma Ford, die Ende der Siebzigerjahre diese nationalen Beschränkungen mit einem so genannten „Weltauto“ überwinden wollte. Die einzelnen Teile wie Motoren, Scheinwerfer oder Sitze kamen aus Ford-Werken von (fast) allen Erdteilen und das Auto (ein Escort) wurde dann in wenigen, wiederum um den Globus verteilten Endmontagewerken zusammengebaut und nahezu identisch weltweit vertrieben (für England das Lenkrad auf der rechten Seite, für die USA größere Stoßstangen etc.). Im ersten Anlauf misslang diese Strategie, die Koordinationsprobleme waren zu groß und der Geschmack der Kunden war noch zu national geprägt. Doch das Prinzip war zukunftsweisend und im Laufe der Achtzigerjahre wurde es |10◄ ►11| von vielen ManagementberaterInnen zur Nachahmung empfohlen, allerdings in leicht abgewandelter Form: Nicht für die ganze Welt, sondern jeweils für eines der drei großen Wirtschaftsgebiete (Nordamerika, Westeuropa und Japan, die so genannte Triade) sollte es verwirklicht werden.

Bereits wenige Jahre später, zu Beginn der Neunzigerjahre, entdeckte die betriebswirtschaftliche Literatur die Globalisierung, und „Management-Gurus“ wie Kenichi Ohmae von der Wirtschaftsberatungsfirma McKinsey empfahlen den Firmen, global zu denken. Sie sollten sich nicht nur hinsichtlich ihrer Absatzgebiete und Produktionsstandorte global positionieren, sondern auch hinsichtlich ihrer Eigentümerstrukturen und ihres Führungspersonals. Zugleich plädierte diese Literatur für das vollständige Verschwinden nationaler Grenzen (borderless world). Mit anderen Worten, die Firmen sollten sich zunehmend so verhalten, als gäbe es keine nationalen Grenzen mehr (Ohmae 1990).

Von da an machte der Begriff rasant Karriere. Der Grund dafür ist nicht zuletzt, dass heute fast alle Menschen dieser Welt in die globale Arbeitsteilung einbezogen sind. Warum wird dann aber der Begriff Globalisierung verwendet, der einen Prozess und nicht einen endgültigen Zustand beschreibt? Der Endzustand, Globalität, ist nicht und wird sicherlich auch nicht bald erreicht sein, denn selbst auf wirtschaftlichem Gebiet, auf der Ebene der Politik ohnehin, machen sich staatliche Grenzen noch bemerkbar (→ Kapitel 5).

Globalisierung: Ein Begriff mit Wirkung

Noch eine Anmerkung zum Begriff „Globalisierung“: Dieser wird nicht nur zur Beschreibung des Prozesses des Bedeutungsverlustes nationaler Grenzen für den Austausch von Waren und Zeichen (Geld, Informationen etc.) verwendet, sondern auch zur Begründung von Handlungsanleitungen. Wegen der Globalisierung sollte man auf nationale Technologieförderung verzichten, nur moderate Lohnerhöhungen fordern, eine Welt-Umweltschutzbehörde gründen etc. Mit anderen Worten, unter Verweis auf die Globalisierung werden die unterschiedlichsten wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Positionen vertreten. Globalisierung ist somit auch ein Kampfbegriff, und zwar im doppelten Sinne. Zum einen soll durch seinen Einsatz die jeweils eigene Position gestärkt werden und zum anderen ist sein Bedeutungsinhalt umkämpft: Bietet die Globalisierung Chancen oder stellt sie eine Gefahr dar, ist sie unausweichlich? Diesem Thema wollen wir uns im Kapitel 4 ausführlicher zuwenden.

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Definition

Wir wollen im Folgenden mit einer sehr allgemeinen Definition arbeiten: Mit dem Begriff „Globalisierung“ wird ein Prozess des Bedeutungsschwunds nationaler Grenzen für menschliche Aktivitäten bezeichnet, der mit einem Bedeutungsgewinn für globale Bezugspunkte einhergeht.

Dimensionen der wirtschaftlichen Globalisierung

Der Begriff „Wirtschaft“ umfasst viele unterschiedliche Aktivitäten, die wir wie folgt gruppieren: Handel mit Gütern, Handel mit Dienstleistungen, Organisation der Produktion, kurz- und langfristige Kapitalinvestitionen und Angebot von Arbeitskraft.

Der grenzüberschreitende Handel nahm in den letzten Jahrzehnten rasant zu, und zwar schneller als die wirtschaftlichen Aktivitäten innerhalb der meisten Länder, so dass sich das Gewicht von Im- und Exporten für die einzelnen Volkswirtschaften deutlich erhöht hat. Während der Außenhandel für Deutschland schon immer wichtig war, nahm er beispielsweise in den USA in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts rasant zu, in Indien in diesem Jahrtausend.

Schaubild 1: Entwicklung des grenzüberschreitenden weltweiten Warenhandels von 1950 bis 2007 Index (1950 = 1), in konstanten Preisen, Zuwächse in Prozent


Quelle: World Trade Organization (WTO): International Trade Statistics 2005, 2008; eigene Berechnungen, Lizenz: Creative Commons by-nc-nd/3.0/de, Bundeszentrale für politische Bildung 2009: www.bpb.de

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Dienstleistungen wie Haare schneiden waren lange gerade dadurch definiert worden, dass sie nicht gehandelt werden konnten, da Erbringung und Verbrauch zeitlich zusammenfallen. Dank des Internets können Dienstleistungen auch grenzüberschreitend erbracht werden, z.B. durch Online-Kurse der britischen Open University. Doch bereits zuvor konnten die Kunden der Dienstleister aus dem Ausland kommen, z.B. Touristen, oder die Dienstleister konnten zu den Kunden kommen, z.B. IngenieurInnen bei Staudammbauten. Die treibenden Kräfte, Dienstleistungen global zu erbringen, sind Banken und Versicherungen, die vor Ort Tochtergesellschaften gründen, die dann dort die jeweilige Kundschaft bedienen.

Ein großer Teil des Außenhandels findet zwischen Tochter- und Muttergesellschaften innerhalb von transnationalen Konzernen statt. Die fokalen Unternehmen, z.B. ein Endprodukthersteller, lenken heute nicht nur ihre Tochtergesellschaften, sondern auch rechtlich selbstständige Zulieferunternehmen in einer zunehmend globalen Herstellerkette (Wertschöpfungskette).

Der Aufbau solcher Wertschöpfungsketten, aber auch die Erbringung von Bank- oder Versicherungsdienstleistungen vor Ort bedarf einiger Maßnahmen. Dazu gehören Investitionen in Bauten und/oder Maschinen bzw. die Beteiligung an oder der Kauf von bereits vorhandenen Fabriken oder Bürogebäuden. Diese werden „ausländische Direktinvestitionen“ genannt (üblich ist die englische Abkürzung für Foreign Direct Investments: FDI) und bei ihnen steht die Kontrolle über die Investition im Vordergrund. Bei Portfolioinvestitionen hingegen sind die Kapitalgeber vor allem darin interessiert, die erworbenen Wertpapiere gegebenenfalls rasch verkaufen zu können. Zum Teil werden eher Veräußerungsgewinne angestrebt als Dividenden oder Zinszahlungen.

Globalisierte Menschen

Während die Hürden für grenzüberschreitende wirtschaftliche Transaktionen Schritt für Schritt abgebaut werden (→ Abschnitt politische Dimensionen der Globalisierung), haben viele Länder die Zuwanderung von Arbeitskräften in den letzten Jahrzehnten stark beschränkt. Gleichwohl nahm weltweit die Migration von Menschen nicht nur im Vergleich zu den Sechzigerjahren zu. Zu den Ursachen zählen viele Faktoren, u.a. das riesige Lebensstandardgefälle auf der Welt, die Deindustrialisierung der Länder der ehemaligen Sowjetunion (in der Ukraine stieg die Arbeitslosigkeit unter Frauen auf 80 Prozent an, Sassen 2006: 129), aber auch Kriege. |13◄ ►14| Besonders ausgeprägt ist die Binnenwanderung vom Land in die Slums der großen Metropolen im globalen Süden (z.B. Mumbai) aufgrund des Bevölkerungswachstums und der Verdrängung der wenig effizienten Subsistenzlandwirtschaft, die primär der Eigenversorgung dient. In die entgegengesetzte Richtung zur Arbeitsmigration fließt in vielen kleinen Beträgen Geld in die Ursprungsländer zurück. Diese Rücküberweisungen – z.B. von MigrantInnen an ihre Familien im Heimatland – übersteigen mittlerweile insgesamt die öffentliche Entwicklungshilfe.

Für zwei Kategorien von Grenzüberschreitungen von Menschen bestehen kaum Einschränkungen. Zum einen ist eine wachsende Zahl an höher qualifizierten MitarbeiterInnen von transnationalen Konzernen für kurze oder längere Zeit im Ausland tätig. Zum anderen verbringen insbesondere die Menschen in den kleineren, reichen Ländern zu einem sehr hohen Prozentsatz einen Teil ihres Urlaubs ebenfalls im Ausland. Ungefähr 70 Prozent aller Urlaubsreisen der Deutschen haben das Ausland als Ziel. Für gering qualifizierte Menschen bestehen rigide Einschränkungen ihrer grenzüberschreitenden Mobilität. Dies beeinflusst jedoch nicht zwangsläufig die Entscheidung zu migrieren. Dementsprechend leben zunehmend Menschen als „Illegalisierte“ ohne legalen Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung.

Schaubild 2: Trends in der internationalen Migration seit 1960


Quelle: Globale Trends 2010, Frankfurt/M: Fischer Taschenbuch Verlag

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Globalisiert trotz geringer Teilhabe an der Weltwirtschaft?

Obwohl große Teile der Welt nur geringfügig am weltwirtschaftlichen Austausch teilnehmen, was insbesondere auf die meisten Länder Afrikas zutrifft, erfolgt deren geringe Einbindung nicht aus freiem Willen, sondern ist Folge ihrer Schwierigkeiten, sich in der globalen Arbeitsteilung erfolgreich zu behaupten. Der geringe Anteil Afrikas am Welthandel (nur 3% der Weltexporte ging 2008 von afrikanischen Ländern aus), bedeutet jedoch nicht, dass diese Länder vom Weltmarkt abgekoppelt sind:

• Hinter den geringen Exporterlösen versteckt sich auf Grund der geringen Produktivität eine große Zahl an Erwerbstätigen: Knapp ein Viertel der Bauern in Äthiopien (ungefähr ein Achtel der Erwerbsbevölkerung) baut Kaffee für den Export an und spürt somit die Schwankungen des Weltmarktpreises für Kaffee.

• Umgekehrt beeinflusst die Nahrungsmittelhilfe die lokalen Marktpreise in Afrika.

• Die zahlreichen Bürgerkriege werden nicht zuletzt durch den Handel mit Edelsteinen finanziert.

• Ungefähr 40 Prozent des afrikanischen Geldvermögens soll laut Schätzungen außerhalb des Kontinents angelegt sein.

• Aus vielen afrikanischen Ländern ist die akademische Elite ausgewandert.

• Die Mehrzahl der afrikanischen Länder ist überschuldet und muss daher die Auflagen des Internationalen Währungsfonds erfüllen.

Dimensionen der kulturellen Globalisierung

Mitte der Neunzigerjahre forderten MusikerInnen in Deutschland erstmalig die Einführung einer Radioquote. Diese sollte festlegen, dass ein bestimmter Anteil der im Radio gespielten Musik deutschsprachig ist. Damit sollte ein Beitrag zur Erhaltung der kulturellen Vielfalt geleistet werden. Vor einigen Jahren haben sich auch die Bands „2raumwohnung“ und „Mia.“ aus Angst vor dem „Verlust von Identität und geistigem Erbe“ dieser Forderung angeschlossen. Einer solchen Position liegt ein Verständnis von Kultur zugrunde, welches diese als fest abgeschlossene Einheit versteht, die im Zeitalter der Globalisierung gegen andere Einflüsse verteidigt werden müsse. Entgegen einer solchen Sichtweise hat sich in der Wissenschaft die Erkenntnis durchgesetzt, dass Kultur keineswegs |15◄ ►16| einen „Container“ darstellt, der mit den nationalstaatlichen Grenzen in eins fällt. Vielmehr sind die Unterschiede zwischen bestimmten Regionen in einem Land oft größer als zwischen ähnlichen geographischen Regionen unterschiedlicher Länder.

Kultur wird nicht als homogene Einheit und naturgegeben, sondern als in sozialen Prozessen hergestellt und damit als beständig in Veränderung verstanden. Wir werden in Kapitel 2 sehen, dass die Globalisierung keineswegs ein neues Phänomen, sondern ein historisch weit zurückreichender Prozess ist. Dementsprechend wurden Gesellschaften immer von den Einflüssen anderer Kulturen geprägt und sind durch das gegenseitige Aufnehmen und Abgrenzen der jeweiligen Elemente entstanden (Brock 2008: 121). Das Konzept der Hybridität, welches sich großer Aufmerksamkeit in der Diskussion um Globalisierung und Kultur erfreut, macht diese grundlegende „Unreinheit“ bzw. Nicht-Authentizität von Kultur sichtbar.

Da die aktuelle Phase der Globalisierung deutlich geprägt ist von der weltweiten Ausbreitung des Kommunikations- und Mediennetzes, lösen sich jedoch die Bindungen kultureller Praktiken an bestimmte Räume zunehmend und es kommt zu einer weltweiten Verfügbarkeit z.B. von Musik, Filmen, Nachrichten und ästhetischen Formen.

Schaubild 3: InternetnutzerInnen weltweit


Quelle: International Telecommunication Union 2010: http://www.itu.int

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Im Bereich der Kommunikationstechnologien ist eine rasante Verbreitung in allen Regionen der Welt festzustellen, vor allem im Bereich der Festnetz- und Mobilfunkanschlüsse. Letztere stiegen von 11 Millionen im Jahr 1990 auf 4,6 Milliarden im Jahr 2009.

Auch die Zahl der Internetverbindungen wächst beständig. Während es 2006 erst 426 Millionen Internetverbindungen gab, stieg diese Zahl auf etwa 1,8 Milliarden im Jahr 2009.

Laut der International Telecommunication Union – einer Sonderorganisation der UN – verkleinert sich die „Digital Divide“, sprich die Kluft zwischen ökonomisch entwickelten und sich entwickelnden Staaten bzgl. des Zugangs zum Internet und anderen Kommunikationsmedien, zunehmend. Dennoch lassen sich noch immer große Unterschiede zwischen den Entwicklungs- und Industrieländern feststellen.

Die wachsende Verbreitung des Internets führt zur Entwicklung neuer Kommunikationsformen. Soziale Netzwerke wie studiVZ, MySpace, twitter und Facebook stellen solche neuartigen Kommunikationsformen dar. Mehr als 500 Millionen Menschen pflegen im Durchschnitt täglich eine Stunde ihre weltweiten Kontakte mithilfe von Facebook. Ein großer Anteil der Postings verweist auf Musik, Filme und andere Kulturprodukte, die in den jeweiligen lokalen Kontexten konsumiert werden. Per Mausklick machen sich diese Verweise auf den Weg um den Globus.

Auch der Bereich der Fernsehunterhaltung ist zunehmend globalisiert. Zum Beispiel ist das Sendeformat Wer wird Millionär? mittlerwei-le von Fernsehanstalten in über 100 Ländern lizensiert. Dabei ist das Erscheinungsbild der Sendung – Kameraeinstellung, Studiogestaltung, Lichteffekte – mit kleinen Ausnahmen, z.B. bzgl. der Gewinnhöhe, streng geregelt. Global verfügbare Unterhaltungsformate sind ebenso Talentwettbewerbe und Castingshows wie Deutschland sucht den Superstar oder Popstars und Reality-Soaps wie Big Brother.

Schaubild 4: Verbreitung des Sendeformats „Wer wird Millionär“


Quelle: bestätigt durch Sony Pictures Television, Lizenz: Creative Commons by-nc-nd/3.0/ de, Bundeszentrale für politische Bildung 2010: www.bpb.de

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Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die Frage, ob Globalisierung zu einer Vereinheitlichung, einer Vermischung oder gar zu einer Stärkung traditioneller Elemente der jeweiligen Kulturen führt. Die Antworten darauf sind kontrovers: Einige TheoretikerInnen sprechen sich dafür aus, dass die Welt zunehmend unter US-amerikanischen (McDonaldisierung, Amerikanisierung) oder westlichen Einflüssen (Westernization) im Zeichen von Coca-Cola und des Big Macs als Repräsentationen eines westlichen, modernen Lebensstils vereinheitlicht wird. McDonald’s, die größte und bekannteste Fast-Food-Kette, ist mittlerweile mit über 32.000 Filialen in 118 Staaten der Welt vertreten.

„Caffè Latte“ in Pappbechern ist durch die in 44 Ländern vertretene Kette Starbucks ebenso nahezu weltweit zu der Form, Kaffee zu konsumieren, geworden. Hierbei geht es nicht nur um das Produkt an sich, sondern um den damit transportierten urbanen Lebensstil.

Entgegen der These der Amerikanisierung beschränkt sich die Globalisierung der Kultur jedoch nicht auf eine einfache Bewegung, die von den USA oder den westlichen Industriestaaten ausgeht. Vielmehr lassen sich auch in den USA und Europa deutliche Einflüsse der Kulturen anderer Kontinente beobachten. Zum Beispiel haben sich japanische Comics, Mangas, in den USA und Europa als anerkanntes Genre durchgesetzt: Unter den 100 beliebtesten Comic-Bänden in den USA waren 80 Manga-Bände. Manga-Zeichenwettbewerbe, Manga-Preisverleihungen und Manga-Magazine deuten auf die Beliebtheit der Comics in Deutschland hin.

Entgegen der Vereinheitlichungsthese spricht sich der Kulturwissenschaftler Stuart Hall dafür aus, dass die Globalisierung nicht zu einer Homogenisierung von zuvor scheinbar abgeschlossenen Kulturgemeinschaften führt, sondern vielmehr eine Erweiterung dessen darstellt, was als globale Kultur zu verstehen ist (Dürrschmidt 2002). Inwiefern die Angleichung der Bilderwelten und Kulturgüter auf der Produktionsebene auf die Rezeption in den jeweiligen lokalen Kontexten wirkt, ist umstritten. Der These der Erweiterung der Kulturen folgend, können nichtheimische Kulturprodukte in eigener Weise aufgenommen und verändert werden (Stichwort „Bollywood“).

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Diese genannten Aspekte verweisen auf eine weitere zentrale Dimension, die bei der Definition von Kultur eine Rolle spielt: Kultur ist auch eine Ware und die Kulturwirtschaft ist einer der am schnellsten wachsenden Bereiche der Weltwirtschaft. Statistiken der UNESCO zeigen, dass sich im Zeitraum zwischen 1994 und 2002 das Handelsvolumen kultureller Güter fast verdoppelt hat (Glasze/Meyer 2009). Dementsprechend erscheinen Forderungen wie die zu Beginn genannte Radioquote noch in einem anderen Licht, nämlich als Versuche, den eigenen Markt zu schützen (→ Kapitel 4), denn im Musikbereich liegt der Marktanteil US-amerikanischer Produktionen bei 60%. Im Filmbereich sind die USA ebenfalls die absoluten Marktführer. Trotz dieser scheinbaren US-amerikanischen Dominanz ist zu bedenken, dass die These der Amerikanisierung oberflächlich ist, denn „Hollywood ist heute nicht viel mehr als eine Metapher, wo mit japanischem, europäischem und australischem Geld Regisseure aus China, Korea, Deutschland und England Filme drehen“ (Wagner 2002: 16).

Dimensionen der politischen Globalisierung

Der grenzüberschreitende Austausch beschränkt sich nicht nur auf materielle und kulturelle Güter. Im Bereich der Politik wird seit langem der Austausch von Informationen praktiziert. Seit dem zweiten Weltkrieg findet dies zunehmend in institutionalisierter Form in den Foren der Vereinten Nationen, aber auch in vielen anderen internationalen Organisationen statt. Viele „Probleme“ können aufgrund der fortgeschrittenen Vernetzung nicht mehr von Nationalstaaten allein gelöst werden. So müssen zum Beispiel Klimaschutzmaßnahmen international abgestimmt, national durchgesetzt und lokal umgesetzt werden (Behrens 2005). Seit Mitte der 1970er Jahre versuchen sich die Regierungschefs besonders mächtiger Staaten auf regelmäßigen Gipfeltreffen (G7, G8 und derzeit G20) vor allem bezüglich ihrer wirtschaftspolitischen Maßnahmen abzustimmen. Im zunehmenden Maße führen diese Gespräche zu verbindlichen Vereinbarungen über Verhaltensweisen der jeweiligen Staaten, sei es in militärischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Belangen.

Die Aufgabe nationaler Souveränität, sprich die Bereitschaft, die Entscheidungen supra- bzw. internationaler Organisationen im eigenen staatlichen Hoheitsgebiet zu akzeptieren, ist besonders ausgeprägt in den Militärbündnissen. So ging zum Beispiel die Gründung der Nordatlantischen Verteidigungsorganisation (NATO) der Gründung der Europäischen Union voraus. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen kann |19◄ ►20| sogar Staaten ermächtigen, andere Staaten anzugreifen. Regierungen und nationale Gerichte halten sich zudem vermehrt an Entscheidungen der im Ausbau befindlichen internationalen Gerichtsbarkeit. Diese hat ihren Ursprung im 1922 gegründeten Ständigen Internationalen Gerichtshof in Den Haag (seit 1945 der Internationale Gerichtshof ), dessen Entscheidungen allerdings nicht immer von den Staaten befolgt werden (Beispiel: die militärischen Aktivitäten der USA gegen Nicaragua im Jahr 1984). Seit 2002 besteht ein Internationaler Strafgerichtshof (IStGH) mit Zuständigkeit bei Völkermord und Kriegsverbrechen. China und die USA haben neben einigen anderen Staaten noch nicht die Hoheit dieses Gerichtes anerkannt. Für die EU-Mitgliedsstaaten gewinnt der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) an Bedeutung.

Schaubild 5: Internationale Gerichtshöfe


Quelle: Le Monde diplomatique (Hrsg., 2003): Atlas der Globalisierung. Berlin: Taz Verlag

Unterhalb der Gerichtsbarkeit entstand ein ausgedehntes Schlichtungswesen. Prominent ist das seit 1995 bestehende Streitbeilegungsverfahren der Welthandelsorganisation (WTO), welches von einem WTO-Mitgliedsland eingeleitet werden kann, wenn es der Meinung ist, dass sich ein anderes Mitgliedsland nicht an die vereinbarten Regeln hält. Feste Fristen für alle Verfahrensschritte sorgen für ein vergleichsweise zügiges Verfahren. Auch mächtige Staaten halten sich weitgehend an die WTO-Schiedssprüche.

Auf zahlreichen Politikfeldern treffen sich die Mitglieder der jeweiligen Ministerialbürokratien zum regelmäßigen fachbezogenen Austausch, auch ohne ein explizites Mandat ihrer Regierungen (sog. Transnational Executive Networks).

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Als mittlerweile fester Bestandteil der globalen politischen Architektur versuchen Nichtregierungsorganisationen (NRO), die Interessen der Zivilgesellschaft in das internationale System einzubringen. Nicht nur ist die Anzahl der NRO seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges beständig gewachsen, viele Nichtregierungsorganisationen sind heute über den Globus vernetzt. Zum Beispiel ist Greenpeace mittlerweile in über 40 Ländern vertreten. Andere NRO vernetzen sich auch untereinander, um ihren Anliegen besser Gehör zu verschaffen. Solche Netzwerke – wie zum Beispiel das im entwicklungspolitischen Bereich tätige Netzwerk „Development Alternatives with Women for a New Era“ (DAWN) – werden als „Transnational Advocacy Networks“ bezeichnet.

Zusammen mit VerbandsvertreterInnen der Wirtschaft, MinisterialbürokratInnen und WissenschaftlerInnen beteiligen sich NRO auch an globalen Netzwerken zu einzelnen Politikfeldern (sog. „Global Public Policy Networks“), z.B. im Landwirtschaftsbereich an der Consultative Group on „International Agricultural Research“ (CGIAR).

Ob auf Regierungs- oder auf NRO-Ebene, die internationale Kooperation ist von Macht durchzogen. Der UN-Sicherheitsrat wird von wenigen ständigen Mitgliedern beherrscht, mit der G8 maßen sich einige reiche kapitalistische Länder an, die Geschicke der Welt zu lenken, im Internationalen Währungsfonds verfügen die USA und die EU über eine Sperrminorität. Nicht alle NROs verfügen über die entsprechenden Ressourcen, die nötig sind, um sich beispielsweise für die Beratungen des Wirtschafts- und Sozialrates der UN akkreditieren zu lassen oder die entsprechenden Flug- und Tagungskosten aufzubringen. Auf diese Weise werden kleinere NROs aus den Gestaltungsprozessen ausgeschlossen.

Weiterführende Literatur

Debiel, Tobias / Messner, Dirk / Nuscheler, Franz / Roth, Michèle / Ulbert, Cornelia (2010): Globale Trends 2010. Frieden. Entwicklung. Umwelt. Frankfurt/M.

Held, David / McGrew, Anthony / Goldblatt, David / Perraton, Jonathan (1999): Global Transformations: Politics, Economics and Culture. Stanford

Le Monde diplomatique (2009; Hrsg.): Atlas der Globalisierung. Sehen und verstehen, was die Welt bewegt. Berlin

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