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Was ist Globalisierung?

Globalisierung: Selten hat ein Begriff so rasch und nachhaltig Karriere gemacht. Er fasste auf einen Schlag viele Phänomene zusammen, die schon länger beobachtet wurden. Insbesondere gab er der Vorstellung einen Namen, dass das Sozialstaatsniveau und die Lohnhöhe zunehmend globalen Prozessen angepasst werden müssten. Vor allem wirtschaftliche Zusammenhänge werden von der Globalisierung geprägt. Doch spielen nationale Grenzen auch für die so genannten GlobalisierungskritikerInnen immer weniger eine Rolle. Diese treffen sich an den verschiedensten Orten der Welt, sei es in Genua (Italien), Porto Alegre (Brasilien) oder Seattle (USA). Sie kommen dort nicht als Mitglieder nationaler Delegationen, sondern als Mitglieder international operierender Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und basisdemokratisch organisierter politischer Gruppen und Netzwerke zusammen.

In den wohlhabenden Weltregionen nähert sich insbesondere unter jungen Menschen der Geschmack beim Kauf von Kleidung, Nahrungsmitteln und Autos, also der äußere Lebensstil, an. Konnten früher US-AMERIKANISCHE Studierende von deutschen u.a. dadurch unterschieden werden, dass Erstere ihre Lehrbücher locker unterm Arm trugen (zur Not mit einem Gürtel zusammengehalten) und die Letzteren in einer Ledertasche, greift dieses Unterscheidungsmerkmal dadurch nicht mehr, dass der Großteil der Studierenden heute Umhängetaschen der gleichen Hersteller über der Schulter trägt. Ferner ist der Medienkonsum deutlich internationaler geworden, sei es durch die Ausstrahlung vor allem US-AMERIKANISCHER Produktionen durch nationale beziehungsweise lokale Fernsehsender, sei es durch direkten Zugang zu einem ausländischen Sender oder sei es, dass im Internet die Website eines ausländischen „Content Provider“ angesteuert wird.

Die Globalisierung hat natürlich längst die Wissenschaft erreicht. Zum einen wird sie selbst von ihr geprägt: Wer kennt nicht eine/n ProfessorIn, die eine Lehrveranstaltung mit der Begründung einer Konferenzteilnahme in Beijing oder Los Angeles verschiebt? Zum anderen haben viele sozial-und auch kulturwissenschaftliche Fächer die Globalisierung als Studienobjekt entdeckt. In der Politologie, der Soziologie und der Ökonomie werden zudem Stimmen laut, die dafür eintreten, dass die bisherige vorherrschende Analyseeinheit für politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse, nämlich der Nationalstaat, zugunsten einer globalen, weltgesellschaftlichen Perspektive aufgegeben wird.

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Der Streit um die richtige sozialwissenschaftliche Analyseeinheit ist nur eine von vielen Kontroversen, die die Globalisierung ausgelöst hat. Einigen dieser Auseinandersetzungen wollen wir im vorliegenden Buch nachgehen. So wird über grundlegende Fragen der Globalisierung gestritten: Welche gesellschaftlichen Sphären sind überhaupt globalisiert, ist Globalisierung bloß ein neues Wort für ein altes Phänomen. Des Weiteren werden die Ursachen und die Auswirkungen der Globalisierung kontrovers diskutiert: Ist die Globalisierung unausweichlich oder von interessierten Akteuren durchgesetzt worden, entmachtet sie tatsächlich den Nationalstaat oder ist dieser nicht selbst treibende Kraft der Globalisierung? Und wer profitiert eigentlich von der Globalisierung, alle oder nur wenige? Seltener wird nach den Auswirkungen der Globalisierung auf das Verhältnis von Frauen und Männern gefragt. Doch diese seit kurzem gestellte Frage bringt eine überraschende Erkenntnis zu Tage: Die Globalisierung hat ein Geschlecht.

Zur Veranschaulichung der gesellschaftlichen Brisanz, die in der Globalisierung liegt, wollen wir hier gleich zu Beginn die Frage aufwerfen, wie mit ihr umgegangen wird. Das Spektrum ist breit. Es reicht von glühenden BefürworterInnen fortschreitender globaler Vernetzung bis hin zum Plädoyer für kleinräumiges Wirtschaften. Zu den radikalsten Kritikern zählen die Anhänger von al-Qaida, die dem westlichen Lebensstil den Krieg erklärt haben. Für diesen Krieg nutzen sie jedoch Waffen aus globaler Produktion und die zentralen Symbole der Globalisierung: Flugzeuge und das Internet. Sie werden dies alles als Äußerlichkeiten, als unausweichliche Hilfsmittel ihres „heiligen“ Kampfes ansehen, doch gerade der zentrale Bezugspunkt ihrer Identität, der Islam, ist genauso wie das Christentum eine „missionarische“ Religion, die auf Ausbreitung angelegt ist und universale Gültigkeit beansprucht. Wie wir im zweiten Kapitel darstellen werden, hat die Globalisierung ihre Wurzeln auch in der Missionierung.

Das extreme Beispiel von al-Qaida zeigt aber vor allem eins, dass nämlich die entscheidende gesellschaftliche Konfliktlinie nicht die Globalisierung an und für sich ist, sondern die Frage danach, was und wie globalisiert werden soll. Soll das Kapital Zugang zu allen Orten der Welt erhalten oder soll es heißen: „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch“? Soll die Globalisierung sich über anonyme Märkte entfalten oder soll es transkontinentale gesellschaftliche Dialoge geben, in denen die Art und Weise des Austauschs verhandelt wird? Die Frage nach den heutigen Alternativen zur derzeit vorherrschenden neoliberalen Globalisierung, die auf Märkte setzt, werden wir abschließend aufgreifen.

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Globalisierung

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