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DER TOD FÄHRT IMMER MIT

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Antoine Blondin war ein echter Chronist. Er war bei der Tour de France, als diese ihren ersten Todesfall zu beklagen hatte, den Briten Tom Simpson. Er sah die Fahrer, wie sie erschüttert waren von der Nachricht vom Ableben eines der Ihren. Er war auch präsent, als das Peloton am Tag danach die Etappe nur langsam bestritt und es Simpsons Freund Barry Hoban erlaubte, als Erster den Zielstrich zu passieren; Hoban heiratete zwei Jahre später die Witwe Simpsons und wurde zum Vater für dessen Kinder.

Blondin hatte zuvor Freude daran gehabt, den Mann von der Insel als bunten Vogel des Radsports zu porträtieren, der den Stil von Eton und Windsor in die proletarisch geprägte Radsportwelt auf dem Kontinent einführte.

Nun, in Eton hatte Simpson nicht studiert. Er war Sohn eines Bergarbeiters und holte sich als junger Bursche wie einst Fausto Coppi seine Ausdauer auf dem Rad durch das Ausliefern von Lebensmitteln beziehungsweise Fleischwaren (Coppi). Zum Ritter wurde er auch nicht geschlagen - im Gegensatz zu Bradley Wiggins, seinem Nachfolger als britischer Radsportstar. Für extravaganten Stil aber sorgte Simpson. Fernsehaufnahmen aus den Sechzigerjahren zeigen ihn im Anzug mit Einstecktuch und mit Bowler-Hut auf dem Kopf. Nicht einmal der Stock fehlte. Simpson trat nicht nur im Fernsehen so auf. Sogar zum Rennen ging er so. »Ich habe ihn in solchem Aufzug einmal die Startnummer für die Hölle des Nordens abholen sehen«, erinnert sich Radsportlegende Raymond Poulidor. Zudem liebte Simpson schnelle Autos. Er soll mit Tempo 100 durchs Londoner West End gebraust sein. Simpson, der Straßenweltmeister von 1965 und erster Brite im Gelben Trikot der Tour, mochte mit solchen Eskapaden seine einfache Herkunft kompensiert haben: Das Rad, das er sich in ersten Jahren noch mit anderen teilen musste oder die Brotjobs als Lieferjunge und technischer Zeichner.

Für den literarischen Husaren Antoine Blondin - er gehörte nicht zufällig dem »Mouvement des Hussards« an - war diese Mischung aus Rasanz und Ästhetik natürlich ein gefundenes Fressen. Simpson wurde zu einem bevorzugten Objekt der Beschreibung. Wegen der Exzentrik, aber auch, weil gerade diese Exzentrik es erlaubt, ihn als bunten Vogel in die Radsportwelt zu integrieren, als »Citoyen« von der Insel, der sich in all seiner Fremdartigkeit auch in den kontinentalen Radsport integriert. Simpson sprach fließend Französisch, wohl auch etwas Italienisch und Flämisch - die Arbeitssprachen jener Zeit im Peloton.

13. Juli 1967, der letzte Tag, den Simpson erlebte, begann auf die ihm eigene Weise: »Wir stiegen im Hafen von Marseille in ein Boot. Das war kurz vor dem Start zur 13. Etappe von Marseille nach Carpentras«, erzählte sein Kumpel Barry Hoban. Ein Boot wollte Simpson zum Karriereende selbst erwerben - und Touristen vor Korsika ausfahren; er hatte ein Haus auf der Insel gekauft und stellte sich so das Leben nach dem Radsport vor.

Simpson startete guten Mutes in die Etappe hinauf zum Mont Ventoux. Doch lassen wir Pierre Chany, Chronist und Dauergast auf der Rückbank des roten Peugeot 203, zu Wort kommen: »Es ist glühend heiß, als der Spanier Jimenez angreift, Poulidor heftet sich an seine Fersen. Eine erste Verfolgergruppe formiert sich mit Roger Pingeon, Felice Gimondi und Tom Simpson im weißen Trikot mit dem Union Jack; weiter oberhalb fällt Simpson zurück. Sein Rad schlingert wie ein Boot, der Oberkörper pendelt hin und her, der Kopf ist zur rechten Schulter geneigt, das Gesicht blutleer. Erschöpfung pur. Plötzlich stoppt er und ist umringt von Männern mit bloßen Oberkörpern. Es sind Zuschauer, zufällig an dieser Stelle des Aufstiegs zum Mont Ventoux, dort, wo es längst keine Bäume mehr gibt, die Schatten spenden, wo der Riese der Provence nur noch kahl ist und mehr an eine Mondlandschaft als an eine irdische Gegend erinnert.

Die Männer halten Simpson. Sie bewahren ihn vor dem Sturz, lassen ihn sanft zu Boden gleiten. Tourarzt Pierre Dumas versucht eine Herzdruckmassage, Mund zu Mund-Beatmung. Jede Hilfe ist vergebens. In den Taschen findet Dumas leere Ampullen von Amphetaminen.«

Die Autopsie stellt Spuren von Stimulanzien in Simpsons Körper fest. Das macht den Briten zum ersten Dopingtoten der Tour de France - selbst wenn die Ursachen seines Herzstillstands am Ventoux nie lückenlos aufgeklärt wurden. Sicher ist, dass er Amphetamine und Alkohol zu sich nahm. Wahrscheinlich ist auch eine Dehydrierung in der extremen Hitze. Kein Element taugt für sich allein als Todesursache. Die Kombination daraus aber schon. Einige Schakale begannen bei der Tour zu heulen, weil sie tötete.

Simpson war bei weitem nicht der einzige Doper im Peloton. Allein für sein Todesjahr 1967 sind 48 Radsportler überliefert, die wegen Dopings auffielen, mindestens 35 von ihnen wegen Stimulanzien.

Exzentrisch war Simpson in seinem Doping also nicht, eher gewöhnlich. Noch nicht einmal im Sterben war er allein. Der Belgier Roger de Wilde erlitt ebenfalls 1967 einen Herzinfarkt wegen der Einnahme von Amphetaminen. Weil dies nur bei einem Kirmesrennen irgendwo in der Provinz passierte, erregte der Fall kaum Aufsehen. Hingegen wurde Simpson auch in den Medien zunehmend zu einem Mythos verklärt, der ähnlich wie Ikarus in seinem Höhenflug der Sonne zu nahe kam und dafür sein Leben ließ. Heutige Radprofis winken einen Gruß in den Himmel, wenn sie seinen Todesort passieren. Trauriger Schlusspunkt eines wilden Lebens.

Mitarbeit: Tom Mustroph

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