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Meine eigenen Anfänge.

Mein Leben begann wohlbehütet im Nachkriegsdeutschland von Adenauer und Wirtschaftswunder.

Mein Vater hatte eine Lebensstellung und verdiente für damalige Verhältnisse, „gutes Geld“, wie man im Rheinland sagt.

Meine Mutter war schon früh mit 14 Jahren im Dritten Reich bei Kriegsbeginn 1939 in eine Lehre bei Miele gegangen und lernte im Büro Stenografie und Büroarbeit. Sie war eine von Tausenden junger Frauen, die als Schreibkraft in einer aufstrebenden Firma Arbeit und Unabhängigkeit gefunden hatten.

1951 heiratete sie meinen Vater, denn das tat man damals erst dann, wenn man ein „Auskommen“ dafür hatte.

Und so dauerte es noch 5 Jahre, bis es die Vernunft erlaubte, mit 31 Jahren ein Kind in die Welt zu setzen, was damals als Spätgeburt galt.

Während meiner Mutter immer wieder mal die kriegsbedingten Schäden an ihrer Seele anzumerken waren, war mein Vater ein liebevoller und ruhiger, zurückhaltender Mann, der in den seltensten Fällen mal laut wurde, wenn trotzdem, dann aber nur dann, wenn meine Mutter mit ihrer oft nervigen und unerbittlichen Art zu viel des „Guten“ fabriziert hatte.

Die Hintergründe all dieser Lebenswege und Schicksale begriff ich natürlich erst viel später, sehr viel später, eigentlich erst so richtig dann, als es viel zu spät war.

Ich wuchs also, ohne Ansehen aller dieser Dinge und, oberflächlich gesehen, ohne davon belastet zu sein, in einer recht wohlbehüteten und heilen Welt auf.

Problematisch wurde dies erst viel später, als ich in die Pubertät kam und sich plötzlich viele Fragen auftaten:

,Wo wart ihr, als Hitler Deutschland und die Welt in den Abgrund stürzte?’

, Was habt ihr getan oder besser nicht getan, um das alles zu verhindern?’

,Warum habt ihn den Juden nicht geholfen?’

und so weiter.

Dies ergab natürlich ausreichend Zündstoff, vor allem, weil meine Eltern dieses Thema wie der Teufel das Weihwasser scheuten.

Denn hätten sie sich tatsächlich auf ein solches Erklärungsunterfangen eingelassen bzw. hätten sie selbst noch mal an das Thema „heran“ gemusst, wären Wunden aufgebrochen und das eigene Schuldgefühl hätte eine sachliche Debatte per se unmöglich gemacht.

So wurde gestritten und abgewehrt, wurde „aufeinander eingeprügelt“, Vorwürfe gemacht und Rechtfertigungen hinausgebrüllt.

Eine tatsächliche Auseinandersetzung im konstruktiven Sinne, eine empathische Unterhaltung oder auch nur Verständnis und Verständigung waren in solch einer angespannten emotionalen Situation nicht möglich.

Und so stieg zum einen die Verbitterung auf Seiten meiner Eltern noch an und zum anderen begrenzte mein Unverständnis und die Unfähigkeit einer sachlichen Aufarbeitung meine eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten.

Das Thema wurde mehr und mehr gemieden, hinterließ deshalb auf beiden „Seiten“ einen sehr fahlen Nach- und Beigeschmack, der sich einnistete, der die weiteren Jahrzehnte bestimmte und meine Eltern und mich selbst in eine emotionale Dauerstarre versetzte.

So vergrößerte sich die Kluft noch mehr, eine Kluft, die qua Generationsunterschied bereits größer war, als bei allen späteren Generationen zusammen. Es baute sich so etwas wie eine eigene „Berliner Mauer mit Stacheldraht“ auf.

So passte unsere Familiengeschichte wie „Faust aufs Auge“ in die „bleierne“ Zeit des bundesdeutschen Nachkriegstraumas.

Dieser unserer Vater-Sohn-Beziehung immanente Abstand zwischen meinem Vater und mir blieb bis zu diesem Tag auf seinem Sterbebett erhalten, als dann plötzlich alles von ihm abfiel, was je als Barriere und Distanz aufgebaut worden war und in diesem einen „Moment“ der Öffnung und Ehrlichkeit kumulierte.

Es war ein großes Glück, dass ihm sein Sterbeprozess doch noch einige Zeit bot, seine Geschichte in Ruhe und ausführlich zu erzählen. Sein Verstand funktionierte bis zum letzten Augenblick mit der ihm eigenen scharfen Präzision und Ausdauer.

Ich brauchte viele Jahre, die Last dieses lebenslangen Schweigens, den Horror dieser großen Kluft und am Ende die Wucht der Offenbarung zu verkraften.

Es war weniger der Inhalt der Geschichte selbst, es war, wie sich herausstellte, verrückterweise die Vorwegnahme meiner eigenen Geschichte. Hätte ich gewusst, dass die Geschichte meines Vaters auf eine ganz perfide Weise meine eigene werden würde, hätte diese Kluft bereits Jahrzehnten zuvor wie eine Seifenblase zerplatzen können. Wie sagte mal jemand: .Hätte, hätte Fahrradkette’.

Die Tatsache, eine solche Geschichte auf dem Sterbebett meines Vaters zu erfahren und nie ein einziges Mal etwas von dieser Tragweite geahnt zu haben, erschütterte mich in meiner tiefsten Seele.

Ich muss zugeben, ich hatte große Probleme damit und hätte ich mir nicht die Hilfe geholt, die sich mein Vater versagen musste, wäre ich daran im wahrsten Sinne des Wortes eingegangen.

Lesen Sie nun selbst, lieber Leser, was es für unerwartete Dinge im Leben gibt. Da erscheint so etwas wie eine Pandemie, die wir heute erleiden müssen, wie „Peanuts“.

Natürlich ist das nicht wahr, eine Pandemie mit Tausenden von Toten lässt sich politisch korrekt und intellektuell betrachtet nicht mit so etwas vergleichen. Aber emotional fühlt es sich für mich so an und das sei mir bitte verziehen.

Vasili

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