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Vorwort

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Nebenstehende literarische Perle kennen Sie vielleicht aus dem Munde von Armin Berg. Er sang diesen und andere Texte so gut, dass man ihn augenblicklich als Autor vermutete. Aber nein: Louis Taufstein – trotz seines sehr christlich anmutenden Namens fühlte er sich dieser Religion übrigens nicht zugehörig – ist der Schöpfer der Worte, Arthur Werau jener der Musik, und alle miteinander wussten die Herren natürlich genau, wie es sich mit »neuen« Witzen verhält: Sie werden, wenn sie gut sind, sofort gestohlen und weitererzählt. In unseren Herzen erlangen sie einen festen Platz, sobald eine Patina samt tiefen Gebrauchsspuren sie überzieht. Wenn ich also nach Schon geht der nächste Schwan und Schwan drüber ein weiteres Mal den weißgefiederten Anekdoten-Transporter sattle, dann tue ich dies in dem festen Bewusstsein, meiner geschätzten Leserschaft überhaupt nichts Neues berichten zu können. Nur Altbewährtes, vielleicht neu Kombiniertes und viel eigenhändig Gestohlenes wird dieser Band enthalten.

Bei Leseaufenthalten in Oberösterreich wurde mir eine Wortbedeutung mitgeteilt, die ich überhaupt nicht gekannt hatte, die aber sehr gut zu meinen gesammelten Schwänen passt: »Schwanern« heißt im lokalen Dialekt nämlich so viel wie »flunkern«, »überhöht schildern«. Liebe Oberösterreicherinnen und oberösterreicher, vielen Dank – genau das tue ich hier!

Sie erinnern sich vielleicht: Beim Schwan Numero zwo hatte ich eine Überfülle von Anekdötchen angesammelt und rang in der Vorbemerkung zum Buch um einen Titel. Diesmal war es umgekehrt. Noch vor Erscheinen von Schwan drüber rief mich die multitalentierte Sing-Komödiantin Sigrid Hauser an und meinte, es tue ihr furchtbar leid, sie könne wegen eines Auslandsengagements nicht zur Präsentation kommen. Dabei sei der Titel doch so vielversprechend: Nochmal Schwan gehabt! Ich pflichtete ihr bei, der Titel sei wirklich großartig, sei es aber nicht. Also beschlossen Sigrid und ich sofort telefonisch, ich müsse irgendwann einmal ein Buch dieses Namens schreiben. Somit hatte ich einen wunderbaren Namen für einen (letzten) Fortsetzungsband und kein Material dazu, aber die moralische Verpflichtung, solches zu sammeln. Wie war das zum Beispiel bei Leo Tolstoi? Ist ihm auch zuerst der knackige Titel Krieg und Frieden eingefallen und dann erst der Rest?


Haben Sie schon einmal mit Sigrid Hauser ein Duett gesungen? Nein? Das ist etwas Herrliches.

Da Sie, meine Verehrten, nun ein richtiges Buch in Händen halten, können Sie daraus schließen, dass ich brav gesammelt habe.

Warum?

Mein Motiv war jedenfalls nicht, die Welt zu verbessern – das wird auch dieses Buch nicht schaffen. Schon der letzte Schwan ist in seinen zaghaften Bemühungen um Sprachsäuberung gescheitert: Die Menschheit sagt immer noch »im Endeffekt«, obwohl es diesen nicht gibt; sie sagt »am Weg« und »am Gipfel«, wenn sie »auf« denselben meint. Auch wenn ich das schöne Wort Triumph so buchstabiert lese, dass es sich auf Schlumpf reimt, nämlich »Triumpf«, stört das mich allein, und ich kann das Gestörtsein nicht in die Welt streuen. Aber halt! Ich habe zumindest ein paar Leidensgenossinnen und -genossen, nämlich Guido Tartarotti und seine Anhängerschaft; ich genieße es, wenn er seine sprachliche Ganselhaut angesichts von Formulierungen wie »nicht wegzudenken« in lustige Kolumnen ergießt (und vielleicht sind ihm diese Zeilen auch ein paar Zeilen wert – ich wäre geehrt –, denn eine Ganselhaut kann man eigentlich nicht ergießen). Wenn es Tartarotti nicht gäbe, man müsste ihn herdenken.

Schwinge ich mich neuerlich in autorische Höhen auf, um mein unerschöpfliches Wissen zu demonstrieren? Im Gegenteil. Oft, ja immer öfter sprechen mich Hilfe suchende Menschen an und gebrauchen dabei die Eröffnungsfloskel: »Sie wissen doch so viel …« Oder gar: »Sie wissen doch alles …«

Um Gottes willen, nein! Ich habe den starken Eindruck, immer weniger zu wissen, je mehr ich erleben und erlesen muss. Nur ein Beispiel: Was hat Karl Hohenlohe mit diesem Satz in seiner Kolumne am 9. Juli 2015 gemeint?

Frau Sarata etwa, die ja ursprünglich der Operette verfallen war, erweckt heute Erinnerungen an eine Wien-Gesandte, Herr Wagner-Trenkwitz war in jungen Jahren wahrscheinlich Fürst eines Zwergenstaates und wurde vom marodierenden Volk ins Exil gezwungen, und Bundy & Bundy waren eigentlich als Zweitbesetzung für die Kessler-Zwillinge gedacht.

… keine Ahnung. Aber muss ich alles wissen? Ich verstehe zum Beispiel auch nicht, dass die Hohenlohe-Kolumnen nach 15 ruhmreichen Jahren nicht mehr im Kurier erscheinen.

Ich schrieb dies Büchlein auch nicht, um mich zu bereichern; man soll nur ja nicht glauben, dass ein solches Unterfangen viel Geld trägt. Die deutsche Verwertungsgesellschaft VG Wort ließ mich etwa wissen, dass in meiner Sache gar kein pekuniärer Segen zu erwarten sei; aber immerhin sandte mir eine Frau Doktor »i. A .« (das hat nichts mit dem Ruf des Esels zu tun, sondern bedeutet »im Auftrag« … aber von wem?) ein E-Mail, mit dem ich einige Zeilen füllen kann. Bitte lesen Sie diesen Text sehr schnell und laut durch:

Betr. Schwan drüber

Sehr geehrter Herr Wagner-Trenkwitz,

für obigen Titel kann die Bibliothekstantieme nach § 45 Abs. 1 u. 2 des Verteilungsplans nicht vergütet werden, da die dort geforderte Verbreitung in wissenschaftlichen Bibliotheken der Bundesrepublik Deutschland nicht gegeben ist. Um in angemessenem Umfang entliehen werden zu können, benötigen Bücher und Buchbeiträge mindestens fünf leihverkehrsrelevante Standorte in zwei regionalen Verbundsystemen. Schenkungen werden dabei nicht berücksich tigt. Überprüft wird die geforderte Verbreitung über den Karlsruher virtuellen Katalog (KVK), über den der Bestand nahezu aller wissenschaftlichen Bibliotheken der Bundesrepublik zugänglich ist. Der KVK ist im Internet unter www.ubka.uni-karlsruhe.de/kvk.html erreichbar.

Sollten Sie durch eigene Recherchen feststellen, dass die von Ihnen gemeldete Publikation die erforderliche Verbreitung erreicht, so können Sie diese mit einem entsprechenden Vermerk erneut einreichen, sofern nicht Ausschlussfristen entgegenstehen.

Mit freundlichen Grüßen

VG Wort / Abt. Wissenschaft

Noch nie wurde mir in blumigerem Beamten-Bundesdeutsch vermittelt, dass es keine Kohle gibt.*

Es müssen also andere Beweggründe als Raffgier für meinen Sammeleifer ausschlaggebend gewesen sein.

Ein Grund, der nie ganz ausgeschlossen werden kann, ist die böse Eitelkeit, eine der vielen psychotherapeutisch behandelbaren Ausformungen des menschlichen Liebesbedürfnisses. Christine Mielitz, ebenso brillante wie gefürchtete Regisseurin und Intendantin, tröstete eine Regieassistentin, die sie nicht zum ersten Mal in den Heulkrampf getrieben hatte, einmal mit den lapidaren Worten: »Sie wollen ja auch nur ein bisschen geliebt werden.«

Ich gestehe – ganz ohne Schluchzattacke –, dass dieses Bedürfnis auch mich erfüllt. Und ich weigere mich, den Begriff »Eitelkeit« zu benützen, beweist mein äußeres Erscheinungsbild doch schlagend, dass ich mir diese Untugend schon lange abgewöhnt habe. Ich formuliere es blumiger: Es ist die Zuneigung meines dankbaren Publikums, die mich beseelt!

Wie freue ich mich schon wieder auf die Autogrammstunden, bei denen zwei bis drei Menschen Schlange stehen, um mir dann unmögliche Widmungen abzutrotzen. Folgender Dialog ergab sich bei einem solchen Anlass:

– Schreiben Sie: »Meiner lieben Frau«.

– Lieber Herr, das kann ich nicht.

– Wieso, es ist doch für meine Frau.

– Für Ihre, aber nicht für meine!

Der Herr insistierte noch ein wenig, ich auch, schließlich kapitulierte er und fügte sich mit der leider ebenfalls nicht erfüllbaren Bitte:

– Also gut. Schreiben Sie: »Für mich«.

Irgendwie musste ich bei dieser Begebenheit an den Farkas– Waldbrunn-Wortwechsel denken:

–Meine Frau ist auf Urlaub gefahren.

– Zur Erholung?

– Ja, zu meiner.

Dass die Liebe keine allgemeine ist, musste ich aber auch verstehen. Eine besonders impertinente Verfasserin von Schmähbriefen an meine Adresse, eine gewisse Frau Marta Zimmermann (wenn ich ihre Handschrift richtig lese) samt Gatten (ich beneide ihn nicht), verfolgt mein bescheidenes Wirken mit monströsem Hass. Alfons Haider meinte, ich solle mir darauf nichts einbilden, auf seiner Website gehen regelmäßig Aberhunderte bösartiger Postings ein.

Eine andere Dame wieder zeigte sich von meiner Schwan-Silvesterlesung im Wiener Theater Akzent desillusioniert, und ich kann es ihr nicht verdenken:

Ihre Darbietung war ja recht amüsant, aber ihr dazugehöriges Ambiente war enttäuschend (total zerknitterter Anzug). Sowie, dass Sie Ihrem so geschätzten Publikum am Ende nicht einmal ein gutes neues Jahr gewünscht haben. PS: Überall in jedem kleinsten Geschäft wird einem am 31. Dezember ein gutes neues Jahr gewünscht.

Ich bin voller Reue! Nicht, was mein textiles »Ambiente« betrifft (ich habe ja oben schon einbekannt, dass meine Eitelkeit dem Nullpunkt zustrebt). Aber gegrüßt werden soll und muss. Darf ich jedoch zugeben, dass mir die Gutes-neues-Jahr-Wünscherei persönlich ziemlich lästig ist? Insbesondere mit dem Vorsatz: »… sollt’ mer uns nicht mehr sehen!« – aber das habe ich schon in einem früheren Schwan vermerkt. Beleidigen wollte ich die freundliche Dame jedoch sicher nicht, umso mehr, als sie in der Putzendoplergasse wohnt, was ich überaus sympathisch finde.

Wer weiß, was mir dieser Band an Zustimmung und Ablehnung, an roten und schwarzen Zahlen, an Für und Wider einbringt? Es mag Sie, geneigte Leserin, verehrter Leser, jedenfalls milde stimmen, dass dies der aller-allerletzte Versuch bleiben wird, Sie mit Anekdoten und Reminiszenzen zu kitzeln; für Memoiren wird schließlich wenig übrig bleiben und noch weniger Anlass bestehen.

Wenn ich also einmal wieder die Feder drohend erhebe, dann wird es nicht um mich und mein lückenhaftes Gedächtnis gehen, sondern um Bedeutenderes.

Jetzt aber wünsche ich Ihnen mindestens so viel Freude beim Lesen, wie ich beim Schreiben gehabt habe (und dieser Wunsch ist keine bösartige Falle)!

Christoph Wagner-Trenkwitz

Stadt Haag, im August 2015

PS: Ich möchte Heinz Hromada, dem »Retter« des Buchs, hier meine Reverenz erweisen. Heinz ist nicht nur geschätzter Kontragitarrist bei den Philharmonia Schrammeln (wenngleich ich in Bezug auf sein Instrument auch einmal, live auf Sendung, die »Knöpferlgitarre« erfunden habe), sondern auch EDV-Experte der Volksoper. Mitten im Wonnemonat Juli stürzte mein sauer getipptes Word-Dokument ins Bodenlose, ein Notruf bei Meister Hromada (er urlaubte gerade im Waldviertel) war meine einzige Idee. Er hat mein Schriftstellerleben wieder mit Sinn erfüllt, ihm schulde ich großen Dank (dem Sie sich hoffentlich anschließen), dass dieser Schwan nicht ertrunken ist.

*Mit Schwan drüber habe ich sogar ein paar miese gemacht, und das kam so: Das drollige Umschlagfoto hatte ich im Vertrauen darauf verwendet, dass ich das auch darf. Der Fotograf ließ mir – lange nach erscheinen des bandes – durch eine grazer Rechtsanwaltskanzlei mitteilen, dass ich das Recht zur Fotoverwendung nicht gehabt hätte, stellte eine kühne Geldforderung … mein von mir seit Kindertagen geliebter Anwalt (in der Volksschule war er es noch nicht) Corvin Hummer erwiderte … Man einigte sich auf eine bescheidenere Zahlung … Lassen wir das Thema. Die Leute, auf die ich seither sauer bin, wissen es. Mehr muss hier nicht geschrieben werden.

Nochmal Schwan gehabt

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