Читать книгу Demons force - Christopher Polesnig - Страница 3

Demons Force 1

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Hiroto war noch nie in irgendeiner Weise besonders gewesen. Sein Zuhause war nichts Besonderes. Seit 18 Jahren lebte er mit seiner Mutter allein in einem bescheidenen Haus, welches abgelegen von dem Dorf umgeben von Feldern lag. Sein Vater war gestorben, als Hiroto noch ein Kleinkind gewesen war, daher erinnerte er sich kaum an ihn. Seine Mutter hatte ihm allerdings Fotos von ihm gezeigt und sofort war klar gewesen, dass er die braunen Haare und Augen von seinem Vater hatte. Oft sah seine Mutter ihn einfach nur an, weil er sie so sehr an ihren verstorbenen Ehemann erinnerte. Hiroto sagte nichts dazu, da er ihre Trauer nicht verurteilen wollte. Trotzdem hatte er tief im Innern stets eine Abneigung gegen seinen Vater empfunden. Seine Mutter hatte ihm erklärt, dass er bei einem Arbeitsunfall gestorben war, doch Hiroto wusste, dass mehr dahinter steckte. Manchmal dachte er sogar, dass sein Vater noch lebte und sie einfach verlassen hatte. Vielleicht hatte seine Mutter nicht gewollt, dass Hiroto seinen Vater hasste. Diese Unwissenheit machte ihn noch verrückt und obwohl er dringend die Wahrheit erfahren wollte, hielt er seine Fragen zurück, um seine Mutter nicht noch mehr mit dieser Sache zu belasten.

Eine einzelne Straße führte von Hirotos Haus direkt in das Innere des Dorfes und auch zu seiner Schule. Es war kein allzu weiter Weg, weswegen er jeden Morgen zu Fuß dorthin ging. Dabei lief er an vielen anderen Häusern vorbei, dessen Bewohnern er jedoch noch nie begegnet war. Wenn er es nicht besser wüsste, hätte er sie für verlassen gehalten. Aber ab und zu sah er einen Schatten am Fenster vorbeihuschen oder hörte eine Tür zuschlagen. Er bekam immer eine Gänsehaut, wenn er sich vorstellte, was für Menschen so zurückgezogen lebten. Bilder von gruseligen alten Greisen oder verrückten Serienmördern, die ihre Opfer in ihren Kellern gefangen hielten, schossen jedes Mal durch seinen Kopf. Manchmal ging Hiroto früher los und folgte den kleinen Seitenstraßen, die alle zu demselben Punkt führten. Einem großen Park, der auf Hiroto eine beruhigende Wirkung hatte. Besonders am frühen Morgen, waren dort nur wenige Menschen unterwegs. Hiroto nutzte dies aus und setzte sich für einige Minuten auf eine Bank und beobachtete den Springbrunnen im Zentrum des Parks oder die vorbeiziehenden Wolken am Himmel. Er mochte es auch seine Augen zu schließen und einfach der Natur zu lauschen. Das Rascheln der Blätter an den Bäumen, die im Wind tanzten, die Vögel, die ihn mit ihren Gesängen begrüßten, das Plätschern des Springbrunnens. Ein ganz normaler Morgen.

Auch in der Schule war er nichts Besonderes. Er war weder überdurchschnittlich klug, noch war er dumm, er war auch noch nie sehr sportbegeistert gewesen, doch faul war er auch nicht. Er war nie beliebt gewesen, aber ein Außenseiter war er auch nicht. Hiroto hatte nicht viele Freunde, doch es reichte, um nie allein zu sein. Es war sein letztes Jahr in der Schule und ständig hörte er, wie andere von ihrer Zukunft träumten. Sie hatten alle einen Plan für ihr Leben. Einige wussten schon seit der Grundschule, welchen Beruf sie später ausüben würden. Er dagegen hatte sich nie wirklich Gedanken darum gemacht. Er hatte keine besonderen Talente, die es wert waren weiter ausgebaut zu werden. Seine Lehrer hatten ihm ständig gesagt, wie viel Potenzial in ihm steckte und dass er sich bloß mehr anstrengen müsse, doch Hiroto fehlte einfach der Ansporn dafür. Er hatte seine Schullaufbahn immer im Durchschnitt durchgestanden. Wenn es mal in einem Fach knapp geworden war, hatte er es mit etwas anderem wieder ausgeglichen.

Wenn Hiroto nach Hause kam, half er seiner Mutter so gut er konnte. Sie war schließlich seine einzige Familie und er sorgte sich um sie. Wenn sie mal länger arbeiten musste, übernahm er das Kochen und die Hausarbeit, damit sie sich keine Gedanken mehr darum machen musste und sich voll und ganz auf sich konzentrieren konnte. Von klein auf hatte Hiroto gelernt auf sich selbst aufzupassen. Es war unvermeidlich gewesen, dass er ab und zu alleine zu Hause war und demnach hatte er keine Wahl, als zu lernen, sich um sich selbst zu kümmern. Wenn seine Mutter gekonnt hätte, hätte sie dies vermieden, doch als alleinerziehende Mutter war es nicht leicht. Neben seiner Mutter sah er allerdings auch seine beste Freundin Aimi als ein Familienmitglied. Die beiden waren zusammen aufgewachsen und seitdem unzertrennlich gewesen. Sie war immer für ihn da gewesen und so war es auch andersrum. Gelegentlich hatten Aimis Eltern ihn zu sich eingeladen, wenn seine Mutter mal wieder die Nachtschicht übernehmen musste und hatten für ihn gekocht oder ihm bei seinen Hausaufgaben geholfen. Doch auch mit seiner Mutter konnte er schöne Erinnerungen verbinden. Wann immer sie Zeit hatte, verbrachte sie jede freie Minute mit Hiroto. Sie machten kleine Ausflüge oder organisierten sich einen schönen Abend zu Hause mit Filmen und Leckereien.

Zusammengefasst konnte man sagen, dass Hiroto nie einen Grund gehabt hatte, sein Dasein anzuzweifeln. Bis zu dem Tag, an dem sich für ihn alles änderte, der Tag an dem sein altes Leben in sich zusammenbrach und ein neue Welt sich für ihn eröffnete.

Es war sein letzter Schultag. Er trug seine übliche Uniform und auch seine braunen Haare lagen wie immer. Sie reichten ihm bis zur Hälfte seines Halses und standen die meiste Zeit zu allen Seiten ab. Hiroto verstand nicht, wieso die anderen Schüler so einen großen Aufwand für diesen Tag betrieben. Viele hatten sich mit besonderen Accessoires geschmückt und aufwändige Frisuren zurechtgefädelt. Er konnte darüber nur den Kopf schütteln. Für Hiroto fühlte sich der Tag an, wie jeder andere, nur dass es einen anderen Ablauf gab. Zu Beginn trafen sich alle in ihren Klassen und gingen dann gemeinsam in die Aula, wo sie ausführlich verabschiedet wurden.

Als alles vorbei war, wurden die Schüler noch zu einer Feier eingeladen, die Hiroto jedoch freundlich ablehnte. Er wollte schnell nach Hause zu seiner Mutter. Sie konnte nicht zu der Abschiedszeremonie kommen, da sie von der Arbeit aufgehalten worden war, doch sie würde zu Hause sein, bevor er Heim kam. Den ganzen Morgen hatte sie ihm gesagt, wie stolz sie auf Hiroto war und hatte versprochen etwas Besonderes für ihn zu kochen. Von der Vorfreude angetrieben, beeilte er sich, um nach Hause zu kommen. Dort wurde er schon von seiner breit lächelnden Mutter erwartet. Sie umarmte ihn fest und sprach ihre Glückwünsche aus. „Das Essen ist noch nicht ganz fertig, aber Aimi hat vorhin angerufen. Ich glaube, sie wollte dir ebenfalls gratulieren.“ Hiroto nickte und verschwand in seinem Zimmer. Er holte sein Handy heraus und rief Aimi an. Die beiden machten ein Treffen an ihrer gewohnten Stelle aus, bevor sie auflegten. Hiroto entledigte sich seiner Schuluniform und zog seine übliche blaue Jeanshose und ein weißes Hemd an. Darüber trug er eine schwarze Jacke. „Ich gehe nochmal raus, bin aber bald wieder da.“, erklärte er seiner Mutter, während er seine Sneaker anzog. „In Ordnung. Essen gibt es in einer halben Stunde, komm bitte nicht zu spät.“ „Ist gut.“ Und damit war Hiroto schon aus dem Haus. Seine Mutter blickte ihm lächelnd nach. Ihr Blick glitt zu der Fotowand im Flur und ein Wall an Erinnerungen überkam sie. Sie erinnerte sich nicht gerne an den tragischen Verlust ihres Mannes. Eine einzelne Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel und lief über ihre Wange. Schnell wischte sie sie sich mit dem Handrücken weg und machte sich zurück ans Kochen.

Währenddessen hatte Hiroto sein Wohnviertel bereits hinter sich gelassen und folgte der Straße bis zu einer Gasse, in die er einbog. Er folgte den Nebenstraßen zu einer Brücke die über einen schmalen Fluss führte, der das Dorf entzwei teilte. Die Brücken bildeten eine Art Verbindung zwischen den Teilen, sodass die Bewohner des Dorfes jederzeit die Möglichkeit hatten die andere Hälfte zu besuchen. Aimi lebte mit ihrer Familie auf der anderen Seite, glücklicherweise noch nahe genug, dass Hiroto sie zu Fuß erreichen konnte. Als Hiroto der Brücke näher kam, konnte er die Silhouette einer Person an dem Geländer erkennen. Je näher er kam, desto deutlicher wurde sie.

Es war ein Mädchen, das er noch nie zuvor in dieser Umgebung gesehen hatte. Sie trug einen rot-schwarzen Rock, schwarze Strümpfe, die ihre langen Beine bis zu den Knien bedeckten, und weiße Schuhe mit schwarzen Schnürsenkeln. Dazu wurde ihr Oberkörper größten Teils von einer dunklen Jacke bedeckt, die sie jedoch offen trug und damit den Blick auf ihre weiße Bluse freigab, die über ihrem Bauchnabel zusammengeknotet war. Ihr Gesicht konnte Hiroto nicht erkennen, da das Mädchen die Kapuze der Jacke aufgesetzt hatte. Allein ihre vollen rosigen Lippen waren zu erkennen und schon allein daran setzte er fest, dass sie wunderschön war. Er wusste nicht wieso, doch dieses fremde Mädchen hatte etwas an sich, das Hiroto nicht losließ. Dennoch blieb er nicht stehen, sondern lief mit einer kurzen Begrüßung an


















ihr vorbei. Erst als er schon außer Sichtweite war, drehte das Mädchen ihren Kopf in seine Richtung. „Hallo, Hiroto.“

Von weitem konnte Hiroto Aimi schon sehen. Sie hatte ihre langen blonden Haare zu zwei Zöpfen hochgebunden, die hoch auf ihrem Kopf saßen. Wie immer trug sie einen schwarzen Rock und eine weiße kurzärmelige Bluse. Dazu hatte sie schwarze Schuhe an. Aimi winkte ihm zu und als er sie erreicht hatte, sprang sie in seine Arme. „Herzlichen Glückwunsch, Hiroto! Na, wie fühlt es sich an, von der Schulpflicht befreit zu sein?“ Hiroto drückte sie lachend von sich weg. „Es fühlt sich befreiend an.“ Aimi kicherte und ihre Wangen nahmen ein seichtes Rot an. Schon lange hegte sie mehr als einfache freundschaftliche Gefühle für ihren besten Freund. Dieser schien dies allerdings gar nicht wahrzunehmen.

Aimi hatte schon vor einem Jahr die Schule beendet, obwohl sie genauso alt war wie Hiroto. Er nannte sie gerne den weiblichen Einstein, weil sie nicht nur eine Klasse übersprungen hat, sondern auch gefühlt jeden existierenden Wissenswettbewerb gewonnen hatte. Während die beiden miteinander sprachen, hörte Hiroto ein Rascheln hinter sich. Er ahnte schon was dies zu bedeuten hatte und ging direkt auf einen Busch zu. Ohne zu zögern zog er den Störenfried aus seinem Versteck. „Isuma, verdammt nochmal! Hör endlich auf Aimi nachzustellen!“ Hiroto warf den jüngeren vor sich zu Boden. Isuma war ein 16-jähriger Mittelschüler, der es sich offenbar zur Aufgabe gemacht hatte, hübschen Mädchen hinterherzurennen. Er hatte kurze schwarze Haare, die ordentlich zur Seite gekämmt waren. Er trug seine Schuluniform, die aus einem weißen Hemd, einer roten Masche, darüber einem hellgrauen Pullunder und einer hellbraunen Hose bestand. Seine Schuhe waren dunkelbraun und wirkten schon sehr abgetragen. Es war nicht das erste Mal, dass Hiroto ihn zurechtwies. Schon öfter hatte er Isuma erwischt, wie er Aimi und ihm gefolgt war und einmal sogar Fotos von seiner blonden Freundin gemacht hatte. „I-ich….ich stelle ihr doch nicht nach…! Ich habe nur….etwas in dem Busch verloren und…wollte es suchen,…ja“, stotterte der Junge vor sich her. Hiroto seufzte genervt. „Na los. Mach das du verschwindest!“ Das ließ sich Isuma nicht zweimal sagen und rannte davon. Hiroto blickte ihm grimmig hinterher. „Ist schon gut Hiroto“, sagte Aimi und lächelte ihn an. „Er wird es wohl nie lernen. So jung und schon solche Gedanken, unglaublich“, seufzte Hiroto. Er blickte auf seine Uhr und stellte fest, dass er sich langsam wieder auf den Rückweg machen sollte. „Ich muss jetzt los, aber wie wär’s, wenn wir später noch etwas unternehmen?“, schlug Hiroto fort und Aimi war sofort einverstanden. „Ich komme später bei dir vorbei, ja?“, sagte sie und verabschiedete sich von ihm. Hiroto wartete noch, bis sie in der nächsten Straße verschwand, bevor er sich selbst umdrehte und losging. Als er bei der Brücke ankam, war das erste, das er bemerkte, dass das hübsche Mädchen nicht mehr da war. Er dachte aber nicht weiter darüber nach. Er kannte sie schließlich nicht. Stattdessen wanderten seine Gedanken in die Vergangenheit. Früher waren Aimi und er oft durch diese Straßen gelaufen und hatten Dämonenjagd gespielt. Ein Spiel, das sie selbst entwickelt hatten, inspiriert von einer damals berühmten Kinderserie. Hiroto musste lachen, als er sich daran zurückerinnerte. Schon bald konnte er die Umrisse seines Hauses erkennen und er freute sich schon auf das Essen mit seiner Mutter. Wie immer war die Straße, in der er lebte menschenleer, aber dieses Mal wirkte es noch unheimlicher als sonst.

Plötzlich ertönte ein lauter Knall und Hiroto zuckte heftig zusammen. Die Wolken im Himmel verformten sich mit dem Schall, Blitze schlugen in den Boden ein und der Donner hallte laut von den Hauswänden wieder. Mit einem Mal wurde es dunkel wie in der Nacht, obwohl es mitten am Tag war. Ein Blitz schlug direkt neben Hiroto ein, worauf er erschrocken zur Seite sprang. Verwirrt blickte er sich um. Nur wenige Meter vor ihm schlug etwas in den Boden ein. Der aufgewirbelte Staub versperrte ihm die Sicht, doch er erkannte den Schatten einer Person, die sich langsam aufrichtete. Hiroto kniff die Augen enger zusammen, in der Hoffnung dadurch die Person besser sehen zu können. Nach und nach lichtete sich der Staub und eine Frau, vermutlich Anfang zwanzig, kam zum Vorschein. Ihr purpurrotes Haar fiel glatt über ihre Schultern. Sie trug ein schwarzes Kleid, das bis zu ihren Knöcheln reichte, es war auf beiden Seiten entlang ihrer Beine eingeschnitten und ermöglichte ihr so mehr Bewegungsfreiheit. Um ihre Taille war ein breiter, schwarzer Stoffgürtel gebunden, der hinter ihrem Rücken in einer großen Masche endete. Dazu trug sie schwarze High Heels. Ihre roten Augen funkelten bedrohlich, als sie mit kleinen Schritten auf ihn zuging. Auch Hirotos Mutter hatte den plötzlichen Wetterwandel mitbekommen und ließ erschrocken ihren Kochlöffel fallen. „Hiroto!“, rief sie aus und rannte ohne zu zögern aus dem Haus.

Hiroto handelte aus einem Impuls heraus und wollte wegrennen, wurde aber von einem Blitz aufgehalten, der direkt vor ihm einschlug. Erschrocken fiel er zu Boden und blickte auf die dampfende Stelle auf der Straße. „Nicht so schnell, Süßer.“ Die Stimme der Frau klang dunkel und rau. „Wer bist du? W…was willst du?“, fragte Hiroto und rutschte ängstlich von ihr weg. Er war völlig überfordert mit dieser Situation. „Mein Name ist Reika und ich bin ein Dämon der Meiri-Familie!“ Sie stand nun direkt vor ihm und blickte auf ihn herab. „Ein….ein Dämon?! Was zur- Was willst du von mir?“, fragte Hiroto verängstigt und zuckte zusammen, als der Dämon laut lachte. „Was ich will? Nun, mein Süßer, ich will deinen Tod.“ Damit ließ sie in ihrer Hand einen silbernen Speer mit pechschwarzer Klinge erscheinen. Hiroto beobachtete mit geweiteten Augen, wie sie damit ausholte. Erst nach einigen Sekunden erwachte er aus seiner Starre und sprang auf. „N…nein, lass mich in Ruhe…!“ Wieder versuchte er davon zu rennen und hörte Reika mit ihrer Zunge schnalzen. Im nächsten Moment vernahm er ein Surren und spürte kurz darauf einen stechenden Schmerz in seinem rechten Bein. Hiroto verlor sein Gleichgewicht und schrie laut auf, als er hart auf dem Asphalt aufkam. Er rollte sich auf die Seite und starrte mit geweiteten Augen auf den Speer, der aus seinem Oberschenkel ragte. Lange konnte er sich jedoch nicht darauf konzentrieren, da erneut ein Surren ertönte. Hiroto konnte sich noch rechtzeitig aus dem Weg robben, ehe er von einem weiteren Speer getroffen werden konnte. Panik kam in ihm auf. Er packte den Griff des Speers in seinem Bein und zog ihn mit einem Mal raus. „Ah!“ Der Schmerz betäubte seine Sinne und er schnappte keuchend nach Luft. „Je mehr du dich wehrst, desto schlimmer wird es!“, rief Reika und näherte sich ihm mit erhobenem Speer. „Wieso willst du mich töten? Wir kennen uns doch gar nicht!“ Hiroto drückte seine rechte Hand auf die Wunde an seinem Bein und zog sich mit der anderen über den Boden. „Ganz einfach, mein Süßer. Neulinge wie du sind eine Plage für meine Familie. Aber da du deine Fähigkeiten als Dämon noch nicht erweckt hast, ist es die perfekte Gelegenheit, um dich loszuwerden!“ Wovon redet sie da? Ich….ein Dämon? Das ist doch alles bloß ein böser Traum, dachte Hiroto, während er mit Schrecken beobachtete, wie Reika sich vor ihm aufbaute. „Dann bringen wir es mal zu ende. Schade eigentlich, du bist wirklich süß.“ Ein breites Grinsen lag auf ihren Lippen, als sie den Speer auf Hiroto zuschnellen ließ. Dieser kniff seine Augen fest zu und wusste, dass er diesem Hieb nicht entkommen konnte. Er hörte, wie der Speer etwas durchstieß, doch spürte selbst keinen Schmerz. Verwirrt öffnete er langsam seine Augen und wünschte sich im selben Moment er hätte es nicht getan. Er blickte direkt in das schmerzverzerrte Gesicht seiner Mutter. Die dunkle Spitze des Speers ragte aus ihrer Brust und er sah, wie sich ein Blutfleck auf ihrem hellen Shirt ausbreitete. Hirotos Mutter hatte sich vor ihn geworfen und Reikas Stoß mit ihrem Körper abgefangen. Die Rothaarige schnaufte verärgert, als sie den Fehler bemerkte. Ohne Rücksicht zog sie den Speer zurück, worauf Hirotos Mutter scharf die Luft einzog und auf die Knie fiel. Ihr Körper krümmte sich vor Schmerz und sie schnappte keuchend nach Luft. Hiroto konnte sie einfach nur anstarren. Das alles kam ihm so surreal vor und er konnte nicht begreifen, was hier geschah. Erst als seine Mutter benommen zur Seite kippte, reagierte er. „Mutter!“ Hiroto fing seine Mutter auf und legte sie vorsichtig auf ihren Rücken. Blut lief aus ihrem Mundwinkel und ihr Atem ging nur noch flach und stockend. Hiroto klammerte sich an ihre Hand. „Mutter…! Warum…warum bist du….wieso hast du das getan?!“ Tränen brannten in seinen Augen und sein ganzer Körper zitterte. „Hiroto….“ Ihre Stimme klang schwach und müde. „Ich liebe dich über alles… und würde niemals zulassen, dass….dir etwas zustößt. Ich weiß,…dass du…zu etwas Großem…bestimmt bist…. Ich bin…so stolz auf dich, mein Schatz. Und auch…wenn ich dich…auf deinem Weg…nicht mehr begleiten kann,…werde ich doch…immer bei dir sein….“ Sie schenkte ihm ein letztes Lächeln, ehe sie ihre Augen schloss und sich ihre Züge entspannten. Ihr Brustkorb hob und senkte sich immer schwächer, bis ihr Herz zum Stillstehen kam. Hiroto hielt noch immer ihre Hand. Die Tränen liefen ihm nun unaufhaltsam über die Wangen, während er sie ansah. Seine Augen waren weit aufgerissen und er zitterte am ganzen Körper. Mit einem Mal warf er den Kopf in den Nacken und schrie aus vollem Leibe seine Trauer und Wut heraus. Reika hatte das Schauspiel amüsiert beobachtet, doch nun setzte sie erneut zu einem Schlag an. „Das ist ja alles ganz rührend, aber ich habe eine Aufgabe zu erfüllen, also werde ich es nun beendet. Sieh es positiv, gleich bist du wieder mit deiner Mutter vereint. Hahaha!“ Hiroto erwiderte ihren Blick voller Zorn. Er spürte weder Furcht, noch den Schmerz in seinem Bein. Sein einziger Gedanke war, dass der Dämon für seine Tat büßen würde. In dem Moment als Reika mit ihrem Speer zustechen wollte, schnellte eine gelbe Lichtkugel an Hiroto vorbei und traf direkt auf die dunkle Klinge der Waffe, die bei der Berührung in tausend Teile zersplitterte. Erschrocken wich Reika ein paar Schritte zurück. Sie wich weiteren Lichtkugeln geschickt aus und entfernte sich dabei immer weiter von Hiroto. „Wer bist du? Zeig dich!“, rief Reika wütend.

Eine Gestalt trat aus dem Schatten einer Gasse. Hiroto erkannte sie sofort als das fremde Mädchen von der Brücke wieder. Sie hatte ihre Kapuze noch immer tief ins Gesicht gezogen, doch er konnte ein kleines Lächeln auf ihren Lippen sehen. Das Mädchen stellte sich schützend vor ihn, ihre Hände hielt sie vor ihrer Brust in Form eines Kreises, in dem sich ein gelbes Licht bündelte. Reika schien ernsthaft überrascht zu sein das Mädchen zu sehen. „Yumi Tomoko? Was tust du denn hier?“ Hiroto blickte verwirrt zwischen den beiden Frauen hin und her. „Nun, ich kann doch ein Familienmitglied nicht einfach im Stich lassen, oder?“ „F-Familienmitglied? Dieser Junge?!“, fragte Reika ungläubig. Auch Hiroto verstand nicht recht. Wovon sprach dieses Mädchen, diese Yumi? Wieso nannte sie ihn ein Familienmitglied? Die beiden kannten sich doch gar nicht. „Ja, und mir gefällt ganz und gar nicht, was du ihm angetan hast!“ Die Stimme des Mädchens wurde mit einem Mal laut und bedrohlich. Das Licht zwischen ihren Händen begann wild zu flackern. „Nein, warte, ich wusste nicht, dass er zu dir gehört!“, rief Reika panisch. „Genug von deinen Ausreden!“ Yumi ließ ihre Hände ruckartig vorschnellen, worauf das Licht in Form eines gelben Strahls direkt auf Reika zuschoss. „Nein, nicht!“, krächzte der Dämon, ehe der Strahl hart auf ihren Brustkorb traf. Mit einem schrillen Schrei wurde sie von der Kraft des Angriffs mitgerissen und einige Meter durch die Luft geschleudert. Sie schlitterte über den Boden und blieb dann regungslos auf ihrem Rücken liegen. „Nächstes Mal werde ich dich nicht verschonen“, sagte Yumi ernst und wandte sich dann an Hiroto, der noch immer völlig erstarrt auf dem Boden saß. Sie kniete sich vor ihn und gab ihm so die Möglichkeit unter ihre Kapuze zu blicken. Wie er erwartet hatte, war sie bildschön. Ihre violetten Augen musterten ihn besorgt und glitten anschließen neben ihn. Hiroto folgte ihrem Blick und wurde erneut mit der Tatsache konfrontiert, dass seine Mutter tot war. Es schien, als würde etwas in ihm erwachen, etwas, das jahrelang tief in ihm verborgen gewesen war und sich nun von seinen Fesseln befreite. Plötzlich spürte Hiroto einen gewaltigen Drang in sein Haus zu gehen. Es war, als würde ihn etwas rufen. Wie in Trance humpelte er auf sein Haus zu. Er nahm nichts anderes mehr wahr, auch als Yumi mehrfach seinen Namen rief, reagierte er nicht. Stur folgte er dem Weg zu seinem Ziel, das Adrenalin pumpte durch seine Adern und betäubte seine Schmerzen.

Die Tür zu seinem Haus stand weit offen. Seine Mutter musste Hals über Kopf losgestürmt sein und hatte keinen Gedanken an das Verschließen der Tür verschwendet. Lange stand er am Eingang und starrte den Flur entlang. Der Geruch von verbranntem Essen lag in der Luft, doch Hiroto ignorierte es. Er machte sich nicht die Mühe in die Küche zu gehen und den Herd auszustellen, auf dem sein Lieblingsessen, das seine Mutter extra für ihn zubereitet hatte, langsam verkohlte. Seine Augen wanderten zu der gewaltigen Fotowand. Für seine Mutter waren die Fotos ihr ein und alles. Für Hiroto bedeuteten sie nun allerdings nur noch qualvolle Erinnerungen. Seine Hände ballten sich zitternd zu Fäusten und er versuchte krampfhaft die erneut aufkommenden Tränen zu unterdrücken, doch je länger er die Bilder ansah, desto enger zog sich sein Herz zusammen. Dann hielt er es nicht mehr aus und riss den ersten Rahmen von der Wand und ließ ihn scheppernd zu Boden fallen. Seinen Frust herausschreiend warf er die Bilder um sich. Es folgten Vasen und Lampen. Schon bald herrschte in dem Haus ein einziges Chaos. Überall lagen Scherben und Möbelstücke, dazu zog Hiroto eine Blutspur hinter sich her. Die Wunde an seinem Bein hatte er während seiner Randale völlig verdrängt. Nun machte sich aber der Blutverlust bemerkbar und er ließ sich erschöpft an der Wohnzimmerwand hinuntergleiten. Ein humorloses Lächeln erschien auf seinen Lippen, als er sein Werk betrachtete.

„Hiroto?!“ Die Stimme gehörte ganz klar zu Aimi. Ach ja, da war ja noch was, dachte der Braunhaarige und wartete, bis seine Freundin ihn fand. Als Aimi ihn blutverschmiert auf dem Boden in mitten der Trümmer der einstigen Wohnzimmermöbel sitzen sah, konnte sie einen Aufschrei nicht unterdrücken. „Hiroto! Was zum….was ist hier geschehen? Oh Gott, dein Bein!“ Aimi lief hektisch durch das Haus und suchte nach etwas, um die Blutung zu stoppen. Hiroto beobachtete sie schweigend dabei, wie sie ein Tuch fest um seinen Oberschenkel band. Dann öffnete er endlich den Mund. „Sie ist weg, Aimi…. Sie war alles, was ich hatte und jetzt…..ist sie einfach weg…“ Seine Stimme brach ab und er senkte seinen Blick zu Boden, um jeglichen Augenkontakt zu vermeiden. „Hiroto…“, flüsterte Aimi, als sich die erste Träne über ihre Wange bahnte. Sie wusste nicht genau wovon er sprach, doch die Abwesenheit seiner Mutter und die Verwüstung sprachen für sich. „Ich hätte sie beschützen müssen!“, schrie Hiroto und trat mit seinem gesunden Bein gegen eine umgeworfene Kommode. Was er nicht erwartet hatte war, dass diese präpariert war und er mit seinem Tritt ein verstecktes Fach geöffnet hatte, aus dem eine kleine Schatulle herausfiel. Verwirrt blickten Aimi und Hiroto den Gegenstand an. Hiroto nahm sie vorsichtig in die Hand und drehte sie in seinen Händen. „Was…was ist das?“, schniefte Aimi und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Hiroto zuckte mit den Schultern und betrachtete die Schatulle neugierig, bis er einen kleinen Knopf an der Seite fand. Mit einem Klick sprang der Deckel auf und gab den Blick auf einen goldenen Ring frei, der auf einem bereits vergilbten Briefumschlag lag. Er nahm den Ring vorsichtig heraus und zuckte leicht zusammen, als dieser einen kaum spürbaren Impuls abgab. Es war ähnlich dem Drang nach Hause zu gehen, den er zuvor verspürt hatte. Bei genauerem Hinsehen entdeckte er, dass das Wort ‚Drache‘ in den Ring eingraviert war. Sein Blick wanderte weiter zu dem Briefumschlag. Vorsichtig holte er ihn aus der Schatulle und öffnete ihn. Die Tinte war schon stark verblichen und einige Zeilen waren nicht mehr lesbar. Es war ein Brief von seinem Vater, adressiert an Hiroto. Aus dem, was noch zu lesen war, entnahm Hiroto, dass der Ring ein Erbstück seiner Familie war. Außerdem bedauerte sein Vater, dass er Hiroto nicht aufwachsen sehen konnte und gerne mehr Zeit mit ihm verbracht hätte. Er konnte noch die Worte Krieg und Dämon erkennen, der Rest war allerdings nicht lesbar.

Für Hiroto ergab das ganze keinen Sinn. Seine Mutter hatte ihm erzählt, dass sein Vater bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen war, doch in diesem Brief schien es fast so, als hätte sein Vater bereits mit seinem Tod gerechnet. Dazu kam dann noch dieser seltsame Ring. Hirotos Kopf brummte. Heute war einfach viel zu viel geschehen. „Hiroto…?“, fragte Aimi vorsichtig. „Aimi, könntest du mich bitte alleine lassen? Ich muss über einige Dinge nachdenken und mach dir keine Sorgen, ich komme schon zurecht.“ Aimi musterte ihn skeptisch, wusste aber, dass er sich sowieso nicht umstimmen lassen würde. Also nickte sie widerwillig. „Ruf mich bitte sofort an, wenn du etwas brauchst. Ich bin immer für dich da, ok?“ Er lächelte sie dankend an und drückte ihre Hand einmal kurz. Ihre Wangen erröteten sich, was Hiroto jedoch nicht mehr sah, da Aimi sich schnell umwandte und das Haus verließ.

Wieder war Hiroto allein mit seinen Gedanken. Fragen über Fragen stellten sich ihm und für nichts wusste er eine Antwort. Er sah sich den Ring noch einmal genau an, in der Hoffnung irgendwelche weiteren Hinweise auf irgendwas zu bekommen doch nichts. Es schien ein einfaches Erbstück zu sein. Mit einem Seufzen streifte Hiroto sich den Ring über den rechten Ringfinger. Er fand, dass es eigentlich nicht schlecht aussah und nahm sich vor, ihn in Zukunft als Andenken an seine Familie immer bei sich zu tragen. Er ließ seinen Kopf gegen die Wand fallen und blickte aus einem Fenster. Es war bereits Nacht geworden und der Mond warf ein helles Licht in das zertrümmerte Wohnzimmer. Hirotos Augenlider wurden immer schwerer, bis er schließlich von der Müdigkeit übermannt wurde.

Schon wenige Stunden später erwachte Hiroto aus seinem unruhigen Schlaf. Ein merkwürdiges Kribbeln, das sich durch seinen Körper zog, hatte ihn geweckt. Er ließ seine Augen noch für einige Sekunden geschlossen und versuchte die Quelle dieses eigenartigen Gefühls herauszufinden. Es schien von seiner Hand aus zu kommen, da dort das Kribbeln am stärksten war und als Hiroto sich dann endlich überwand seine Augen zu öffnen, hätte er schwören können, dass er den Ring seines Vaters in einem hellen weißen Licht hatte leuchten sehen. Es war nur für den Augenblick einer Sekunde, ein Augenzwinkern und das Licht war erloschen, genauso wie das Kribbeln in seinem Körper. Hiroto schüttelte den Kopf. Wieso sollte der Ring denn auch leuchten? Das war doch Schwachsinn, er war wohl einfach noch im Halbschlaf gewesen. Er gab sich mit dieser Theorie zufrieden und stemmte sich gähnend auf die Beine. Er wollte in die Küche gehen, doch schon nach den ersten paar Schritten blieb er wie angewurzelt stehen. „Es tut nicht weh….warum tut es nicht weh?“, fragte er sich selbst und blickte an seinem Bein hinab. Das Tuch, welches Aimi ihm umgebunden hatte, war noch da und zeigte noch deutliche Spuren seines Blutes, doch darunter spürte er nichts. Kein schmerzen, kein ziehen, nicht einmal ein jucken fühlte er unter dem provisorischen Verband. Völlig verwirrt löste er das Tuch um seinen Oberschenkel und brauchte erst mal ein paar Sekunden, um zu verarbeiten, was er da sah. Nämlich nichts. Von der Wunde war nicht einmal eine Narbe übrig geblieben. Auch allerlei andere Schrammen, die er sich während des Kampfes mit dem Dämon zugezogen hatte, waren spurlos verschwunden. „Wie ist so was möglich?“ Erst war er ein Dämon und jetzt hatte er auch noch Heilkräfte, was sollte denn noch alles kommen?

Hiroto trank ein erfrischendes Glas Wasser und begab sich anschließend in sein Badezimmer. Er wusch den ganzen Dreck und Schweiß von seinem Körper und als er sich frische Kleidung übergezogen hatte, fühlte er sich gleich viel wohler. Nun musste er sich aber dem stellen, was er schon die ganze Zeit versucht hatte zu verdrängen. Seine Mutter. Sie lag wahrscheinlich immer noch draußen auf der Straße, allein, einfach von ihm zurückgelassen. Hiroto konnte selbst nicht fassen, dass er sie doch tatsächlich dort liegen gelassen hatte. Ob Aimi sie gestern Abend dort gesehen hatte? Er wollte sich ihre Reaktion darauf gar nicht vorstellen, obwohl sie ihm nicht wirklich verstört vorkam, als sie sein Haus betreten hatte.

Er atmete nochmal tief durch, ehe er das Haus verließ und zu der Stelle ging, wo der Kampf stattgefunden hatte. Um die Nachbarn machte er sich keine Sorgen. Die würden ihr Haus vermutlich auch dann nicht verlassen, wenn es brennen würde. Als Hiroto den Platz erreicht hatte, konnte er seinen Augen nicht trauen. Seine Mutter war nirgends zu sehen, allein die Blutlache auf der Straße erinnerte an das gestrige Geschehen. Doch das war nicht das einzige, das Hiroto beunruhigte. Auch Reika war nicht mehr da. Hatte Yumi die beiden vielleicht mit sich genommen? Aber was sollte sie mit der Leiche seiner Mutter anfangen können? Reika könnte vielleicht als eine Art Kriegsgefangene dienen, doch was, wenn dies nicht der Fall war? Der Dämon könnte auch geflohen sein und sich nun hier irgendwo herumtreiben. Plötzlich überkam Hiroto eine gewaltige Angst. Vielleicht suchte Reika nach ihm, um zu Ende zu bringen, was sie zuvor nicht geschafft hatte. Hiroto sah sich alarmiert um und rannte dann blindlinks in Richtung eines nahegelegenen Waldes. Er rannte und rannte, ab und zu drohte er, über mit Laub bedeckte Wurzeln zu stolpern, konnte sich allerdings immer noch rechtzeitig fangen.

Schweratmend lehnte er an einem Baum. Jetzt war er also in mitten des Waldes und wusste nicht, was er als nächstes tun sollte. Diese Entscheidung wurde ihm jedoch abgenommen, als sich ein Speer mit schwarzer Klinge direkt neben ihm in den Baumstamm bohrte. „Hallo, mein Süßer, lange nicht gesehen.“, lachte Reika und trat aus dem Schatten eines Baumes. Hiroto erstarrte. „Wie….wie hast du mich gefunden?“, fragt er entgeistert. Ihre krächzende Lache ertönte erneut. „Weißt du, es ist nicht gerade unauffällig, wenn du wie ein Irrer durch den Wald sprintest und jedes Mal lautstark fluchst, wenn du über etwas stolperst.“ Hirotos Wangen färbten sich feuerrot, es war ihm peinlich, wie offensichtlich seine Aktion doch gewesen war, aber er durfte nicht weiter darüber nachdenken. Vor ihm stand ein Dämon, der ihn töten wollte, also konnte er sich keine Ablenkungen leisten.

Reika streckte ihren Arm aus, worauf der Speer aus dem Baumstamm in ihre Hand flog. Sie grinste Hiroto mordlustig an. „Nun, dann wollen wir mal zu Ende bringen, was wir gestern begonnen haben. Obwohl ich zugeben muss, dass mir die kleine Show echt gut gefallen hat. Einfach bezaubernd, wie sich die liebende Mutter vor die Klinge eines Speers wirft, um das Leben ihres Sohnes zu retten. Haha. Ein erbärmlicheres Ende gibt es wohl nicht.“ Hiroto spürte die gestrige Wut wieder in sich aufkeimen. Diesmal spürte er das Pulsieren des Rings ganz deutlich. „Wage es nicht, so über meine Mutter zu reden“, sagte er zwischen zusammengebissenen Zähnen. Reika ließ sich davon allerdings nicht beirren und setzte stattdessen zum Angriff an. Mit erhobenem Speer rannte sie auf Hiroto zu. „Ihre Schreie waren das Beste. Sie klangen wie Musik in meinen Ohren!“ Weich aus, hörte Hiroto plötzlich in seinem Kopf. Die Stimme war tief und bestimmt. Reika stach mit ihrer Waffe zu und war sich ihres Sieges bereits sicher, doch was keiner geahnt hatte war, dass Hiroto ihrem Hieb mit einer geschickten Drehung auswich und stattdessen selber zum Schlag ansetzte. Sein Körper handelte wie von selbst. Er holte mit der rechten Faust aus, während Reika noch immer versuchte die Situation zu verarbeiten. Er schlug zu und traf sie an ihrer Wange. Reika taumelte einige Schritte zur Seite, fing sich aber schnell wieder. Ihre Augen funkelten Hiroto wütend an. „Das wirst du noch bereuen!“, drohte sie und verstärkte ihren Griff um den Speer. Sie schnellte vor und stieß mit der Waffe zu, doch Hiroto schaffte es wieder auszuweichen. Duck dich. Rechts. Links. Die Stimme gab ihm immer wieder Anweisungen, wie er sich bewegen sollte und sein Körper kam dem nach noch bevor Hiroto die Worte wirklich verstanden hatte. Erneut drehte er sich gerade noch rechtzeitig zur Seite und entkam knapp der gefährlichen Klinge von Reikas Speer. Sie wurde von dem Schwung ihres Hiebs mitgerissen und war für einige Sekunden ein perfektes Ziel. Diesmal holte Hiroto bewusst mit seiner rechten Faust aus. Konzentriere dich auf deine Faust. Hiroto zog verwirrt seine Augenbrauen zusammen, doch fast schon automatisch fixierte er sich auf den Schlag. Ohne dass er irgendeinen Einfluss darauf hatte, wurde alles in seiner Umgebung einfach ausgeblendet. Für einen kurzen Moment blitzte das Bild einer roten Flamme vor seinen Augen auf. Es war bloß ein Wimpernschlag und


es war wieder verschwunden. Es war fast genauso wie bei ihm zu Hause, als er sich eingebildet hatte, sein Ring würde leuchten. Doch plötzlich überkam ihm ein warmes Kribbeln, das sich von seinem Ring bis zu seiner Schulter ausbreitete. Als er zuschlug, begann sein Ring plötzlich an in einem hellen Rot zu leuchten und umhüllte seinen ganzen Arm, bis hoch zu seiner Schulter. Aus dem Licht wurde eine rote Rüstung, die sich eng um Hirotos Arm schloss. Mit voller Wucht traf er Reika im Gesicht und schleuderte sie meterweit durch den Wald, dabei flog sie durch zahlreiche Bäume und Felsen, die unter der Wucht zerbarsten. Außer Atem musterte Hiroto mit großen Augen seinen Arm. Was genau hatte sein Vater ihm da vererbt?

Reika richtete sich unter Schmerzen auf. „Was zur Hölle?! Niemand hat gesagt, dass er ein Demons Force benutzen kann!

Verdammt, so komme ich nicht gegen ihn an. Ich verschwinde vorerst, um Bericht zu erstatten“, keuchte sie und beugte ihre Knie. Mit einem kräftigen Stoß sprang sie vom Boden ab und verschwand zwischen den Wolken. Es war schon ein gewaltiger Rückschlag für sie, dass Yumi Tomoko plötzlich aufgetaucht war und nun musste sie sich auch noch einer Demons Force Rüstung stellen. Alleine kam sie hier nicht weiter. Hätte Yumi sie nicht überrascht, wäre alles ganz anders gelaufen und sie müsse nicht mit schlechten Nachrichten zurückkehren. Dennoch hatte die Sache etwas Gutes. Endlich hatten sie einen der Ringe gefunden. Der Meister würde erfreut sein, wenn er davon erfuhr. Reika hoffte, dass er dadurch über ihre Niederlage hinwegsehen würde. Nächstes Mal würde sie nicht verlieren, dafür würde sie sorgen. „Es ist noch nicht vorbei!“, knurrte Reika und ließ den Wald hinter sich.

Währenddessen hatte sich die Rüstung um Hirotos Arm wieder aufgelöst und es blieb bloß der Ring an seinem Finger. Hiroto war überwältigt von der Kraft, die dieser Ring ihm schenken konnte. „Wo ist der Dämon hin? Ist sie tot?“, fragte er sich, doch als auch nach einigen Minuten nichts geschah, machte er sich auf den Rückweg zu sich nach Hause.

Er sollte dort wohl langsam für Ordnung sorgen. Als er den Wald verließ, sah er von weitem Aimi auf sein Haus zugehen. Er beschloss, ihr direkt entgegen zu kommen und hob die Hand zur Begrüßung. „Hey, Hiroto. Wie geht’s dir?“, fragte seine blonde Freundin besorgt. „Ich bin momentan mit der ganzen Situation überfordert. Erst will mich dieser Dämon töten, dann bin ich plötzlich selbst ein Dämon, außerdem habe ich

offenbar so eine Art Heilkräfte entwickelt und jetzt ist da noch diese Rüstung!“ Hiroto raufte sich aufgebracht das Haar. „Dämon? Heilkräfte? Rüstung? Wovon redest du?“, fragte Aimi verwirrt. „Es ist alles so kompliziert und ich verstehe es selbst nicht so genau“, seufzte der Braunhaarige. „Vielleicht kann ich es euch erklären.“ Hiroto und Aimi drehten sich erschrocken um. „Ah, du bist es!", rief Hiroto und zeigte demonstrativ mit dem Finger auf sie. „Hiroto? Wer ist das Mädchen?", fragte ihn Aimi. Das mysteriöse Mädchen trat näher an die beiden heran. „Sie war es, die mich gestern vor dem Dämon gerettet hat", antwortete Hiroto auf Aimis Frage, was ihr nicht wirklich weiterhalf, doch sie hackte nicht weiter nach. Das fremde Mädchen zog langsam ihre Kapuze vom Kopf und es kamen wunderschöne lange, violette Haare hervor. „Möchtest du die lange oder die kurze Version hören?“, fragte sie Hiroto. „Ich will alles wissen“, erwiderte er ernst. Sie nickte und begann zu erzählen. „Mein Name ist Yumi Tomoko und ich bin ein Mitglied der Shinigi-Familie, genau wie du, Hiroto Takumi. Du bist auch ein Dämon. Na ja, ein Halbdämon um genau zu sein, da dein Vater einen Mensch zur Frau genommen hat." Hiroto schaute Yumi verwundert an. „Ein Halbdämon….? Ich verstehe das nicht, ich dachte, solche Kreaturen gäbe es nur in diesen albernen Gruselgeschichten", meinte Hiroto und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nein, es gibt sie wirklich. Und spätesten nach dem heutigen Vorfall sollte dir das klar sein. Übrigens war das ein netter Schlag, den du Reika da verpasst hast.“ Yumi grinste ihn kurz an, räusperte sich dann aber und sprach in ernstem Ton weiter. „Dein Vater war einer der höchsten Dämonen in unserer Familie und verabscheute die Dämonen der Meiri-Familie, weil sie das Ziel haben, Leid und Furcht in die Welt zu bringen. Eines Tages traf er auf deine Mutter. Die beiden verliebten sich, zogen zusammen und bekamen ein Kind. Dich. Verstehst du, was ich damit sagen will? Du wurdest als halber Dämon geboren! Nur ein paar Tage nach deiner Geburt erfuhr dein Vater von einem geplanten Großangriff der Meiri-Familie auf unsere Shinigi-Familie. Er wusste sofort, dass er etwas unternehmen musste und beschloss kurzerhand, dich und deine Mutter zu verlassen und mit den zehn stärksten Kriegern unserer Familie gegen diese Verbrecher in den Kampf zu ziehen. Da er dachte, diesen Krieg nicht zu überleben, schrieb er, bevor er ging, einen Abschiedsbrief an deine Mutter und ließ den Ring als Erbe für dich zurück. Als dann der Kampf begann, stand es gut für deinen Vater und sein Gefolge, … doch dein Vater wurde in einen Hinterhalt gelockt. Am Ende konnte der Feind zwar besiegt werden, aber dein Vater und acht der zehn Krieger starben an diesem Tag für ihre Familie und wurden so zur Legende." Hiroto war sprachlos und setzte sich auf die Bank, die am Wegrand stand. So viele Informationen auf einmal waren dann doch etwas viel. Yumi setzte sich neben ihn und griff nach seiner Hand. „Ich weiß, das ist alles sehr überraschend, doch wie du bereits bemerkt hast, wird die Meiri-Familie wieder aktiver und stellt nun eine ernste Bedrohung dar. Ich habe gesehen, wie du den Ring deines Vaters eingesetzt hast und bin sehr beeindruckt von deinen Fähigkeiten. Du hast sicher noch viele Fragen zu den Dämonen und dem Ring. Deswegen frage ich dich, ob du meiner Familie folgen willst. Dann können wir gemeinsam die Antworten finden.“ Yumi erhob sich, um sich ihm gegenüber hinzustellen. Sie hielt ihm lächelnd ihre Hand entgegen. „Also, was sagst du?“

Hiroto stockte der Atem und er wusste nicht, was er sagen sollte. „Ich..“

Reika kniete vor einem Thron, den Kopf hielt sie ehrfürchtig gesenkt. Vereinzelt drangen Lichtstrahlen durch die schmalen Fenster und sorgten gerade für genug Licht, um den roten Teppich zu sehen, der einen Weg von der Tür bis zu dem Thron bildete. Auf dem Königsstuhl saß eine verhüllte Gestalt. „Bist du dir sicher, Kommandantin Reika?“ Die Stimme des Mannes war tief und wirkte in dem großen Saal noch lauter und bedrohlicher. Reika zuckte leicht zusammen. „J…ja, ich bin mir ganz sicher.“, antwortete sie kleinlaut. Ein raues Lachen verließ die Kehle des Mannes. „Gut. Beschaff mir diesen Ring!“ „Ja, Meister.“ Als Reika sich erhob, verbeugte sie sich vor ihm und eilte aus dem Saal. Sie konnte sein Lachen bis zum Haupttor hören und erschauderte bei dem bebenden Geräusch, welches das ganze Schloss zum Zittern brachte.


Demons force

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