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Kapitel 1
Come Jump In, Bimbo Friend

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In diesem Kapitel lernen wir die geheimnisvolle Clarisse Thorn kennen. Wir erleben ihre Metamorphose vom Strebermädchen zur Sexaktivistin, die sich Feminismus auf die Fahne geschrieben hat. Wir erfahren von ihrer pragmatische Liebe zu SM und von ihren irrationalen Beweggründen für die Fixierung auf Pick-up-Artists. Außerdem gibt es eine Einführung in die Geschichte des Feminismus und eine große Kategorisierung der Pick-up-Artists.

Der Titel dieses Kapitels stammt aus dem Lied Barbie Girl von Aqua.

Als »Pick-up-Artists« (PUAs) gelten Verführungskünstler und solche, die es werden wollen. Die »Pick-up-Community« ist eine riesige Subkultur, die sich der Aufgabe verschrieben hat, Männern beizubringen, wie man Frauen verführt. Seit der Veröffentlichung von Neil Strauss’ Bestseller Die perfekte Masche im Jahr 2005 ist diese Szene verstärkt ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen. Die Mitglieder nutzen unzählige Onlineforen, um sich in ihrem umfangreichen Spezialjargon auszutauschen. (Laut der Webseite PUALingo.com gibt es inzwischen »mehr als 750 Begriffe, Tendenz steigend«.)

Überall auf der Welt gibt es PUA-Clubs, -Treffen und sogar Stars dieser Subkultur. Berühmte PUA-»Gurus« verdienen jährlich Beträge in Millionenhöhe. Sie verkaufen Bücher, geben Coachingsitzungen oder organisieren Seminare und Kongresse mit teuren Eintrittspreisen. Manche leiten auch Firmen, in denen sie in ihren Methoden ausgebildete Trainer beschäftigen. Die Szene generiert sogar eine Flut an gut durchdachten internen Kritiken.

Ich war ungefähr zwölf Jahre alt, als ich anfing, mich für die Kunst der Verführung zu interessieren. Ich hatte damals einen Ruf als Außenseiterin und Bücherwurm und war hauptsächlich für meine ungewöhnlichen Haustiere und meinen unverständlichen Humor bekannt.

Eines Tages saß ich mit meinen zwölfjährigen Freundinnen an einem Tisch in der Schulkantine, als sich ein gleichaltriger Junge zu uns gesellte. Ich guckte unter meinen dicken Brillengläsern hervor und kicherte ihn an. Wir unterhielten uns für einen Moment und er ging weiter.

Sofort bezichtigte mich eine meiner Freundinnen des »Flirtens«.

»Hab ich gar nicht«, protestierte ich. »Was meinst du damit? Was habe ich getan?«

»Gib’s zu!«, sagte sie. »Du hast geflirtet.«

Was sie mit Flirten genau meinte, konnte sie mir allerdings nicht erklären. Die Unterhaltung ließ mich nicht los und ich beschloss, die Definition des »Flirtens« durch eine Umfrage mit all meinen Freunden zu ermitteln. Die Antworten waren sehr unterschiedlich. Eine Person bestand auf »Kichern«. Für andere waren »intensive Blicke« oder »Herumalbern« essenzielle Bestandteile. Nachdem ich alle Definitionen zusammengetragen hatte, stellte ich zu meiner Belustigung fest, dass ich weder Muster noch Überschneidungen entdecken konnte. Keiner wusste wirklich, was »Flirten« bedeutete. Zumindest war keiner in der Lage, es als einheitliche Verhaltensweise zu beschreiben. Ich kam zu dem Schluss, dass sich Flirten nur anhand unsichtbarer zwischenmenschlicher Dynamik erklären ließ.

Ich frage mich manchmal, was passiert wäre, wenn es die PUA-Onlineforen damals schon gegeben und ich sie gefunden hätte. Ein wesentlicher Bestandteil der PUA-Subkultur besteht nämlich darin, die unterschiedliche Arten, sexuelles Interesse auszudrücken, so präzise wie möglich zu analysieren. Genau diese Analysen zogen mich in ihren Bann, als ich sie schließlich entdeckte. Endlich gab es Leute, die meine Verwirrung als Zwölfjährige verstehen konnten!

Eine weitere Lieblingsbeschäftigung von mir war damals ein Spiel, das ich selbst erfunden hatte: Ich ließ mir kurze, witzige Einzeiler einfallen, die ich an irgendwelchen Leuten auf der Straße ausprobierte, um zu sehen, wie sie reagieren würden. Meine beste Geschichte zu diesem Spiel passierte, als ich ungefähr 15 war. Ich befand mich in einem überfüllten U-Bahnhof und sprach einen älteren Mann an, der neben mir auf dem Bahnsteig stand:

»Marmoset.«

Er war irritiert. »Was?«

»Marmoset«, wiederholte ich.

»Was soll das heißen?«

Ich klärte ihn auf: »Das ist ein kleines südamerikanisches Säugetier.«

»Oh«, sagte er.

Pause.

»Du hast echt schöne Brüste«, sagte er. »Ich habe dich beobachtet, als du die Treppen runtergekommen bist.«

»Äh«, antwortete ich. Eine Welle von Unbehagen überflutete mich und ich ging so schnell wie möglich weg. Das war wahrscheinlich das letzte Mal, dass ich dieses Spiel gespielt habe.

Damit wäre auch geklärt, warum Frauen normalerweise keine beiläufigen Gespräche mit wildfremden Männern anfangen.

15 war auch das Alter, in dem Männer anfingen, mir auf offener Straße anstößige Bemerkungen hinterherzurufen. Ein paar Jahre später begann ich, auf Partys und in Clubs zu gehen. Dort begegnete ich Typen, die mich anbaggerten und mich einfach nicht in Ruhe ließen, egal wie deutlich ich mein Desinteresse zeigte. Durch diese Erfahrungen entwickelte ich etwas, das von PUAs als »Bitch Shield« bezeichnet wird: meine instinktive Tendenz, mich bei unerwarteten Begegnungen mit fremden Männern abweisend und unfreundlich zu verhalten. Die meisten Frauen haben solche Schutzschilder, in unterschiedlichen Ausprägungen. Hätten wir sie nicht, müssten wir uns noch viel häufiger Kommentare wie »Ich habe dich und deine schönen Brüste beobachtet« anhören.

PUAs verwenden unfassbar viel geistige Energie darauf, herauszufinden, wie sie Frauen schnell davon überzeugen können, dass sie ungefährlich, freundlich und/oder unterhaltsam genug sind, um nicht am Bitch Shield abzuprallen.

PUAs haben auch eine Bezeichnung für mein Einzeilerexperiment. Die Einzeiler wären in ihrer Sprache »Opener« und meine Art, fremde Leute auf der Straße anzusprechen, würden sie als »Sarging« bezeichnen.

Viele PUAs ziehen am Anfang ihrer Karriere mit der Absicht los, Frauen einfach nur anzusprechen. Ihnen ist klar, dass sie besonders zu Beginn einige Abfuhren in Kauf nehmen müssen, um ihre Angst vor Ablehnung zu überwinden. Einige PUAs behaupten sogar, dass sie ausdrücklich hoffen, einige Male abzublitzen, um sich selbst gegen den Schmerz abzuhärten.

Ich kann das absolut nachvollziehen. Ablehnung tut weh. Manchmal sogar sehr. Es wäre schön, wenn Zurückweisung irgendwann einfach von mir abprallen würde und ich keine weichen Knie mehr bekomme, wenn ich fremde Leute anspreche.

Eine weitere Geschichte aus den Zeiten, in denen ich ein dürres Mädchen mit komischen Haustieren war, verlief folgendermaßen: Ich fragte einen Jungen, ob er mit mir tanzen gehen wollte. Er entgegnete, dass ich mir »eins dieser Haustiere nehmen und in den Arsch schieben« könnte. Ich weinte sehr und schwor mir, nie wieder einen Mann um ein Rendezvous zu bitten. Diesem Vorsatz blieb ich bis in meine Zwanziger treu, was nicht etwa daran lag, dass ich ein Mauerblümchen wäre. Ich konnte die Vorstellung, noch einmal einer solchen Reaktion ausgesetzt zu sein, einfach nicht verkraften.

Sozial ungeübte PUAs wissen genau, dass sie sich »ins Feld« stürzen müssen, um zu lernen, wie sie mit Leuten ins Gespräch kommen. Dazu ziehen sie häufig Nachtclubs und Bars vor. Schließlich ist ein Großteil der Frauen dort offen, neue Leute kennenzulernen. Aber einige PUAs gehen zum Sarging auch in Buchläden, Cafés oder Waschsalons.

Es ist gruselig, mich selbst als »Target« (»Zielscheibe«) bezeichnet zu wissen (und sehr viele PUAs beschreiben Frauen, die sie vögeln wollen, als Targets). Andererseits zeigt die Marmoset-geschichte, dass ich selbst auch bereits »gesargt« habe. Und wenn man die PUAs beim Flirten beobachtet, wird die Vorstellung davon viel weniger unheimlich. In Bars habe ich PUA-Anfänger dabei beobachtet, wie sie all ihren Mut zusammennahmen und versuchten, eine Frau anzusprechen. Ich habe mit angesehen, wie diese Jungs abgeblitzt sind oder ignoriert wurden. Das hat mich nicht dazu gebracht, sie zu hassen oder zu fürchten.

Genauso habe ich beobachtet, wie geübte PUAs Frauen ansprachen, freundlich mit ihnen plauderten und am Ende ihre Telefonnummern einsteckten. Auch das hat mich nicht dazu gebracht, sie zu hassen oder zu fürchten.

Einige PUAs benutzen nicht einfach nur Opener; sie haben komplette, auswendig gelernte »Routinen« in petto. Sie können eine komplette Unterhaltung führen, ohne ein Wort zu sagen, das sie sich nicht vorher schon zurechtgelegt haben. Als ich das erste Mal davon hörte, stieß es mir bitter auf, wie diese schüchternen Jungs es als PUAs faken. Viele Ratschläge dieser Subkultur schienen sich darauf zu konzentrieren, Text auswendig zu lernen und sich hinter einer falschen Fassade zu verstecken.

Als ich von den PUAs hörte, war ich Mitte zwanzig und hatte mir bereits einen Ruf als feministische Aufklärerin erarbeitet. Ich bin immer noch ein Nerd – und daran wird sich nie etwas ändern –, aber inzwischen bin ich begehrt. Ich bin mir selbst treu geblieben und irgendwann wurde mir schließlich auch romantische Aufmerksamkeit zuteil. Warum konnten PUAs das nicht auch tun? Ich kenne viele Nerds, die einen ähnlichen Werdegang hingelegt haben wie ich: In der Pubertät ungewollt, aber kaum dass sie der Highschool entflohen waren, heiß begehrt.

Ich vermutete, dass ein großer Teil des Problems darin lag, dass diese schüchternen Jungs der Annahme waren, dass sie ein Recht auf ein umwerfendes blondes Supermodel hätten, und Strebermädchen (wie mich!) ignorierten, weil sie ihr männliches Ego dadurch aufpolieren wollten, dass sie das schärfste Mädchen im ganzen Club nagelten.

Es gibt viele vernünftige PUAs in der Community, die in der Lage sind, die Entscheidung der Frau zu respektieren. Trotzdem gibt es unfassbar viele typische arschlochmäßige Kommentare in der Community darüber, dass Frauen »immer die Macht haben« oder dass »Frauen Männer immer nur kontrollieren wollen«. In den allerseltensten Fällen wird bemerkt, wie ironisch solche Aussagen in einer Community sind, die Männern beibringt, wie man Frauen manipuliert.

Trotzdem … manche von diesen Typen wirklich einfach so schüchtern und ungeschickt, dass sie auf normalem Wege keine einzige Verabredung zustande bringen. Es gibt unterschiedliche Arten von PUAs. Ein PUA-Ausbilder stellte mir gegenüber die Rechnung auf, dass der Prozentsatz der unbeholfenen Typen mindestens sechzig bis achtzig Prozent beträgt … aber die restlichen zwanzig bis vierzig Prozent sind widerliche, aggressive Frauenfeinde. Er sagte auch: »Mindestens fünfzig Prozent der Typen sind nur in der Community, um sich etwas zu beweisen. Sobald sie ihren Schwanz reinstecken können, fühlen sie sich gut, weil sie eine weitere Kerbe im Bettpfosten haben.« Woraufhin sie natürlich zur nächsten Kerbe übergehen. Und zur nächsten …

Die schlimmsten PUAs sind fiese Arschlöcher, die darauf aus sind, Frauen zu hundert Prozent zu kontrollieren. Aber die anständigen sind meistens schüchterne Jungs, die einfach nur versuchen, zwischenmenschliches Verhalten zu verstehen. In ihren Versuchen, weniger schüchtern und ängstlich zu werden, ist es schwierig, diese Kerle dafür zu hassen, dass sie durch Schein zum Sein kommen wollen. »Sei einfach du selbst« ist ein schrecklicher Ratschlag für jemanden, der von Natur aus einfach vollkommen unbeholfen ist.

Ich verurteile PUAs viel weniger, seit ich mir meine eigenen besessenen Analysen von Dating- und Beziehungsregeln eingestanden habe. Wie ich bereits zugegeben habe, brauchte auch ich experimentelle Herangehensweisen, um Leute anzusprechen. Offensichtlich unterscheide ich mich sehr von den meisten PUAs, nicht zuletzt dadurch, dass ich eine Frau bin. Trotzdem habe ich festgestellt, dass ich mit einigen PUAs sehr viel gemeinsam hatte.

• • •

Ich bin 2009 auf die PUA-Community gestoßen. Ich war 24 Jahre alt und mein damaliger Freund fragte mich: »Hast du von dem Pick-up-Artist gehört?«

Mein Freund und ich waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht lange zusammen. Ich hatte ihn in der SM-Community in Chicago kennengelernt.

»Pick-up-Artist?«, fragte ich.

»Er war bei einem der SM-Treffen«, sagte mein Freund. »Alle reden darüber. Ich war nicht da, aber scheinbar ist dieser Typ so charismatisch, dass alle anderen Männer sofort den Arm um ihre Freundinnen legten, als er das Café betrat. Dieser Typ ist professioneller Pick-up-Artist. Es gibt wohl eine ganze geheime Szene, in der man lernen kann, wie man Frauen manipuliert. Und dieser Typ ist ein Experte. Männer zahlen ihm Unsummen, damit er ihnen beibringt, Frauen zu verführen.«

Es wurde viel über den Pick-up-Artist getratscht, aber ich traf ihn erst bei einem feministischen Aufklärungsworkshop, den ich organisiert hatte. Er stellte sich mir vor – James Amoureux – und ich rief: »Du bist der Pick-up-Artist!«

Ich begutachtete ihn interessiert. James sah gut aus und machte einen sehr charmanten Eindruck. Er hatte lange Haare – ich liebe lange Haare. Trotzdem war die Anziehung, die ich ihm gegenüber verspürte, unangemessen. Er verdient Geld damit, dass er Frauen verführt, dachte ich. Vielleicht kann er jede Frau kriegen, die er will … Ich musste erst mal tief durchatmen.

»Um ehrlich zu sein, ist mir die Pick-up-Community ziemlich suspekt«, sagte ich.

»Das ist verständlich«, sagte James. »Stichwort Hetero-normativität.« Mein Puls fing an zu rasen. »Heteronormativität« ist ein Begriff, der von Gendertheoretikern benutzt wird, um die kulturellen Erwartungen bezüglich »normaler« heterosexueller Geschlechterbeziehungen zu beschreiben. Wenn ein Mann dieses Wort intelligent in einen Satz einbauen kann, werde ich sofort schwach.

Höchstwahrscheinlich machte ich es James viel zu leicht, meine Nummer zu bekommen, aber ich konnte nicht anders! Er sprach meine Sprache. Und anschließend versicherte er mir, dass er sich bald wieder auf einer meiner Veranstaltungen blicken lassen würde.

Einer meiner Mitbewohner zu dieser Zeit war zufälligerweise mein Exfreund (ein Arrangement, von dem ich nur abraten kann). Als ich an diesem Abend nach Hause kam, befand er sich gerade in der Küche und kochte. Ich setzte mich zu einer meiner Freundinnen ins Wohnzimmer und erzählte ihr von James. »Wenn ich mit einem Pick-up-Artist schlafe«, fragte ich sie, »habe ich dann gewonnen oder verloren?«

»Verloren!«, rief mein Ex aus Richtung Küche. Er klang aufgebracht.

• • •

James, der Pick-up-Artist, kam einige Wochen später wieder zu einem meiner Workshops und lud mich danach zu einem Kaffee ein. Er war Ende dreißig, hatte einen Master in Psychologie und war frisch geschieden. Er war intelligent, unaufdringlich und ging elegant auf meine verwirrten Fragen ein.

»Die meisten Typen in der PUA-Community wollen im Grunde eigentlich nur das Gleiche wie alle anderen Menschen: eine lang anhaltende, verbindliche Liebesbeziehung.«

Ich hatte da meine Bedenken. »Ist denn das Manipulieren von Frauen wirklich der beste Weg, um eine Langzeitbeziehung anzufangen?«

»Na ja, für jeden bedeutet Manipulation etwas anderes. Die meisten dieser Typen wollen einfach nur lernen, wie man mit anderen umgeht«, sagte James mit einem Seufzer. »Trotzdem muss ich leider zugeben, dass die Community keine guten Beziehungstipps gibt. Ein Großteil meines Einkommens kommt von Klienten, die lernen wollen, wie sie ihre Pick-up-Verhaltensweisen wieder rückgängig machen können. Sie verführen eine Frau, mit der sie gern zusammen sein möchten, aber dann merken sie, dass sie sich gar nicht auf sie einlassen können.«

Missverstandene Nerds auf der Suche nach Liebe oder gnadenlose Casanovas, die Frauen ausbeuten wollen? Mir fehlten ausreichende Informationen, um mir wirklich ein Urteil machen zu können. Also verschob ich es auf später. James wirkte freundlich, aber zurückhaltend. Er schlug vor, gemeinsam ein Projekt zu entwickeln. Vielleicht eine Sexratgeberkolumne? Leider musste ich passen, weil ich in wenigen Monaten ins Ausland gehen würde.

Ich fragte ihn nach seiner Erfahrung mit SM und war tief enttäuscht, festzustellen, dass James’ Hauptinteresse in Bondage lag – Fesselspiele. Meine eigenen SM-Interessen liegen woanders und aufwendige Fesselprozeduren langweilen mich meistens. Die Beziehung, die ich mit meinem Freund ausgehandelt hatte, war nur semi-monogam. SM außerhalb der Beziehung war okay, aber den »Blümchensex« hatten wir füreinander reserviert. Wenn James also meine SM-Interessen nicht teilte, war er für mich tabu.

Aber James schien sowieso weder sexuelles noch sadomasochistisches Interesse an mir zu haben. Ich spürte nicht mal die leisesten Flirtsignale von seiner Seite und versuchte sehr, nicht beleidigt zu reagieren. Ich tröstete mein Ego, indem ich mir einredete, dass James vielleicht mehr Interesse zeigen würde, wenn ich nicht mit jemand anderem zusammen und kurz davor wäre, das Land zu verlassen.

»Rate mal, wer auf meinem Workshop war«, sagte ich später zu meinem Freund.

»Wer denn?«

»Der Pick-up-Artist!« Ich versuchte, so fröhlich wie möglich zu klingen.

»Wirklich?«, fragte mein Freund. Er klang genau wie mein Exfreund, als er »Verloren!« gerufen hatte. Ich musste lachen.

»Er hat keinerlei Anstalten gemacht, mich zu verführen«, versicherte ich ihm. »Wir haben nicht mal kompatible Interessen in Bezug auf SM. Ehrlich.«

»Hmm.«

»Er ist ein interessanter Typ«, fuhr ich fort. »Er benutzt Wörter wie ›heteronormativ‹ und macht auch keinen wirklich ruchlosen Eindruck.«

»Das ist genau das, was du glauben sollst

Ich lachte wieder. »Natürlich. Ich frage mich auch, was er im Schilde führt. Er scheint ehrliches Interesse an meiner Arbeit zu haben; ich frage mich, wozu er mich benutzen will. Aber gleichzeitig stereotypisiere ich ihn durch diese Frage. Du übrigens auch.«

»Hmm«, gab mein Freund zögernd zu. »Damit könntest du recht haben.«

• • •

Gerüchten zufolge hatte eine Frau aus der SM-Community mit James geschlafen. Als ich sie das nächste Mal sah, quetschte ich sie sofort aus.

»Er wird dich so lange belügen, bis er dich rumgekriegt hat«, sagte sie düster. »Und dann ruft er dich nie wieder an.«

»Wie gut ist er denn im Bett?«, hakte ich nach. »Auf einer Skala von eins bis zehn?«

Sie überlegte kurz, seufzte und machte eine dramatische Geste. »Zehn!«

Ich beschloss, diese Information im Hinterkopf zu behalten, und schickte James später eine E-Mail. Seine Antwort war zurückhaltend. Ich fixierte den Bildschirm meines Computers und überlegte, was ich jetzt tun sollte. Ich hatte das Gefühl, dass ich irgendetwas von diesem polierten Verführungsprofessor wollte … aber was? Es war mehr als ein spannendes Gespräch, mehr als ein gemeinsames Aufklärungsprojekt, mehr als eine Kerbe im Bettpfosten. Ich wollte wissen, was in seinem Kopf vor sich ging. Ich wollte, dass er auf mich reagierte … aber offenbar hatte er kein Interesse. Ich seufzte und versuchte, meine Enttäuschung zu ignorieren. Ich war sowieso mit anderen Dingen beschäftigt. Dazu gehörte auch eine absehbare, aber trotzdem sehr schmerzhafte Trennung von meinem Freund. Ein paar Monate später zog ich in ein anderes Land.

• • •

Ich fing mit 24 an, im Internet über BDSM zu schreiben. BDSM ist eine Abkürzung, die mit vier Buchstaben sechs Begriffe beschreibt: Bondage, Disziplin, Dominanz, Submission (Unterwerfung), Sadismus und Masochismus; ich benutze meistens den gebräuchlicheren Ausdruck »SM«. Ich bin das, was wir einen »Switch« nennen: Ich kann zwischen der dominanten und der unterwürfigen Rolle hin- und herwechseln (obwohl ich mehr Interesse an der letzteren habe).

Ich entdeckte meine sadomasochistischen Neigungen, als ich zwanzig war. Damit klarzukommen, war wirklich nicht einfach. Es fing an, als ein Typ mich auf einer Party abschleppte. Er tat mir sehr weh; er brachte mich dazu, um Gnade zu flehen. Es fühlte sich wunderbar an, aber verwirrte mich vollkommen.

Oberflächlich betrachtet, stehen meine masochistischen Sehnsüchte völlig im Gegensatz zu meiner Identität als unabhängige, rationale und feministische Frau. Aber instinktiv spürte ich, dass ich SM in meinem Leben brauchte. Was blieb mir also anderes übrig, als mich damit anzufreunden?

Ich bin Schriftstellerin; wenn mich etwas beschäftigt, verarbeite ich es durch Schreiben. Ich brauchte ein paar Jahre, um mich langsam wieder zu sammeln. Ich verfasste lange Tagebucheinträge über meine verwirrende sexuelle Identität, suchte im Internet nach Texten über SM und wurde davon förmlich überflutet. Es gab sogar Feministinnen, die über ihre Erfahrung mit SM schrieben und die Schnittstellen zwischen Feminismus und SM aufzeigten.1 Ich wollte Teil dieses Diskurses werden und startete meinen eigenen Blog.

In meinem eigenen Selbstverständnis war ich schon immer Feministin gewesen, ohne es genauer zu durchdenken. In diese Blogsphäre hineinzugeraten, war wie ein Crashkurs in Feminismus, in dessen Geschichte einige großartige Triumphe der Menschenrechte zu finden sind, wie zum Beispiel das Wahlrecht für Frauen oder die Legalisierung von Abtreibung. Aber leider hat die Feminismusbewegung in der Vergangenheit auch unglaubliche Engstirnigkeit bewiesen, zum Beispiel in Bezug auf Rassismus, Homosexualität, Sexarbeiter … und SMer.

Viele FeministInnen behaupten, dass eine Frau, die auf SM steht, tiefgreifende Probleme mit ihrem Selbstwert hat, missbraucht wird oder sogar Verrat begeht und sich dem Feind ausliefert (das sind die FeministInnen, die Männer als Feinde bezeichnen). Wie Alice Schwarzer sagt: »Weiblicher Masochismus ist Kollaboration!«2

Aus dieser festgefahrenen Argumentation entstand eine Art interne Gegenbewegung, die man als »sexpositiven Feminismus« bezeichnet. Dazu zähle ich auch mich selbst.

Im Lauf der Jahre wurde auch der Platz der Männer im Feminismus immer wieder kontrovers diskutiert. Was bedeutet es, ein Mann zu sein, der Frauen unterstützt und sich für Geschlechtergleichheit starkmachen möchte? Sind Männer, die Frauenrechte unterstützen, nicht immer Feministen? Und wenn nicht, warum nicht?

Sexpositive FeministInnen nehmen meist wohlwollende Perspektiven in den Diskussionen über Männlichkeit ein. Nicht alle sexpositiven FeministInnen stehen auf SM, aber viele. Manchmal frage ich mich, ob wir den Problemen der Männer gegenüber offener sind, weil wir ein nuanciertes Verständnis von Macht haben. Wenn es eins gibt, das ich durch SM gelernt habe, ist es, dass Macht niemals nur in eine Richtung geht.

Im Jahr 1963 schrieb Betty Friedan in ihrem Klassiker The Feminine Mystique: »Männer waren nicht wirklich der Feind – sie waren ebenfalls Opfer eines überholten maskulinen, geheimen Nimbus, der dafür sorgte, dass sie sich überflüssig fühlten, wenn es keine Bären zu erlegen gab.« Die nächsten 49 Jahre lang haben FeministInnen immer wieder versucht zu erklären, dass keineswegs alle von uns Männer hassen. Hört jemand zu? Natürlich nicht.

Oder vielleicht doch. Im Jahr 2005 wurde Betty Friedans Zitat über Männlichkeit und Bären in einem New-York-Times-Bestseller zitiert, dessen Autor ein Mann war. Der Mann war Neil Strauss, das Buch Die perfekte Masche: Bekenntnisse eines Aufreißers (auf Neil Strauss’ Standpunkt zum Thema Feminismus werde ich später noch ausführlich eingehen). Während meiner PUA-Recherche war ich unglaublich fasziniert von den Bereichen, in denen sich beide Theorien – Pick-up-Philosophie und Feminismus – überschnitten.

Die Autorin bell hooks definierte Feminismus im Jahr 2000 in ihrem Buch Feminism is for everybody als eine »Bewegung, um Sexismus, sexistische Ausbeutung und Unterdrückung zu beenden«.3 Nach dieser Definition können Männer natürlich auf jeden Fall Feministen sein. Und auch so eine böse, abartige Perverse wie ich. Ich bin mir nicht sicher, ob Neil Strauss Feminismus für sich beanspruchen würde. Im Interview ist er dieser Frage geschickt ausgewichen.

• • •

Weibliche Sexualität war während der »Feministischen Sexkriege« immer wieder ein zentrales Streitthema; die Diskussion der männlichen Sexualität fiel eher unter den Tisch. Ein Großteil des Feminismus liegt im Widerstand gegen die gewaltsame gesellschaftliche Dominanz von Männern begründet. So wurde zum Beispiel das Vergewaltigungstrauma-Syndrom (eine Form des posttraumatischen Stresses, den Opfer von Vergewaltigungen erleben) zum ersten Mal in den Siebzigern von FeministInnen identifiziert. Es mag für uns heute unvorstellbar klingen, aber früher gingen viele Leute nicht davon aus, dass Vergewaltigung ein Trauma zur Folge haben könnte.

Eine 65-jährige Frau erzählte mir, dass sie 1970 von einem Mann, der in ihr Haus eingebrochen war, überfallen und vergewaltigt worden war. 1974 suchte sie endlich Hilfe bei einem Therapeuten, weil sie unter Schlafstörungen, Panikattacken und anderen schlimmen Symptomen litt. Als sie dem Therapeuten die Vergewaltigungsgeschichte erzählte, guckte er sie nur an und fragte: »Meinen Sie wirklich, dass das wichtig ist?«

Das ist mein voller Ernst. Vor diesem geschichtlichen Hintergrund ist es verständlich, dass die meisten FeministInnen andere Prioritäten hatten, als die Probleme der männlichen Sexualität zu diskutieren – besonders in Anbetracht der Tatsache, dass viele FeministInnen selbst gewaltsame Angriffe von Männern überlebt haben.

Im Laufe der Jahre hat sich jedoch gezeigt, dass die Auseinandersetzung mit männlicher Sexualität im Kampf gegen Vergewaltigung unumgänglich ist (schließlich werden auch Männer Opfer von Vergewaltigungen). Alle Themen, die Geschlechter-identität berühren, sind miteinander verwoben. Dank dieser Erkenntnis nehmen tiefgreifende Debatten bezüglich männlicher Sexualität auch unter FeministInnen immer mehr zu.

Ein Thema, das in diesen Diskussionen immer wieder aufkommt, ist die Beschränktheit unserer gesellschaftlichen Standards hinsichtlich männlicher Sexualität. Von Männern wird erwartet, dass sich Sex für sie um Leistung, Unersättlichkeit und Gewalt dreht: Wie groß ist dein Schwanz, wie viele heiße Weiber kannst du vögeln … Diese Vorstellung liefert einen oberflächlichen und unvollständigen Eindruck davon, was die meisten Männer wirklich wollen.

Dieses mangelhafte, substanzlose Bild ist ein Kernstück der Pick-up-Artist-Kultur und wird gründlich vermarktet. Obwohl PUAs natürlich unterschiedliche Präferenzen in Bezug auf Frauen haben, orientieren sich die meisten von ihnen an den typischen Schönheitsidealen. Einige PUA-Arschlöcher (und auch viele Arschlöcher, die keine PUAs sind) werden sagen, dass alle Männer dasselbe wollen. Sie behaupten, dass Männer null Interesse an Frauen mit Persönlichkeit oder Verstand haben, sondern nur junge, schlanke, weiße Frauen begehren, und dass alle Männer, die sagen, dass sie zum Beispiel ältere Frauen attraktiv finden, lügen, »weil sie nichts Besseres klarmachen können«.

Obwohl das vielleicht auf ein paar Männer zutrifft, gilt es mit Sicherheit nicht für alle. (Ironischerweise drückt das auch eine ziemlich verachtende Haltung Männern gegenüber aus. Das ist das schmutzige kleine Geheimnis des Frauenhasses – er geht Hand in Hand mit Männerhass.)

Das beste Beispiel hierfür ist John Devores Geschichte, der jahrelang für ein Männermagazin arbeitete. Er jagte den Models hinterher, weil er glaubte, dass genau das von ihm erwartet wurde:

Schönheit liegt im Auge des Betrachters und das Gleiche gilt für Erektionen … Wenn ich Megan Fox sehe, quellen mir dann die Augen aus den Höhlen wie in einem Cartoon? Sicher. Aber das ist beinahe eine Pawlowsche Reaktion. Konditioniert. Es gibt eine tiefe Diskrepanz zwischen dem, was wir sexy finden sollen, und dem, was wir tatsächlich für sexy halten, zwischen dem glamourösen Gruppendenken und der Unantastbarkeit der individuellen Perversion. Nicht alle Typen wollen mit aufreizenden Schönheitsköniginnen nach Hause gehen. Der Unterschied zwischen einem Jungen und einem Mann ist einfach: Ein Mann weiß, was er will, und entschuldigt sich nicht dafür. Die richtige Frau ist genau die, von der er sagt, dass sie es ist.

[…] Es gab mal eine Zeit, in der es mir viel zu wichtig war, was andere von mir dachten, und so jagte ich Frauen hinterher, als ob mein Penis jemand anderem gehörte. Diese Frauen hatten einen Mann verdient, der selbstsicher war und es nicht nötig hatte, der Welt zu sagen: »Seht mal, wen ich flachlegen kann!« […] Einmal war ich mit einer Frau zusammen, die so umwerfend schön war, dass meine Freunde mir High Fives gaben, wann immer sie uns den Rücken zudrehte. Sie war eine bemerkenswerte und tiefgründige Frau. Und aus irgendeinem Grund stand sie auf mich. Aber als wir herummachten, war von meiner Seite einfach nicht viel Verlangen da. Sie dagegen fuhr so sehr darauf ab, dass es sie selbst überraschte. Wie sich herausstellte, war sie vorher immer nur mit athletischen Männern mit gegelten Haaren und Bauchmuskeln zusammen gewesen. Also so ziemlich das genaue Gegenteil von mir – mehr oder weniger ein plumper, pummeliger, sarkastischer Trottel. Kein Wunder, dass sie mich nicht voller Stolz ihren oberflächlicheren Freunden präsentiert hatte – für die hatte ich keinerlei Wert. Aber für diese Frau hatte ich welchen und sie gelangte durch diese Tatsache zu Erkenntnissen, die ich wenig später mit ihr teilen sollte.

Es bedurfte einer Frau, die mutig liebte, um mir eine befreiende Lektion zu erteilen. Das Leben ist zu kurz, um es mit falschen Romanzen zu vergeuden. 4

Soweit ich das beurteilen kann, sind die Frauen in PUA-Berichten immer jung, schlank, weiß (hin und wieder asiatisch), »cisgender« (»nicht transgender«)5, gesund und so weiter.

Im Vokabular der PUAs ist HB die Abkürzung für »hot bitch« (»heiße Schlampe«) oder »hot babe« (»heiße Maus«), je nach Grad der Frauenfeindlichkeit. Häufig wird der Bezeichnung HB eine Wertung von 1 bis 10 hinzugefügt: Eine HB5 ist Durchschnitt, eine HB8 ist sehr attraktiv, während eine HB10 absolut umwerfend ist. »Hot bitch« mag zwar negativ klingen, ist aber sehr mild im Vergleich zu den Begriffen, mit denen viele PUAs Frauen beschreiben, die sie unattraktiv finden (»Warzenschwein« ist ein Beispiel).

PUALingo.com, ein beliebter Index von PUA-Definitionen, enthält folgenden Eintrag unter dem Wort »Fatty« (»Fettkloß«):

PUAs, die schon Fattys flachgelegt haben (viele von uns haben das zu Übungszwecken getan), werden während dem Sex ein plötzliches Gefühl von Ekel empfinden, wenn sie auf ihre perfekt definierten Bauchmuskeln herunterblicken und das Schwabbelfett des Fattys sehen. Aber ein positiver Aspekt ist, dass Fattys extrem dankbar sind und normalerweise super blasen können.

Anders ausgedrückt, dicke Frauen sind nur für einen schnellen Fick gut zu gebrauchen. Ihre Gefühle sind irrelevant, außer sie tragen dazu bei, dass sie besser im Bett sind. Diese Webseite ist übrigens noch relativ gemäßigt. Es gibt viele PUA-Autoren, die viel schlimmere Dinge vom Stapel lassen. Das ist es, worüber Feministinnen sich beschweren, wenn wir von »Objektivierung« sprechen.

Ganz nebenbei bemerkt, haben die meisten PUAs übrigens keine »perfekt definierten Bauchmuskeln«.

Dieser Fokus auf stereotype Attraktivität lässt einen Teufelskreis entstehen. Während viele Männer sich zur PUA-Community hingezogen fühlen, weil sie schüchtern sind und sich sonst an niemanden wenden können, gibt es viele andere Männer, die einfach nur so viele konventionell »heiße« Mädels wie möglich flachlegen wollen. Und da die Normen dieser Community genau darauf ausgerichtet sind, halten die Männer, die etwas anderes wollen, meistens den Mund. Sie stellen den notorischen PUA-Leitsatz, dass »alle Typen dasselbe wollen«, sehr selten infrage. Dadurch bleiben die Normen der Community intakt und schrecken Männer ab, die nicht dazu passen.

Interessanterweise lehnen einige PUAs das Nummernsystem ab, weil sie keine Richtlinien für Attraktivität festlegen wollen. Sie benutzen stattdessen ein beschreibendes System, zum Beispiel: »HBTollerArsch« oder »HBYoga«. Andere Männer zeigen mit Aussagen wie »für mich war sie eine HB8« ihre individuellen Vorlieben.

Aber es gibt viele PUAs, die sich böswillig über die Männer mit anderen Attraktivitätsvorstellungen lustig machen. Als SMerin war ich insbesondere erschrocken über einen fiesen PUA, der ein Foto ins Internet stellte, auf dem ein Mann in einer unterwürfigen Pose abgebildet war. Sein Kommentar: »Wenn das hier ein Fetisch ist, wäre hiermit bewiesen, dass einige Fetische nur etwas für Loser sind.«6

Vielleicht ist es ein Schritt in die richtige Richtung, wenn jemand sagt: »Für mich war sie eine HB8.« Aber auch wenn es den PUAs vielleicht dabei hilft, ihre individuellen Vorlieben voneinander zu unterscheiden, ist es für ihre Targets trotzdem nach wie vor entmenschlichend.

Außerdem habe ich selten Gespräche zwischen PUAs gehört, in denen freundlich über Frauen geredet wurde, die nicht ihrem Schönheitsideal entsprachen. Sie gelten meist lediglich als Hilfsmittel (oder Hindernisse) auf dem Weg zu den Hottys.

Viele PUAs haben eine unglaubliche Freude daran, sich über Fattys und Warzenschweine lustig zu machen.7 Die Ironie ist unglaublich, wenn man bedenkt, dass diese Community aus Männern besteht, die sich bemühen, ihre eigene Attraktivität aufzuwerten. Ich bin nicht die einzige Person, der das auffällt. Ein männlicher Kommentator auf einem PUA-Blog schrieb:

Obwohl der Teil mir zusagt, bei dem es darum geht, »herkömmlich unattraktiven Männern zu helfen, ihr sexuelles Selbstbewusstsein zu finden«, finde ich es schockierend, dass Sympathie gegenüber Frauen, die nicht im gängigen Sinne attraktiv sind, völlig fehlt. Man sollte meinen, dass man eine andere Perspektive entwickelt, wenn man da selbst durch musste … Für mich klingt das ziemlich verlogen.

Als Mensch mit unkonventionellen sexuellen Vorlieben kritisiere ich andere nicht für ihr individuelles sexuelles Verlangen. Aber ich habe ein riesiges Problem damit, wenn Leute ihre Sexualpartner als minderwertig behandeln. Ganz zu schweigen davon, dass die engstirnigen Standards für Schönheit Frauen schaden, nicht nur bei der Partnersuche, sondern überall, von der Uni bis zum Arbeitsplatz. (Eine Studie aus dem Jahr 2010 belegt, dass blonde Frauen sieben Prozent mehr verdienen als Frauen mit anderen Haarfarben.8 Eine andere Studie aus dem Jahr 2011 zeigte, dass dünne Frauen auch mehr Geld verdienen. Frauen, die sehr schlank sind, verdienen beinahe 22.000 Dollar mehr als Frauen mit durchschnittlichem Gewicht.9)

Mich betreffen diese Standards genauso. Je älter ich werde, desto konventioneller wird mein Modegeschmack. Als ich jünger war, fühlte ich mich mit Make-up total unwohl (es sei denn, es war aufwendige Goth-Schminke). Ich wollte schön sein. Es gab kaum etwas, dass ich mehr wollte. Aber nach meinen eigenen Maßstäben. Als ich älter wurde und bereitwilliger den gängigen Modetrends folgte, fühlte ich mich manchmal, als hätte ich einen entscheidenden Kampf gegen mich selbst verloren.

Ich war mit Männern zusammen, denen es mehr oder weniger egal war, wie ich aussah. Einige von ihnen respektierten mich sogar mehr, weil ich nicht »oberflächlich« war. Aber gleichzeitig kritisierte mich der Freund, den ich am meisten liebte, dafür, dass ich »zu sehr mit meinem Äußeren beschäftigt sei«.

Es ist ein Balanceakt. Ich hasse es zu wissen, dass mein Aussehen eine Rolle spielt, und diese Tatsache zu hassen. Klug zu sein und zu wissen, dass meine Intelligenz meistens nicht einmal annähernd so wichtig ist wie meine äußere Erscheinung. Das Ganze tut besonders weh, wenn ich mit Männern zu tun habe, die in der Lage sind, sich zu mir hingezogen zu fühlen und mich genau dafür zu hassen.

Ich hasse es, Angst davor zu haben, an Gewicht zuzunehmen oder älter zu werden. Ich kann diesen Terror nie ganz unterdrücken, egal wie oft ich mir meine Intelligenz, meine Fähig-keiten oder anderen positiven Eigenschaften in Erinnerung rufe. Ich hasse mich selbst, weil ich diese Angst verspüre. Ein Teil von mir glaubt, dass allein die Angst vor dem Verlust meiner Schönheit mich »falsch« oder »oberflächlich« macht.

Diese Gefühle haben sich durch meinen intensiven Kontakt mit PUAs keinesfalls gebessert. Ich habe mich nie getraut, die PUAs darum zu bitten, mich auf der Skala zu beurteilen. Mir wurde bei dem Gedanken daran schon schlecht. Ich habe ein bis zwei Mal gescherzt, dass ich wohl ein HBX bin, aber es ist ein seltsamer Witz. Es war mehr ein Versuch, meine innere Anspannung zu diesem Thema zu zerstreuen.

Das direkteste Feedback, das ich je bekommen habe, kam von einem PUA-Coach, der sagte: »Ich mag es, wenn du mit uns sargen gehst. Du bist heiß. Irgendwie hast du Ähnlichkeit mit Anne Hathaway.«

Wenn ich mit Männern zu tun habe, die behaupten, dass sie meine Meinung oder meine Intelligenz respektieren, kann ich mich selbst davon überzeugen, dass meine äußere Erscheinung keine große Rolle spielt. Mit PUAs war mir dieser Luxus nie vergönnt. Obwohl es mir Spaß machte, mit ihnen zu flirten, und ich einige von ihnen mochte, konnte ich mir nicht helfen: Ein bisschen Hass mischte sich immer mit rein. Ich kann einfach Begriffe wie »Fettkloß«, »Warzenschwein« und »HB10« nur so oft hören, bis ich deprimiert und wütend werde.

Natürlich mag ich es, wenn mir ein Kerl ehrlich sagt, dass er mich attraktiv findet. Aber es ist schlimm, ausschließlich auf meine äußere Erscheinung reduziert zu werden.

Es gab natürlich auch solche PUAs, die mir das Gefühl gaben, dass sie meine Meinung respektierten. Ich versuchte, mir einzureden, dass sie mir immer noch zuhören würden, wenn ich nicht dünn, weiß, cisgender, gesund und so weiter wäre. Ich konnte mich davon nie wirklich überzeugen.

Es gab ein paar Kerle in der PUA-Subkultur, die ich mochte – denen ich sogar vertraute –, die niemals die schlimmsten PUA-Ausdrücke in den Mund nahmen oder die geringsten Anzeichen von Frauenhass zeigten. Diese Kerle hatten allerdings Seltenheitswert.

Natürlich kann ich nicht abstreiten, dass ich selbst auch attraktiven Männern mehr Aufmerksamkeit schenke. Frauen ist physische Erscheinung vielleicht im Gegensatz zu Männern weniger wichtig, aber ganz ehrlich, jeder Mensch, egal welchen Geschlechts, beurteilt andere zu einem gewissen Grad nach ihrer körperlichen Anziehungskraft.

Es dreht sich weniger darum, was wir persönlich attraktiv finden, sondern vielmehr darum, wie wir darüber reden und damit umgehen. Es ist völlig in Ordnung, sich nicht zu dicken Leuten hingezogen zu fühlen. Aber das ist kein Grund, sie schlecht zu behandeln oder zu behaupten, dass niemand auf der ganzen Welt sie attraktiv finden könnte.

Ich muss zugeben, dass ich die Zustimmung der PUAs suchte. Ich war immer das hässliche Entlein gewesen, das ein Schwan sein wollte. Ich sehnte mich nach der Anerkennung von Männern, die ihre ganze Zeit damit verbrachten, Frauen nach ihrer Fickwürdigkeit zu bewerten. Dementsprechend erreichte meine innere Unsicherheit in Bezug auf mein Äußeres während meiner PUA-Recherche Rekordwerte.

Diese Typen suchten verzweifelnd nach einer bestimmten Form von Bestätigung von Frauen und ich war ihnen darin auf deprimierende Art sehr ähnlich. Es ist ziemlich krank, dass mein Interesse an PUAs zum Teil darauf beruhte, dass ich selbst auf der Suche nach Wertschätzung war. Sobald es mir klar wurde, ekelte es mich an. Aber vielleicht ist es einfach das unvermeidliche Resultat einer Gesellschaft, die uns sagt, dass der Wert einer Frau durch ihr Erscheinungsbild festgelegt wird.

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Pick-up-Artistry beruht unter anderem auf Manipulationstechniken wie Neurolinguistischem Programmieren (NLP). NLPler behaupten, dass sie andere Personen mit präziser Wortwahl und Gesten kontrollieren können.

Viele Ideen in der Pick-up-Community stammen aus dem NLP, zum Beispiel die »Frame-Theorie«. Ein »Frame« (»Rahmen«) ist ein gedankliches Muster oder eine Art Weltanschauung. Ein Beispiel für unterschiedliche Frames ist die Art, wie ein Boulevardmagazin im Gegensatz zu einer intellektuellen Zeitung das gleiche Ereignis beschreibt.

Diese Theorie bietet auch Einblicke ins Flirten. Viele Flirttechniken bestehen darin, zu »reframen« oder den Frame zu »stehlen«. Wenn ich einen Mann frage: »Bist du ein Pick-up-Artist?« und der Typ antwortet: »Oh, denkst du, ich will was von dir? Das geht mir aber ein bisschen zu schnell«, dann stiehlt er mit seiner Antwort den Frame. Und ist dabei noch witzig.

Aber diese Theorie kann sehr schnell aggressive Züge bekommen, wenn es darum geht, Kontrolle über die Frames zu gewinnen. Die Theorie dahinter ist, dass jedes Individuum seinen eigenen Frame hat und diesen um keinen Preis aufgeben möchte. Jeder will, dass sein Frame alle Situationen dominiert. Eine sozial starke Person zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Frames der Personen um sie herum kontrollieren kann.

Obwohl diese Theorie einen wahren Kern hat, ist sie problematisch. Natürlich versuchen die meisten Menschen (ich selbst eingeschlossen), anderen ihre Denkweise zu vermitteln. Dennoch stellt sich die Frage: Wie konfrontierend wollen wir unsere Beziehungen gestalten? Sollten Macht und Kontrolle immer im Mittelpunkt stehen? Wäre es nicht besser, das Konzept anhand von »ineinandergreifenden Frames« oder »verstehenden Frames« anstatt »kontrollierenden Frames« zu betrachten?

Einige NLP-Texte sind auf positive zwischenmenschliche Verbindungen ausgerichtet und geben sogar Tipps, wie man seine eigenen Gedanken, Gefühle und Sehnsüchte besser ausdrücken kann. Aber trotzdem spiegelt es eine ziemlich aggressive Auffassung wider, Kommunikation als ein Werkzeug zu sehen, das dazu dient, ganz bestimmte Reaktionen hervorzurufen.

Es gibt einfache NLP-Taktiken, die erstaunlich gut funktionieren. Wenn man beispielsweise während einer Unterhaltung immer wieder mit dem Kopf nickt, wird der Gesprächspartner fast immer auch irgendwann anfangen, mit dem Kopf zu nicken.

Die Effektivität und Auswirkung von NLP ist in PUA-Kreisen umstritten. Wie ein PUA-Guru einmal zu mir sagte: »Klar gibt es Probleme mit der Pick-up-Artistry. Was erwartest du denn von einer Gemeinschaft, die ihre Wurzeln im NLP hat?«

Die Einstellung unserer Gesellschaft bezüglich Sex, Liebe und Partnersuche hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm verändert. Erwartungen und Anstandsregeln haben sich deutlich gelockert. Monogamie ist nach wie vor die Norm in der westlichen Welt, aber trotzdem sind Scheidungen (und sogar offene Beziehungen) zunehmend verbreitet und akzeptiert. Fast alle Normen und Gebräuche werden hinterfragt. Möglicherweise sind PUAs ein Produkt dieser veränderten Situation.

Wenn es keine festen Benimmregeln oder Rituale gibt, die vorschreiben, wie Partnersuche zu verlaufen hat, scheint es logisch, dass sich eine Gruppe von Männern zusammenschließt, um herauszufinden, wie es am besten funktioniert. Es gibt tatsächlich Anti-Feministen, die finden, dass PUAs sich viel zu sehr für die Gefühle der Frauen interessieren. Hier ein Zitat aus einem anti-feministischen Blog:

Die PUA-Community spricht nie oder nur selten die Dinge an, die Frauen falsch machen. Es ist wie bei einem Kind, das einen Wutanfall bekommt. Anstatt es zu disziplinieren, versucht man herauszufinden, was genau das Kind will, um es ihm dann geben zu können. Es herrscht eine riesige Angst davor, Frauen auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen. […] Das Game ist im Grunde nur eine Strategie, mit dem miesen Verhalten von Frauen umzugehen. Wenn eine Frau überheblich ist und sich verweigert, sollst du herausfinden, welche Knöpfe du bei ihr drücken musst, anstatt ihr klar zu sagen, dass sie sich öffnen soll. 10

Dieser Blogeintrag verursacht mir aus einer ganzen Reihe von Gründen ernsthafte Kopfschmerzen. An erster Stelle steht der Vergleich von Frauen mit Kindern, dicht gefolgt von der Behauptung, Frauen müssten zur Vernunft gebracht und »erzogen werden«. Hinzu kommt die Weigerung, darüber nachzudenken, was die Frauen zu dem beschriebenen »miesen« Verhalten veranlasst haben könnte. (Ich wette, dass dieser Typ das »Fehlverhalten« von Frauen katalogisiert hat und der erste Punkt auf dieser Liste ist, »sich zu weigern, Sex mit mir zu haben«.) Aber der Gedanke, dass PUAs sich zu viele Gedanken über Frauen machen oder Frauen belohnen, die überheblich und gemein sind, ist interessant.

Von all den Leuten, die ich in der PUA-Subkultur kennen-gelernt habe, waren mir die Typen am liebsten, die (genau wie ich) Pick-up-Artistry als ein Werkzeug nutzen wollten, um Geschlechteridentität und Sexualität zu verstehen. Meistens bezeichneten sich diese reflektierten Typen ungern als Pick-up-Artists, weil sie sich nicht darüber identifizieren wollten.

Am Anfang meiner Recherche traf ich einen Blogger mit dem Alias Hugh Ristik. Er hatte als schüchterner, ungeschickter Typ angefangen, der sich für Pick-up interessierte, weil er einfach keinen Erfolg bei Frauen hatte. Er ist auch ein unglaublich intelligenter Mann mit ernsthaftem Interesse an Ethik und Moral. Er hat wahrscheinlich doppelt so viele Seminare in Gender Studies an der Uni belegt wie ich. Sein Alias ist ein Wortspiel mit dem semi-psychologischen Begriff »Heuristik« (»Entscheidungsregel«; eine erfahrungsbezogene Methode, schnelle Entscheidungen zu treffen). Ich brauchte peinlich lange, um diesen Witz zu kapieren.

Hugh Ristik war für mich unter anderem deswegen interessant, weil er die westlichen Vorstellungen von Männlichkeit so fundamental anzweifelte. Trotzdem fürchtete er, sich der Heteronormativität anpassen zu müssen, um überhaupt eine Freundin zu kriegen. Er wollte kein mannhafter Mann sein. Er wollte die Zwänge und Normen der Geschlechteridentitäten sprengen und trotzdem begehrenswert sein. Also fragte er sich: »Was ist das Minimum an Männlichkeit, das ich zur Schau stellen muss, um auf Frauen attraktiv zu wirken?«

Hier ist ein Beispiel von Hugh Ristiks Arbeit:

In meinen Augen müssen wir die PUA-Community in vielen Punkten hinterfragen:

Was ist die Community überhaupt? Was sind ihre Praktiken und Denkansätze?

Was zieht Männer hinein? Was sind die Erfahrungen dieser Männer?

Wie gut funktionieren die Taktiken, die diese Community vorschlägt? Was bedeutet »funktionieren« in diesem Fall?

Ist die Community schädlich oder sexistisch gegenüber Frauen? Hat sie positive Auswirkungen auf Frauen?

Ist die Community schädlich oder sexistisch gegenüber Männern? Hat sie positive Auswirkungen auf Männer?

Sind die Verhaltensweisen dieser Community ethisch korrekt?

Ich habe die letzte Frage aus gutem Grund ans Ende gestellt: All die anderen Fragen müssen zuerst beantwortet oder zumindest bedacht werden, bevor man sich der letzten intelligent nähern kann. 11

Irgendwann versuchte ich, eine große Typologie der Pick-up-Artists zu entwickeln. Das hier ist dabei herausgekommen. Natürlich gibt es viele PUAs, die in mehr als nur eine Kategorie gehören.

Typ eins: Die Analytiker. Hinterfragen Geschlechteridentität. Typen wie Hugh Ristik, die Denkansätze und Handlungsmuster der PUAs analytisch dekonstruieren. Sie sehen die PUA-Community als ein Mittel dazu, Sex und Gender zu verstehen.

Typ zwei: Die Außenseiter. »Average Frustrated Chumps« (AFC; »Frustrierte Durchschnittstrottel«) sind Kerle, die selten Sex haben und (noch) keine PUAs sind. Es gibt auch »below-Average Frustrated Chumps« (bAFCs); Männer, die so schüchtern und unbeholfen sind, dass sie noch nie auch nur eine einzige Verabredung hatten. Solche Typen lernen in der PUA-Community eine Reihe sozialer Umgangsformen, die andere Kerle in ihrem Umfeld früher gelernt haben.

Typ drei: Die Hedonisten. Wollen Spaß haben. Einige Leute fangen an, sich mit Pick-up-Artistry zu beschäftigen, weil es ihnen ganz einfach Vergnügen bereitet. Meistens sind die hedonistischen PUAs so harmlos wie Leute, die gelegentlich eine Flasche guten Wein genießen. Aber sie werden gefährlich, wenn ihnen ihr eigener Genuss wichtiger ist als die Gefühle anderer Menschen.

Typ 4: Die Anführer. Organisieren die Community. Nach AFC und bAFC gibt es noch den Begriff der rAFC: »reformed Average Frustrated Chump« (»bekehrter Durchschnittstrottel«). Hin und wieder verwandelt sich ein Typ, der von der Pick-up-Artistry »gerettet« wurde, in eine Art Prediger der PUA. Andere Anführer genießen einfach den hohen Status in der Community oder sehen es als Ehrensache. Ein Gentleman dieser Kategorie informierte mich zum Beispiel, er wolle »mithilfe von Pick-up-Artistry bessere Menschen aus den Männern machen«.

Typ fünf: Die Abzocker. Hinter der Kohle her. Die meisten Organisatoren in der PUA-Community werden für die Arbeit, die sie machen, nicht bezahlt. Aber einige Typen (und ein paar Frauen) nutzen das Wachstum der Community und die damit einhergehende Kommerzialisierung relativ schamlos aus und vermarkten sich als Dating Coaches oder Eventveranstalter.

Typ sechs: Die Darth Vaders. Auf Macht und Rache aus. Die schlimmsten PUAs machen keinen Hehl daraus, dass sie Frauen verachten, misstrauen oder hassen (obwohl sie uns natürlich immer noch vögeln wollen). Aber nicht nur das – sie ziehen auch oft aufs Übelste über andere Männer her.

Es ist seltsam, dass all diese verschiedenen Typen sich in der gleichen Community über die gleichen Themen und Verführungstaktiken austauschen. Sie benutzen auch alle das gleiche Vokabular, was zu merkwürdigen Situationen führen kann.

Ein Beispiel dafür ist die viel diskutierte PUA-Taktik des »Negs«. »Neg« ist eine Abkürzung für »negative hit« (»negative Bemerkung«). Eine PUA-Webseite definiert einen Neg als »eine (mitunter humorvolle) Bemerkung, die auf die Fehler einer Frau aufmerksam macht«.12 Andere PUAs sehen Negs als freundliches Necken. Sie zeigen damit, dass sie dem Target aufmerksam zuhören, ohne zu übereifrig oder bedürftig zu wirken. Hier ist ein nettes Beispiel aus meinem eigenen Leben:

Ich saß mit einem ehemaligen PUA in einem Café und er blickte mir tief in die Augen.

»Warte mal«, sagte er. »Hast du deine Brille mit Sekundenkleber repariert?«

»Ja, hab ich«, gab ich zu.

Er grinste. »Alles an dir schreit geradezu ›arme Künstlerin‹, oder?«

Ich lachte mich darüber kaputt. Seine Rechnung ging voll auf, weil er verstand, dass ich mich bewusst entschieden hatte, (vorübergehend) eine mittellose Schriftstellerin zu sein, aber auch, was für eine innere Anspannung ich bezüglich dieser Entscheidung empfand. Außerdem tat er das in einem Moment, in dem ich mit einem abgedroschenen Kompliment über meine Augen rechnete. Erfolgreiches Flirten bedarf oft einfach nur der richtigen Mischung aus Selbstvertrauen, unerwartetem Verhalten und aufmerksamem Zuhören.

Diesen Typen würde ich in die dritte Kategorie stecken: ein Hedonist auf der Suche nach Spaß.

Einige PUAs haben ein eher strategisches Verständnis von Negs und nutzen sie als Methode, die »Tests« ihrer Targets zu bestehen oder ihr Bitch Shield zu durchdringen. Sie sind der Meinung, dass Negs besonders wirksam bei sehr schönen Frauen mit hohem Status sind (HB7s oder höher). Neil Strauss, Autor von Die perfekte Masche, schreibt:

Wenn du einer Frau, die häufig angemacht wird, ein abgedroschenes Kompliment machst, wird sie die Bemerkung entweder ignorieren oder davon ausgehen, dass du das nur gesagt hast, um sie rumzukriegen.

Wenn du dich ein bisschen über sie lustig machst und ihr zeigst, dass dich ihre Schönheit kalt lässt, bewirkst du, dass sie stattdessen versucht, dich zu erobern. Wenn du sie letztendlich mit deiner Zuneigung belohnst, wird sie sich gut fühlen. Kurzum, ein Neg wird dir die Glaubhaftigkeit verschaffen, die du brauchst, um ihr später ein ehrliches Kompliment machen zu können. Trotzdem bin ich nicht unbedingt ein Befürworter von Negs; sie sind wie ein kurzfristiges Pflaster, das du auf deine Persönlichkeit klebst, während du lernst, wirkliches Selbstverstrauen und Charakterstärke zu entwickeln.13

Manipulativ? Definitiv. Aber wie schädlich ist es? Für viele Leute gehört ein gewisses Maß an Doppeldeutigkeit und Ungewissheit einfach zum Flirten. Für diese Art Game sind Negs sehr nützlich.

Für mich gehört Neil Strauss in die erste Kategorie meiner Typologie. Er ist ein Analytiker, passt aber auch in viele andere Kategorien.

Für andere PUAs dagegen sind Negs eine Taktik, um ein Target zu verunsichern und dafür zu sorgen, dass es ihr schlecht geht. Hierzu ein Zitat eines berühmten PUA, der sich Tyler Durden nennt: »Negs eignen sich hervorragend, um das Selbstwertgefühl eines Targets zu senken und sie dazu zu bringen, nach deiner Aufmerksamkeit zu suchen.«14 Ein anderer, besonders gnadenloser PUA schreibt:

Die besten Negs wirken im ersten Moment wie Komplimente, schwirren aber noch Stunden später in ihrer Psyche herum. Sie nagen an ihrer Selbstwahrnehmung und bringen sie dazu, sich dir gegenüber zu qualifizieren. [Ein Neg] dringt in das Unterbewusstsein einer Frau ein, sodass sie mehr geistige Energie darauf verwendet, ihren eigenen Wert zu analysieren als deinen. 15

Ein Kommentator fügte den obigen Worten noch hinzu: »Solange eine Frau sich bemüht, dir zu gefallen, ist die Macht genau da, wo sie hingehört: sicher in deiner Tasche.«

Wenn du es also schaffst, dass sich die Frau unsicher und minderwertig fühlt, wird es für dich leichter, sie zu kontrollieren. Glückwunsch, Jungs! Damit seid ihr bei dem gleichen Schluss angekommen wie Missbrauchstäter.

Dieser Blogger steht auf der Liste der Darth-Vader-PUAs in meiner PUA-Kategorisierung ganz weit oben.

Ich muss leider zugeben, dass meine Kategorisierung weder vollständig noch richtungsweisend ist. Andere, wie beispielsweise der PUA-Coach Mark Manson, den ich mag und bewundere, haben ihre eigene, weitaus komplexere Klassifizierung entwickelt.16 Aber ich finde es einfacher, »uneingeweihten« Leuten die PUA-Community anhand meines eigenen Systems zu erklären.

Fiese Kerle?

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