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Einleitung

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Das 1993 erschienene Buch Zweierlei Glück von Gunthard Weber und die darauf folgenden Arbeitstagungen verliehen dem von Bert Hellinger entwickelten Verfahren des Familien-Stellens kräftigen Schwung: Die systemische Aufstellungsarbeit verbreitete sich rasch im gesamten deutschen Sprachraum und darüber hinaus vor allem in Lateinamerika, Osteuropa, Russland und Asien.

Im Jahr 1994 luden die Unternehmensberater Thomas Siefer und Michael Wingenfeld Bert Hellinger zu einem Seminar ein, in dem es darum ging, die Aufstellungsarbeit im Kontext von Organisationen anzuwenden. Das war der Anfang der »Organisationsaufstellung«. Bis heute blieb diesem Zweig der Aufstellungsarbeit allerdings der große Durchbruch vorenthalten. Und dies trotz intensiver Bemühungen der Vorreiter dieser Methode, insbesondere von Gunthard Weber, das Verfahren weltweit bekannt zu machen.

Es gibt jedoch Nischen, wo sich Manager für das Verfahren begeistern lassen und es in ihr Repertoire von Management-Tools integrieren. Voraussetzung ist ein stabiles Vertrauensverhältnis zu einem Berater, der die Aufstellungsarbeit nur einsetzt, wenn es zweckmäßig ist. Meistens wird dann die Methode mit anderen Interventionspraktiken verknüpft.

In der Betrachtung der Systemaufstellung in Managementkontexten bzw. der Organisationsaufstellung richtet sich dieses Buch denn auch an Manager und Berater, die beim »Hervorbringen von Zukunft« (Mandl 2006, S. 267 ff.) bewusst neue Wege beschreiten wollen, sei es, weil sie das Potenzial »ihrer« Organisation auf innovativere Weise erschließen wollen oder weil sie eingesehen haben, dass den rein vernunftgeleiteten Vorgehensweisen oft die mobilisierende Kraft fehlt.

Manager und Berater müssen immer wieder zur Kenntnis nehmen, dass vieles, was in Plänen steht, nicht umgesetzt wird – und dass sich dagegen anderes erfolgreich durchsetzt, was nie in Plänen festgeschrieben stand. Offenbar entzieht sich die Schnittstelle zwischen Planung und Umsetzung einer rein vernünftigen Handhabung. Besonders schmerzhaft wird dies spürbar, wenn es um radikale Veränderungen geht. Grundlegende Innovationen werden in den seltensten Fällen durch einen Businessplan angeregt. Die Triebkräfte für Innovation liegen zum größten Teil im stillschweigenden Wissen der Organisationen verborgen.

Rationalistischen Ansätzen der Entscheidungsfindung ist eines gemeinsam: Sie neigen zu Trivialisierung und verkürzter Sicht der Verhältnisse. Dabei werden folgende »Erfolgsfaktoren« unterbewertet oder systematisch ausgeblendet: Wünsche und Sehnsüchte, Intuition sowie die in der Praxis gehärtete Erfahrung. Gerade auf diesen Elementen aber baut Exzellenz auf. Allerdings wird Exzellenz auch immer wieder übersehen, weil sie nicht lärmend und angeberisch daherkommt, sondern sich in Disziplin übt. Sie führt im doppelten Wortsinn ein stilles Dasein.

Notwendige Voraussetzung für jede Erneuerung ist der unverstellte und anerkennende Blick, auf das was ist. So kommt eine vorschnelle Bewertung gar nicht erst auf. Erfolgt diese Sichtung dann noch mit der nötigen Genauigkeit und Sorgfalt, so zeigen sich jene Triebkräfte, die etwas zu dem gemacht haben, was es ist. Dadurch gewinnen die Dinge eine Plastizität, die es ermöglicht, nächste konsistente Schritte in eine Zukunft anzuschließen. Eben dies scheint uns das Geheimnis von Emergenz zu sein: eine Zukunft im Einklang mit der Herkunft.

Planung wird damit keineswegs unnütz. Alle Vorhaben mit Ressourcen auszustatten, die nicht in beliebigem Umfang bereit stehen, gehört zu den zentralen Aufgaben des Managements. Hier nun ist Rationalität sehr wohl gefragt. Sinnvoll wird Planung aber erst, wenn ein vitales Zukunftsbild geschaffen ist, das die Bedingungen der Möglichkeit integriert. Sonst wird nur platt die Vergangenheit in die Zukunft fortgeschrieben.

Nun findet aber die Aufstellungsarbeit – wie einleitend bereits erwähnt – nicht ohne Weiteres Zugang zu den Führungsetagen der Unternehmen. Vermutlich gibt es da einige Hindernisse, die nicht so leicht aus dem Weg zu räumen sind. Wenn wir diese hier anführen, heißt das nicht, dass wir unsere Leser gleich zu Beginn entmutigen wollen. Ganz im Gegenteil: Gerade in Kenntnis der Hindernisse können Berater und Manager, die von der Aufstellungsarbeit angetan sind, ihre Strategien zur Implementierung der Methoden effektiver einsetzen. Was also gilt es zu beachten?

•Dass sich mit Hilfe der Systemaufstellung die Verhältnisse in Organisationen durchleuchten lassen, erscheint einigen Managern eher bedrohlich. Mit der Ambiguität lässt sich gelegentlich doch besser leben als mit der Klarheit.

•Die Fokussierung auf die Körperwahrnehmung und das Gefühl bricht mit gewohntem Kommunikationsverhalten und löst Verunsicherung aus.

•Wenn es um Entscheidungen unter hohem Risiko geht, wünscht man sich wenigstens sichere »Tools«, die durch (den Mythos der) Wissenschaftlichkeit abgesichert sind.

•Das Verfahren ist vielen Managern zu aufwendig. Denn es bedarf eines speziellen Settings und eines Facilitators, der die Methode kompetent einführt und anwendet. Aufstellungsarbeit lässt sich nicht so einfach applizieren wie beispielsweise ein klassisches Brainstorming.

•Das größte Hindernis scheint uns jedoch darin zu liegen, dass zahlreiche Manager – aber auch Berater, die ausschließlich auf rationale Methoden setzen – der Aufstellungsarbeit nicht recht trauen. Folglich wird sie – selbstverständlich hinter vorgehaltener Hand – abgewertet: als Psychospiel, esoterisches Zeugs, Theater etc.

Der gelassene Umgang mit den Einwänden ist ein erfolgversprechender Weg: Statt eifrig für eine »wunderbare Methode« zu missionieren, bricht in der Regel die im richtigen Moment eingebrachte Einladung das Eis: »Versuchen wir es doch einmal mit einem Experiment!«

In Teil I des Buches erläutern wir, wie man mit Hilfe der Systemaufstellung Komplexität visualisieren kann, und wir veranschaulichen dies anhand eines detaillierten Beispiels. Außerdem ordnen wir das Verfahren methodisch ein. Wie wir darlegen, kann man die Systemaufstellung sehr gut mit den neueren Konzepten der »lernenden Organisation« verbinden. Dann erörtern wir Begriffe wie »implizites Wissen« und »soziale Intelligenz«. Im Weiteren zeigen wir detailliert den Zusammenhang zwischen der Praxis sozialer Systeme und den ihr zu Grunde liegenden Spielregeln auf. Da die Systemaufstellung Licht in die impliziten Ordnungen von Organisationen zu bringen vermag, wird sie gerade für ein »Management des Regelwerks«, dem Dreh- und Angelpunkt im Rahmen eines Veränderungsmanagements (Change Managements), interessant. Sie eröffnet Führungskräften und Beratern neue Möglichkeiten der Intervention in sozialen Systemen.

In Teil II wenden wir uns ganz der Methode der Systemaufstellung und ihrer Anwendung in Managementkontexten zu. Dieser Teil macht das vorliegende Buch zu einem »Field Book« für Beraterinnen und Berater, die sich entschieden haben, die Aufstellungsarbeit in ihre Arbeit mit Managern zu integrieren:

•Wir zeigen auf, welcher Voraussetzungen es bedarf, um Systemaufstellungen im Organisationskontext anzuwenden.

•Wir weisen auf die Unterschiede zwischen den verschiedenen Settings der Aufstellungsarbeit hin: in Teams, offenen Gruppen und im Coaching einzelner Führungskräfte.

•Wir stellen einen Standardablauf vor und unterbreiten Vorschläge, wie sich die Systemaufstellung mit anderen Methoden des Konzepts der »lernenden Organisation« verbinden lässt.

Im Unterschied zu Teil I, der wesentliche Gedanken aus unserem Buch »Management Constellations« (Rosselet, Senoner u. Lingg 2007) übernimmt und, wo nötig, aktualisiert, ist Teil II völlig neu erarbeitet.

Der abschließende Ausblick rückt die Systemaufstellung in einen größeren Zusammenhang und stellt eine Verbindung zur Organisationstheorie von Karl E. Weick her: Wie wir ausführen werden, geht es bei der Systemaufstellung darum, Energie für einen ersten anschlussfähigen und plausiblen Schritt in Richtung offene Zukunft freizusetzen.

Management Macht Sinn

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