Читать книгу Für immer Rosa - Claudia A. Wieland - Страница 6
2. Kapitel
ОглавлениеRosa hatte beschlossen, am Nachmittag wieder an den Strand von SAINT-JEAN-DU-DOIGT zu fahren, an dem laut Plan den ganzen Tag Dreharbeiten stattfinden sollten. Es zog sie unwiderstehlich dorthin.
Die Sonne schien und ein leichter Wind wehte, der die Wipfel der Pinien in dem kleinen Hain, der weiter östlich zu sehen war, vergnüglich tanzen ließ. Im Hintergrund hörte man ganz leise die Brandung des Meeres, das sich immer weiter und weiter zurückzog.
Die Filmleute arbeiteten an einer neuen Szene:
Victor täuscht seinen Ertrinkungstod vor. Er hinterlässt seine Kleider sorgfältig gefaltet am Strand, läuft ins Meer hinein, schwimmt ein Stück hinaus, durchquert dann die Bucht in östlicher Richtung und klettert über die Felsen an Land. Im Pinienhain zieht er sich die von ihm vorher dort versteckte Ersatzkleidung an und schleicht sich davon.
Tom spielte den ersten Part. Er zog sich bis auf eine Badehose aus, faltete seine Kleidung und legte sie auf den Sand. Einen Augenblick stand er einfach so da, wie erstarrt, und schaute nachdenklich auf das Meer hinaus. In seinen Augen lag Wehmut. Doch plötzlich schien er sich endgültig entschieden zu haben, die Vergangenheit für immer hinter sich zu lassen. Mit einem Ruck löste er sich aus seiner Bewegungslosigkeit und lief Richtung Meer, hinein in das Wasser, bis es ihm über die Hüften reichte. Er deutete einen Kopfsprung an. Schnitt. Das war es für Tom.
Seine Assistentin Kate, eine ziemlich gutaussehende Blondine Mitte Dreißig, mit langer, wehender Mähne und bernsteinfarbenen Katzenaugen, eilte ihm gleich nach Beendigung der Aufnahme barfuss bis ins Wasser entgegen und legte ihm, überaus reizvoll lächelnd, eine warme Decke um die Schultern. Das war schließlich ihr Job, dachte Rosa unsicher.
Tom kam direkt auf Rosa zu und sagte: »Warten Sie bitte einen Augenblick? Ich bin gleich wieder hier. Ich muss erstmal das nasse Zeug loswerden. Im Wasser ist es höllisch kalt.« Dann verschwand er in seinem Trailer. Rosa ahnte, dass er jetzt den Drehort verlassen konnte. Seine Arbeit war für heute getan. Den zweiten Part der Szene, das Schwimmen und den ganzen Rest, übernahm Toms Double, der wegen des eiskalten Wassers einen Neoprenanzug trug.
Nach nur wenigen Minuten tauchte Tom wieder auf und war sofort bei ihr. »Was wollen wir mit dem angebrochenen Tag machen?«, fragte er erwartungsvoll, wobei er seine Augenbrauen hochzog und seine Augen weit öffnete. »Ich meine, falls Sie mir überhaupt etwas zeigen möchten?«
Rosa zögerte nicht den Bruchteil einer Sekunde, um mit ihrem Vorschlag herauszurücken. »Also, wenn Sie jetzt nicht gerade eine heiße Dusche brauchen, dann würde ich Ihnen gerne etwas ganz Besonderes zeigen. Etwas sehr Mystisches, Geheimnisvolles. Und Sie kriegen garantiert wieder eine Gänsehaut. Ich verspreche es.«
»Na dann vergessen Sie mal die Dusche! Lassen Sie uns fahren!«
XXX
Sie standen vor einem langgezogenen Bauwerk aus Bruchgestein, das sich hoch oben auf einem Hügel befand. Tom schaute Rosa fragend an. Sie entfernte sich ein paar Schritte von ihm, drehte sich dann um, breitete theatralisch die Arme aus und begann laut zu deklamieren:
»Dies ist der Cairn von Barnenez. Er wurde zwischen 4000 und 5000 vor Christus erbaut. Damit ist er ungefähr 2000 Jahre älter als die ägyptischen Pyramiden.« Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. »Der Cairn ist ein Tumulus, ein von Menschenhand errichteter Grabhügel aus Steinen, in dem sich insgesamt elf Grabkammern befinden.«
Der Wind wehte auf dieser Anhöhe so stark, dass Rosas Stimme fast im Wind verhallte. Tom kam näher und machte mit einem Finger eine kreisende Bewegung an seinem Ohr, um ihr anzuzeigen, dass er sie kaum hören konnte. Rosa musste gegen den Wind ankämpfen und sprach jetzt noch lauter, ja sie schrie fast.
»Der Cairn von Barnenez ist zweiundsiebzig Meter lang, bis zu fünfundzwanzig Meter breit und über acht Meter hoch. Man schätzt sein Gewicht auf 12000 bis 14000 Tonnen. Das entspricht in etwa dem Gewicht von 2400 bis 2800 ausgewachsenen, afrikanischen Elefantenbullen.« Wieder machte sie eine Pause, um die letzte Information gebührend sinken zu lassen. »Der Cairn gehört zu den ältesten megalithischen Bauwerken in Europa, vielleicht ist er sogar DAS älteste megalithische Bauwerk.«
Rosa beschrieb mit dem Arm einen Halbkreis: »Wir befinden uns hier auf dem höchsten Punkt der Halbinsel Kernéléhen. Dort unten, zu Füßen dieses Hügels, breitet sich die Bucht von Morlaix aus. Früher war dort einmal fruchtbares Land, bevor das Meer gierig von allem Besitz ergriff.«
Rosa winkte Tom zu sich heran und sie spazierten Seite an Seite hügelabwärts, an der Längsseite des Tumulus entlang, vorbei an den Öffnungen zu den Grabkammern, bis zu der dem Meer zugewandten Seite. Dort entfernte sich Rosa wieder von Tom und ging einige Schritte auf die Bucht zu. Sie blieb mit dem Rücken zu ihm gewandt stehen und schaute fasziniert auf das Meer und den breiten, orange-goldenen Streifen, den die Sonne, die sich langsam dem Wasser näherte, auf die Oberfläche malte.
»Ist es nicht ergreifend schön hier?«, sagte sie leise, mehr zu sich selber als zu Tom, der sie wegen des Windes sowieso nicht hätte hören können. Aber sie fühlte, dass er dicht hinter ihr stand. Sie spürte ihn, spürte seine Aura, die unaufhörlich, wie mit tausend wehenden Armen, nach ihr zu greifen schien. Sie hielt den Atem an, um jedes Wort, jede seiner Bewegungen wahrzunehmen. Alle ihre Sinne waren geschärft.
Dann fühlte sie seine Hand auf ihrer Schulter, diesen sanften Druck, als wolle er sie festhalten, damit sie sich nicht wieder von ihm entfernte. Sie erzitterte unter der Berührung, drehte sich zu ihm herum und … stutzte. Er stand gar nicht da. Sie hätte gar keine Berührung spüren dürfen. Tom war mindestens fünf Meter von ihr entfernt und hatte seinen versonnenen Blick auf ihre Gestalt gerichtet, schaute aber wie durch sie hindurch, vielleicht auf den sich hinter ihr ankündigenden Sonnenuntergang. War es seine Energie, die ihre Schultern gestreift hatte? Nein, die Ausstrahlung eines anderen Menschen körperlich zu spüren, wenn man dicht bei ihm stand, war EINE Sache. Auch darüber konnte man sich natürlich streiten. Aber auf diese Entfernung etwas wahrzunehmen? Als wären sie durch unsichtbare Bänder miteinander verbunden? Unmöglich!
Rosa ging wieder näher an Tom heran, stand ihm jetzt direkt gegenüber, und fragte vorsichtig, aber mit fester Stimme: »An was denken Sie gerade?«
Sein Blick fokussierte sich wieder und richtete sich auf ihre Augen, als er langsam, als sei er gerade aus einer Trance erwacht, erwiderte: »Ich dachte gerade nur, dass diese Aussicht ergreifend schön ist. Danke für diesen Ausflug, Rosa!« Unvermittelt griff er nach ihrer Schulter und drückte sie ganz sanft, wie in stillem Einvernehmen. Dann ließ er seine Hand sinken und Rosa versuchte, ihre Verwirrung zu überspielen.
»Es gibt eine alte Legende um diesen Ort. Sind Sie bereit, sie zu hören?«
»Ja, erzählen Sie!«, forderte Tom sie auf. Er war offensichtlich wieder ganz wach und konzentriert.
Und Rosa begann mit verschwörerischer Stimme zu erzählen:
»In der Nacht vor Imbolg, dem keltischen Feiertag, treffen sich die erfahrenen Seelen, will sagen, die, die schon einmal einen Menschen durch ein Leben geführt haben, auf diesem heiligen Hügel. Sie wollen sich bei den Hütern des Feuers, den Abgesandten des Gottes Taranis, Wohlwollen für ihre zukünftigen Aufgaben erbitten. Taranis erschafft aus dem ewigen Feuer die Funken der neuen Seelen und teilt ihnen eine menschliche Behausung zu. Sie aber, die kundigen Seelen, haben ein selbst gewähltes Ziel, für das sie um die Gewogenheit der Hüter nachsuchen. So wollen die einen sofort in den Kreislauf von Leben und Sterben, Liebe und Leid, zurückkehren, die anderen aber eine gewisse Zeit in der Zwischenwelt verharren. Sei es, um sich vor der Rückkehr in den irdischen Kreislauf auszuruhen und nachzusinnen. Sei es, um ihre zurückgebliebenen Lieben zu bewachen. Sei es, um sich von den irdischen Bindungen auf immer zu lösen und in das ewige Feuer heimzukehren. Und im Morgengrauen, mit den allerersten Sonnenstrahlen - so sagt man jedenfalls - stieben sie wie Funken über lodernden Flammen auseinander, ihrem göttlichen oder irdischen Leben entgegen.«
Die letzten Worte flüsterte Rosa nur noch, aber mit solcher Inbrunst und Leidenschaft, dass Tom sichtlich erstarrte. In diesem Moment versank, wie nach einem geheimen Drehbuch, die Sonne glühend in der Bucht von Morlaix, genau dort, wo früher fruchtbare Felder gewesen waren.
Rosa lächelte Tom zu und sagte in plötzlich verändertem, fröhlichem Tonfall: »Haben Sie Lust, mit mir essen zu gehen?«
»Oh ja, ich habe jetzt wirklich Hunger bekommen.« Tom schüttelte sich leicht, als wolle er sich aus dem Zauberbann dieses unwirklichen Ortes befreien. »Das war eine sehr eindrucksvolle Vorstellung! Sie haben durchaus schauspielerische Qualitäten! Danke Rosa!«
»Gern geschehen, Tom! Aber für den Sonnenuntergang kann ich nichts. Wirklich nicht!« Sie lachte ausgelassen.
Sie kehrten zu Rosas Peugeot, den sie auf einem Parkplatz am Fuß des Hügels abgestellt hatten, zurück und setzten ihre Fahrt fort.
Aus den Lautsprechern des CD-Players erklang eine melancholische Melodie. Es war wieder Melody Gardot.
»Darf ich?« Tom drückte auf den Lautstärkeregler, um die Musik lauter zu stellen. Nach einer Weile sagte er: »Die Melodie ist so schwermütig und dabei handelt das Lied von einer LEICHTEN Liebe. Hören Sie das? Wie die Musik den Text kontrapunktiert? Das gefällt mir sehr gut.« Tom kreiste wie zur Untermalung mit dem rechten Zeigefinger durch die Luft und Rosa sah, wie erstaunlich lang und feingliedrig seine Finger waren.
»Jedenfalls sollte man dieses Album nicht unbedingt anhören, wenn man unglücklich ist«, erwiderte Rosa. Sie bemerkte, dass Tom einen schnellen Blick auf ihr Profil warf. »Glauben Sie, dass Liebe überhaupt leicht sein kann?«, fragte sie, wobei sie versuchte, so beiläufig wie möglich zu klingen.
»Auf jeden Fall. Ich meine, Liebe sollte, wie es in dem Lied heißt, einfach wie Wasser dahinfließen. Wir werfen ihr ständig Hindernisse in den Weg mit unseren idiotischen Bedenken, mit unserem ständigen Wenn und Aber. Bullshit! Wenn sie zu einem kommt, muss man sie geschehen lassen. Muss man sie fließen lassen. Sie findet ihren Weg schon. Ich meine jedenfalls, dass die Liebe von Natur aus froh und unbeschwert ist. Man sollte sie nicht immer so kompliziert machen.«
Rosa dachte über seine Worte nach. Zweifellos war Tom ein nachdenklicher junger Mann, aber das, was er sagte, zeugte auch von einer wunderbaren Unbekümmertheit. War das Attitüde oder der authentische Tom?
Nach einer Weile des Schweigens fügte Tom hinzu: »Allerdings ist das im Film ein bisschen anders, ich meine mit der Liebe. Je bedeutungsschwerer sie ist, desto vielschichtiger und faszinierender ist die Rolle für den Schauspieler und desto interessanter ist die Geschichte für den Zuschauer. Wie in VICTOR UND CLAIRE.«
»Haben Sie deshalb die Rolle des Victor angenommen?«
»Das war einer der Gründe. Außerdem haben mich die Drehorte gereizt. Und die Aussicht auf französische Lebensart. L’art de vivre, n’est-ce pas?« Tom verdrehte die Augen.
»Sprechen Sie Französisch?«, fragte Rosa erstaunt. Sie fand seinen englischen Akzent äußerst anziehend.
»Nicht wirklich. Von meinem Französischunterricht in der Schule sind nur ein paar Worte hängengeblieben. Und dann kenne ich noch diese Sätze, die man so in Hotelbars hört.«
»Dann wollen wir es für heute lieber bei Ihren Kenntnissen belassen.«
»Kluge Frau!«, bemerkte er trocken und sie lachten.
XXX
Rosa hatte ein kleines Restaurant direkt an der Strandpromenade eines verschlafenen Küstenortes ausgesucht. Sie saßen gebeugt über die Menükarten und studierten das Speisenangebot.
»Ich kann leider so gut wie nichts verstehen.« Tom schaute angestrengt in die Karte, als könne er durch pure Konzentration die Worte ins Englische verwandeln. Rosa hätte ihn nur allzu gerne umsorgt, hätte ihm sogar Wort für Wort die komplette Speisekarte übersetzt, wenn es nötig gewesen wäre. Aber da fragte er schon: »Ist Côte d’agneau nicht Lammfleisch?«
»Ja, das ist Lamm, Tom.«
»Lamm ist gut. Sollen wir das bestellen?«
Rosa erwiderte mit gekräuselter Nase: »Ich bin Teilvegetarierin.«
»Was zum Teufel bedeutet Teilvegetarierin?« Tom machte einen verzweifelten Gesichtsausdruck.
»Na ja, ich kann nicht auf Fisch verzichten. Und gelegentlich esse ich noch Rindfleisch. Das ist aus der bretonischen Küche kaum wegzudenken. Wie man aus der Speisekarte ersehen WÜRDE, wenn man Französisch KÖNNTE«, neckte sie ihn. »Aber andere Fleischsorten esse ich überhaupt nicht. Vor allem aber esse ich keine Tierbabys.« Rosa schüttelte sich. Beim Gedanken an all die Lämmer und Kälber, die gerade zu dieser Zeit neben ihren Müttern auf den saftigen Weiden lagen und die ersten Sonnenstrahlen ihres jungen Lebens auf ihrem samtweichen Fell spürten, während die Schlachter wahrscheinlich schon ihre Messer wetzten, wurde ihr elend zumute. Es war einfach nur barbarisch. Und die Tatsache, dass sie nicht gänzlich auf Fleisch verzichten konnte, beschämte sie zutiefst.
»Okay, und was essen wir dann?«, fragte Tom zweifelnd.
»Ich kann den Bar empfehlen.«
»Was um Himmels willen ist BAR?«, fragte er und riss die Augen auf.
»Oh, das ist … wie heißt es doch gleich … das ist Wolfsbarsch, mein absoluter Fischfavorit.«
»Aha«, erwiderte Tom. »Dann nehme ich das Steak.«
Rosa musste über seine abrupte Reaktion lachen. »Und wollen wir zum Essen einen Wein trinken? Vielleicht einen Rotwein?«, fragte sie nach.
»Rotwein zu Fisch?« Tom war erstaunt.
»Tja, über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten. Ich jedenfalls trinke meinen Lieblingswein zu allen Gerichten. Fauxpas hin oder her! Und zwar schamlos in aller Öffentlichkeit. Wenn es denn mein geliebter Haut-Médoc sein darf.«
»Darf es«, antworte Tom gönnerhaft nickend.
Als Rosa die Bestellung bei der Kellnerin aufgeben wollte, kam Tom ihr zuvor. Er redete in englischer Sprache auf die arme Frau ein und Rosa sprang ein, um zu übersetzen, als die Kellnerin Tom nur verständnislos anstarrte. Vielleicht setzte ihr Gehirn gerade aus, dachte Rosa belustigt. Weil sie einen so überaus gutaussehenden Gast vor sich hatte, den sie vielleicht im Moment noch nicht einordnen konnte. Die Erkenntnis würde ihr dann wahrscheinlich irgendwann heute Nacht kommen, wenn es zu spät war. Rosa ermahnte sich selber dazu, nicht schadenfreudig zu sein.
Als die Kellnerin dann endlich die Speisekarten an sich nahm und sich vom Tisch entfernte, konzentrierte sich Tom sofort wieder auf Rosa. »Warum haben Sie für ihr Buch gerade dieses Thema gewählt? Ich meine diese Art von Liebe zwischen Adoptivgeschwistern, für die die beiden sich ja halten. War das nicht eine ziemlich riskante Angelegenheit, zumindest was die Erfolgsaussichten Ihres Romans betraf?«
»In der Tat ist die Liebe zwischen Adoptivgeschwistern hierzulande immer noch ein Tabuthema. Die meisten Leute schweigen lieber dazu, anstatt Stellung zu beziehen. Rechtlich gesehen ist die Situation natürlich ganz klar. Eine Heirat zwischen Bruder und Schwester ist generell verboten, auch wenn einer von beiden adoptiert wurde und sie deshalb keine biologischen Geschwister sind. Eine Beziehung zwischen ihnen ist jedoch erlaubt, vorausgesetzt beide sind 15 Jahre oder älter und gehen die Beziehung freiwillig ein. Aber es geht mir überhaupt nicht um die juristische Seite, sondern um die menschlichen Aspekte einer solchen Liebe. Um die inneren Kämpfe der Beteiligten und die Abgründe der öffentlichen Meinung. Mir geht es um den tiefen Zwiespalt in einem Menschen, der einerseits ganz tief liebt, andererseits die unausgesprochenen Regeln der Gesellschaft glaubt, respektieren zu müssen. Ich möchte zeigen, dass die Entscheidung für eine gesellschaftlich verpönte Liebe sehr schwer ist, manchmal sogar unmöglich.«
Tom nickte zustimmend. »Ich meine, für die anderen da draußen, für die Gesellschaft mit ihrer Doppelmoral ist das, was Victor fühlt, etwas Schmutziges, Widernatürliches. Das macht seine Liebe zu einer verbotenen Sache, die vom Gesetz zwar nicht untersagt ist, die seine Umwelt aber nie und nimmer dulden würde. Und weil er Claire so sehr liebt, muss er sie vor den Angriffen der Welt schützen, muss sie vor seiner Liebe schützen. Er könnte sie niemals freiwillig loslassen. Also bleibt ihm scheinbar nichts anderes übrig, als fortzugehen. Endgültig. Das ist sein großer Konflikt, das ist sein innerer Kampf gegen seine Liebe. Gegen sich selber.«
Rosa lächelte über den Enthusiasmus, mit dem Tom über ihren Protagonisten sprach. So, als sei Victor eine lebende Person. Das zeigte ihr, dass er die Rolle wirklich ernst nahm und sich mit ihrem Roman intensiv auseinandergesetzt hatte. Das war schmeichelhaft.
Rosa beeilte sich zu erwidern: »Besser hätte ich es nicht sagen können. Und als sich Victor dann nach vielen inneren Kämpfen und gegen alle zu erwartenden Widerstände vorbehaltlos zu Claire bekennt, bringe ich die nicht stattgefundene Adoption ins Spiel. Natürlich hat diese unerwartete Wendung wenig mit der Wirklichkeit zu tun, aber ich wollte unsere beiden Liebenden nicht über Gebühr quälen, sondern den Weg zu einer schönen, romantischen Hochzeit ebnen. Da habe ich meine dichterische Macht schamlos ausgenutzt und ganz fraglos auch mein kleines Faible für Melodramatik und Kitsch ausgelebt. Ob die beiden das zu schätzen wissen, können wir natürlich nur erahnen.« Rosa zuckte mit den Schultern und Tom lachte. Dann fügte sie hinzu: »Ich glaube wirklich, Tom, dass Sie ein Gespür für die Rolle des Victor haben. Heute habe ich den Schmerz auf ihrem Gesicht gesehen. Das war richtig überzeugend! Sie sind in meinen Augen ein guter Schauspieler, Thomas Patrick Savage!«
Tom wendete seinen Blick ab, öffnete ein wenig den Mund und schob den Unterkiefer eine Idee zur Seite. Dann lächelte er scheu. Das Kompliment machte ihn sichtlich verlegen. Er schaute auf irgendeinen Punkt in der Luft über dem Tischtuch. »Danke, das ist nett, dass Sie das sagen«, sagte er leise. Dann richtete er seinen klaren Blick wieder auf ihr Gesicht. »Ich versuche mich immer ganz in eine Person, die ich darstellen soll, hineinzufühlen. Ich überlege mir, wie sie sprechen, wie sie sich bewegen würde. Und dann übe ich das Tag und Nacht, bis ich es im Schlaf draufhabe.«
Tom sagte das ganz und gar nicht wichtigtuerisch, sondern mit einem gesunden Selbstvertrauen. Seine reizende Verlegenheit in bestimmten Situationen wich einem äußerst anziehenden Selbstbewusstsein, wenn es um seinen Beruf, seine Arbeitsweise ging. Das war allerdings nicht immer so gewesen, wie Rosa mittlerweile durch eine nächtliche, sehr intensive Internetrecherche wusste. Die Kritiker hatten ihn lange Zeit nicht wirklich ernst genommen, seine Filme manchmal sogar verrissen, was ihm sehr zugesetzt hatte. Bis er sie endlich davon überzeugen konnte, dass er zu Recht von den Regisseuren, den Kollegen, den Zuschauern, ja anscheinend sogar von den Kameras geliebt wurde.
Rosa bestätigte Tom sehr gerne in seiner Arbeit. »Ich hatte ja gestern Gelegenheit mitanzusehen, wie sehr sie in der Rolle des Victor aufgehen. Dieser Gang, als sie auf mich zukamen, das waren nicht Sie, das war Victor.« Als ob Tom Savage ihre Bestätigung gebraucht hätte!
»Sie haben das bemerkt?« Überraschung und echte Freude zeigten sich in Toms Gesicht. Vielleicht brauchte er ihre Bestätigung nicht, aber es gefiel ihm sichtlich, von ihr gelobt zu werden.
»Natürlich habe ich das bemerkt. Aber was sollte dieses, mit Verlaub gesagt, etwas unpassende Grinsen?«.
»Es tut mir furchtbar leid! Wirklich! Die Kollegen hatten mich gerade völlig aus der Fassung gebracht. Mit ihren Frotzeleien über… «.
»Über?«.
»Darüber, dass ich im Begriff war, der gestrengen Madame Mansier gegenüberzutreten, um mich ihren unerbittlichen Argusaugen zu stellen.«
»Gestrenge Madame? Wie eine ältliche Lehrerin? Das also ist mein Ruf?«
»Ja… nein… nicht wirklich. Eigentlich kennt Sie doch niemand von denen so richtig!« Schnell lenkte er ab: »Aber Sie haben ganz Recht. Das dumme Gegrinse passte gar nicht zum ewig nachdenklichen, ernsten Victor. Das war einfach nicht professionell.«
Rosa bohrte weiter, aber nicht ohne eine gewisse Häme: »Und wen sollte das danach im Auto darstellen? Als wir losfuhren? Das waren doch auch nicht Sie!«
»Oh Gott, nein.« Tom verdrehte die Augen. »Nein, es war ein Spaß, sozusagen eine Maskerade. Ich wollte nur ein dummes Image bedienen, ein Klischee, wissen Sie. Mir wird immer wieder unterstellt, beruflich wie auch privat den James Dean herauszukehren und da dachte ich mir, ich spiele doch mal den superlässigen Typen, den nichts wirklich beeindrucken kann. War eine blöde Idee, ich weiß.« Er lachte schallend.
»Sehr viel hatte Mr. Obercool jedenfalls nicht zur Konversation beizutragen«, kommentierte Rosa spöttisch.
»Nein, das hatte er wirklich nicht. War nicht gerade einer meiner besten Auftritte. Sorry, wird nie wieder vorkommen. Ehrenwort!« Tom spielte den Zerknirschten, doch dann funkelte es in seinen Augen. »Aber zu SEINER Entschuldigung muss ich noch sagen, dass ER von der Situation total geflasht war. Ich meine, im Auto allein mit einer cool … ähm … beeindruckenden Lady, die eine Menge zu sagen hat.«
»Rede ich zuviel?«, fragte Rosa leicht verunsichert.
»Nein, um Gottes willen, so habe ich das nicht gemeint«, protestierte Tom. »Ich wollte damit sagen, dass Sie immerhin ganze Romane mit dem füllen, was Sie zu sagen haben. Das ist irgendwie respekteinflößend.«
Dass er ganz offenherzig seine Bewunderung zeigte, fand Rosa ausgesprochen sympathisch. Trotzdem! War sie denn so ehrfurchtgebietend? Manchmal kam sie sich neben ihm so alt vor. Aber war sie das denn nicht auch? Sie musste ehrlich zu sich selber sein!
»Wissen Sie«, fuhr Tom fort, »ich bin eigentlich ein durch und durch fröhlicher Mensch. Ich hatte eine wundervolle Kindheit. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nichts wirklich Trauriges erlebt, keine tragischen Todesfälle in der Familie oder im engen Freundeskreis, keine Liebestragödien. Nichts. Seelischen Schmerz mimisch auszudrücken habe ich mehr oder weniger am Theater gelernt. So wie vieles andere auch. Von der Pike auf. Aber eines bin ich ganz bestimmt nicht: COOL. Im Gegenteil. Andauernd habe ich das Gefühl, dass die ganze Welt an meinen Lippen hängt und von mir zu erwarten scheint, dass ich irgendetwas Wichtiges, irgendetwas Weltbewegendes von mir gebe. Und dabei werde ich von einer ständigen Panik verfolgt, irgendeinen Blödsinn zu reden und mich zum Affen zu machen.« Er lachte über sich selber. Dann machte er plötzlich ein gequältes Gesicht. »Und außerdem bin ich im Umgang mit Frauen, die mich … hmmm … faszinieren, anfangs immer etwas, sagen wir, ungelenk.«
Rosa musste insgeheim lächeln. Wer hätte das von einem Mann gedacht, den sie für einen Frauenhelden par excellence gehalten hatte! Außerdem war seine Ehrlichkeit einfach entwaffnend. Tom hatte etwas Unschuldiges, Unverdorbenes, das sie einerseits überraschte, andererseits tief berührte.
»Wissen Sie, Tom, Sie scheinen mir ganz genau zu wissen, was Sie wollen und wo Sie hingehören. Sie scheinen in sich selber zu wohnen und sich dort sehr wohl zu fühlen. Ich meine, im Großen und Ganzen. Bis auf diese rätselhaften Panikattacken.« Rosa lachte. Dann wurde sie wieder ganz ernst. »Bitte tun Sie das nicht!«
»Was soll ich nicht tun?«, fragte er erstaunt.
»Spielen Sie keine Rolle, wenn wir zusammen sind. Seien Sie einfach Sie selbst. Sie haben einen so liebenswerten Charakter. Es ist nicht nötig, sich zu verstellen.«
Tom schaute sie aus seinen aufrichtigen Augen forschend an und erwiderte dann: »Ich verspreche, immer ehrlich zu Ihnen zu sein, denn Sie sind … ich meine … Ihre Meinung … ist mir sehr wichtig.«
»Das ist mehr, als ich erwartet habe«, antwortete Rosa leise. Mit Ehrlichkeit konnte sie etwas anfangen. Egal, welche Wahrheit ihr eines Tages offenbart wurde.
Dann lenkte sie das Gespräch ganz bewußt in eine andere Richtung. »Sie werden ja bald in der Abtei von Beauport drehen. Unter anderem die Szene, wo Claire Victor, nun sagen wir mal, zu nahe tritt. Ich bin ziemlich neugierig, wie Sie und Charlotte diese Szene spielen werden«, sagte Rosa betont unschuldig.
»Wie meinen Sie das?«, fragte Tom gespannt.
»Nun, Claire macht Victor doch sexuelle Avancen. Sie provoziert ihn, während er gerade mit sich selber ins Reine kommen will. Und dann geraten sie in Streit und Victor packt sie und schüttelt sie ziemlich unsanft, um sie zur Vernunft zu bringen. Ich meine, Sie können das Mädchen doch gar nicht hart anfassen. Ich will damit sagen, dass Charlotte auf mich so einen zerbrechlichen Eindruck macht.« Rosa lauerte geradezu auf Toms Antwort.
»Hmmm, man würde mich wahrscheinlich dafür hassen, wenn ich Charlie etwas antun würde«, antwortete er seufzend. Wieder verdrehte er die Augen. Dann sagte er mit verstellter, tiefer Stimme, während er mit den Armen eine Schüttelbewegung nachahmte: »Du Hexe, du Dämon, geh weg, oder ich hau dir eine!« Dann hob sich seine Stimme in ungeahnte Höhen: »Nein, nein, bitte nicht! Ich bin nur ein armes, kleines, verdorbenes Mädchen.«
Rosa musste lachen, aber sie verstand, dass sich Tom jetzt über sie lustig machte. Er versicherte: »Glauben Sie mir, Charlie ist hart im Nehmen. Sie kann eine ganze Menge wegstecken. Sie ist jetzt schon, mit Anfang zwanzig, ein Vollprofi. Absolut diszipliniert, wie Sie sicher beobachtet haben. Aber Sie haben Recht, ich könnte Charlie nicht wirklich zusetzen. Ich kenne sie schon eine halbe Ewigkeit, schon seit ihren Anfängen in diesem Business.«
Und dann sagte Tom das, was Rosa inständig gehofft hatte zu hören: »Ich glaube, sie war damals zwölf Jahre alt, ein niedliches Mädchen, und ich spielte die Rolle ihres richtigen Bruders. Die Dreharbeiten mit ihr, das war einfach eine tolle Zeit. Wir haben viel Blödsinn miteinander angestellt, aber auch lange, ernsthafte Gespräche geführt. Seitdem sind wir wie wirkliche Geschwister. Und glauben Sie mir, es ist sehr, sehr seltsam, wenn wir uns für diesen Film küssen müssen.« Tom schaute ein wenig irritiert vor sich hin. Dann lächelte er wieder: »Charlie hat übrigens einen ganz tollen Freund. Er heißt Bob und ist einer meiner besten Kumpel. Noch aus meiner Londoner Zeit. Ich habe ihn schon mal erwähnt. Bob Marden, den Musiker. Leider kann er nicht hier sein. Hat im Moment andere Verpflichtungen. Aber dafür kümmere ich mich um Charlie. Das habe ich ihm versprochen.«
Die alberne Eifersucht verpuffte und Rosa erklärte betont großzügig: »Sie beide werden das schon irgendwie hinkriegen. Schließlich sind Sie Profis.«
»In der Tat. Das sollte man annehmen«, erwiderte Tom mit einem prüfenden Blick in ihr Gesicht und einem leichten Schmunzeln.
Hörte sie da einen Anflug von Belustigung in seiner Stimme? Er musste sie schon für eine komische Alte halten!
»Eins würde mich aber jetzt wirklich mal interessieren, Rosa. Als Sie erfuhren, dass VICTOR UND CLAIRE verfilmt werden soll, hatten Sie da einen Wunschkandidaten für die Rolle des Victor?« Sein prüfender Blick forderte sie heraus.
»Ehrlich gesagt waren meine Kandidaten für den rebellischen Victor leider alle schon tot.«
»Als da wären?«, beharrte Tom auf einer Antwort.
»In der Reihenfolge meiner Präferenzen? Marlon Brando, Marlon Brando und noch mal Marlon Brando.« Rosa musste sich das Lachen verkneifen.
»Wow! Großartiges Vorbild! Schätze, da habe ich ja richtig Glück gehabt, die Rolle zu bekommen«, stellte er trocken fest.
»Kann man wohl so sagen«, erwiderte Rosa verschmitzt.
»Wer ist denn so ganz allgemein Ihr Lieblingsschauspieler?«, bohrte Tom weiter. »Ich meine von den noch lebenden Darstellern?«, fügte er mit vollendeter Unschuldsmiene hinzu.
Rosa blinzelte spitzbübisch und sagte wie aus der Pistole geschossen »Jean-Yves Berteloot.«
»Netter Kerl, aber falsche Antwort! Noch jemand? Und bitte jetzt die englischsprachigen!« Es klang mürrisch.
Rosa versuchte es noch mal: »Hugh Laurie?«
»Ah, Doctor House! Cooler Typ! Und ein Landsmann von mir. Aber auch falsch.« Er machte einen strengen Gesichtsausdruck und schüttelte vehement den Kopf. »Also gut, wer sonst noch? Sagen Sie es lieber gleich! Sie brauchen mich nicht zu schonen.«
Rosa besann sich auf sämtliche Schauspieler, die sie gerne mochte. »Also gut. Robert Redford. Clint Eastwood. Tom Hanks. Tom Cruise. Mais non, der eher nicht! Und natürlich Johnny Depp…«
»Stopp, stopp, stopp! Das ertrage ich nicht länger.« Tom machte eine abwehrende Bewegung mit den Händen und verzog das Gesicht zu einer komischen Grimasse.
»Okay, okay!« Sie lachte. »Ich ergebe mich. Wegen seines erpresserischen Charmes, seiner Beharrlichkeit und seiner unglaublichen Leidensfähigkeit … und weil ich außer ihm sowieso niemanden persönlich kenne, ist mein Lieblingsschauspieler ab heute … Thomas Patrick Savage.«
»Bravo, das war eindeutig die richtige Antwort. Dafür lade ich Sie zum Dessert ein.«
»Gerne. Hier gibt es übrigens als Spezialität flambierte Crêpes mit Cointreau. Sehr zu empfehlen, Tom.«
»All right, ein Schnaps wäre jetzt gut.« Sie lachten.
»Übrigens bin ich ein ganz großer Verehrer der Grandes Dames des französischen Films, Catherine Deneuve und Isabelle Huppert.« erklärte Tom.
»Tatsächlich?«
»Absolut!«
»Meine Lieblingsschauspielerin ist Romy Schneider,« erwiderte Rosa.
»Romy Schneider war keine Französin, richtig?«
»Richtig. Sie war gebürtige Wienerin mit einer deutschen Mutter. Wussten Sie, dass Romy eigentlich Rosemarie hieß? Rosemarie Magdalena?«
»Nein, das wusste ich nicht. Ein ziemlich altmodischer Name, oder? RO-SE-MA-RIE.« Er sagte den Namen ganz langsam, als ließe er jede einzelne Silbe auf seiner Zunge zergehen, vor allem aber die Buchstaben der ersten Hälfte.
Rosa tat so, als bemerke sie es nicht. »Seit den späten 60-er Jahren drehte sie fast ausschließlich in Frankreich, und zwar ihre besten Filme. Sie war einfach eine faszinierende Frau, so ausdrucksstark, so kraftvoll und dabei innerlich so zerrissen.« Vielleicht mochte sie die Schauspielerin gerade wegen dieser Zerrissenheit so sehr? »Mein Lieblingsfilm ist mit Abstand LES CHOSES DE LA VIE, also DIE DINGE DES LEBENS. Kennen Sie ihn?«
»Ja, natürlich. Von Claude Sautet. Mit Michel Piccoli. Auch ein großartiger Schauspieler. Ich sehe ihn in seiner Rolle als Pierre förmlich vor mir, wie er nach seinem Autounfall im Sterben liegt und einzelne Stationen seines Lebens an ihm vorbeiziehen. Ein sehr intensiver, beeindruckender Film.« Tom hatte auch den Ruf, ein ausgezeichneter Filmkenner zu sein.
Sie beendeten das Essen und Tom beglich unter Rosas leichtem Protest die Rechnung. Sie hatte ihn einladen wollen, aber er ließ es nicht zu. Er half ihr in ihren Trenchcoat, zog selber seine dunkle Lederjacke an und sie verließen das Lokal. Draußen stiegen sie in den Peugeot und Rosa fuhr Tom zu seinem Hotel. Sie stieg mit ihm aus und er trat zum Abschied auf sie zu. Er nahm den Kragen ihres Mantels in beide Hände und zupfte daran herum. Wieder hatte er den Mund leicht geöffnet und den Unterkiefer ein wenig zur Seite geschoben. Aber dieses Mal schaute er ihr forschend in die Augen. »Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.« Und dann, nach einer kleinen Pause: »Morgen habe ich drehfrei. Wollen wir nicht zusammen etwas unternehmen?«
»Wenn Sie möchten, zeige ich Ihnen die Abtei von Beauport«, bot Rosa an.
»Es wäre mir eine große Freude.«
»Dann hole ich Sie morgen Vormittag gegen zehn Uhr vom Hotel ab, einverstanden?«
»Sehr gerne.« Er beugte sich über Rosas Gesicht und küsste sie auf beide Wangen. Diese französische Sitte hatte er sich offensichtlich ganz schnell angeeignet. »Gute Nacht, Rosa! Es war ein schöner Abend.«
»Ja, das war es. Gute Nacht, Tom!«
Er nickte ihr noch einmal zu, drehte sich dann um und schlenderte mit den Händen in den Hosentaschen auf den Eingang des Hotels zu. Dort drehte er sich wieder um und wartete scheu lächelnd ab, bis sie eingestiegen und losgefahren war