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Von einem, der auszog, den Mond zu suchen

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Er stand und drückte sich am Fenster die Nase platt. Starrte hinauf in den nachtschwarzen Himmel und wartete, bis der Mond unterging. Danach war er traurig.

„Wenn ich gross bin, will ich Mondforscher werden“, schrieb er in der dritten Klasse zum Aufsatzthema. Tatsächlich besuchte er nach Abschluss des Gymnasiums die Universität, um Astrophysik zu studieren.

Der Mond warf verschiedenes Licht auf sein Leben. Einmal ging seine Mutter mit ihm Schlittschuhlaufen. Er war noch klein, aber schon gross genug, um sich die Schlittschuhe stolz selber zu schnüren. Sie liefen auf dem zugefrorenen See; am Ufer stand geknicktes Schilfrohr in eisiger Starre. Als er hinfiel, verbrannte er sich die Wange am Eis. Die schmale Sichel sah bleich vom blassblauen Nachmittagshimmel auf ihn herab.

Als das kalte Mondlicht die Fassaden der Häuser versilberte, lag er auf ihr in Bagdad, mit seinen Händen auf ihren grossen Brüsten. Später küsste er ihren weichen Bauch und fand an ihrem gepiercten Nabel einen Mondstein. Seither war er mondsüchtig.

„Es schneit Sterne!“, dachte er im All. Die Raumkapsel näherte sich dem Mond und dessen Gravitationsfeld zog immer stärker. Er sollte jetzt erneut die Triebwerke zünden, um den Rückschub einzuleiten. Er tat es nicht. Wie ein kleiner Junge stand er und drückte seine Nase am Fenster platt und starrte hinunter auf die steinig-graue Mondoberfläche. Und wartete, bis er unterging. Und war gar nicht traurig.

Die Raumfähre stürzte auf die Mondoberfläche zu. Und er seinem Schicksal aus den Händen. Immer schneller. Immer schneller.

Immer schnell...!

Der Mondsüchtige und die Tänzerin

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