Читать книгу In Balance trotz - Claudia Mainau - Страница 5
ОглавлениеKapitel 1
Die normalste Sache der Welt
Kaum ein anderer medizinischer Begriff ist so emotional besetzt wie das Wort Krebs. Es löst Angst aus, fühlt sich bedrohlich und absolut an, schicksalhaft. Kann es sein, dass jeder Mensch bösartige Zellen in seinem Körper hat und dennoch nicht alle an Krebs erkranken?
Durch das Mikroskop betrachtet, ist der Mensch ein riesig großer Zellhaufen. Wenn man den Schätzungen glauben darf - denn nachgezählt hat es wohl noch niemand -, besteht unser Organismus aus etwa 100 Billionen Zellen. Anders ausgedrückt ist das eine Zahl mit 14 Nullen.
Wir bestehen also aus unvorstellbar vielen Zellen und keine einzige davon bleibt uns ein ganzes Leben lang erhalten. Denn in jeder Sekunde gehen an die 50 Millionen Zellen des Körpers verloren, werden verbraucht, abgestoßen oder sterben ab. Diese abhandengekommenen Zellen werden durch neue ersetzt. Der menschliche Organismus ist eine sehr leistungsstarke Zellproduktionsmaschinerie, die rund um die Uhr mit Reparatur- und Regenerationsarbeiten beschäftigt ist, damit alles reibungslos läuft. Dies funktioniert im Großen und Ganzen recht gut, wenn man bedenkt, was bei einer Massenproduktion dieser Größenordnung alles passieren könnte.
Tatsächlich geht aber immer wieder etwas daneben, und je nachdem, wie umfangreich der Schaden ist, kommt es in der Folge zu Defekten, die sich als Alterungs- oder Krankheitsprozesse bemerkbar machen und im schlimmsten Fall sogar zum Tode führen können. Damit sich der Schaden in Grenzen hält, sind verschiedenste raffinierte Kontroll- und Überwachungsmechanismen im Einsatz, die Alarm schlagen und Gegenmaßnahmen einleiten können. Doch leider sind diese nicht immer erfolgreich.
Das Böse ist immer und überall
In der Vorstellung der meisten Menschen ist Krebs so etwas wie ein absoluter Zustand: „Krebs bekommt man und dann stirbt man vielleicht sogar daran, oder man bekommt ihn eben nicht. Das ist so wie Schwangerschaft, entweder -oder.“ Aber so ist es ganz und gar nicht. Im Gegenteil, jeder Mensch hat zu jeder Zeit seines Lebens mehr oder weniger missratene Zellen in seinem Körper, die Vorstufen von Krebszellen oder bereits bösartig sind.
Es wird von ein- bis mehreren tausend solcher Zellen gesprochen, was in Anbetracht der insgesamt 100 Billionen Zellen des Organismus so lange keine Rolle spielt, als dass sich aus diesen Zellen lediglich winzig kleine Mikrotumore bilden und das Geschehen in einem begrenzten Rahmen bleibt.
Die meisten Tumore bleiben unentdeckt
Bei der pathologischen Untersuchung von Verstorbenen finden sich denn auch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Tumore, die weder zu Lebzeiten der Betroffenen diagnostiziert worden noch die Ursache für deren Ableben waren. Dabei gilt: je höher das Alter, desto höher die Wahrscheinlichkeit. So liegt bei über 90-jährigen Männern die Häufigkeit von Prostatakarzinomen sogar bei 100 Prozent. Auch Mikrotumore der Schilddrüse sind sehr oft zu finden, wenn der Pathologe danach sucht.
Es gibt also guten Grund dafür, Krebs nicht als die Ausnahme, sondern als Normalität zu betrachten und sich zu fragen, was man tun kann, um diese zu jeder Zeit in jedem Menschen vorhandenen entarteten Zellen mit ihrem zerstörerischen Potenzial in Schach zu halten. Darauf haben uns große epidemiologische Untersuchungen wertvolle Hinweise geliefert. Die Auswertungen von Erkrankungszahlen in unterschiedlichen Regionen der Erde haben ergeben, dass Menschen mit recht ähnlicher genetischer Ausstattung recht ähnliche Krebsrisiken aufweisen. So kommt zum Beispiel Brustkrebs bei Japanerinnen sehr viel seltener vor als bei Amerikanerinnen. Das haben die Wissenschaftler so lange auf die Gene zurückgeführt, bis andere Untersuchungen einen, wie man inzwischen weiß, wesentlich mächtigeren Risikofaktor entlarvten, nämlich den Lebensstil. Um bei den Japanerinnen zu bleiben: Hier konnte aufgezeigt werden, dass ihr Risiko für Brustkrebs gleich hoch ansteigt wie das von Amerikanerinnen, wenn sie in den USA leben und sich westlich ernähren.
Das Geheimnis ist die Balance, Lifestyle ist der Schlüssel
Es folgten eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Studien zum Thema Ernährung, Lebensstil und Krebs, weitere sind geplant. Doch längst sind nicht alle offenen Fragen zu dieser sehr weitreichenden Thematik beantwortet, zumal sich die Unterstützung für Forschungsprojekte zum Thema gesunde Ernährung im Vergleich zur pharmakologischen Forschung eben doch sehr in Grenzen hält. Aber es werden laufend fantastische Studien publiziert, welche die krebshemmende Wirkung von Lebensmitteln aufzeigen und klarmachen, dass unsere Ernährung einen wesentlichen Einfluss darauf haben kann, ob wir an Krebs erkranken oder nicht und wie die Krankheit verläuft.
Eine Erfahrung, die fast alle an Krebs Erkrankten teilen, ist das Gefühl, aus dem Gleichgewicht gekommen zu sein - und zwar auf einer sehr grundlegenden Ebene. Wenn man sich die vielen winzigen Mikrotumore und entarteten Zellen vor Augen hält, die jede und jeder von uns in sich trägt, ohne zwangsläufig an Krebs zu erkranken, dann ist an diesem Gefühl mit Sicherheit etwas dran und eine umfassende, ganzheitliche Balance scheint mehr als nur erstrebenswert, sondern sogar lebenswichtig.
Wir haben die Wahl, was wir essen und wie wir unser Leben leben.
Nützen wir diese Chance, um uns vor Krebs zu schützen!
Was genau ist Krebs?
Die Ursache für Krebs liegt zumeist im Innersten der Zelle, in ihrer DNA. Denn in jeder Zelle unseres Körpers befinden sich Gene für die Entstehung einer Krebszelle, sogenannte Onkogene. Nur werden diese normalerweise nicht aktiviert. Falls doch, werden andere Gene mobilisiert, um sie in Schach zu halten, die Tumorsuppressorgene.
Solche Schäden an der DNA können durch toxische Substanzen verursacht werden, sogenannte Karzinogene in Nahrung oder Umwelt, Strahlung - sowohl UV-Strahlung (Hautkrebs) als auch radioaktive Strahlung, durch bestimmte Viren (z. B. HPV - Humanes Papilloma Virus, das zu Gebärmutterhalskrebs führen kann), aber auch durch körpereigene Hormone (wie bei bestimmten Formen des Brust- oder Prostatakrebses). Karzinogene, welche die Struktur der DNA verändern können, werden genotoxisch genannt. Andere, die das nicht können, fördern dafür das Tumorwachstum und werden als Promotoren bezeichnet.
Begünstigt wird die Entstehung von Krebs zum einen durch ungesunden Lebensstil -falsche Ernährung, Bewegungsmangel, Rauchen - und zum anderen durch familiäre Belastung, also genetische Defekte.
Was unterscheidet die Krebszelle von der gesunden?
Krebszellen unterscheiden sich von gesunden Zellen, indem sie sich unkontrolliert teilen, vermehren und vergrößern. Denn sie wachsen, ohne dass sie dafür einen Auslöser brauchen. Und sie reagieren auch nicht auf andere Signale, die sie daran hindern könnten. Daher haben sie ein unbegrenztes Wachstumspotenzial.
Während normalerweise eine Zelle, die nicht in Ordnung ist, unter anderem dadurch unschädlich gemacht wird, indem ein Selbstzerstörungsprogramm aktiviert wird, welches als sogenanntes Apoptose-Gen fix in die Erbsubstanz, die DNA jeder Zelle eingebaut ist, hat die Krebszelle keinen programmierten Zelltod in Form von Apoptose.
Krebszellen haben darüber hinaus die Fähigkeit, die Bildung neuer Blutgefäße anzuregen, was in normalem Narbengewebe beispielsweise nicht möglich ist.
Die gefährlichste ihrer Eigenschaften ist allerdings, dass sie in anderes Gewebe hineinwachsen, in die Ferne auswandern und Tochtergeschwülste (Metastasen) bilden können.
Einem ungeheuer effizienten Netzwerk an Regulations- und Reparaturmechanismen in unserem Organismus ist es zu verdanken, dass nicht jede missratene Zelle im Körper automatisch zu einer Krebserkrankung führt. Die Wissenschaft ist sich darin einig, dass es in jedem Fall von tatsächlichem Krebs mindestens zwei, drei oder mehrere genetische Veränderungen in der Tumorzelle geben muss, damit sie sich der Kontrolle entziehen kann. Genau hier setzt die Ernährung an als Chance, sich gegen die Entstehung, Ausbreitung oder Rückkehr von Krebs wirksam zu schützen.
Chronische Entzündung - Silent Inflammation und oxidativer Stress
Entzündungen sind eine natürliche Reaktion des Organismus auf Infektionen und Verletzungen und wichtiger Teil des Heilungsprozesses. Aber zu viele und vor allem dauerhafte Entzündungen sind ungesund und schädigen Zellen auf der genetischen Ebene, wodurch das Risiko für Krebs und andere chronische Erkrankungen steigt. Silent Inflammation hat sich als Bezeichnung dafür durchgesetzt, dass diese Entzündungen selten klinisch manifest werden, sich weder in erhöhten Entzündungswerten bei der Blutuntersuchung noch in Form handfester Symptome wie Rötung, Schwellung, Schmerzen oder Fieber festmachen lassen, also still verlaufen. Diese Form der dauerhaften Belastung für das Immunsystem führt über vermehrte Oxidation und Freisetzung von freien Radikalen zu einer Situation, die den Körper stresst und daher oxidativer Stress genannt wird.
Oxidation und freie Radikale sind zwar nicht von vornherein böse, sondern unter anderem wichtige Elemente der Energiegewinnung in den Mitochondrien unserer Zellen. Auch bei der Immunabwehr helfen freie Radikale mit, indem sie Krankheitserreger zerstören. Wenn ihre Konzentration im Gewebe allerdings zu hoch wird, weil der natürliche Ausgleich durch Antioxidantien fehlt, dann nehmen sie überhand und die natürliche Balance des Stoffwechsels in den Zellen gerät in Gefahr.
Auslöser für oxidativen Stress können sein:
•Stress
•Rauchen
•Alkohol- und Drogenmissbrauch
•Medikamente wie Antibiotika, Zytostatika oder Hormonpräparate
•Smog, Autoabgase, Luftverschmutzung
•Strahlenbelastung (UV-, Röntgenstrahlen etc.)
•Umweltgifte
•Übergewicht
Übergewicht als Risikofaktor für Krebs
Weil Fettzellen im Gegensatz zu anderen Zellen permanent Entzündungsbotenstoffe, sogenannte Zytokine, produzieren und freisetzen, ist das Immunsystem von übergewichtigen Menschen einem höheren oxidativen Stress ausgesetzt, eine Silent Inflammation kann die Folge sein, das Krebsrisiko steigt. Die Internationale Krebsforschungsagentur bestätigte in ihrem Bericht von 2016, dass Adipositas (starkes Übergewicht) zu tiefgreifenden Veränderungen in Stoffwechsel und Hormonhaushalt führt, die das sensible Zusammenspiel von Sexualhormonen, Insulin und diversen Zytokinen empfindlich stören. Außerdem wurde festgestellt, dass ein direkter Zusammenhang zwischen dem Ausmaß des Übergewichts und der Erhöhung des Risikos für bestimmte Krebsarten besteht, was für Darmkrebs, postmenopausalen Brustkrebs, Magen-, Leber-, Gallenblasen-, Bauchspeicheldrüsen- und Nierenkrebs sowie eine häufige Form von Speiseröhrenkrebs (Adenokarzinom des Ösophagus) eindeutig bestätigt werden konnte. Für Letztgenanntes ist das Risiko bei einem BMI über 40 auf das beinahe Fünffache erhöht. In den USA, so schätzt man, sind jährlich 117.000 Krebserkrankungen auf exzessives Übergewicht zurückzuführen.