Читать книгу Die Erlösung - Claudia Rack - Страница 5

3. Kapitel

Оглавление

Der Boden bebte und Schnee rieselte von den Blättern der Bäume, sobald sie auf der Erde aufsetzte. Es schien, als ob die Natur um sie herum mit ihr schimpfte, da sie es wagte, sie zu stören. Wachsame grüne Augen machten sich mit der Umgebung vertraut. Die weißen Flügel prangten an ihren Schultern, bis der Engel sie einfuhr. Die sternenklare Nacht war kalt und ein leichter Wind wehte zu ihr herüber. Die Kälte machte ihr nichts aus, sie spürte es nicht. Es geschah selten, dass die Himmelsgarde sich trennte und allein unterwegs war. Besonders wenn sie die Erde aufsuchten und sich unter die Menschen mischten. Die Geschehnisse in den letzten Stunden zwangen sie zu diesen Mitteln. Sariel, der Vollstrecker, hatte versagt. In ihren Augen hatte er die Aufgabe, die Auserwählte zu fangen oder ihre Verwandlung aufzuhalten, nicht erfüllt. Verletzt und zutiefst enttäuscht war der Vollstrecker zu ihnen gekommen. Sein Bericht über das, was in der Höhle der Gefallenen geschehen war, hatte die Himmelsgarde erzürnt. Von nun an würden sie die Zügel in den Händen halten. Der Vollstrecker heilte, aber es würde noch eine Weile dauern, bis er bei Kräften war. Seine nächste Aufgabe bestand darin, Arabas und die Gefallenen von der Himmelsgarde fernzuhalten. Sie durften ihnen nicht in die Quere kommen. Sie hoffte, dass der Vollstrecker dieses Mal erfolgreicher war. Zielstrebig setzte sie einen Fuß vor den anderen. Es war nicht weit, bis sie ihr Ziel erreichte. Sie spürte den Nephilim bis in ihre Poren. Der Drang ihn aufzuspüren und zu vernichten, erwachte in ihr. Sie musste dagegen ankämpfen und strengte sich an. Tief atmete sie ein, schritt gemächlich voran und achtete darauf, dass niemand sie sah. Im Gegensatz zu den anderen Engeln konnte die Himmelsgarde sich nicht vor den Menschen tarnen. Das war ein Nachteil für ihr Vorhaben. Ihre langen blonden Haare wehten im Wind. Einzelne Schneeflocken legten sich auf ihr Gesicht und tanzten auf ihren Wangen. Unbeirrt ging sie weiter, bis sie vor dem Haus stand, welches sie suchte. Zu dieser Zeit schliefen die Menschen, sodass es nicht verwunderlich war, dass es im Inneren des Hauses dunkel war. Kurz überlegte sie, unbemerkt einzudringen und den Nephilim mit ihrer Anwesenheit zu überraschen. Es erschwerte ihre Aufgabe, dem Zwang nicht nachzugeben. Doch der Plan sah anders aus. Die Himmelsgarde wusste nicht, über welche speziellen Kräfte der Nephilim verfügte. Es war leichtsinnig direkt Kontakt zu ihm zu suchen oder ihn anzugreifen. Sobald sie vor der Eingangstür stand, blieb sie stehen und sah an dem Haus empor. Konzentriert schloss sie die Augen und breitete die Arme aus. Mit erhobenem Kopf wisperte sie und ließ ihre Fähigkeit wirken. Der Wind bauschte sich auf, sobald der Erfolg sich einstellte und die Magie sich mit der Luft um sie herum vermischte. Sie spürte es instinktiv. Die Kraft, die von ihrer Magie ausging, war allgegenwärtig. Sie hatte es auf einen Menschen abgesehen und ließ ihre Kraft auf diese Person wirken. Wie ein unsichtbarer Strahl schickte sie die Magie zu der Person und verstärkte mental den Druck. Kurz darauf ging die Haustür auf und ein blondes Mädchen kam zum Vorschein. Sie lächelte und winkte sie zu sich. Ihre grünen Augen bohrten sich in die blauen des Mädchens, sobald sie direkt vor ihr stand. Ohne zu zögern, begann sie das Mädchen zu beschwören. Zuerst widersetzte sie sich und kämpfte dagegen an. Sobald sie ihre Hände um ihr Gesicht legte und sie zwang, sie anzusehen, erlag sie dem Kampf. In einem tranceähnlichen Zustand schwankte das Mädchen vor ihr. Barfuß und im Schlafzeug vor ihr stehend, zitterte ihr Körper vor der Kälte. Sie war sich dessen nicht bewusst. Es dauerte einen kurzen Moment, bis sie die Beschwörung abgeschlossen hatte und sie das Mädchen zurück in ihr Bett schickte. Sie sah ihr noch eine Weile nach und lächelte bösartig. Ihre grünen Augen blitzten gefährlich, als sie zum Fenster sahen, hinter dem die Präsenz des Nephilim zu spüren war. Es kitzelte in ihren Fingern und der Drang zu dem Nephilim zu gehen, wurde intensiver. Es war Zeit zu gehen. Desto länger sie blieb, desto mehr würde sie den Nephilim sehen wollen. Mit geballten Fäusten drehte sie sich um und verließ die verlassene Straße. Die Lippen zusammengepresst, kämpfte sie sich in den angrenzenden Wald. Schweißperlen zeichneten sich auf ihrer Stirn ab, sobald sie es geschafft hatte und genug Abstand gewonnen hatte. Erschöpft lehnte sie sich mit einer Hand an einem dicken Baum ab und senkte den Kopf. Flach atmend beruhigte sich ihr Herz und der Puls normalisierte sich. Wenn sie nicht alles täuschte, ging es weitaus schneller, als beim letzten Mal. Einst, als die Himmelsgarde einen Nephilim verfolgt hatte, hielten sie länger in dessen Nähe aus. Dieses Mal war es schwieriger. Sie spürte es in ihren Poren. Sie musste die anderen beiden warnen. Sie durften nicht zu lange in der Nähe des Nephilim sein. Sie würden dem Drang nicht standhalten können, wusste sie. Sie waren nicht allein nicht stark genug. Nur zusammen konnten sie dem Drang widerstehen und gegen den Nephilim antreten. Sobald sie sich besser fühlte, sah sie noch einmal zurück zum Haus. Entschlossen breitete sie die Flügel aus und stieg empor. Mit einem Lächeln auf den Lippen flüsterte sie noch:

„Habe ich dich, Nephilim.“ Ihre weißen Flügel waren noch eine Weile zu sehen, bis die Nacht sie verschluckte und sie in den Wolken verschwand.

Am nächsten Morgen runzelte Kate verwundert die Stirn, als ihr Blick auf ihre beschmutzten Füße fiel. Der Gedanke an Schlafwandler breitete sich in ihr aus. Gehörte sie zu ihnen? Sie erinnerte sich nicht daran, das Bett in der Nacht verlassen zu haben. Fahrig schlug sie die Bettdecke beiseite und sah an sich herunter. Mit zittrigen Händen fuhr sie über ihren Körper, um festzustellen das ihr nichts fehlte und ihre Kleidung noch saß, wie es sollte. Kopfschüttelnd stand sie auf und verdrängte den Gedanken. Es war absurd. Sie schlafwandelte nicht. Sie hatte sicher vergessen, die Füße zu waschen. Die Erklärung klang selbst für sie unglaubwürdig, aber es beruhigte sie für den Moment. Kate öffnete die Vorhänge und starrte nach draußen, sobald das Tageslicht das Zimmer erhellte. Der Boden war schneebedeckt. Die Sonne strahlte und hinterließ den Glauben, es wäre warm draußen. Sie wusste, dass das täuschte. Es war Winter in Seattle, wie der Schnee bewies. Es musste in der Nacht geschneit haben. Lächelnd ging sie ins Bad, um sich zu waschen und anzuziehen. Es war Zeit für das Frühstück. Auf leisen Sohlen schlich sie sich in die Küche, um Nicholas und Ariana nicht unnötig zu wecken, die auf der Couch schliefen. Ihr Blick fiel auf die beiden, sobald sie an ihnen vorbei ging. Rücken an Rücken lagen sie auf der Couch und schliefen friedlich. Wer sie nicht kannte, nahm an, dass dort ein Paar schlief. Es wirkte vertraut und normal. Der eifersüchtige Stich in ihrer Brust störte Kate. Selbstverständlich wusste sie, dass nichts zwischen den beiden lief. Dennoch war der Anblick schmerzlich. Genau diese Momente waren es, an denen ihre Beziehung zu Nicholas letztendlich gescheitert war. Die Freundschaft zu Ariana hatte ihre Liebe zerstört. Sie hatte nicht damit umgehen können. Ihre Streitereien nahmen zu, bis sie sich nichts mehr zu sagen hatten. Betrübt verdrängte Kate diese Erinnerungen und erinnerte sich daran, dass sie Kaffee machen wollte. Sobald sie sich einen Schritt von Ariana entfernte, spürte sie es. Ein schmerzhaftes Stechen in ihrer Brust ließ sie innehalten. Gekrümmt hielt sie sich die Hand auf ihrer Brust und verkrampfte sich. Mit der anderen Hand stützte sie sich am Tresen ab, der das Wohnzimmer mit der Küche trennte. Was zum Teufel war mit ihr los? Ängstlich zitterte sie und dachte schon an einen Herzinfarkt. Sie war viel zu jung, besann sie sich. Das konnte es nicht sein. Der Schmerz in ihrer Brust war eindeutig vorhanden. Sie bekam keine Luft und sah alles verschwommen vor sich. Ihr Kreislauf spielte verrückt. Schweißausbrüche kamen hinzu und sie schwankte bedenklich. Ihre Hände kribbelten unaufhörlich und sie bekam Gänsehaut. Instinktiv ging sie zurück und näherte sich Ariana, die friedlich auf der Couch schlief. Der Schmerz verebbte augenblicklich. Verwundert starrte Kate auf sie hinunter. Wie konnte das sein? Sobald sie in ihrer Nähe war, ging es ihr gut. Nichts war mehr zu spüren von ihrem Zusammenbruch oder dem Schmerz in der Brust. Um herauszufinden, ob ihre Vermutung korrekt war, trat sie zurück und wollte erneut zur Küche gehen. Es dauerte wenige Sekunden, bis der Schmerz in der Brust erneut einsetzte. Kate schnappte nach Luft und krümmte sich. Sie konnte nicht verhindern, dass sie Geräusche machte und damit Nicholas und Ariana weckte. Eilig kämpfte Kate sich in einen der Sessel, sodass sie in der Nähe von Ariana war. Sofort beruhigte sich ihr Körper und sie atmete erleichtert aus. Sie öffnete die Augen und sah in die verwunderten Gesichter von Ariana und Nicholas.

„Geht es dir gut?“, fragte Nicholas besorgt. Kate sah ihn an und versuchte ein Lächeln. Ariana runzelte die Stirn und sah noch verschlafen aus.

„Es ist alles in Ordnung, Nick. Mir war schwindelig. Da fehlt der Kaffee“, meinte sie lachend. Ihr Lachen wirkte aufgesetzt, sodass er sie weiterhin besorgt ansah. Kate schluckte und erhob sich. Kurz schloss sie die Augen und konzentrierte sich. Sie musste es bis in die Küche schaffen, ohne das sie erneut einen Anfall bekam. Als sie einen Fuß nach vorn setzen wollte, spürte sie Ariana. Abrupt öffnete sie die Augen und erschrak. Sie stand direkt vor ihr und sah sie skeptisch an. Hatte sie irgendetwas bemerkt? Kate konnte es sich nicht erklären, die Nähe von Ariana half ihr. Es war seltsam.

„Ich helfe dir mit dem Frühstück“, meinte Ariana zu ihr. Kate nickte und war insgeheim froh darüber. Das bedeutete, dass sie in ihrer Nähe war, wenn sie beide in der Küche hantierten. Sie wollte auf keinen Fall, dass Ariana bemerkte, was mit ihr geschah. Sie ging an ihr vorbei und wartete, bis sie ihr folgte. Jeder Schritt war ein Schritt ins Ungewisse, sie wusste nicht, ob Ariana nah genug bei ihr war. Absichtlich ließ sie sich Zeit, sodass Ariana dicht hinter ihr war und aufschloss. Nicholas sah den beiden hinterher und schüttelte den Kopf. Er kümmerte sich um das Bettzeug und legte es zusammen, bevor er duschen wollte. Ständig fiel sein Blick auf die beiden Frauen, die sich unterhielten und vertraut miteinander wirkten. Irgendetwas war anders. Kate benahm sich merkwürdig, bemerkte er. Es lag irgendetwas in der Luft, was ihn verunsicherte und ihm eine Gänsehaut bereitete. Ungern wollte er die beiden zurücklassen, aber die Dusche musste sein. Sobald sein Blick sich mit Arianas traf, versicherte sie ihm stumm, dass er gehen konnte. Hatte sie es gespürt? Ariana ließ keinen Zweifel daran aufkommen, sobald sie ihn direkt ansah. Es brauchte keine Worte zwischen ihnen. Sofort spürte er, dass Gefahr drohte. Irgendetwas Schlimmes passierte. Nicholas konnte es nicht greifen, das Gefühl war deutlich vorhanden. Ariana nickte ihm zuversichtlich zu. Er beschloss, sich im Bad zu beeilen. Sie brauchte eventuell seine Hilfe. Ariana sah ihrem besten Freund noch nach, als er ins Bad ging. Erleichtert, dass er aus der Gefahrenzone war, seufzte sie auf. Sie wusste nicht, ob es daran lag, dass sie jetzt ein Nephilim war. Sie spürte, wie Gefahr von Kate aus ging. Eine Erklärung hatte sie nicht. Sobald sie aufgewacht war, hatte sie die Veränderung an ihr wahrgenommen. Ariana hatte keine Ahnung, was jeden Moment geschehen konnte. Falls sie zu irgendetwas gezwungen war, was sie nicht wollte, sollte er das nicht mit ansehen müssen. Vor allem, wenn es um Kate ging. Er hatte einst Gefühle für sie gehabt. Er war ihr bester Freund und sie wollte ihm nicht weh tun. Ariana warf einen kurzen Blick auf Kate, die ungezwungen das Frühstück bereitete und vor sich hin summte. Sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, wie es in ihr drinnen aussah. Vorsichtig versuchte sie, die Konversation mit Kate aufrecht zu halten. Evnentuell konnte sie es abwenden und sie aufhalten. Sie wollte ihr helfen. Das Letzte, was sie wollte, war, mit Kate in einem Kampf auf Leben und Tod verwickelt zu sein. Sie war unschuldig. Sie hatte mit alldem nichts zu tun. Wütend über die Tatsache, dass sie Kate benutzten und es geschafft hatten, sie für ihre Zwecke zu missbrauchen, presste Ariana die Lippen aufeinander. Es war nicht leicht, sich zu beherrschen und so zu tun, als ob alles in Ordnung war. Als Kate an den Kühlschrank wollte, streifte ihre Hand kurz ihren Unterarm. Sofort sprang sie zurück und sah Ariana irritiert an. Sie hatte es gespürt. Der Kontakt hatte ausgereicht. Innerhalb von Sekunden veränderten sich die Gesichtszüge von Kate und sie starrte sie mordlustig an. Ihre blauen Augen blitzten gehässig, sobald sie auf sie zukam. Bevor Ariana reagieren konnte, um sie aufzuhalten, griff Kate nach einem Küchenmesser und richtete es direkt auf ihre Brust. Kopfschüttelnd starrte Ariana sie an.

„Tu das bitte nicht, Kate. Das bist nicht du. Jemand muss dich verhext haben. Ich weiß nicht, wie oder wann es geschehen ist, aber das willst du nicht tun, glaub mir“, flehte sie Kate an. Sie ging auf sie zu und bedrohte sie mit dem Messer. Ihre Augen funkelten begierig. Ihre Worte prallten an ihr ab und drangen nicht bis in ihr Bewusstsein vor. Ariana hob die Hände und sah sie mitfühlend an. Sie wollte das nicht tun. Sie konnte ihr nicht weh tun. Verzweifelt rang sie mit sich und sah das Messer auf sich zukommen. Kate lachte gehässig und sprang nach vorn. Ariana reagierte instinktiv und konnte sich geradeso zur Seite drehen, sodass das Messer sie nicht traf. Fassungslos sah sie an sich hinunter und daraufhin zu Kate. Sie hatte sie nicht getroffen. Ariana erkannte, dass Kate es Ernst meinte. Das war kein Spiel. Sie wollte sie umbringen. Kurz schaute sie zur verschlossenen Badetür.

„Er kann dir nicht helfen, Nephilim. Du gehörst mir und ich werde dich vernichten. Du hast keine Chance“, sprach Kate gehässig. Ariana hörte ihr zu und konnte es nicht glauben. Die Worte aus Kates Mund kamen nicht von ihr. Absolut sicher wusste Ariana, dass es nicht Kate war, die da zu ihr sprach. Als sie in ihre blauen Augen sah, spürte sie eine andere Präsenz, die sie anstarrte. Jemand hatte von Kate Besitz ergriffen. Jemand, der ihren Tod wollte. Jemand, der keine Skrupel hatte, einen unschuldigen Menschen zu benutzen. Bilder stürmten auf Ariana ein. Bilder davon, wie Nicholas Hände sich um ihre Kehle legten und zudrückten. Er hatte es ebenfalls versucht, als er unter dem Zwang von Ramael stand, erinnerte sie sich. Passierte das in diesem Moment mit Kate? Hatte ein Engel von ihr Besitz ergriffen und manipulierte sie? Erschrocken wich Ariana zurück von ihr und wollte sich aus der Gefahrenzone bringen. Kate grinste gierig und folgte ihr. „Stirb endlich, Nephilim“, schrie sie. Mit dem Messer in der Hand rannte sie auf Ariana zu. Kurz bevor sie ihr Ziel erreichte und das Messer sie ernsthaft verletzte, streckte Ariana abwehrend eine Hand aus und kniff die Augen zusammen. Das darauf folgende Scheppern und Stöhnen in ihren Ohren ließ sie die Augen sofort öffnen. Der Anblick, der sich ihr bot, erschrak sie zutiefst. Kate ächzte und stöhnte. Sie lag auf dem Wohnzimmertisch, der unter ihrem Gewicht zusammengebrochen war, und hielt sich den Kopf. Die Hand auf die Brust gelegt, konnte sie nicht fassen, dass sie das getan hatte. Ariana betrachtete verwundert ihre Hand und starrte zu Kate. Sie war nicht wütend gewesen. Zumindest nicht so wütend, als sie dasselbe mit Sariel getan hatte. Sie hatte ihn durch die Luft geschleudert, weil sie wütend gewesen war. Bestürzt und zu Tode erschrocken versuchte sie, einen klaren Gedanken zu fassen. „Dafür wirst du bezahlen, du Miststück“, sagte Kate zu ihr und kämpfte sich hoch. Blut tropfte von ihrer Stirn herab. Es kümmerte sie nicht. Das Messer lag neben ihr auf dem Boden. Sie hob es auf und sah Ariana beängstigend an. Ihr blieb keine Zeit, um nachzudenken und sich zu fragen, was sie tat oder nicht. Kate stürzte sich erneut auf sie und warf sich mit ihrem Gewicht auf sie. Ariana konnte sie nicht abfangen und spürte, wie der schwere Körper gegen sie prallte und sie beide zu Boden riss. Der Aufprall hinterließ einen dumpfen Schmerz an ihrem Hinterkopf, sodass Ariana kurz schwindelig wurde. Kate lag mit ihrem Gewicht auf ihr und drückte sie gnadenlos zu Boden. Sofort schob sich ihr Unterarm unter ihr Kinn und drückte ihr die Luft ab. Mit der anderen Hand hielt sie das Messer dicht an ihre Brust. Ariana rang mit der Luft und kämpfte gegen Kate. Sie versuchte, sie von sich wegzudrücken. Woher Kate diese Kraft hatte, wusste sie nicht. Die Atemnot erschwerte ihre Abwehr. Sie spürte die Ohnmacht und kämpfte dagegen an. „Es wird Zeit dem ein Ende zu setzen. Du hast hier nichts verloren, Nephilim. Du gehörst nicht hierher und musst vernichtet werden“, zischte Kate sie an. Ariana hörte ihre Worte, die sich in ihr Gedächtnis eingruben. Sie schaffte es, dass sie an sich zweifelte. Ihre Kraft verließ sie. Sie wollte Kate nichts tun. Die Person, die aus ihr sprach, setzte alles daran, sie umzubringen. Verzweifelt und mit dem Leben ringend, strampelte Ariana mit den Beinen, in der Hoffnung Kate abschütteln zu können. In diesem Augenblick spürte sie die Messerspitze eindringen. Schmerzvoll fraß es sich in ihre Brust, sodass Ariana ernüchtert die Augen aufriss. Der Schmerz war unerträglich, als ob gewaltsame Hände ihre Brust auseinanderrissen. Ariana starrte Kate fassungslos an. Das war ihr Ende. Sie würde durch die Hand eines Menschen sterben. Ihr letzter Gedanke ging zu Jazar, ihrem Engel und Beschützer. Jazar, den sie liebte und für den sie alles getan hätte. Ihr Engel, der seit Kurzem ein Gefallener war und für sie alles geopfert hatte, nur um festzustellen, dass sie nicht zusammen sein konnten. Die Ohnmacht kam über sie. Das Messer schnitt in ihre Brust und hinterließ einen brennenden Schmerz. Ariana hatte keine Kraft mehr und ließ es geschehen. Sie schloss die Augen, träumte von einer Zukunft mit Jazar, in der es keine Engel oder Gefallene gab. In dem Traum hielt er sie an sich gedrückt und beugte sich zu ihr herunter, um sie zu küssen. Sie wartete auf den Kuss. Sie konnte es nicht erwarten, bis seine Lippen ihre berührten. Ihre Atmung setzte aus. Sein Mund kam näher. In dem Moment, als sie dachte, sie würde den ersehnten Kuss von Jazar bekommen, tauchte das Antlitz von Arabas vor ihr auf. Überrascht riss sie die Augen auf und hörte ein klägliches Stöhnen von Kate. Das passte nicht zu ihrem Traum. Stirnrunzelnd erkannte Ariana, was die Störung verursachte. Kate riss erschrocken die Augen auf, bevor sie zuckte und auf ihrem Körper zusammensackte.

„Ariana“, brüllte Nicholas über ihr und schob den regungslosen Körper von Kate von ihr herunter. Sie wandte den Kopf benommen zur Seite und sah noch, wie ein Messer aus dem Rücken von Kate stach. Sie warf einen Blick auf Nicholas, der über ihr hockte und sie besorgt ansah. Was hatte er getan? Er hielt sich mit Tränen in den Augen die Hände vor das Gesicht. Es klebte Blut an ihnen. Ariana runzelte die Stirn und bemerkte, wie die Ohnmacht sie einholte. Sie wehrte sich. Sie wollte wissen, was geschah. War das ihr Blut oder seins? Sie wusste es nicht mit Gewissheit. Nicholas schüttelte sie und sagte irgendetwas zu ihr, sie hörte ihn nicht mehr. Ariana ergab sich und fiel in Ohnmacht, bevor sie mit ihm sprechen konnte. Nicholas starrte auf die blutigen Hände. „Oh mein Gott, Ari. Nein, nein, nein, bitte Gott lass das nicht wahr sein“, bettelte er ängstlich. Er wusste nicht, wohin mit den Händen und fuchtelte fahrig mit ihnen hin und her. Nicholas handelte nicht mehr rational. Er starrte auf Ariana herunter, die am Boden lag. Das blutverschmierte Messer lag neben ihr. Er war noch rechtzeitig gekommen. Oder nicht? Starb sie vor ihm? Nein! Das durfte er nicht zulassen. Blut sickerte unaufhörlich aus der Wunde. Er tat instinktiv das, was ihm zuerst einfiel. Er drückte die Hände auf ihre Wunde und versuchte, die Blutung zu stoppen. Mit kräftigem Druck sah er sie an und redete auf sie ein, sie möge aufwachen. Als sein Blick zu Kate fiel, die neben ihnen lag und keinen Atemzug von sich gab, zitterte er. Ihre blauen Augen starrten ihn anklagend an, sodass er gequält den Blick von ihr abwenden musste. Oh Gott, was hatte er getan? Die Gewissheit, dass er für den Tod von Kate verantwortlich war, zerwühlte ihn. Er hatte Ariana helfen wollen. Kate wollte sie umbringen, das hatte er genau gesehen. Er wusste nicht, wieso sie das getan hatte. Instinktiv hatte er das nächstbeste Messer gegriffen und zugestochen, ohne darüber nachzudenken. Erst, als das Messer sich in den Rücken von Kate bohrte und sie daraufhin zuckte, begriff er, was er getan hatte. Nicholas kämpfte mit sich. Er war ein Mörder. Ein Retter. Beides. Was war er? Er war schuldig. Er hatte sie umgebracht, um Ariana zu retten. Wie sollte er damit leben können? Sie musste aufwachen, das war sie ihm schuldig. Nach allem, was er für sie getan hatte, durfte sie jetzt nicht sterben. Nicht so. Er wollte nicht auch noch für den Tod an seiner besten Freundin verantwortlich sein. Nicholas wusste nicht mehr ein noch aus. Was sollte er tun? Kam niemand zu Hilfe? Gab es niemanden, der ihm helfen konnte und ihm die Entscheidung abnahm? Wo war ihr Beschützer? Wo war Jazar? Wieso kam er nicht, um zu helfen, wie er es sonst tat? Nicholas verstand die Welt nicht mehr und sein Verstand brachte alles durcheinander. Er wusste nur eines, er würde die Hände nicht von der Wunde nehmen, die für Ariana lebensbedrohlich war. Er würde nicht zulassen, dass sie verblutete, nur weil er losgelassen hatte. Es war ihm egal, wie lange es dauern würde. Er würde nicht loslassen.

Die Erlösung

Подняться наверх