Читать книгу Liebe lieber italienisch - Claudia Romes - Страница 6

Kapitel zwei

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Ilias hatte den Kleinbus genommen, also schwang ich mich in seinen Jeep, mit dem ich mittlerweile vertraut war. Auf meinem Weg nach Korfu-Stadt gab ich mir alle Mühe, ruhig zu fahren, keine rote Ampel zu übersehen, und hoffte inständig, dass Ilias mir nicht entgegenkommen würde. Die Weinhandlung lag im Süden der Stadt. Normalerweise würden wir einander also nicht begegnen. Dennoch schwitzte ich vor Nervosität wie ein Schwein in der prallen Inselsonne. Damit niemand unser Auto vor dem Supermarkt sah, parkte ich in einer Nebenstraße in der Altstadt, die an die Einkaufsmeile mit ihren unzähligen Souvenirgeschäften und Modeläden grenzte. Während ich die Abkürzung über die Platia nahm, hielt ich plötzlich inne. Ich musste zweimal hinsehen, dann versteckte ich mich in einem Hauseingang und beobachtete von dort aus, wie mein Ilias mit einer jungen, attraktiven Griechin das Schaufenster eines Juweliers betrachtete. Mir schlug das Herz bis zum Hals. Sie lachten. Er hatte die Hand auf ihrem Rücken, als sie das Geschäft betraten. Ich schluckte. Das war unmöglich! Er wollte doch in die Weinhandlung! Und wer zur Hölle war diese Frau? Mir wurde schlecht. Trotzdem huschte ich über die Straße zum Juwelier und spähte unauffällig in den Laden hinein. Die Nase an das Schaufenster gepresst, sah ich, wie Ilias und seine Begleiterin sich Schmuck zeigen ließen. Das konnte nicht wahr sein! Hatte er eine andere? Gab es eine weitere Frau in Ilias’ Leben, der er auch noch Schmuck schenkte? Alles, was ich bisher von ihm bekommen hatte, waren Delikatessen. Wein, seltenes Olivenöl, teure Gewürze. Fetakäse. Und eine leicht kitschige Sissifigur aus Porzellan, die er auf einem Krammarkt in Dassia erstanden hatte. Ich wollte gerade hineingehen, da rief jemand meinen Namen: „Elisabeth!“

Ich drehte mich um und sah den wohl meist unterschätzten Polizisten Korfus. „Apostolos!“, quiekte ich, als hätte er mich bei etwas Verbotenem erwischt. „Du hier?“

Anders als noch vor drei Jahren unterhielt ich mich mittlerweile mit den meisten Einheimischen auf Griechisch. Seit ich einen Kurs in der Abendschule belegt hatte, gab es so gut wie keine Verständigungsprobleme mehr. Auch Bina hatte ich dort angemeldet, aber sie war nur selten hingegangen. Schule war eben noch nie ihr Ding gewesen. Trotzdem hatte sie die Sprache, auch wegen unseres Cafés, schnell gelernt. Ich hingegen konnte mit Stolz behaupten, Griechisch auch in schriftlicher Form zumindest ein wenig zu beherrschen.

„Was führt dich her?“, stammelte ich und zog ihn vom Schaufenster weg. „Ich dachte, du wärst mit deiner Frau beim …“ Hin und wieder fehlten mir noch einzelne Vokabeln, so wie jetzt. Ich kam einfach nicht auf das griechische Wort für Sumpfschnorcheln. Meistens behalf ich mir mit Umschreibungen, notfalls mit Zeichensprache. Glücklicherweise wusste Apostolos auch so, worauf ich hinauswollte.

„Verschoben auf nächsten Monat.“ Er senkte die Stimme. „Die Kriminalitätsrate steigt gerade wieder.“

„Der Esel?“

Er lachte, als wäre meine Vermutung absolut verrückt. Ich erinnerte mich aber noch lebhaft an die Jugendbande und ihren tierischen Helfer, die unsere Ankunft auf Korfu zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht hatten.

„Der Patron hat sich zur Ruhe gesetzt“, erklärte Apostolos mit aller Ernsthaftigkeit.

„Ein Jammer.“ Ich musste schmunzeln. Auch weil Patron sich für mich immer noch wie ein Mafiaboss anhörte und nicht wie ein alter Esel.

„Jetzt haben wir es mit echten Straftaten zu tun.“ Apostolos wirkte irgendwie mitgenommen. Die Lage musste besonders ernst sein. Ich sog erschrocken Luft ein. „Mord?“ Dieses Wort ging mir nur schwer über die Lippen. Eine grauenhafte Vorstellung, dass unsere friedliche Insel von einem skrupellosen Mörder heimgesucht wurde.

Apostolos schüttelte den Kopf. „Ein Massenphänomen, das wir kaum eindämmen können.“

Ein eisiger Schauer überkam mich, als er sich anschließend zu mir vorlehnte. Ich hielt ängstlich den Atem an. „Oberkörperfreie Touristen innerhalb der Städte“, sagte er.

Für einen Moment wusste ich nicht, ob ich ihn richtig verstanden hatte. Seine Miene blieb jedoch todernst. Ich hatte vergessen, dass er selbst ernannter Beschützer griechischer Kultur war. Dass Touristen bedenkenlos in Strandbekleidung durch Altertümer flanierten, war in den Augen der meisten Einheimischen an Respektlosigkeit kaum zu überbieten.

Trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass meine Brauen sich hoben. Mühevoll verkniff ich mir ein amüsiertes Glucksen.

„Ja. Ich muss dann weiter.“ Er setzte sich in Bewegung. „Du weißt schon, die Pflicht ruft. Helas!“ Er joggte die Straße hinunter, und ich widmete mich wieder Ilias’ möglichem Verrat. Vorsichtig lugte ich erneut durchs Schaufenster und wich gleich darauf zurück. Ilias und diese Frau gingen zur Tür! Hastig flüchtete ich in den Laden nebenan und versteckte mich ausgerechnet hinter einer hohen Windeltorte. Na toll. Von allen Läden, die Korfu zu bieten hatte, war ich in einem Geschäft für Neugeborenen-Erstausstattung gelandet.

Nervös wartete ich, bis Ilias und diese unverschämt gut aussehende Fremde vorübergezogen waren, dann stemmte ich mich aus der Hocke hoch.

„Suchen Sie etwas Bestimmtes?“, sprach mich die Verkäuferin freundlich an.

„Oh …“ Ich zwang mich zu lächeln, tätschelte unbeholfen die Windeltorte und nahm einen tiefen Atemzug. Tausend Dinge gingen mir durch den Kopf. Was suchte ich? Die Nadel im Heuhaufen, meine Jugend, wenigstens eine Eizelle in den Untiefen meiner Eierstöcke, die noch nicht zu Staub zerfallen war …

„Ich wollte mich nur etwas umsehen“, log ich endlich, nickte einem blauen Strampler mit weißen Streifen anerkennend zu und flüchtete aus dem Geschäft. Wo wollte ich eigentlich noch mal hin? Moussaka! Genau. Ich würde Ilias später zur Rede stellen. Vielleicht gab es ja auch eine Erklärung für das, was ich gesehen hatte. Vielleicht.

Punkt zwölf Uhr füllte sich das Restaurant. Ich hatte es gerade noch rechtzeitig vor Ilias durch die Tür geschafft. Auch Bina hatte die Kuchen besorgen können. Nachdem sie sie auf der Anrichte abgestellt hatte, hatte ich sie mitsamt Tüten und Papier, auf dem der Name der Bäckerei abgebildet war, hinausgejagt. Schließlich sollte unser kleiner Schummel unbemerkt bleiben. Außerdem hatte Ilias ebenfalls etwas zu verbergen. Ich hatte mir fest vorgenommen zu warten, bis alle Gäste gegangen waren, bevor ich ihn zur Rede stellen würde. Innerlich brodelte ich jedoch wie ein Vulkan, der kurz vorm Ausbruch stand. Ablenkung verschaffte mir die Arbeit. Vier pfannengroße Grießkuchen warteten in der Küche auf ihren großen Auftritt. Und die waren nicht nur in Orangensirup getränkt, sondern sogar mit karamellisierten Orangenscheiben versehen worden. Sie sahen umwerfend aus. Auch Ilias gefiel der Anblick. Als er zur Tür hereinschneite, machte er große Augen. Meine schmälerten sich, als mich unverhofft das einholte, was ich mit aller Macht zu verdrängen versuchte: Er zusammen mit dieser Trulla … Ich unterdrückte ein finsteres Brummen.

„Die sind dir ja super gelungen“, rühmte er meine Backkünste. Ich grinste in mich hinein. Dass ich mit Backen Geld verdienen konnte, dafür war unser Café Beweis genug, aber griechische Spezialitäten? Ilias war erstaunt. Und ich erst. In mir keimte eine tröstliche Genugtuung.

„Na ja“, ich biss mir auf die Unterlippe, „fürs erste Mal sind sie wohl ganz gut geworden.“

„Du untertreibst wieder mal, Elisabeth.“ Ilias schloss seine Arme um meine Taille und hob mich hoch. „Sie sind perfekt!“ Sein liebevoller Blick lag auf mir. Er lächelte. Ich bekam weiche Knie. Aber warum tat er so, als wäre zwischenzeitlich nichts Außergewöhnliches passiert? War er etwa doch einer dieser abgebrühten Kerle, von denen ich mich hatte fernhalten wollen?

„Was habe ich doch für ein Glück, eine solche Frau zu haben.“ Ilias küsste mich, und ich fühlte mich noch elender. Zumindest ich wollte ihm die Wahrheit sagen, aber nicht jetzt. In ein paar Stunden würden wir auf eine gelungene Feier zurückblicken und tausendfünfhundert Euro extra in der Kasse haben, die vielleicht eine neue Spülmaschine bedeuten würden.

Wenig später waren die Gäste versorgt. Dank Roberto, der seine Schicht früher antreten konnte, hatten wir wieder Zeit gewonnen. Alles schien zu funktionieren und meine Schummelei unbemerkt zu bleiben, wäre nicht ein gewisser Herr Tovolis unter den Gästen gewesen. Ilias stürmte außer sich in die Küche. „Wie kannst du nur bei dem größten Konditor Acharavis für unser Restaurant einkaufen gehen?“

Erwischt! Ich schnappte nach Luft, rang nach Atem und konterte: „Und wie kannst du mir weismachen, du wärst in der Weinhandlung … stattdessen triffst du dich mit irgendeiner anderen in einem Schmuckladen.“ Wimmernd wandte ich den Blick ab. Warum zum Geier war ich plötzlich so nah am Wasser gebaut? In erster Linie war ich immer noch wütend, nicht traurig.

„Du hast uns also gesehen“, sagte Ilias trocken.

„Das hab ich.“

Er seufzte. „Und du glaubst, zwischen mir und dieser Frau wäre etwas?“

Wollte ich die Antwort darauf überhaupt wissen? Ich zuckte die Schultern.

„Zunächst einmal: Ich war in der Weinhandlung, aber auf dem Rückweg habe ich noch in der Stadt Halt gemacht.“

„Und warum?“ Ich schaute zu ihm auf.

„Nun ja, eine Bekannte brauchte meinen Rat.“

„Warum sollte jemand ausgerechnet dich in Sachen Schmuck um Rat fragen? Du trägst ja nicht einmal eine Armbanduhr.“

Seine Lippen bildeten eine Linie. „Eben.“

„Muss ich das verstehen?“

Reumütig kam er auf mich zu. „Elisabeth …“

Ich zeigte ihm die kalte Schulter.

„Es war vollkommen harmlos. Das schwöre ich dir.“ Ich spürte, wie seine warmen Hände meine Oberarme berührten. Er zog mich an sich. „Bist du mir hinterhergefahren, weil du mir misstraust, und hast darüber vergessen, die Kuchen zu backen?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Warum hast du sie ausgerechnet dort gekauft?“

„Ich wusste nicht, dass dieser Bäcker so bekannt ist.“

Bina kam herein, als hätte sie unsere Diskussion gerochen. „Was ist los?“

„Eigentlich kennt jeder Tovolis’ Grießkuchen“, erklärte Ilias, während er mir sanft den Nacken massierte. Meine Schwester zog peinlich berührt die Schultern hoch. Ich schluckte.

Ilias hielt inne. „Ich hätte es sofort wissen müssen. Diese Dekoration … ich wusste, dass ich das schon einmal irgendwo gesehen habe.“

„Es tut mir leid!“, sagte ich. „Ich wollte dir nicht schaden. Das hatte nichts mit Eifersucht zu tun. Ich habe die Kuchen schlichtweg vergessen. Und heute Morgen hatte ich keine Zeit mehr, selbst welche zu backen. Ich wollte doch nur alles richtig machen.“

Binas Blick wanderte gespannt zwischen mir und Ilias hin und her. Wie immer mischte sie sich nicht in eine Diskussion ein, die wir führten, doch in diesem Fall hätte sie zu gern etwas gesagt. Das war unschwer an ihrem Gesichtsausdruck zu erkennen.

„Ich habe dich gefragt, ob du zurechtkommst.“ Ilias ließ ein Seufzen hören.

„Es tut mir leid!“, betonte ich nochmals.

Er fuhr sich durchs dunkle Haar. Seine Züge entspannten sich ein wenig. „Ich glaube dir. Aber jetzt haben wir ein Problem. Was soll ich den Leuten sagen, wie soll ich das erklären?“

„Ich mach das schon“, verkündete Bina entschlossen und stiefelte in den Gastraum, bevor wir unser Einverständnis geben konnten. Ilias und ich blickten einander besorgt an.

Nervös warteten wir in der Küche. Nach kurzer Zeit kehrte meine kleine Schwester zurück. „So“, sie wischte sich die Stirn ab. „Erledigt.“

„Was hast du gesagt?“, wollte ich wissen.

„Dass es mein Fehler war. Ich habe die Kuchen versemmelt, und Tovolis war unsere letzte Rettung. Jetzt fühlt er sich sogar geehrt.“ Sie wandte sich zum Gehen. „Ihr habt was gut bei mir“, meinte sie, ehe sie zur Hintertür hinausging. „Wenn ihr mich braucht … ich bin nebenan.“ Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Ilias und ich sahen einander perplex an, dann lugte er in den Gastraum, in dem die Gesellschaft ausgelassener Stimmung war. Roberto zwängte sich mit einem Tablett mit leeren Gläsern an seinem Chef vorbei in die Küche. „Was ist denn mit euch los?“ Er stellte das Tablett neben die Spüle und musterte uns besorgt.

„Sind alle Gäste zufrieden?“, fragte Ilias zaghaft und lehnte sich gespielt lässig gegen die Arbeitsplatte neben dem Gewürzregal.

„Warum sollten sie nicht zufrieden sein?“ Roberto zog die Stirn in Falten.

„Na, wegen des …“ Ich versuchte die Sache mit dem Kuchen zu umgehen, und Roberto schien mich zu verstehen.

„Oh, ihr meint wegen Bina.“ Er grinste. „Alles super. Macht euch deswegen keine Sorgen. Sie hat allen eine Runde Ouzo ausgegeben, und schon war die Sache vergessen. Ich muss jetzt wieder raus.“ Er machte eine abwinkende Handbewegung und eilte zurück in den Gastraum.

Als Ilias und ich wieder allein waren, ging ich zu ihm und legte die Arme um seinen Hals. Ich suchte seinen Blick, aber er wich meinem aus.

„Du bist noch sauer!“, stellte ich betrübt fest.

„Natürlich bin ich das“, sagte er und nahm meine Hände von sich. „Elisabeth, ich möchte, dass wir immer ehrlich zueinander sind. Sonst klappt das hier nicht.“

„Du meinst, das mit uns?“ Ich fühlte einen stechenden Schmerz in der Brust. Und dachte gleich wieder an seine Hilfsbereitschaft gegenüber dieser Bekannten. Großartig!

„Nein!“, antwortete er rasch. „Ich meine unsere Betriebe. Wenn dir etwas zu viel wird, dann musst du es sagen. Es ist okay.“

Autsch, ich hatte keine Ahnung, dass er mich in der Hinsicht durchschaut hatte. Ich hatte nie gern zugegeben, dass ich etwas nicht schaffen konnte. Überforderung? Pah, nicht bei mir. Doch in letzter Zeit hatte ich manchmal das Gefühl gehabt, müde zu sein. Erschöpft und unkonzentriert. Seit drei Jahren rackerte ich Tag für Tag. Ohne Pause. Die Zusammenlegung des Cafés mit dem Restaurant war auch meine Idee gewesen, und ich fand es schön, dass beides zusammengehörte. Wie Ilias und ich. Aber seit ein paar Wochen fühlte ich mich zunehmend ausgelaugt. Ich hatte es mir nur nicht eingestehen wollen. Wahrscheinlich hatte erst etwas passieren müssen, um zu realisieren, dass es längst überfällig war, die Bremse zu ziehen.

„Wir werden noch jemanden einstellen“, beschloss Ilias.

„Können wir uns das denn leisten?“

„Es wird schon gehen. Ich werde heute noch eine Anzeige in der Zeitung schalten.“ Er wickelte sich eine Schürze um den Bauch. Ich seufzte. Von Anzeigen hatte ich eigentlich erst einmal genug.

„Du solltest jetzt ins Café gehen. Wir schaffen das hier allein.“ Er drehte sich von mir weg, und ich wusste, dass ich ihn schwer enttäuscht hatte. Kein Abschiedskuss, keine Umarmung und erst recht kein heißer Sex auf dem Küchentisch. Ich hatte es verbockt, weil ich nicht zugeben wollte, dass mir die Dinge manchmal über den Kopf stiegen. Keine Schwäche zu zeigen – das war meine Schwäche. Ilias hatte immer betont, wie sehr er mich, die starke Frau, bewunderte. War ich das? Hatte ich ihm ein falsches Bild von mir vermittelt? Ich ging ins Sissis, ohne noch etwas zu sagen. Ilias war verstimmt. Eine tiefe Zornesfalte stand zwischen seinen Augen. Der grummelnde Grieche war zurück. So hatte ich ihn kennengelernt. Ich wollte warten, bis er sich wieder beruhigt hatte. Wenn die Gäste zufrieden waren und ihre Rechnung bezahlt hatten, würde sich schon wieder alles einrenken. Darauf hoffte ich.

Liebe lieber italienisch

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