Читать книгу Liebe lieber italienisch - Claudia Romes - Страница 7
Kapitel drei
ОглавлениеIm Sissis hatten Bina und Andrea alle Hände voll zu tun. Laut Andrea war das Café schon den ganzen Morgen gut besucht. Dass Bina es dennoch geschafft hatte, sich abzuseilen, um die Grießkuchen für mich zu besorgen, wunderte mich. Offenbar hatten beide alles im Griff. Überhaupt waren sie bestens aufeinander eingespielt. Besser als Ilias und ich? Irritiert verbannte ich diese Frage aus meinen Gedanken.
„Alles okay?“ Bina kam zu mir hinter die Theke und schäumte die Milch für einen Latte Macchiato auf.
„Alles prima.“
„Klingt nicht so.“
„Ist aber so.“
Bina presste ihre Lippen aufeinander. Offenbar glaubte sie, mein Problem erkannt zu haben. „Du darfst ihm nicht erlauben, so mit dir umzugehen.“
„Wem?“
Sie rollte mit den Augen. „Ilias natürlich. Er kann froh sein, dass er dich hat und dass du überhaupt so viel im Restaurant aushilfst.“
„Ich weiß nicht, was du meinst.“
Sie stellte sich belehrend vor mich. „Es ist doch so: Du bist drauf und dran, in die Südländerfalle zu tappen.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete mich finster.
„Sollte ich wissen, was das ist?“
„Mach nicht denselben Fehler wie mit Paul. Du musst dir die Männer erziehen, nicht sie dich. Klar?“
„Du kannst Ilias aber doch nicht mit Paul vergleichen.“
„Das hab ich nicht. Ich vergleiche dich mit der alten Elisabeth. Du wolltest nie wieder so sein, oder hast du das schon vergessen?“
„Ich bin nicht wie die alte Elisabeth!“
Ihre linke Augenbraue schob sich hoch „Ach nein? Du spurst doch jedes Mal, wenn der Grieche dich um etwas bittet. Für ihn ist das schon selbstverständlich. So weit hättest du es niemals kommen lassen dürfen. Also, ich weiß, wie man mit Männern umgeht.“ Sie tippte mit dem Zeigfinger auf ihre Brust.
„Bina … du lebst mit einer Frau zusammen“, erinnerte ich sie.
„Ja! Genau deshalb. Ich habe einen ganz anderen Blick für Kerle. Völlig unparteiisch. Von außen eben. Ich bin ein stiller Beobachter. Ich schaue zu und lerne.“
In solchen Momenten machte mir meine kleine Schwester Angst. Aber womöglich hatte sie in diesem Fall recht. Ich hatte tatsächlich das Bedürfnis, Ilias zu gefallen, ihm vieles leichter zu machen, um seine Liebe zu mir zu festigen. War ich versehentlich wieder in alte Muster zurückgefallen? Verschreckt zuckte ich zusammen, als ich diese Tatsache in Betracht zog. „Was soll ich deiner Meinung nach machen?“
Bina legte mir mütterlich die Hand auf die Schulter. „Zeig ihm, wer der Boss in eurer Beziehung ist. Sag auch mal Nein!“
Nein sagen. Das war mir noch nie besonders leichtgefallen, aber vielleicht war es genau das, was ich jetzt brauchte, um das drohende Burnout abzuwenden, auf das ich geradewegs zusteuerte. Vergaß ich alles um mich herum, nur um Männern zu gefallen? Ich schluckte erschwert. Nur wenige Sekunden später wurde mir unvermittelt klar, dass dies die zweite Gemeinsamkeit mit meiner Mutter Brigitte wäre. Die hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, ihre Sprunghaftigkeit vor anderen mit ihrem Burnout-Syndrom zu entschuldigen. Das konnte ich nicht zulassen! Ich ließ Binas Ratschlag auf mich wirken, fest entschlossen, ihn umzusetzen.
Als hätte meine Mutter nur darauf gewartet, sich einzumischen, fand ich noch am selben Tag eine Karte von ihr in der Post. Darauf war ein grinsender Buddha abgebildet. Seit meine Eltern zum Buddhismus gewechselt waren, ließ meine Mutter es sich nicht nehmen, alles mit Glaubensmotiven zu versehen. Manchmal fragte ich mich, ob sie allein wegen der glückverheißenden Symbole konvertiert war. Warum auch immer sie sich dafür entschieden hatte, mein Vater war ihr wie üblich gefolgt. Beide waren nie besonders gläubig gewesen. Hinter dem plötzlichen Streben nach Erleuchtung vermutete ich die aufkeimende Angst vor dem Karma. Meine Mutter war in einer handfesten Midlife-Crisis. Sie schien ihren Lebenswandel gnadenlos zu überdenken und hatte festgestellt, dass sie viele Jahre damit zugebracht hatte, egoistisch zu sein. Was sie unweigerlich darüber grübeln ließ, welches Leben auf sie wartete, wenn ihr jetziges beendet sein würde. Sie hatte Bücher über Karma gewälzt und war schließlich zu dem Schluss gekommen, dass sie im Falle einer Reinkarnation als Schmeißfliege oder Kellerassel auf der anderen Seite der Nahrungskette stehen würde. Von TinTin versprach sie sich, dass er ihr dabei helfen würde, diese Stufe der Wiedergeburt zu übergehen. Ich war immer wieder verwundert darüber, was nicht alles möglich war, wenn das notwendige Kleingeld stimmte.
Die Nachricht auf der Buddhakarte hatte es in sich. Es war eine Einladung nach Capri, wo meine Eltern zurzeit residierten. Der Anlass war nicht irgendeiner. Nein. Meine Eltern hatten doch tatsächlich vor, wieder zu heiraten. Damit hatten sie bereits vor drei Jahren gedroht. Jetzt schienen sie wild entschlossen, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen. Ich hatte ja schon immer gewusst, dass die beiden verrückt waren. Aber das überstieg alles, was sie sich bisher geleistet hatten. Außerdem wollten sie eine riesengroße Überraschung mit uns teilen. Was das wohl sein konnte? Bei meinen Eltern wollte ich nichts ausschließen. Vielleicht hatten sie ein peruanisches Waisenkind adoptiert, oder die Erleuchtung hatte sie bei einer ihrer Yogastunden überkommen und sie lebten von nun an asketisch. Was auch immer es war, ich war mir sicher, wir würden mehr als überrascht sein. Oder vielmehr ich.
Bina hatte sofort abgewunken, als ich ihr die Einladung gezeigt hatte. Sie hätte kein Interesse daran, sich eine Eheschließung anzusehen, die ohnehin nicht halten würde. Auch ein zweites Mal nicht. Außerdem habe sie nicht vor, der Frau zu begegnen, die ihre alternative Beziehung als Abenteuer bezeichnet hatte.
Da meine Schwester unseren Eltern ihre Anwesenheit bei der Hochzeit verwehrte, sah ich mich gezwungen, nach Capri zu fliegen. Obwohl ich noch nicht wusste, ob ich Café und Restaurant allein lassen konnte.
Nachdem auch die letzten Gäste das Restaurant verlassen hatten, ging ich zu Ilias. In der Hoffnung, dass zufriedene Gäste und zusätzliches Geld seine Stimmung gehoben hatten. Außerdem wollte ich mit ihm über die Einladung meiner Eltern sprechen.
„Wie ist es gelaufen?“, fragte ich, während er die Reste des Buffets im Kühlschrank verstaute.
„Es war gut“, nuschelte er, und ich erhaschte einen Blick in sein Gesicht. Die Zornesfalte war weg. Ein gutes Zeichen.
„Dann waren alle zufrieden?“
„Ja.“
„Das heißt, die neue Spülmaschine ist fällig.“
Ilias schnaufte resigniert aus. „Wir sollten etwas Geld zur Seite legen. Die alte Maschine ist noch gut genug.“
„Wofür denn? Die Maschine ist kaputt und wichtig.“
„Sie wird repariert.“
„Wann?“ Ich biss mir auf die Unterlippe, um die Zuverlässigkeit griechischer Arbeiter nicht herabzuwürdigen. Wobei …
„Hast du die Fischabfälle rausgebracht?“, fragte er noch einmal. Wollte er etwa vom Thema ablenken? Für mich hörte sich das nach einem Angriff an. Rasch rief ich mir Binas Ratschlag in Erinnerung. „Nein!“, sagte ich spitzzüngig.
„Und warum nicht?“
„Das habe ich vergessen.“ Das entsprach der Wahrheit. „Ich bin nicht deine Sklavin, Ilias!“
Er sah mich verwundert an. „Ach nein?“, säuselte er und schlug die Kühlschranktür hinter sich zu, sodass das Gerät wackelte.
„Nein“, sagte ich furchtlos und mit fester Stimme.
Er kam auf mich zu. Ich schluckte nervös. „Ist Roberto schon …?“
„Ich habe ihn nach Hause geschickt.“
„Ah.“ Ich wich einen Schritt zurück und stieß gegen den Küchentisch. Meine Hände krallten sich vorahnend in das massive Eichenholz.
„Du bist also nicht meine Sklavin, ja?“, hakte Ilias auffordernd nach, dann schlang er seine Arme um mich. Ich spürte eine prickelnde Gänsehaut, die sich auf meinem gesamten Körper ausbreitete. Ilias’ Lippen senkten sich auf meinen Hals. Ich wusste, worauf das hinauslaufen würde, und brachte nur ein erstickt klingendes „Sicher nicht“ hervor. Ilias gab ein erregtes Seufzen von sich und hob mich auf die Tischplatte. „So aufständisch heute“, raunte er, und seine Hände schoben sich unter meine Bluse. „Das gefällt mir.“ Innerhalb weniger Minuten hatte sich der grummelnde Restaurantbesitzer in einen griechischen Gott verwandelt. Und ich war nicht ansatzweise in der Lage zu widerstehen.
Nach der erneuten Zweckentfremdung des Tisches hatte ich nicht einmal ein schlechtes Gewissen. Wozu hatte mich dieser Mann nur getrieben? Ich fühlte mich begehrt und ein bisschen verrucht, was mein Selbstbewusstsein nährte. Ilias hatte Gefühle in mir geweckt, von denen ich in Deutschland nicht einmal gewusst hatte, dass sie möglich waren.
„Wir sollten mehr Zeit außerhalb von Café und Restaurant verbringen“, sagte ich, nachdem ich gedankenverloren mit einem Lappen über den Tisch gewischt hatte.
„Das sollten wir.“ Ilias kam zu mir, nahm mir das Tuch aus der Hand und küsste mich innig.
„Meine Eltern haben uns zu ihrer Hochzeit eingeladen“, schoss es aus mir heraus. Er war gerade so gut gelaunt, weshalb ich den Moment für ideal hielt.
„Sie wollen es also tatsächlich tun!“ Er lachte. „Aber deine Eltern waren doch schon mal verheiratet.“
„Ja, jetzt wollen sie es eben ein zweites Mal versuchen.“
Er zuckte die Schultern. „Vielleicht klappt’s ja diesmal.“
Ich bezweifelte das. Trotzdem konnte ich die beiden nicht hängen lassen. Wenigstens eines ihrer Kinder sollte bei ihrer ehelichen Reunion dabei sein. „Meinst du, wir könnten für ein verlängertes Wochenende verreisen?“
Er machte schmale Augen und zog einen Mundwinkel zur Wange. „Wann wäre das denn?“
„In vier Wochen.“
Kurz schien er darüber nachzudenken, dann nickte er und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. „Das machen wir.“
Ich war glücklich. Guter Sex hatte noch immer kleinere Streitigkeiten weggewischt. Manchmal war er sogar eine Lösung für größere Konflikte, aber nicht immer. Ilias und ich würden nach Capri reisen. Der Gedanke gefiel mir. Es wäre das erste Mal, dass wir gemeinsam die Insel verließen. Vielleicht war das ja der Anfang von etwas Großem, dem nächsten Schritt? Diese Möglichkeit warf eine Frage in mir auf: Wäre ich theoretisch schon bereit für eine neue Ehe? Mit Ilias? Ich brauchte nicht lange darüber nachzudenken. Bei Ilias war ich mir sicher. Unsere Beziehung würde halten. Wir waren beide reife, erwachsene Menschen, die schon einiges erlebt hatten. Wir wussten, was wir aneinander hatten.
Was, wenn ich den Antrag selbst in die Hand nehmen würde? Schließlich waren die Zeiten längst vorbei, in denen nur der Mann dafür zuständig war. Ich konnte das mindestens genauso gut, und ich fand es an der Zeit – bevor ich ein weiteres Mal nullen würde. Die Vierzig nahte, und sie war unumgänglich. Ich war bereit für den nächsten Lebensabschnitt. Wir könnten am Strand heiraten. Ich sah alles bereits vor mir. Ein Meer aus Blumen. Ich in einem weißen Kleid. Mein Romantiksensor schlug an. Die Prinzessin in mir frohlockte. Die Kaiserin stieß ein enthusiastisches Ja aus. Plötzlich hielt ich alles für möglich. Nichts war mehr ausgeschlossen. Unfassbar, was Endorphine doch bewirken konnten.
Wenige Tage später war die Freude noch immer ungezügelt. Luca war wieder aufgetaucht. Angeblich hatte er wegen einer Magenverstimmung das Bett hüten müssen. Hatte sich aber nicht in der Lage gefühlt, uns darüber in Kenntnis zu setzen. Ich nahm ihm das nicht ab, forderte seine Kündigung, doch Ilias zeigte sich gnädig. Er war froh, ihn wieder an Bord zu haben, und wollte ihm eine zweite Chance geben. Ich befürchtete jedoch, dass es nicht das letzte Mal gewesen sein würde, dass er uns hängen ließ. Nach wie vor neigte ich dazu, mich schnell zu sorgen. Meine vorausschauende Einstellung hatte ich nicht ganz abgelegen können. Ich war aber nicht die Einzige, die an etwas festhielt. Auch Bina blieb hart, was die Hochzeit unserer Eltern anging. All meine Versuche, sie dazu zu bewegen, Ilias und mich nach Capri zu begleiten, waren erfolglos geblieben. Mir sollte es recht sein. Auf diese Weise wusste ich wenigstens, dass unser Café in guten Händen war. Wir mussten nicht schließen. In unserer derzeitigen finanziellen Lage hätte ich dabei ohnehin kein gutes Gefühl gehabt. Während Bina und Andrea unser Café und die Hunde versorgten, würde sich Roberto zusammen mit der neuen Bedienung um das Restaurant kümmern. Jemand Neues damit zu beauftragen fand ich riskant. Ilias sah das wesentlich lockerer als ich. Er schien sich keinerlei Sorgen zu machen, ob die neue Aushilfe den Arbeitsanforderungen überhaupt gewachsen war.
Laut Ilias kam die Dame aus Korfu-Stadt und hatte sich erst gestern Morgen bei ihm vorgestellt. Ausgezeichnete Referenzen und ein annehmbares Erscheinungsbild hatten ihn, laut eigener Aussage, sofort von der Qualifikation jener Frau überzeugt. Geplant war, sie auch im Café einzusetzen, sofern es nötig wäre. Ich war froh über ein bisschen Unterstützung, aber ich befürchtete auch, dass das Geld dadurch noch knapper werden würde. Dennoch, ich war gespannt, in wen Ilias ein solches Vertrauen setzte. Ich rechnete mit einer Frau mit Lebenserfahrung. Mitte fünfzig, Mutter von vier Kindern, die sich etwas dazu verdienen wollte. Hoffentlich verstand sie etwas von Organisation, war belastbar, flexibel und verlässlich.
Am nächsten Tag stolperte ich in aller Frühe über Binas herumliegende Plüschtiere und Kissen, die den Fußboden unseres Flurs bedeckten. Verwundert folgte ich der Spur, die mich ins Wohnzimmer führte. Hinter dem Sofa erwischte ich die Übeltäter auf frischer Tat.
„Barnabas!“
Er sah mich an, Binas flauschigen Spiderman-Pantoffel fest im Maul. Sie hatte wirklich zu viel Kinderkram. Und ständig ließ sie alles rumliegen. Kein Wunder, dass die Hunde ihre Sachen immer wieder als Spielzeug missbrauchten.
Persephone scharrte die Decke in ihrem Körbchen zur Seite. Barnabas stand daneben, hinter ihm auf dem Boden und völlig vollgesabbert: mein bestes Spitzennachthemd. „Was soll denn das werden?“ Ich versuchte ihm mein Nachthemd zu entreißen, doch er beschützte es knurrend.
„Barnabas! Was ist denn los mit dir?“
„Is was?“ Bina kam verschlafen um die Ecke geschlurft. Ihre roten Haare waren zerzaust. Aus ihrem Mundwinkel hing der Stiel einer Zahnbürste.
„Hast du das Chaos im Flur gesehen?“, fragte ich sie.
Sie wandte sich stirnrunzelnd danach um.
„Irgendwas stimmt mit den Hunden nicht.“
„Vielleicht war ihnen langweilig“, nuschelte sie und schrubbte ihre Zähne weiter.
„Barnabas hat mich angeknurrt.“
Ihre Brauen hoben sich überrascht. Sie ließ ein undeutliches „Was?“ hören.
„Ob er wohl krank ist?“
Bina ging vor den Hunden in die Hocke und musterte meinen Mopsrüden kritisch. Sie zog die Zahnbürste aus ihrem Mund und schluckte hörbar. „Also für mich sieht er nicht krank aus.“
„Findest du nicht, dass sie sich komisch verhalten?“
„Es sind Hunde. Außerdem … Barnabas hat sich schon immer komisch verhalten.“
„Ja, aber Persephone …“ Plötzlich überkam mich eine schreckliche Ahnung. „Barnabas hat zurzeit einen extremen Beschützerinstinkt ihr gegenüber, und sie verkriecht sich auffällig oft in ihrem Körbchen. Meinst du, sie könnte vielleicht … trächtig sein?“
„Quatsch. Die Tierärztin hat gesagt, dafür wäre sie schon viel zu alt. Quasi ’ne Hundeomi. Eigentlich ziemlich pervers von Barnabas. Wie alt ist er noch gleich? Fünf? Persephone ist mehr als doppelt so alt wie er.“ Bina verzog angeekelt das Gesicht, und beide Hunde blickten übelnehmend zu ihr auf.
Bina zuckte die Schultern. „Sorry, Leute.“
„Was, wenn die Tierärztin sich geirrt hat?“
„Persephone ist nicht schwanger!“
„Ich sollte lieber mit ihr zum Arzt fahren.“
„Nö. Du solltest einkaufen fahren.“
Stimmt. Unsere Vorräte waren nahezu erschöpft, und ich hatte versprochen, mich heute um den Einkauf zu kümmern. Meine Schwester holte ein Papierstück aus ihrer Hosentasche und drückte es mir in die Hand. „Steht alles auf der Liste.“ Sie dackelte wieder Richtung Badezimmer und ließ mich mit Barnabas und Persephone stehen. Ich beschloss, beide zunächst allein zu lassen und mir keine Gedanken zu machen. Sicher spielten sie nur wieder.
Auf dem Weg durch den Flur klaubte ich die herumliegenden Sachen auf und warf sie auf die Couch in meinem Schlafzimmer. Seit Ilias bei uns eingezogen war, hatte ich mir ein höheres Bett besorgt, auf das Barnabas aufgrund seiner kurzen Beine nicht springen konnte. Ilias und ich hatten gemeinsam die Entscheidung getroffen, dass unser Bett hundefreie Zone bleiben sollte. Barnabas und Persephone schliefen seitdem in ihrem großen Hundekorb im Wohnzimmer, gleich hinter dem Sofa. In den ersten Nächten hatte Barnabas sich noch umgewöhnen müssen. Er hatte hartnäckig an der Schlafzimmertür gekratzt und gejault. Während ich schon weich geworden und drauf und dran gewesen war, meinem Möpschen nachzugeben, hatte Ilias die harte Tour gnadenlos durchgezogen. Nach wenigen Tagen hatte Barnabas verstanden, dass er an Ilias nicht vorbeikommen würde, und seine Versuche, ins Schlafzimmer zu gelangen, eingestellt. Er hatte hingenommen, dass ich mir das Bett nun mit einem anderen Mann teilte. Auch wenn es seine Zeit gedauert hatte. Seitdem ließen sich die Hunde ständig neue Dinge einfallen, um uns auf Trab zu halten. Zu meinem Grauen hatte Persephone eine Vorliebe für Schuhe. Ich konnte es ihr nicht verdenken, auch ich liebte meine Designerpumps, die ich aus Deutschland mitgebracht hatte. Allerdings kaute ich im Gegensatz zu ihr nicht darauf herum. Die teuren Schuhe waren ein Überbleibsel meines Lifestyles, den in mit meinem Ex-Mann gehabt hatte. Nach der Trennung hatte ich alles zu Geld gemacht, um in das Café investieren zu können, nur die Schuhe hatte ich behalten wollen – sozusagen als Erinnerung. Bina hatte mich gewarnt, dass dies keine gute Idee war und ich die Schuhe besser auf ebay verscherbelt hätte. Jetzt schien mir unsere Hündin diesen Schritt abzunehmen. Jedes Mal, wenn ich sie dabei erwischte, wie sie sich über meine Pumps hermachte, hasste ich sie dafür. Warum schmeckten ihr nur die teuren Schuhe? An meinen Sneakers fand sie keinen Geschmack, ebenso wenig wie an Binas ausgelatschten Flipflops oder Ilias’ klobigen Turnschuhen. Das war unfair. Ich unterstellte ihr Vorsatz. Sie wusste, was mir diese Schuhe bedeuteten und dass sie mich an eine Zeit erinnerten, in er ich keine finanziellen Sorgen gehabt hatte. Auch wenn ich es nicht zugeben wollte, sehnte ich mich danach, immer genügend Geld in der Tasche zu haben. Zu wissen, dass man sich alles leisten konnte, unvorhergesehene Kosten kein Problem darstellten, bedeutete zwar kein Glück, aber es vermittelte einem ein Gefühl von Sicherheit.