Читать книгу Bin ich Segler, oder was? - Claus Beese - Страница 5
Segeln für Anfänger
ОглавлениеEs schneite immer heftiger. Dicke Flocken hatten auf dem Dach des Wintergartens eine weiße Schicht gebildet, die ganz langsam durch die mollige Wärme in dem Glasanbau schmolz. Der Wind heulte noch ein wenig kräftiger und Wolfgang legte neue Holzscheite nach.
»Also, Wolfgang. So wie ich das sehe, darfst du noch eine von deinen vortrefflichen Rotweinflaschen köpfen. Nach Hause kommen wir sowieso nicht mehr. Stattdessen werden wir die Gelegenheit beim Schopfe packen und mal wieder eine Nacht in eurer Dachkammer verbringen, nachdem wir euren Weinkeller gelenzt haben.«
»Kein Problem!«, grinste der Vereinspräsi und angelte eine neue Flasche aus dem Schrank.
Bei diesem Wetter war es zu gefährlich, die hundert Kilometer, die uns von Zuhause trennten, inmitten einer verschneiten Nacht noch mit dem Auto bewältigen zu wollen. Das kannten wir schon. Es war aber auch kein Problem, denn die in der Dachkammer eingelagerten Polster der BEERS würden uns schon zu einer sanften Nachtruhe verhelfen, und unsere beiden Mädels konnten zusammen im Zimmer von Wolfgangs Tochter Sarah schlafen.
»Sag mal, bist du eigentlich in deinem Leben schon mal auf einem Segler mitgefahren?«, wollte er wissen und visierte mein Glas an um es aufzufüllen.
»Nö! Noch nie!«, gestand ich wahrheitsgemäß und blickte in die fassungslosen Augen unserer Freunde. Auch mein treues Eheweib schüttelte den Kopf.
»Also, so geht das nicht!«, stellte jetzt der Skipper der BEERS fest. »Dieser Zustand muss ein anderer werden.
Du weißt ja gar nicht, was dir da bisher entgangen ist. Also pass mal auf. Zu Himmelfahrt gehen immer eine ganze Reihe von Otterndorfer Booten auf gemeinsame Vatertagstour. Im nächsten Jahr wollen wir zu den Heringstagen nach Kappeln an die Schlei. Mein Gott! Da warst du auch noch nicht? Bärbel, hier müssen wir wirklich erste Hilfe leisten. Die beiden sind aus ihrem Dieselmief noch nie herausgekommen!«
Man spürte förmlich sein Entsetzen. Einen Moment überlegte er, stellte dann sein Glas ab und schaute mich an.
»Also, mein Freund, das wird nun aber Zeit! Ich werde diese Tour mitfahren, habe aber noch keine Crew. So wie mein Segler wieder im Wasser ist, machen wir einen kleinen gemeinsamen Törn, um zu sehen, ob ihr überhaupt segeltauglich seid. So ein Segelschiff bewegt sich nämlich im Wasser völlig anders als ein Motorboot, und ich habe schon so manchen seefesten Motorskipper auf einem Segler heftigst die Farbe wechseln sehen. Das testen wir aus. Und wenn du damit keine Schwierigkeiten hast, habe ich meine Crew für die Herrentour!«
»Oh ja! Das ist toll! Das müsst ihr unbedingt machen«, freute sich Bärbel und strahlte über das ganze Gesicht. Der Einzige, der bereits in diesem Moment die Farbe wechselte, war mein weiblicher Bestmann.
»So! Ihr wollt also ohne uns Frauen auf den Swutsch gehen? Kommt gar nicht in Frage!« Sie verschränkte die Arme vor der Brust, was wohl so viel heißen sollte wie: »Hugh! Ich habe gesprochen!«
Ich lehnte mich im Sessel zurück und fing an, mir das Geschehen mit steigendem Amüsement zu betrachten. Bärbel und Wolfgang konnten ja nicht ahnen, was sie da vorgeschlagen hatten. Bislang war unser beider Maxime im Leben gewesen, alles gemeinsam zu machen. Und wir sind lediglich bei der Geburt unserer Tochter einmalig davon abgewichen. Die beiden gaben sich wirklich die größte Mühe, meine Unzertrennliche davon zu überzeugen, dass da absolut nichts Anrüchiges an der Sache war und es wirklich nur um den Sport ging.
»Sport? Hah! Den einzigen Sport, den mein Göttergatte bislang betrieben hat, war Briefmarken sammeln und Angeln gehen. Ich kann nicht glauben, dass er jetzt plötzlich damit anfangen will!«
Ihren Worten war zu entnehmen, wie begeistert sie von der ganzen Sache war, und was sie wirklich davon hielt. Mit Engelszungen und weiteren drei Flaschen Wein wurde meine bessere Hälfte niedergerungen, und als wir schließlich in der Dachkammer auf den Polstern des Seglers lagen, fiel ihr auf, dass ich bislang überhaupt nichts dazu gesagt hatte.
»Alsso, hörma, wieso hassu dassu garnix ssu bemerken ssu gehabt?«, säuselte sie weinselig, und war sich nicht mehr ganz klar darüber, ob sie sich mehr über diese Tatsache als solche oder über die Lähmungserscheinungen ihrer Zunge wundern sollte. »Am Enne lässu mich den ganssen Amend diset-äh…diskudingsda, un wills garnich mitfaaahn?«
»Hmm!«, brummte ich lediglich, denn ich wusste, in diesem Zustand war jede weitere Diskussion vergebens. Mein angeheiratetes Naturereignis drehte sich träge auf meine Seite, packte mich am T-Shirt und fing an, mich heftig zu schütteln.
»Los! Sahag-hicks mir sooofort, ob du mit wissst!«
»Jahahahaha!«, schlodderte ich.
Meine Exverlobte holte tief Luft, hörte aber auf mich zu schütteln. Ganz dicht kam ihr Gesicht an meins heran und sie schaute mir mit leichtem Silberblick tief in die Augen.
»Sssso, alsso du willst mit?! Weissu, was ich dassu nur noch sahagen kann-hicks?«
»Nein!«, staunte ich, denn ich wunderte mich, dass sie überhaupt noch etwas sagen konnte. »Was denn?«
»Hähä! Allso, erstens: ess war gemein mich so unter Allolol ssu setzen! Un sweitens un du wisses nich glaum, ich erlaube dir das! Fahr mit! Aber ich sahag dir-hicks eins, komm mir nich ssurück unnu biss ertrunken. Dasss überleb ich nich! Buhuuu!«
Mit diesen fast nur noch gesäuselten Worten verdrehte sie komplett die Augen, die Lider klappten zu und leise Schnarchtöne kündigten an, dass sie den weltlichen Sorgen entfleucht war.
»Schlaf gut, mein Schatz«, murmelte ich, zog ihr die Decke über und löschte das Licht. Hoffentlich würde sie sich auch morgen noch an ihre Zusage erinnern.
Irgendwann war Ostern, und kurz darauf kam Wolfgangs Anruf. Die BEERS war seeklar und wir sollten am nächsten Wochenende hochkommen. Nichts, was wir lieber täten. Also fuhren wir an die Nordsee!
Im Hafen gab der Skipper mir den ersten Überblick über das Boot. Überrascht aber irgendwie dankbar stellte ich fest, dass Backbord und Steuerbord bei ihm auch da waren, wo ich sie bei mir an Bord zu finden pflegte. Um die Sache abzukürzen, und um ihm zu zeigen, dass er nicht bei Adam und Eva anfangen musste, sagte ich ihm wohl besser, was an Basiswissen vorhanden war.
»Zu vorne sagt man Bug, achtern ist das Heck, und gesteuert wird das Ganze mit dem Knüppel da! Wie primitiv! Oder hat es für das Ruderrad nicht mehr gereicht?«
Wolfgangs Mund klappte wieder einmal auf, die Farbe wich aus dem Gesicht des Skippers, aber er blieb ruhig. Barbara wandte sich hingegen mit einem merkwürdigen Prusten ab und entschwand in die Plicht.
»Der Knüppel da heißt Pinne und damit steuerst du das Schiff sehr viel direkter als mit einer Radsteuerung. Du fühlst den Wind, noch bevor er da ist.«
»Manche hören auch das Gras wachsen«, griente ich unverschämt, machte dann aber schnell wieder ein interessiertes Gesicht. Wir gingen zum Mast und Wolfgang klopfte auf die Bündel der aufgeschossenen Taue.
»Großfall, Vorfall, Baumniederholer, Dirk!«
»Ach! Kommt noch jemand mit?« Suchend drehte ich mich um.
»Wieso?«
»Na, du sagtest doch eben: Dirk!«
»Mensch, das ist das Tau, welches hier über den Masttopp geht und da hinten diagonal nach unten das Ende des Großbaumes hält!«
Ah, ja! Ich hatte begriffen.
»Hast du das mit den Fallen verstanden?«
»Also, ich weiß, dass aus einem Vorfall gelegentlich mal ein großer Fall werden kann. Und wenn Dirk dann die Großschot niederholt …!«
Pfeifend entwich die Luft aus Wolfgangs Lungen.
»Also, alles noch mal von vorn!«
»Zu vorne sagt man Bug!«
Wolfgang winkte ab und wankte ins Cockpit. Mit leisem Tuckern und blubbern erwachte der Diesel irgendwo in den unendlichen Tiefen des Schiffsrumpfes und Bärbel ging sofort auf Manöverstation. Als alle Leinen klar und die Fender geborgen und verstaut waren, glitt der schmucke Backsegler aus dem Otterndorfer Hafen. Wolfgang fuhr grundsätzlich bis zum Ende des Prickenweges, er handelte nach dem Grundsatz: »Bei Einmeterachtzig Tiefgang ist jede Abkürzung ein Risiko.«
Irgendwann übernahm Wolfgangs weiblicher Bestmann die Pinne und der Skipper machte sich ans Segelsetzen. Dabei erklärte er mir noch einmal, wie alles funktionierte. Im Grunde genommen ganz einfach! Alle Leinen, an denen was hochgezogen wurde hießen logischerweise Fall. Nicht Ups oder Zugs, nein, Fall. Und alle Leinen, die zum Cockpit führten und an denen ich schon so oft die Skipper verzweifelt zupfen sah, nennt man Schot. Also entsprechend Großschot oder Vorschot für die entsprechenden Segel. Nun denn, wenn ich mir diese Schote mit den ganzen Schoten und Fallen so durch den Kopf gehen ließ, musste ich gestehen, dass das nicht mein Fall war. Alles klar? Und wenn dann noch der Rigg mit dem Dirk …! Mensch was hatten die beiden denn nun noch miteinander zu tun gehabt?
Ich war froh, dass ich ein Motorboot hatte. Wenn ich mir schon kaum die Namen der tausend Strippen merken konnte, wie sollte ich jemals damit klarkommen, wer mit wem für was zuständig und verantwortlich war. An diesem Tag hörte ich noch irgendwas über einen Engländer namens Cunningham, den ich aber auch nicht zu Gesicht bekam. Der überdimensionale Zahnstocher, der in den Wanten hing war angeblich ein Spibaum, mit dem man den Spinnacker besser durchsetzen konnte. Was ein Spinnacker war, wusste ich wieder, aber wo sollte sich der denn hinsetzen? Alle Segler, die ich bisher getroffen hatte, waren immer froh, wenn die Blase ordentlich stramm im Wind stand. Wieso also setzen? Und dass man den Holepunkt auf der Genua-Schiene in bestimmten Situationen verändern musste, erzählte mir der gnadenlose Skipper auch noch. Ich wäre froh gewesen, wenn hier irgendwo ein Bringepunkt gewesen wäre, der meinem verwirrten Geist die Erleuchtung gebracht hätte.
Mein holdes Eheweib beobachtete von der Plicht aus meine Bemühungen um mehr Verständnis der Sache. Allerdings zeigte sich in ihrem Gesicht ein breites Grinsen, als ich ihr in Gebärdensprache zu verstehen gab, was ich von der Sache hielt. Ich machte die Bewegung des Zündschlüsseldrehens, und dann hob ich einen Daumen hoch. Sie nickte lachend. Wolfgang machte auch irgendein Zeichen nach hinten, das sie aber nicht verstand.
Gurgelnd erstarb der Diesel und im nächsten Moment herrschte absolute Stille.
»Oh, Schiet! Muss der Motor gerade jetzt seinen Geist aufgeben? Wir sind ja mitten im Fahrwasser!«, stellte ich fest und rannte nach hinten. Barbara bekam mich gerade noch am Hemdsärmel zu fassen, sonst wäre ich in Nullkommanix im Niedergang verschwunden gewesen.
»He, wo willst du hin?«, fragte sie erstaunt.
»Maschinenschaden! Nicht gehört? Motor ist aus, mal sehen, ob ich ihn wieder in Gang krieg!«
»Kein Problem! Brauchst nur den Schlüssel zu drehen, dann springt er wieder an. Mann! Das hier ist ein Segelschiff und wir segeln jetzt. Da brauchen wir keinen Motor!«
»Hier an Bord sagt einem ja auch keiner was«, maulte ich und ließ mich auf die Backbordbank fallen.
Wolfgang kam jetzt ebenfalls ins Cockpit und sah mich augenzwinkernd an.
»Na? Ist schon ein Unterschied, was?«
Allerdings! Ich musste zugeben, dass sich Motorboot und Segler in ihrem Fahrverhalten ganz beträchtlich voneinander unterschieden. Hatte ich auf der DODI lediglich ein heftiges Vibrieren im Hintern, spürte man mit dem Achtersteven hier tatsächlich jede sich ankündigende Schiffsbewegung im Voraus. Aus Gewohnheit fing ich auch an, in den Knien zu federn, wenn die BEERS durch eine Welle schnitt. Erst nach einer Weile stellte ich fest, dass sie dabei nicht wippte und meine Knie also auch nichts abzufedern hatten. Stur und beinahe ohne sich zu rühren, ging der Segler durch Wellenkämme, die meine DODI wie einen Spielball hätten hüpfen lassen. Mit mehreren Tonnen Blei tief unter dem Rumpf und der Windlast im Segel lag das Schiff derart stabil im Wasser, da hätte schon mehr passieren müssen, um sie aus dem Gleichgewicht zu bringen.
»Sag mal, Wolfgang, was ist denn eigentlich ›mit Lage segeln‹ ?«, fragte ich interessiert, denn wenn man schon mal die Gelegenheit hatte, alles bisher aufgeschnappte zu ergründen, dann wollte ich das auch tun.
»Das tust du nicht!«, kam es harsch von Wolfgangs Admiralität, als der Skipper einen prüfenden Blick zum Verklicker in den Masttopp warf.
»Nur ganz kurz, damit die beiden mal sehen, wie man so ein Schiff auch noch segeln kann.«
»Ich bin dagegen. Ich will das nicht, das weißt du!«
Oh, Mann! Was hatte ich getan? Ich hatte doch nur eine Frage gestellt, und wirklich nicht die Absicht gehabt, eine Meuterei mit dazugehörender Familienkrise auszulösen.
»Okay«, sagte der Skipper jetzt ruhig. »Doris und Bärbel auf die Backbordseite, Claus nach Steuerbord. Stemme deine Füße gegen die Backbordbänke. Fertig? Okay, denn los!«
Bärbel hockte mit wenig glücklichem Gesicht auf ihrer Bank.
»Was tut er jetzt?«, fragte ich sie, um sie ein wenig abzulenken.
»Wolfgang ändert jetzt den Kurs ein wenig. Siehst du, bislang hatten wir den Wind von schräg hinten, jetzt bekommen wir ihn von der Seite. Anluven zum Halben Wind nennen die Segler das. Jetzt muss er Fock und Großsegel mit der Fock- und Großschot auf der Winsch dichtholen, das heißt strammer ziehen. Dadurch kommt mehr Druck ins Segel, wir können zwar den alten Kurs nicht mehr halten, aber wir gewinnen deutlich an Fahrt. Und das Schiff neigt sich auf die Seite, was dann Lage schieben heißt.«
Inzwischen hatte auch ich gespürt, wie sich der Segler nach Backbord neigte. Ich hatte ordentlich zu tun, mich auf meiner Bank zu halten und nicht hinüber auf die Damen zu purzeln. Angesichts der Tatsache, dass Bärbels Beine noch kürzer waren als meine, ahnte ich, welche Schwierigkeiten sie bei diesem Kurs hatte, nicht im Cockpit hin und her zu kullern. Wolfgang ging jetzt hart an den Wind, um uns zu demonstrieren, wie weit sich ein Segler neigen kann.
»Toll!«, rief ich begeistert und meine Wikinger-Gene jubelten. Das war es doch, das machte Spaß und Laune.
»Man hört richtig das Boot durchs Wasser zischen«, lachte ich.
Auch Bärbel hatte den Kopf geneigt und lauschte. Auch sie hörte das eigenartige Geräusch. Es kam von unten, aus dem Bauch des Schiffes. Mit einem Hechtsprung war der kleine Wirbelwind am Schott und spähte nach unten. Was sie sah, ließ sie kreidebleich werden. Aus der Spüle in ihrer Pantry quoll blubbernd ein dicker Wasserstrahl und ergoss sich auf den Teppichboden der Kajüte.
»Abfallen! Sofort abfallen!«, schrie sie Wolfgang zu. »Nicht das Boot zischt durchs Wasser, sondern das Wasser durchs Boot!«
Skipper Wolfgang verlor an Farbe und wurde blass. Er ließ beide Schoten schießen und schlagartig bremste das Schiff ab und richtete sich wieder auf, nachdem es einen anderen Kurs aufgenommen hatte. Jetzt stürzte auch er nach vorn an das Kajütenluk und sah gerade noch, wie mit leisem Gurgeln das restliche Wasser aus der Spüle durch den Abfluss wieder in Richtung Elbe verschwand.
»Ich habe vergessen, die Ausgussventile zu schließen«, schluckte Bärbel und machte ein unglückliches Gesicht. »Meine schöne Pantry! Alles nass!«, jammerte sie.
»Musst du denn auch wieder wie ein Blöder über die Elbe jagen?«, fauchte sie im nächsten Moment ihren Skipper an.
»Ist doch bloß Wasser«, tröstete der. »Sei froh, dass wir noch nicht gebunkert haben, die Vorräte wären alle hin gewesen. Das Wasser steht knöcheltief in der Kajüte.«
Er hangelte sich die Leiter hinab und erwischte mit lang gestrecktem Arm den Schalter für die Bilgepumpe. Gurgelnd und röchelnd wurde das Wasser abgesaugt und wieder dahin gepumpt, wo es eigentlich sein sollte: in den Fluss.
»Wir drehen bei und fahren zurück. Schiff trockenlegen!«, entschied der Skipper und änderte den Kurs. Wir segelten jetzt etwas moderater zurück und in Höhe des Medem-Leuchtfeuers, welches auch den Beginn des Prickenweges markierte, startete Wolfgang die Maschine. Zumindest versuchte er es, und es hätte mich auch gewundert, wenn es geklappt hätte. Tatsache war, der Diesel blieb stumm und dachte gar nicht daran, seinen Dienst ordnungsgemäß anzutreten.
»Ist wohl nass geworden?«, fragte ich.
»Hmmm!«, brummte der Skipper nur, schob mich an die Pinne und grunzte: »Kurs halten!«
Dann war er schon an Deck um zusammen mit Bärbel das Großsegel zu bergen. Der Wind stand günstig, und Wolfgang riskierte es, nur mit der Fock durch den Prickenweg in den Hafen einzulaufen. Am Beginn des Hafenbeckens rauschte auch das Vorsegel herunter und Wolfgang übernahm selbst die Pinne. Er begann ein paar Schwung zehrende Manöver im Hafenbecken zu fahren und war schon ein Könner, denn mit dem letzten bisschen Fahrt manövrierte er seinen großen Segler auf den Millimeter in die Box am Steg.
»Na also!«, kommentierte er trocken seine geniale Leistung.
»Ich glaube, an die Maschine muss ich noch mal ran, bevor wir zur Herrentour starten«, seufzte er. »Notfalls stelle ich der Crew ein paar Paddel zur Verfügung.«
»Moooment mal!«, gab ich empört zurück. »Ich habe Luxusliner gebucht, nicht Galeere! Und jetzt lass uns die Polster zum Trocknen auf den Steg packen. Schließlich will ich mir doch kein Rheuma holen in deiner Tropfsteinhöhle.«
»Mein Freund, du musst noch viel lernen«, lachte Wolfgang. »Vor allen Dingen musst du dir als Skipper den richtigen Freundeskreis suchen.«
Damit fischte er sein Handy aus der Hosentasche und wählte eine Nummer. Es war nur ein kurzes Telefonat, aber das Ergebnis war frappierend. Keine halbe Stunde später lieferte ein Kleinlaster zwei Bautrockner an den Steg. Wolfgang wählte den kleineren und wir schleppten das Ding an Bord. Er passte man so gerade durch das Schott, aber er passte. Strippe zum Stromkasten und der Apparat fing an, die Feuchtigkeit aus dem Schiff zu saugen.
»Phänomenal!«, staunte ich. »Den Trick muss ich mir merken!«
»In ein paar Tagen ist die BEERS trocken und ich werde mir den Motor vornehmen. Du wirst sehen, bis zur Herrentour ist alles klar!«