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Der Schwarze Sigurd

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Gerade als er die Tasche hochnahm, um sie mitzunehmen, fing einer an mit ihm zu sprechen.

"Wie geht’s?" zischte eine rauhe Stimme. Henrik drehte sich schnell um und entdeckte ihn.

Auf dem Schild: 'Rasen betreten verboten' saß der Rabe Schwarzer Sigurd und betrachtete ihn, mit leicht schrägem Kopf.

Henrik ließ die Schultasche mit einem Rums auf die Erde fallen und ging mit einem Seufzer der Erleichterung auf den Raben zu. "Sigurd, wie ist es gut, daß du kommst. Du ahnst ja nicht, wie froh ich bin, dich zu sehen."

Nun war Sigurd ja ein schwarzer Rabe und konnte nicht erröten, aber selbst wenn er es gekonnt hätte, wäre er es wohl nicht geworden. "Ruhig, mein Junge," krächzte Sigurd. Er schob die Brust vor und setzte fort: "Man kann sich auch quälen vor lauter Wiedersehensfreude."

Henrik warf einen Blick auf den Wald.

"Wo ist der kleine Wildfang hin?" fragte Sigurd, während er von dem Schild hüpfte und im Gras herumstolzierte.

"Ja aber, das ist es ja gerade..." Weiter kam Henrik nicht.

"Ich weiß es!" sagte Sigurd und hob einen Flügel in die Luft.

"Er sitzt über seine Schulbücher gebeugt oben in der Klasse, der liebe, pflichtbewußte Junge - während du nach hier unten abgehauen bist."

Es war ein tadelnder Unterton in Sigurds letztem Satz. Der Rabe sah Henrik streng an und zeigte mit einer Flügelspitze auf ihn. "Du mußt dich zusammennehmen, mein Junge - wenn du etwas in diesem Leben werden willst."

"Aber, ja aber..." begann Henrik.

Der Schwarze Sigurd erhob sich auf seinen krummen Zehen und fühlte sich sehr, sehr erwachsen. "Laß dir Jesper Aksel Bergmann ein gutes Beispiel sein!" ermahnte Sigurd mit samtweicher Stimme. "Jetzt ist es genug," dachte Henrik.

"Ich bin ein pädagogisches Genie," dachte Sigurd. "Mit aller Bescheidenheit, natürlich."

Zu Henrik sagte er: "Geh nun zurück in deine Klasse, mein Junge. Ich warte hier auf Jesper, dann kann ich mir die Zeit damit vertreiben, ein paar Würmer zu suchen." Sigurd stolzierte schon herum, mit seinem steifen Blick fest auf das Gras vor ihm gerichtet.

"Sie schwänzen!" rief Henrik verzweifelt, jetzt, wo der Rabe endlich still war.

"Die Würmer?" fragte Sigurd ungläubig.

"Nein, nein! Jesper und der, dieser andere Junge, den ich nie vorher gesehen habe!"

Der Schwarze Sigurd erstarrte mitten in einem Schritt. "Schwänzen?"

"Sie gingen 'rüber in den Wald," sagte Henrik und zeigte.

Sigurd nahm die Flügel an die Seiten und sagte vorwurfsvoll: "Warum hast du das nicht gleich gesagt?"

"Ich konnte ja kein Wort sagen," protestierte Henrik.

"Genug davon." krächzte Sigurd. "Wer ist der Junge?"

"Er heißt Zola," flüsterte Henrik fast. "Er war ein richtiger Flegel - er spuckte die ganze Zeit."

"Spuckte?"

"Und er rauchte auch Zigaretten!" setzte Henrik verärgert fort.

"Ach, du lieber Merlin!" rief Sigurd aus.

"Sie wollten auch in ein anderes Land," sagte Henrik aufgebend.

Sigurd erbleichte fast, mitten in all seinen schwarzen Federn. "Ein anderes Land?"

"Ja," sagte Henrik mit einer Stimme, die drohte, sich zu überschlagen. "Es heißt Khanpur."

Der Schwarze Sigurd vergaß plötzlich alle Würmer. Er stand mitten im Gras, als wäre er vom Blitz getroffen. "Nein!" stöhnte er heiser.

"Doch," stöhnte Henrik. "Du mußt ihn finden, Sigurd."

"Es geht um Leben und Tod," jammerte Sigurd. Er hob vom Gras ab und flog mit einer scharfen Kurve über seine linke Schulter. Er hatte sich wohl eigentlich gedacht, in den Wald hinüber zu fliegen, aber flog jetzt direkt gegen das Schild: "Rasen betreten verboten".

"Dong!" ertönte es hohl. Henrik eilte hin zu Sigurd, der durch das Gras purzelte, das nicht betreten werden durfte.

"Hast du dich gestoßen, Sigurd?"

Sigurd saß im Gras, auf die Flügel gestützt, die er zu den Seiten weghielt, und schüttelte mit dem Kopf.

"War das ein Bus?" murmelte er schockiert.

"Nein, Sigurd - das war das Schild: " Rasen betreten verboten".

"Wie tief man sinken kann?" dachte Sigurd flau.

'Verrückter Vogel,‘ dachte Henrik.

"Warum hatte ich es so eilig?"

"Jesper Aksel Bergmann," sagte Henrik langsam und deutlich.

"Der gute Junge," murmelte Sigurd hingerissen.

"Khanpur..." flüsterte Henrik.

"Bei allen meinen Federn," rief Sigurd. "Es ist wahr, ich muß weg - ich habe schon genug Zeit vergeudet."

'Das kann man wohl sagen,‘ dachte Henrik, aber er war zu wohlerzogen, um es zu sagen.

Sigurd schlug mit den Flügeln und stieg schnell über dem Rasen in die Luft hinauf. Darauf schoß er wie eine Rakete den Weg hinunter und in den Wald hinein.

"Was ist mit diesem Land, Khanpur?" rief Henrik ihm nach, aber Sigurd hörte es nicht. Bevor Henrik auch nur blinzeln konnte, war er im Schatten zwischen den Bäumen verschwunden.

Drachenreich

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