Читать книгу Deutschland oder Jerusalem - Claus-Steffen Mahnkopf - Страница 6
ОглавлениеDieses Buch legt Zeugnis ab, es erzählt die lebenssatte, am Ende jedoch traurige Geschichte der Francesca Yardenit Albertini, einer römischen Jüdin, die in jungen Jahren nach Deutschland kam, um für die Idee eines anderen, besseren, jüngeren Verhältnisses zwischen Deutschen und Juden zu werben und zu kämpfen. Einer jungen Frau, die einen deutschen Avantgardekomponisten heiratete, der eine außergewöhnlich steile Karriere als Hochschullehrerin und Intellektuelle gelang, einer jungen Frau, die mit 36 Jahren viel zu früh starb.
Francesca stellt einen exemplarischen Fall unserer Zeitgeschichte da: eine Grenzgängerin zwischen Italien und Deutschland, zwischen Israel und den USA. Eine literarisch-sprachliche Hochbegabung mit einer in Deutschland unüblichen Renaissance-Bildung und einem Politikverständnis, das auch einem Pier Paolo Pasolini verpflichtet ist. Eine Frau mit einem Heißhunger auf Realität und Leben. Eine Denkerin mit einem messianischen Blick auf die Zukunft der Menschheit. Und zugleich eine Frühbegabung, die sich wie eine auf beiden Seiten brennende Kerze rasch verbrauchte. Eine ihrer Heldinnen in der Geschichte war Simone Weil, sie starb ähnlich jung.
Francesca ist eine ausgesprochen interessante Frau gewesen, die Biographie allein rechtfertigte ein Buch, trotzdem stehen das intellektuelle Porträt, die politische Mission, das geistige Profil im Vordergrund. Ein Mensch und seine Ideen werden gezeichnet. Und zwar zentriert auf die deutsch-jüdische Frage. Vielleicht kann nur ein jüngerer Vertreter des Judentums mit dem nötigen Abstand zum Holocaust uns einen anderen Blick auf das Judentum lehren. Nur wer aus einem anderen Land kommt und doch emphatisch Deutscher wird, vermag uns zu zeigen, daß Judentum mehr ist als der tragische Komplex aus Shoah, Zweitem Weltkrieg, Israel und der Schuldfrage.
Das war eines der vielen Anliegen meiner Frau. Ihr Erbe kann nur mit Erinnerung gelingen, dem einzigen Mittel, Verstorbenen den zweiten Tod, das Vergessen, zu ersparen.