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Maison Carrée
Nîmes

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Der besterhaltene römische Tempel steht nicht in Italien, sondern in Nîmes in Südfrankreich, in der früheren römischen Provinz Gallia Narbonensis. Er trägt den ebenso klangvollen wie pragmatischen Namen „Maison Carrée“ – „rechteckiges Haus“. Mit 26 x 13 m ist er nicht allzu groß (worauf Alphonse Daudet in witziger Weise anspielt), aber ein exzellentes Beispiel für den Podiumstempel, eine besondere Bauform, die in der augusteischen Zeit beliebt war. Agrippa, ein enger Vertrauter des Kaisers Augustus, ließ den Tempel etwa um 19 v. Chr. bauen und weihte ihn den Söhnen des Princeps. Schon im 4. Jh. bemächtigte sich die Kirche des Tempels und man machte u. a. ein Kloster daraus. Dadurch entging er so gut wie unbeschädigt der Zerstörung, ebenso die fensterlose Cella, die bei ganz wenigen antiken Tempeln auch nur ansatzweise erhalten ist. Die Umfunktionierung schützte das Gebäude jedoch nicht davor, im Inneren umgebaut und über die Jahrhunderte immer mehr in die umliegende Architektur integriert zu werden. Erst im 19. Jh. entfernte man die Umbauten und legte den Tempel wieder frei, indem man benachbarte Bauten abriss. Dabei kam auch ein Teil des großflächigen Forums wieder zum Vorschein, das den Tempel, der in der Antike im Stadtzentrum stand, einst umgab. Heute dient die Maison Carrée als 3-D-Kino: Im Inneren zeigt die Organisation Culturespaces Nîmes Romaine in kurzen Abständen einen 20-minütigen Film über die Geschichte der Stadt.


Aus: Alphonse Daudet,

Die wunderbaren Abenteuer des Tartarin von Tarascon (1872)

Alphonse Daudet (1840–1897)

war ein französischer Schriftsteller und Mitglied der Pariser Bohème. ­Tartarin von Tarascon, eines seiner frühen Werke, blieb bis zu seinem Tod sein bekanntestes. Er ließ noch zwei Bände mit den Abenteuern des ­Protagonisten folgen.

Tartarin, der durch vielerlei Lektüre auf diesem Gebiete sehr unterrichtet war, gab mit größter Zuvorkommenheit jede nur erwünschte Auskunft, und das Ende vom Liede war, daß der Biedermann selbst nicht mehr recht wußte, daß er nicht in Schanghai gewesen war. So erzählte er denn auch mehr als hundertmal den Angriff der Tataren: seine Geschichte schloß regelmäßig mit den Worten: „Und nun ließ ich alle meine Angestellten bewaffnen, hißte die Konsulatsflagge, und dann ging’s piff, paff aus den Fenstern auf die Tataren.“ Staunend hörte der Klub die Erzählung an, und jeden überlief es kalt bei der Schilderung des Kampfes.

Nun möchte wohl so mancher meiner Leser einwerfen: „Dann war ja dieser Herr Tartarin ein ganz abscheulicher Lügner.“

O nein! Tartarin war durchaus kein Lügner.

„Aber er mußte doch recht wohl wissen, daß er niemals nach Schanghai gereist war.“

Nun ja, das wußte er allerdings. Und dennoch …

Ich will das näher zu erklären versuchen.

Es ist wirklich an der Zeit, sich ein für allemal darüber zu verständigen, daß die Bewohner der nördlichen Länder denen der südlich gelegenen ganz mit Unrecht den Vorwurf machen, sie seien alle zusammen Lügner. Es gibt keine Lügner im Süden, weder in Marseille noch in Nimes, weder in Toulouse noch in Tarascon. Der Südländer lügt eben nicht, er – irrt sich nur; er ist stets in einer eigentümlichen Selbsttäuschung befangen. Er sagt nicht immer die Wahrheit, das ist richtig – aber er glaubt doch immer, daß er sie sagt.

Die Lüge des Südländers ist keine Lüge, wenigstens ist sie nicht das, was man für gewöhnlich mit diesem Worte bezeichnet, sondern sie ist eine ganz merkwürdige Erscheinung.

Ja, ein merkwürdiges Etwas! Und wer mich nicht ganz versteht oder wer sich von der Richtigkeit meiner Behauptung überzeugen will, der gehe einmal nach dem Süden. Er wird sein Wunder erleben. Er wird den Dämon dieses Landes kennen lernen, in dem die Sonne alle Gegenstände so eigentümlich beleuchtet, daß sie in ganz anderen Dimen­sio­nen erscheinen, als sie in Wirklichkeit haben. Die kleinen Hügel der Provence, die nicht höher sind als der Montmartre, werden ihm als riesig hohe Bergzüge erscheinen. Die Maison carrée in Nimes, die auf dem Nippestisch Platz zu haben scheint, kommt ihm so groß vor, wie Notre-Dame in Paris.

Der Beschauer wird auch entdecken, daß der einzige südländische Lügner, wenn überhaupt von einem solchen die Rede sein kann, die – Sonne ist. Alles, worauf ihre Strahlen fallen, verändert und vergrößert sie. Was war denn Sparta zur Zeit seines höchsten Glanzes und Ruhmes? Ein Marktflecken. Und was war Athen? Höchstens das, was man heute als kleines Landstädtchen bezeichnet. Und doch erscheinen sie uns in der griechischen Geschichte als Großstädte. Die Sonne hat’s gemacht.


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