Читать книгу Korridorium – ein pluridimensionaler Thriller - Cory d'Or - Страница 26
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Оглавление31.12.2011
Ich betrete den Korridor. In die Siegessäule hat es mich bisher nie verschlagen. Ist wohl auch nur was für Touris. Diesmal sind keine hier, weil die Mordkommission alles abgesperrt hat. Uwe Albo tritt mir entgegen. »So was ist mir im Lebtag noch nicht untergekommen. Echt übel. Den Scheißkerl kauf ich mir persönlich, wenn …« Er verliert den Faden. Sieht verstört aus. Dem kann ich nachhelfen: »Den Kerl? Oder die Frau?« Albo stutzt, aber merkt schnell, dass ich natürlich noch nicht mehr wissen kann als er. »So was macht keine Frau.« Er gibt mir den Weg frei. Der Fotograf ist gerade bei der Arbeit. Sein Blitz erhellt einen Stapel loser Blätter, auf dem ein blutiger Klumpen Fleisch liegt. Ein frisches Herz, wie es scheint, und zwar vermutlich das eines Menschen, sonst wären wohl kaum Albo und die Mordkommission angerückt – und er hätte auch mich nicht gleich herkommen lassen. Na, das Jahr hört ja gut auf. Ich sehe mich in dem Korridor um, kann aber nichts psychologisch Besonderes entdecken.
Später in seinem Büro drückt mir Kommissar Albo, nachdem ich gefühlte zwanzig Papptassen voller bitterem Kaffee auf ihn gewartet habe, die Blätter in die Hand. Das Blut hat dunkelrote Flecken darauf hinterlassen. Ich bin ganz froh, dass die Forensiker jedes einzelne Blatt in eine Plastikhülle gesteckt haben.
»Es sind fünfzig«, sagt Albo. Er sieht müder aus als sonst, seine dunklen Tränensäcke scheinen noch mehr vom Leid der Welt absorbiert zu haben. »Durchnummeriert.« Er lässt sich auf seinen Drehstuhl fallen. »Sonst haben wir nichts. Täter-DNA, Fingerabdrücke, Fußspuren: Fehlanzeige.« Ich sehe die Blätter durch. Maschinegeschriebenes. Kurze Texte. Geschichten. Kein Bekennerbrief allem Anschein nach. Auch keine Liebesbriefe. »Das Herz?«, frage ich.
Albo greift nach seinem Handy, als habe es gerade vibriert. Aber er muss sich getäuscht haben, steckt es mit einem fast unmerklichen Kopfschütteln wieder weg. »Das Herz, ja. Das Opfer ist männlich, dem Blut nach. Vom Rest keine Spur.«
Ich stehe auf und winke mit dem Blätterstapel: »Guck ich mir zuhause mal näher an.« Albo sieht mich an, als hätte ich gerade mein Jackett geöffnet und ihm einen Sprengstoffgürtel präsentiert: »Die kannst du nicht mitnehmen. Hast du sie noch alle? Das ist wichtiges Beweismaterial.« Ich mache die drei Schritte zum Kopierer und hebe den Deckel hoch. Der Schnelleinzug nützt mir hier nichts, mit dem Plastik um die Blätter. Albo sieht aus, als wolle er protestieren. Grünes Leuchten fährt unter dem Deckel entlang. Kann das Kopiererlicht irgendwelche Spuren vernichten? Albo scheint zu dem Ergebnis zu kommen, dass das eher unwahrscheinlich ist. Er sackt wieder auf seinen Stuhl zurück. Dass wir es mit einer kranken Psyche zu tun haben, muss er gleich gespürt haben. Sonst wär ich jetzt nicht hier.
Ich lege das zweite Blatt auf. Auf dem ersten, das ich zur Seite lege, ist jede Menge eingetrocknetes Blut, das auf der Kopie hässliche schwarze Kontinente hinterlassen hat, ähnlich der Tintenkleckse für einen Rorschachtest. Die Flecke umfließen den Text mit der Nummer 1 auf dem Blatt. Es ist nur ein einziger Satz. Er lautet: »Ich betrete den Korridor …«