Читать книгу Das Geheimnis der Botigo Bay - Cristina Alandro - Страница 6
Teil 1.2
ОглавлениеAm nächsten Morgen sattelte Liam in Windeseile seinen Hengst Nando und brach in Richtung Botigo Bay auf. Es war ein etwa halbstündiger Ritt von seinem Stadthaus bis er den langen, weißen, feinsandigen Strand erreichte. Er war bereits den ganzen Morgen von einer Mischung aus Vorfreude, Aufregung, aber auch Furcht erfasst. Würde sie wirklich kommen? Oder machte er sich gerade lächerlich indem er beinahe sehnsüchtig die weite Bucht entlang sah und nach ihr Ausschau hielt?
Sie hatten sich keineswegs hier verabredet, doch Liam hatte geglaubt etwas in Nyahs Augen aufblitzen zu sehen als er erwähnte, dass er am heutigen Tag zur Botigo Bay reiten würde. Jedoch hatten sie weder über Zeit noch genauen Ort gesprochen. Daher hielt Liam Nando ein Stück von der hohen Düne, die er kurz zuvor überquert hatte um an den langen Strand zu gelangen, entfernt an und führte ihn in den Schatten einiger einzeln stehender Palmen. Es war ein warmer Tag und von hier aus konnte er den Großteil der Bucht überblicken. Nun blieb ihm nichts Anderes mehr übrig als es dem Schicksal zu überlassen ob sie wirklich kommen würde oder nicht.
Liam verharrte eine ganze Weile nahezu reglos wartend und die Zeit schien kaum zu verstreichen, doch Nyah kam nicht. Enttäuscht ließ er sich irgendwann in den weichen Sand sinken und starrte auf das hellblau leuchtende Meer hinaus. Sollte er sie wirklich nicht wiedersehen? Allein der Gedanke, dass es so sein könnte, machte ihn traurig. Enttäuscht ließ er den Kopf hängen.
Erst als Nando ihn etwas später sanft am Arm berührte hob Liam wieder den Blick um dem Braunen über die Nüstern zu streicheln. Da sah er sie plötzlich und einmal mehr stockte ihm der Atem bei ihrem Anblick.
Ein Stück von ihm entfernt musste sie gerade aus dem Schutz der Palmen, die den Strand der langen Bucht begrenzten, herausgetreten sein. Nun ging sie durch den hellen Sand bis ans Wasser vor. Erst dort wandte sie sich nach rechts und kam auf Liam zu. Ihr im Sonnenlicht glänzender schwarzer Hengst folgte ihr mit ein paar Schritten Abstand. Wie schon beim ersten Mal als Liam sie gesehen hatte ließ Nyah das Pferd frei laufen. Der Hengst folgte ihr auf Schritt und Tritt.
Das alles nahm Liam jedoch nur am Rande wahr, denn sein Blick hing ausschließlich an der Frau, die ihn, während sie näher kam, auf einmal anlächelte. Sie trug eine weite Hose aus weißem Leinen, die ihre schönen langen Beine im leichten Wind sanft umspielte. Barfuß ging sie nun durch das seichte, klare Wasser der Bucht. Die lange dunkelbraune Bluse, die sie über einem ebenfalls weißen, engen Hemd trug, wurde an der Taille von einem breiten Gürtel zusammengehalten. Die langen Ärmel hatte sie bis über die Ellbogen hinauf gekrempelt. Ihr langes, dunkles Haare, das sie offen trug, wurde ihr vom Wind aus dem Gesicht geweht. Liam war sich sicher, nie eine schönere Frau gesehen zu haben.
Als sie sich nun vom Meer abwandte und auf ihn zukam stand Liam auf und trat ihr entgegen. Verzaubert erwiderte er ihr Lächeln.
„Ihr seid wirklich gekommen“, sagte Liam leise als er Nyah endlich erreichte.
„Genau wie Ihr“, erwiderte die junge Frau ebenso leise.
„Wie hätte ich nicht kommen können, wo doch die Hoffnung bestand, Euch hier wiederzusehen?“
„Und das Schicksal hat unsere Wege tatsächlich noch einmal zusammengeführt, Mr. Moore“, entgegnete Nyah und erwiderte Liams Lächeln.
„Das freut mich wirklich sehr“, antwortete Liam. „Und bitte, Miss Landon, nennt mich Liam.“
„Nyah“, verbesserte sie ihn sanft und Liams Augen leuchteten auf.
Einen Moment sahen sie einander schweigend in die Augen. Dann wurden sie jedoch durch Nandos aufgeregtes Wiehern abgelenkt und wandten sich zu dem braunen Hengst um. Nando fixierte Nyahs schwarzen Hengst mit hoch erhobenem Kopf, scharrte mit den Hufen im feinen Sand und spielte neugierig mit den Ohren. Nun war auch Nyahs Hengst, der bis vor einem Augenblick Liam argwöhnische beäugt hatte, auf das andere Pferd aufmerksam geworden. Leise erwiderte er Nandos Wiehern und machte einen Schritt nach vorne. Nyahs Stimme ließ ihn jedoch sofort inne halten.
„Cor!“, ermahnte sie ihn leise aber bestimmt und sofort wandte das Pferd ihr wieder seine Aufmerksamkeit zu und vergaß den braunen Hengst scheinbar.
Als Liam sich wieder umwandte und den schwarzen Hengst ansah reckte dieser neugierig den Hals nach vorne und beschnupperte vorsichtig Liams Hand, die er ihm entgegenstreckte.
„Wirklich ein prachtvoller Hengst“, sagte Liam bewundernd während er dem Pferd über die Nüstern streichelte. „Wie heißt er?“
„Corazón“, antwortete Nyah und beobachtete lächelnd wie Liam und Corazón sich gegenseitig musterten.
Ebenfalls lächelnd sah Liam zu Nyah.
„Herz“, sagte er und sah wieder den Hengst an. „Ein sehr schöner Name. Wie seid Ihr darauf gekommen? Hat er eine besondere Bedeutung für Euch?“
„Ja, der Name hat eine besondere Bedeutung“, erwiderte Nyah leise und wurde auf einmal ernst. „Eine… sehr persönliche.“
„Bitte verzeiht“, entgegnete Liam ebenfalls leise. „Ich wollte Euch nicht zu nahe treten.“
„Nein“, erwiderte Nyah schnell und ihr Lächeln kehrte zurück. „Das seid Ihr nicht, Liam. Es ist nur so dass die Namen meiner beiden Pferde eine tiefere Bedeutung haben, die nicht einfach zu erklären ist wenn man die Hengste nicht kennt.“
„Oh, dann bin ich beruhigt“, antwortete Liam mit einem erleichterten Lächeln. Seine Neugier war jedoch geweckt.
„Darf ich fragen wie Euer Schimmelhengst heißt?“
„Natürlich. Sein Name ist Ánima.“
„Seele“, übersetzte Liam leise und Nyah nickte.
Wie hätte sie Liam erklären sollen dass die Namen der Hengste etwas mit ihren außergewöhnlichen Charakteren zu tun hatten? Er kannte sich zwar gut mit Pferden aus, das hatte sie schon gemerkt, doch ihre beiden Hengste waren anders. Sie waren besonders. Sie besaßen Eigenschaften wie sie andere Pferde nicht hatten. Eigenschaften, die nicht gerade pferdetypisch waren.
Ánima war äußerst sanftmütig und besaß ein offenes, freundliches Wesen. Er hatte ein ruhiges Gemüt und war sehr sensibel. Er spürte sofort in welcher Verfassung Nyah war, wann immer er in ihrer Nähe war. War sie glücklich und guter Stimmung, so war er ein gut gelaunter, freudiger Begleiter. War sie traurig oder ging es ihr nicht gut, so schien auch der Hengst traurig zu sein und er tat alles in seiner Macht stehende, sie zu trösten. Vor allem besaß er jedoch die Gabe, einem anderen Lebewesen, besonders einem Menschen, bis tief in die Seele zu blicken. Zu erkennen, ob sie gut oder böse war. Er konnte erkennen ob ein Mensch jemandem gut oder schlecht gesinnt war. Und mehr noch. Er wusste wer vertrauenswürdig war und wer nicht. Vielleicht schon bevor sich derjenige selbst darüber bewusst war.
Corazón hatte im Gegensatz zu dem Schimmelhengst ein wildes, lebhaftes Temperament, das schwer zu bezähmen war. Alleine Nyah erkannte er als seine Herrin an, für die er alles tun würde. Er war eine Kämpfernatur, die niemals aufgab. Er hatte einen starken Charakter, war aber dennoch sensibel und einfühlsam. Seine herausragendste Eigenschaft bestand jedoch darin, in das Herz eines anderen Lebewesens zu blicken. Er erkannte sofort wenn von jemandem Gefahr ausging. Jetzt gerade, aber auch in Zukunft. Ebenso wie er erkannte ob jemand Mut und Stärke besaß, oder von Schwäche und Angst beherrscht wurde.
Deshalb hatte Nyah ihn an diesem Tag als ihren treuen Begleiter ausgewählt. Er würde sie beschützen wenn Gefahr bestand. Wenn von Liam Moore, diesem faszinierenden Mann, der so unerwartet in ihr Leben getreten war, eine Gefahr ausging. Doch an Corazóns Verhalten konnte Nyah erkennen, dass Liam keine Gefahr für sie war. Jedenfalls nicht jetzt. Und das sagte ihr auch ihr eigenes Gefühl. Sonst hätte sie dafür gesorgt, ihm niemals wieder zu begegnen. Aber etwas sagte ihr dass es kein Zufall gewesen war, ihn getroffen zu haben. Etwas bestand zwischen ihnen, das Nyah in seinen Bann zog. Das ihr gleichzeitig jedoch Angst machte. Angst vor ihm, aber auch vor sich selbst. Und auch wenn jetzt eindeutig keine Gefahr von ihm ausging würde sie wachsam bleiben. Doch sie war von Natur aus vorsichtig und das Leben hatte sie gelehrt, niemandem zu vertrauen. Und auch Corazóns Verhalten bekräftigte sie in ihrer Vorsicht. Der Hengst war zwar ruhig und schien Liam sogar zu mögen, doch er blieb unübersehbar wachsam und beobachtete ihn genau. Darüber vergaß er sogar den braunen Hengst, der noch immer unruhig und ganz und gar unzufrieden damit war, ein Stück abseits angebunden zu sein, wo ihn niemand beachtete.
„Er ist nicht damit einverstanden, nicht Teil unserer Unterhaltung zu sein“, bemerkte Nyah lachend mit einem Blick auf den anderen Hengst. Auch Liam wandte sich nach ihm um.
„Ja“, stimmte er zu. „Nando steht gerne im Mittelpunkt. Und es gefällt ihm nicht dass er Euren Hengst nicht begrüßen darf.“
„Nun, warum holt Ihr ihn nicht her?“, schlug Nyah vor. „Das würde ihn bestimmt beruhigen.“
„Möglicherweise“, stimmte Liam zu. „Er ist jedoch sehr dominant. Nicht, dass es Probleme gibt wenn die beiden Hengst aneinander geraten.“
„Oh, macht Euch darum keine Sorgen“, antwortete Nyah leichthin. „Corazón ist ebenfalls sehr dominant. Ich denke, die Fronten dürften schnell geklärt sein. Ich tippe auf einen Waffenstillstand.“
Liam hob erstaunt eine Augenbraue, nickte dann jedoch lächeln.
„Gut, dann hole ich Nando mal her.“
Nyahs Hengst sah dem Braunen mit gespitzten Ohren entgegen. Dabei spannte er alle Muskeln an. Sein gestählter Körper schien geradezu zu beben, doch er wartete völlig still bis Liam den Braunen zu ihm führte. Vorsichtig beschnupperten sich die beiden Hengste, doch dann ging alles sehr schnell. Beide gaben ein tiefes Brummen von sich und Nando schlug mit einem Vorderbein aus, jedoch ohne wirklich auf Corazón zu zielen. Der schwarze Hengst schlug wild mit dem Kopf und seine Augen schienen in Flammen zu stehen. Doch dann ließen sie von einander ab.
„Waffenstillstand“, sagte Liam lachend. „Ihr hattet Recht.“
„Nun, ich kenne meinen Hengst“, erwiderte Nyah mit einem Blick auf Corazón. „Er würde sich niemals unterwerfen, doch er erkennt einen würdigen Gegner respektvoll an. Käme es jedoch zum Kampf, so wäre er lang und unerbittlich.“
Lächelnd erwiderte Nyah Liams Blick. Dann folgte sie ihm zu einem schattigen Platz und sie setzten sich nebeneinander auf eine Decke, die Liam mitgebracht hatte und nun unter einer der Palmen ausbreitete. Zunächst schwiegen sie und sahen den seichten Wellen zu, wie sie stetig und unter leisem Rauschen an den Strand gespült wurden. Dann wandte Liam sich auf einmal Nyah zu.
„Nyah, darf ich Euch etwas fragen?“
„Natürlich“, erwiderte Nyah.
Liam zögerte einen Moment, doch die Frage ließ ihm keine Ruhe.
„Was tut Ihr hier auf Jamaica? Und – woher seid Ihr gekommen?“
Nyah sah Liam einen Augenglick lang schweigend an und er glaubte schon, er sei zu weit gegangen und sie würde nicht antworten, doch dann lachte sie auf einmal leise.
„Ihr könnt es nicht lassen, nicht wahr?“, fragte sie mit blitzenden Augen. „Ihr seid sehr neugierig.“
Liam lächelte.
„Nun, Ihr fasziniert mich und ich möchte gerne mehr über Euch erfahren.“
Noch immer lachend schüttelte Nyah den Kopf.
„Und Ihr seid sehr offen. Unter zu viel Zurückhaltung leidet Ihr jedenfalls nicht.“
Nun blitzte es in Liams Augen auf.
„Das liegt einzig und allein an meinem Gegenüber. Ihr… Ihr verzaubert mich.“
Und das tat sie wirklich. Wenn Liam mit Nyah zusammen war vergaß er alles um sich herum und er kam sich vor wie in einem Traum. Sie löste etwas in ihm aus das er nicht gekannt hatte. Gerührt beobachtete er jetzt, wie sie leicht errötete. Wie bezaubernd sie war! Dann fing sie sich wieder und zu Liams Freude beantwortete sie zumindest einen Teil seiner Fragen.
„Ich bin erst kürzlich von einer Reise nach Spanien zurückgekehrt. Ich… nun ich musste dort etwas abholen und hierher nach Jamaica bringen. Das ist auch der Grund weshalb ich überhaupt hier bin.“
Sie schwieg einen Moment bevor sie fortfuhr.
„Bitte verzeiht, aber ich kann nicht darüber sprechen.“
Entschuldigend sah sie Liam an, doch er hob abwehrend eine Hand.
„Ich verstehe und das ist in Ordnung. Und was es auch sein mag, das Euch hierher geführt hat. Ich bin sehr froh darüber dass wir uns dadurch begegnet sind.“
Lächelnd sah er Nyah an und sie erwiderte sein Lächeln. Natürlich hätte Liam gerne mehr erfahren, aber er wollte nicht aufdringlich sein und er verstand wenn Nyah nicht mehr erzählen wollte oder konnte. Dennoch war seine Neugier geweckt. Was hatte die junge Frau zu solch einer weiten und sicher nicht ungefährlichen Reise veranlasst? Es musste etwas sehr Wichtiges sein. Liam wusste besser als jeder andere um die Gefahren, die auf den Meeren dieser Welt herrschten. Als er Nyah darauf ansprach zuckte sie leichthin mit den Schultern.
„Davor fürchte ich mich nicht“, entgegnete sie. „Ich liebe die See. Sie ist wie eine zweite Heimat für mich. Ich fühle mich auf dem Wasser sehr wohl.“
Erstaunt sah Liam sie an. Damit hatte er nicht gerechnet. Diese Frau überraschte ihn einfach immer wieder.
„Ihr reist also gerne?“
Das erschien ihm eher außergewöhnlich. Die Zeiten waren unsicher und es war gefährlich auf See. Er war selbst lange Zeit eine der größten Gefahren der Meere gewesen.
„Nun, ich würde es nicht unbedingt als reisen bezeichnen. Eher als Notwendigkeit. Jedoch eine angenehme Notwendigkeit.“
Verwirrt sah Liam Nyah an, doch sie lächelte nur und schwieg. Sie würde ihm nicht verraten was sie damit meinte, das war eindeutig. Liam fragte nicht weiter nach.
„Mit welchem Schiff seid Ihr denn von Spanien hierhergekommen?“, fragte er stattdessen. In letzter Zeit hatten nicht viele Schiffe aus Spanien in Port Royal angelegt.
„Ihr werdet es nicht kennen“, antwortete Nyah. „Ich bin nicht mit einem der Schiffe gekommen, die mehr oder minder regelmäßig zwischen Europa und der Karibik kreuzen. Ich…“
Sie wusste nicht was sie Liam sagen sollte. Wie sollte sie ihm erklären dass sie mit ihrem eigenen Schiff, der Dawning Star, nach Jamaica gekommen war? Damit würde sie ihm möglicherweise mehr verraten als gut war. Sie musste ohnehin wachsam sein was sie ihm sagte.
„Ich hatte eine private Mitfahrgelegenheit“, sagte sie schließlich und sah die Überraschung in Liams Augen.
„Betreibt Eure Familie Handel?“, fragte er. Dennoch wunderte er sich darüber dass Nyah eine solche Reise unternommen hatte. Ebenso wie er sich fragte ob sie alleine hier auf Jamaica war.
Es gab so vieles das er gerne über sie gewusst hätte. So viele Fragen, die er dieser geheimnisvollen Frau gerne gestellt hätte. Doch bei seiner letzten Frage legte sich plötzlich und unübersehbar ein Schatten über ihre schönen, ebenmäßigen Gesichtszüge. Ihr Lächeln erstarb und sie wandte den Blick ab. Schon bevor sie antwortete bereute Liam seine Frage.
„Ich habe keine Familie“, antwortete sie leise und stand auf um ein paar Schritte in Richtung Wasser zu gehen.
Auf halbem Weg blieb sie stehen. Liam folgte ihr nach kurzem Zögern. Als er neben sie trat sah er sie vorsichtig an. Sie hatte den Blick unverwandt aufs Wasser gerichtet.
„Das tut mir sehr leid“, sagte er schließlich leise. „Bitte verzeiht meine Frage. Ich… ich hätte niemals so neugierig sein dürfen.“
„Es muss Euch nicht leid tun“, erwiderte Nyah nach einer Weile.
„Wirklich nicht“, fügte sie lächelnd hinzu als sie Liams betretenen Blick sah. Nun lächelte auch er erleichtert. Er hatte befürchtet, durch seine Unvorsicht alles zerstört und Nyah verärgert zu haben. Und er wollte sie auf keinen Fall traurig machen. Doch sie schien es ihm nicht übel zu nehmen. Dennoch nahm er sich vor, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Er wusste nur wenig über sie und es schien ihr Wunsch zu sein dass das auch so blieb. Und er würde ihren Wunsch respektieren, auch wenn es ihm schwer fiel. Aber vielleicht würde sie ihm mit der Zeit mehr vertrauen und sich ihm weiter öffnen. Wenn sie es wollte. Und wenn sie konnte. Liam hatte den Verdacht dass Nyah von mehr als einem Geheimnis umgeben war. Doch der Wunsch dass sie ihm vertraute war beinahe übermächtig und ließ ihn nicht los. Aber wenn überhaupt Hoffnung bestand würde er wohl Geduld haben müssen. Er würde jedoch alles tun wenn auch nur ein Funken Hoffnung bestand.
Umso größer war seine Angst vor Nyahs Antwort auf seine letzte Frage bevor sie sich etwas später von einander verabschiedeten.
„Werde ich Euch wiedersehen?“
Nyah schwieg einen Augenblick lang. Dann antwortete sie mit einer Gegenfrage.
„Möchtet Ihr das denn?“
Bei ihren Worten blitzte etwas in ihren Augen auf und Liam lächelte sie an.
„Wie könnt Ihr daran zweifeln?“, beantwortete er ihre Frage.
Nun lächelte auch Nyah.
„Dann wäre es mir eine Freude“, entgegnete sie und Liams Augen leuchteten.
„Wie wäre es mit morgen? Zur selben Zeit am selben Ort?“
Nyah nickte lächelnd. Dann verabschiedete sie sich von Liam und schwang sich mit einer eleganten Bewegung auf Corazóns blanken Rücken.
„Bis morgen, Liam.“
„Bis morgen, Nyah. Ich freue mich!“
Dann ritten sie in entgegengesetzte Richtungen auseinander.
Fortan trafen sie sich immer wieder an der Botigo Bay. Dabei genossen sie jedes ihrer Treffen und kamen sich dabei unweigerlich näher und wurden einander immer vertrauter. Dennoch war Liam stets darauf bedacht, Nyah nicht mehr zu nahe zu treten. Und Nyah war froh darüber, eine gewisse Distanz zwischen ihnen zu wahren, wenngleich sie jedes Mal ein Kribbeln durchlief wenn Liam ihre Hand nahm und sie nebeneinander durch das seichte Wasser spazierten. Mehr war jedoch nicht möglich.
Als Nyah nach einem ihrer Treffen mit Liam am späten Nachmittag auf ihre Hacienda zurückkehrte wartete Ashad bereits auf sie. Der Schwarze trat ihr mit finsterem Blick entgegen als sie ihren Schimmelhengst Ánima, den sie an diesem Tag zum ersten Mal ausgewählt hatte um zu ihrem und Liams Treffpunkt zu gelangen, vor dem Brunnen zwischen Wohnhaus und Stall zum Stehen brachte.
„Du warst lange fort“, sagte er leise und trat neben Nyah, die gerade abgestiegen war.
Seine Worte klangen vorwurfsvoll, doch Nyah kannte ihn besser. Er hatte sich Sorgen gemacht. So wie er sich jedes Mal Sorgen machte und es keineswegs guthieß wenn sie Liam traf.
„Ich weiß“, gab sie ebenso leise zu.
Sie war tatsächlich fast den ganzen Tag fort gewesen. Liam und sie hatten sich bereits im Morgengrauen getroffen um den Sonnenaufgang zu beobachten. Liam hatte sie dafür an einen seiner Lieblingsplätze geführt, der hoch oben auf den steilabfallenden Klippen oberhalb einer kleinen Bucht lag. Die Klippen waren mit dichten tropischen Büschen und Bäumen bewachsen und Nyah hatte den Pfad, dem Liam gefolgt war, nur erahnen können. Doch dann hatten sie eine Stelle erreicht an der ein flacher Felsen aus der Vegetation herausragte. Dort hatten sie die Pferde an einem Baum angebunden und waren auf den Felsen geklettert. Liam hatte wie selbstverständlich Nyahs Hand ergriffen und ihr auf den Felsen hinaufgeholfen. Auch als sie schließlich nebeneinander gesessen hatten, hatte er sie nicht losgelassen und Nyah hatte ihm ihre Hand auch nicht entzogen.
Die Aussicht war grandios gewesen. Tief unter ihnen hatte der Ozean golden geglitzert als die Sonne langsam aufgegangen war. Schweigend waren Liam und Nyah dagesessen und hatten dieses wundervolle Naturschauspiel genossen.
Später waren sie gemütlich ein Stück weiter geritten bis sie eine weitere kleine Bucht gefunden hatten, wo sie plaudernd und lachend den Nachmittag verbracht hatten. Schließlich war die Zeit schneller vergangen als Nyah erwartet hatte und sie hatte sich beinahe überstürzt von Liam verabschiedet.
Nyah hatte an diesem Tag zwar nichts mehr zu erledigen, dennoch hatte sie Ashad nicht so lange warten lassen wollen. Sie war ihm auch keinerlei Rechenschaft schuldig und das erwartete er auch nicht, aber sie wollte auch nicht dass er sich Sorgen um sie machte. Obwohl sie wusste dass er das beinahe ständig tat wenn er nicht in ihrer Nähe war, wenngleich er ganz genau wusste dass sie bestens für sich sorgen konnte. Seit Ashad ihr jedoch vor vielen Jahren geholfen hatte, nachdem Nyah ihm zuvor ihrerseits das Leben gerettet hatte, und sie damals gemeinsam geflohen waren, hatte er es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Nyah zu dienen und zu beschützen, wenn es sein musste sogar mit seinem Leben. Über die Jahre war er sogar noch mehr geworden. Ihr bester, vielleicht einzig wahrer Freund, und engster Vertrauter, wenngleich sie niemals mehr als Freunde gewesen waren und niemals mehr sein würden. Es war viel eher so dass Ashad Nyah wie eine Schwester liebte und alles für sie tun würde. Und Nyah wusste dass sie sich jederzeit auf ihn verlassen konnte.
Es gefiel Ashad jedoch gar nicht, dass Nyah so häufig diesen Liam Moore traf und so viel Zeit mit ihm verbrachte. Obwohl er das niemals zugeben würde empfand er Eifersucht. Tiefe, brennende Eifersucht. Dabei hatte er keinerlei Recht dazu und Nyah betonte ohnehin immer wieder, dass nichts zwischen ihr und Mr. Moore war. Nach allem, was sie erlebt hatte, was ihr angetan worden war, ließ sie ohnehin kaum jemanden an sich heran. Vor allem keinen Mann. Dennoch hatte Ashad eine Veränderung an Nyah bemerkt. Eigentlich sollte er froh darüber sein, denn zum ersten Mal seit sehr langer Zeit wirkte sie glücklich. Trotzdem machte er sich Sorgen. Sorgen darüber, dass sie vielleicht enttäuscht und verletzt wurde. Und dass sie sich in Gefahr brachte.
„Du weißt dass es gefährlich ist wenn du dich mit ihm triffst“, stellte Ashad fest.
„Ja, natürlich weiß ich das“, erwiderte Nyah. „Aber ich bin sehr vorsichtig und ich bin mir sicher dass er nichts ahnt.“
„Dennoch macht es mir Sorgen dass er Kontakte zu Gouverneur Don Luis hat. Irgendwie gefällt mir die Sache nicht.“
„Hast du irgendetwas herausgefunden?“, fragte Nyah, obwohl sie sich das nicht vorstellen konnte. Und eigentlich widerstrebte es ihr auch, Ashad Liam nachspionieren zu lassen. Dennoch vermutete sie, dass Liam ebenso Geheimnisse vor ihr hatte wie sie vor ihm. Ashad schüttelte jedoch den Kopf.
„Nein, aber du solltest trotzdem vorsichtig sein.“
„Das bin ich“, versicherte Nyah. „Mach dir keine Sorgen.“
Ashad nickte schweigend. Er verließ sich auf Nyahs Wort, dass sie auf sich aufpasste. Dann fiel ihm jedoch noch etwas ein.
„Wie hat Ánima eigentlich auf ihn reagiert?“, fragte er und strich dem Schimmel, den Nyah immer noch lose am Zügel hielt, sanft über den Hals.
„Oh, ganz ähnlich wie Corazón auch. Er hat keine Gefahr ausgemacht und nur Gutes verspürt. Dennoch blieb auch er wachsam, was meinen Verdacht bestätigt, dass Liam irgendetwas verheimlicht. Aber das kann ich ihm kaum übel nehmen, denn ich habe ebenfalls Geheimnisse, nicht wahr?“
Verschmitzt lächelte Nyah Ashad an bevor sie fortfuhr.
„Liam scheint mir jedoch positiv zugetan zu sein, nach Ánimas Verhalten zu urteilen.“
„Oh, da bin ich mir sicher“, entgegnete Ashad und nun begann auch er zu lächeln, was sein sonst so ernstes, jedoch schönes Gesicht auf einmal erhellte.
„Dafür hättest du Ánima nicht befragen müssen. Das hätte ich dir schon sagen können als du ihn dort auf dem Empfang des Bürgermeisters getroffen hast. Schon da hat er dich mit so strahlenden Augen angesehen dass ich beinahe geblendet gewesen wäre.“
Nun wurde sein Lächeln zu einem neckenden Grinsen und Nyah versetzte ihm einen leichten Schlag auf den Oberarm. Dann wurde sie jedoch urplötzlich ernst und erblasste. Eine instinktive Reaktion, die Ashad bedauerlicherweise nur zu gut an ihr kannte und die Nyahs Leben zu Weilen zur Hölle machte. Manchmal überfiel sie die Erinnerung aus heiterem Himmel und wo eben noch Fröhlichkeit und Ausgelassenheit gewesen war, herrschte auf einmal Angst über sie.
„Es tut mir leid“, flüsterte Ashad und schloss Nyah sanft in seine Arme. Er hielt sie fest bis ihr plötzliches Zittern wieder nachgelassen hatte. Dann strich er ihr behutsam über das lange Haar.
„Du wirst wissen wenn eine Gefahr für dich von ihm ausgeht. Und selbst wenn du dir nicht sicher sein solltest, dann werden es Ánima und Corazón wissen. Aber ich möchte nicht, dass du leidest.“
Es fiel Ashad nicht leicht, dass zu sagen, doch er wollte dass Nyah glücklich war. Dennoch fürchtete er sich vor dem was kommen würde, wenngleich er noch nicht zu sagen vermochte, warum.
„Ich weiß“, erwiderte Nyah nach einer Weile. „Danke, Ashad.“
Ein paar Tage nachdem Liam Nyah zum ersten Mal an der Botigo Bay wiedergesehen hatte, waren er und sein Bruder Alex zum Gouverneur geritten. Ein Bote hatte ihnen ausgerichtet dass Don Luis sie erneut auf seinem Landsitz erwartete. Sie waren davon ausgegangen dass der Gouverneur ihnen an diesem Tag etwas über den Auftrag sagen würde. Dass er ihnen erklären würde, was auf sie zukam. Doch es geschah nichts dergleichen. Alles, was Don Luis ihnen verriet war, dass sich die gesamte Aktion vermutlich noch um einige Zeit verschieben würde. Dabei ließ er offen ob es sich um Wochen oder gar Monate handelte. Liam kam das jedoch gerade recht, hatte er durch diese erfreuliche Wandlung der Ereignisse doch ausreichend Zeit um jede Gelegenheit zu nutzen, Nyah zu treffen. Er war überglücklich, dass sich Nyah ihm allmählich immer weiter öffnete und er genoss jede Minute die er mit ihr verbringen konnte. Er wusste zwar nach wie vor nur wenig über ihre Vergangenheit oder darüber, was sie auf Jamaica tat, doch eigentlich war ihm das auch egal. Er genoss es einfach, Zeit mit ihr zu verbringen und fieberte jeder ihrer gemeinsamen Unternehmungen voller Vorfreude und Ungeduld entgegen. Wie hätte er es da ertragen sollen, Jamaica für längere Zeit verlassen zu müssen? Und dem wenigen, das der Gouverneur bereits über den Auftrag verraten hatte war zu entnehmen gewesen, dass er und Alex vermutlich für längere Zeit auf See sein würden.
Diese Vermutung verstärkte sich noch, als sie einige Wochen später noch einmal zu Don Luis gerufen wurden. Es stellte sich heraus, dass sie einen schon seit langem von den Spaniern gesuchten Piraten dingfest machen sollten. Dieser Pirat war den Spaniern wohl bereits seit langem ein Dorn im Auge. Don Luis beschrieb ihn als skrupellos und unberechenbar, jedoch auch sehr intelligent und einfallsreich. Er schien den Spaniern immer einen Schritt voraus zu sein. Oder zwei. Deshalb wollte Don Luis nun Liam auf ihn ansetzen. Denn wenn es jemand schaffen konnte, diesen Piraten zu erwischen, dann Liam Blue Shadow Moore. Liam war sich jedoch nicht sicher, ob er sich über dieses Kompliment freuen sollte.
Über die Identität des Piraten rankten sich zahlreiche Gerüchte. Niemand hatte ihn jemals zu Gesicht bekommen. Er schien wie ein Phantom zu agieren, verbreitete dabei jedoch Angst und Schrecken unter den Spaniern.
Von einem Informanten, der erst kürzlich aus Spanien gekommen war, hatte Don Luis erfahren, dass dieser mysteriöse Freibeuter wohl einen neuen, immensen Coup plante, der selbst den spanischen König in höchste Alarmbereitschaft versetzt hatte.
„Und das, obwohl es den König sonst nicht sonderlich interessiert, was in seinen Kolonien in der Karibik vor sich geht“, hatte der Gouverneur mit ernster Miene erläutert.
Doch auch darüber war bislang kaum etwas bekannt. Daher betraute Don Luis Liam nun zunächst mit der Aufgabe, seine weitverzweigten Kontakte spielen zu lassen um etwas mehr über den Piraten herauszufinden und darüber, was er plante.
„Und dann bringt mir diesen Kerl“, hatte Don Luis am Ende ihrer Unterhaltung mit hochrotem Kopf gesagt und sie dann entlassen.
Auf dem Rückweg nach Port Lantago unterhielten sich Liam und Alex, die an diesem Tag ohne weitere Begleitung den Gouverneur aufgesucht hatten, über ihren Auftrag.
„Die ganze Sache gefällt mir irgendwie nicht“, sagte Alex mit nachdenklich gerunzelter Stirn, während die beiden Brüder langsam nebeneinander her ritten.
„Wie sollen wir etwas über diesen Piraten herausfinden? Offensichtlich ist bislang nichts als das eine oder andere Gerücht über ihn bekannt.“
Liam nickte langsam.
„Ich frage mich nur woher die Spanier Wind davon bekommen haben, dass er einen neuen Coup plant. Es muss sich um eine wirklich große Sache handeln.“
Schweigend dachte er eine Weile.
„Aber wie auch immer. Ich bin sehr neugierig auf diesen Freibeuter. Wenn es ihm gelingt, die Spanier derart in Rage zu versetzen, dass selbst der König sich einschaltet, dann muss er ein faszinierender Mann sein, auch wenn er ein Pirat ist.“
Bei seinen Worten lächelte Liam vage und Alex hörte deutlich das Piratenherz in der Stimme seines Bruders schlagen, was ihn selbst zum lächeln brachte.
„Vielleicht kann Brayan etwas in Erfahrung bringen“, meinte Alex schließlich und Liam nickte.
„Er ist der beste Spion den die Welt je gesehen hat.“
Dann ritten sie eine ganze Zeit lang schweigend nebeneinander her. Keiner sagte mehr ein Wort. Beide waren in ihre Gedanken vertieft und dachten über den ihnen bevorstehenden Auftrag nach. Was wohl auf sie zukommen würde? Vermutlich hatte der Gouverneur Recht und dieser letzte Auftrag würde noch einmal all ihre Fähigkeiten auf die Probe stellen, dachte Liam. Dennoch nahm er nicht ernsthaft an dass sie scheitern würden. Allerdings konnte er bei weitem noch nicht das Ausmaß überblicken, das dieser Auftrag annehmen würde. Genauso wenig wie er ahnen konnte was dieser Auftrag ihm persönlich abverlangen würde.
Etwas später, als sie gerade durch den dichten Wald einige Meilen vor Port Lantago entfernt ritten, hörten sie auf einmal gedämpfte Kampfgeräusche. Es war deutlich auszumachen, dass ganz in ihrer Nähe mit Degen gekämpft wurde. Abrupt brachte Liam seinen braunen Hengst zum Stehen. Alex hielt ebenfalls an. Wortlos sahen sich die Brüder einen Augenblick lang an, dann deutete Alex schweigend in die Richtung aus der die Geräusche kamen. Der Urwald war hier sehr dicht und sie konnten nichts sehen. Liam nickte jedoch und trieb seinen Hengst langsam weiter. Alex folgte ihm. Nach ein paar Schritten wendete Liam sein Pferd vom Weg ab und zog gleichzeitig seinen Dolch aus der Scheide an seinem Gürtel, um vom Pferd aus eine schmale Schneise ins Unterholz zu schlagen. Als Nando plötzlich anhielt und den Kopf mit gespitzten Ohren hob hielt Liam inne und folgte dem Blick seines Hengstes. Zunächst konnte er nichts erkennen, doch dann fiel ihm auf, dass sich das Unterholz ein wenig lichtete. Außerdem vernahm er auf einmal das leise Plätschern von Wasser, das immer wieder zu hören war bevor sich die Klingen der Kämpfenden erneut trafen. Es musste ein Bach in der Nähe sein.
Dann meinte Liam, ein Stück vor sich einen Abhang oder einen steil abfallenden Felsen ausmachen zu können. Vermutlich dort, wo der Bach sich über Jahrhunderte oder mehr einen Weg durch den Urwald gebahnt hatte. Er überlegte nicht lange und schwang sich aus dem Sattel. Gleich darauf gab er Alex ein Zeichen, ebenfalls abzusteigen. Immer noch schweigend stieg Alex vom Pferd und trat dann zu seinem Bruder. Liam horchte noch immer auf das Säbelklirren und wandte sich dann wieder Alex zu.
„Sie müssen dort unten sein“, flüsterte er Alex zu und deutete in Richtung des vermeintlichen Abhangs. Dann band er sein Pferd an einem Baum fest und ging langsam los.
„Komm“, wisperte er seinem Bruder zu und Alex folgte ihm abermals.
Sie bewegten sich nahezu lautlos auf dem weichen, dicht bewachsenen Boden. Dann erreichten sie den Abhang, der sich nun tatsächlich als mit Moos und Farnen bewachsener Felsen entpuppte. Soweit Liam sehen konnte ging es jedoch nur etwa zwei Meter in die Tiefe. Dann folgte ein mehrere Meter breiter grasbewachsener Uferstreifen, der einen schmalen, langsam fließenden Bach säumte. Das alles nahm Liam jedoch nur vage wahr, denn nun hatte er die Kämpfenden entdeckt. Sie waren nur wenige Meter von ihm und Alex entfernt und befanden sich direkt am Ufer des Baches. Liam und Alex selbst standen hinter dichtem Farn verborgen, sodass die Kämpfenden sie nicht sehen konnten. Wie vom Donner gerührt beobachtete er sekundenlang die Szene vor sich. Es erschien ihm ein unfairer Kampf zu sein – fünf gegen zwei – und es schien bitterer Ernst zu sein. In rascher Abfolge wurden die Degen gekreuzt und die Kämpfenden bewegten sich schnell und behände. Liam stellte erstaunt fest, dass die beiden Fechter, die ihm gerade den Rücken zuwandten, ihre fünf Gegner erstaunlich gut in Schach hielten. Es war unschwer zu erkennen dass sie versuchten, die Überzahl ihrer Gegner müde zu machen indem sie sich selbst eher passiv verhielten, die meisten Schläge nur abwehrten und nur in günstigen Augenblicken einen Vorstoß unternahmen. Dennoch mussten sie immer wieder ein Stück zurückweichen. Liam stockte der Atem als auf einmal zwei der fünf vermeintlichen Angreifer gleichzeitig auf einen ihrer Kontrahenten zustürmten, nachdem dieser einen von ihnen Sekunden zuvor durch einen gezielten Ausfall am Arm verletzt haben musste. Besonders als Liam erkannte, wer dort kämpfte, blieb ihm die Luft weg. Ohne weiter darüber nachzudenken gab er Alex ein Zeichen und die beiden Brüder sprangen den Felsen hinunter um den beiden Kämpfern zu Hilfe zu kommen.
Liam hätte vor Schreck beinahe laut aufgeschrien als er Nyah erkannt hatte, die dort an der Seite ihres schwarzen Begleiters kämpfte. Nur mühsam hatte er sich beherrschen können, doch er durfte seinen Bruder und sich selbst nicht verraten, wenn er Nyah helfen wollte. Sekunden später waren Alex und er ebenfalls in den Kampf verwickelt. Die fünf Kerle wandten sich überrascht zu ihnen um, als die beiden Brüder auf sie zu stürmten. Für einen kurzen Augenblick fing Liam Nyahs Blick auf, sowie den des großen, muskulösen Schwarzen an ihrer Seite, dann nickte er kaum merklich und gemeinsam gelang es ihnen binnen kürzester Zeit, die fünf Angreifer in die Flucht zu schlagen. Drei von ihnen waren schwer verwundet, konnten jedoch noch laufen. Die anderen beiden hatten nur ein paar Schrammen abbekommen und halfen ihren Kumpanen bei der Flucht ins dichte Unterholz. Alex wollte sie schon verfolgen, doch Liam hielt ihn zurück.
„Sie sind es nicht wert, dass man ihnen nachjagt“, sagte er knapp und Alex nickte. Dann ließen sie ihre Waffen sinken.
Noch immer außer Atem wandte Liam sich nach Nyah um, die ein paar Meter von ihm entfernt auf ihren Degen gestützt dastand und ebenfalls nach Luft rang. Ihre Wangen waren von der Anstrengung und Hitze leicht gerötet und sie strich sich gerade einige Haarsträhnen aus dem Gesicht, die sich aus ihrem langen Zopf gelöst hatten. Sie sah wunderschön aus und Liam gefiel dieser wilde, kämpferische Zug an ihr, den er zuvor nie gesehen hatte. Sie würde jede Amazone in den Schatten stellen, schoss es ihm durch den Kopf. Wieder einmal war er wie verzaubert von ihrem Anblick, und das obwohl sie soeben noch Seite an Seite gekämpft hatten.
Endlich fasste er sich wieder und trat zu Nyah.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte er und musterte sie besorgt. „Bist du verletzt?“
Nyah erwiderte seinen Blick und war gerührt als sie die Sorge in seinen Augen sah.
„Es ist alles in Ordnung“, antwortete sie. Dann sah sie kurz zu Alex, der neben Liam getreten war, bevor sie wieder Liam ansah.
„Danke für eure Hilfe.“
Liam nickte lächelnd. Dann trat auch Ashad näher und Liam fiel auf, dass der Schwarze ihn einen Moment lang scharf musterte. Liam hielt seinem durchdringenden Blick jedoch mühelos stand und musterte ihn ebenfalls. Er strotzte geradezu vor Kraft und Liam sah, dass seine Muskeln immer noch angespannt waren, obwohl der Kampf vorüber war. Trotz seines fast bedrohlich wirkenden Gesichtsausdrucks sah der Schwarze unbestreitbar gut aus. Sehr gut. Dennoch hatten seine nachtschwarzen Augen etwas Drohendes. Oder täuschte er sich?
Als er Liam und Alex nun ansprach war er sehr höflich.
„Auch ich danke Euch für Eure Hilfe.“
„Gern geschehen“, erwiderte Liam und auf einmal entspannten sich alle.
„Nyah, darf ich dir meinen Bruder Alex vorstellen?“, fuhr Liam nach einer kurzen Pause fort.
Alex trat rasch einen Schritt vor, reichte Nyah die Hand und verbeugte sich leicht.
„Ich freue mich sehr, Euch kennenzulernen, Alex. Euer Bruder hat mir schon viel von Euch erzählt.“
Alex war hingerissen von ihrem Lächeln und er begann zu verstehen weshalb Liam wie ausgewechselt war seit er Nyah kannte. Er fing sich jedoch sofort wieder.
„Die Freude liegt ganz auf meiner Seite“, erwiderte er höflich.
Dann wandte Nyah sich an Ashad und bat ihn mit einer Geste, näher zu kommen.
„Darf ich Euch ebenfalls meinen Begleiter vorstellen?“, sagte sie an Liam und Alex gewandt. „Dies ist mein treuer Freund Ashad.“
Ohne zu zögern reichte Liam ihm die Hand und Alex tat es ihm gleich.
„Sehr angenehm.“
Ashad nickte schweigend und erwiderte den Händedruck. Dann wurden alle wieder ernst und Liam sah Nyah an.
„Wer waren diese Kerle?“, fragte er. „Was wollten sie von euch?“
„Ich weiß es nicht“, gab Nyah zurück. „Ich habe sie noch nie gesehen.“
„Wir waren auf dem Weg nach San Aleandro als sie uns überfielen“, erklärte Ashad weiter. „Zunächst dachten wir es seien gewöhnliche Banditen – ihre Kleidung deutete darauf hin – doch sie konnten erstaunlich gut mit ihren Waffen umgehen.“
Da musste Liam ihm Recht geben. Die fünf Männer waren sehr geschickt mit ihren Degen umgegangen, was für Banditen eher ungewöhnlich war. Dennoch war es schließlich ein Leichtes gewesen, sie in die Flucht zu schlagen als sie nicht mehr gar so deutlich in der Überzahl gewesen waren. Trotzdem fragte Liam sich, was die Kerle gewollt hatten. Nyah zuckte jedoch nur mit den Schultern. Sie wusste wirklich nicht, woher die Männer gekommen waren. Doch es spielte eigentlich auch keine Rolle. Sie waren keine wirkliche Gefahr gewesen. Ashad und sie hatten sie recht gut in Schach halten können, wenngleich sie dennoch dankbar war, dass das Schicksal ihnen Liam und Alex zu Hilfe geschickt hatte. Obwohl sie eine geschickte Degenkämpferin war hatte sie gemerkt dass sie ein wenig aus dem Training war. Daher nahm sie sich vor bei Gelegenheit mit Ashad zu trainieren.
Auch Liam hatte bewundernd festgestellt, wie gut Nyah gekämpft hatte. Sie hatte sich äußerst gewandt und zielsicher bewegt und ihre Angriffe waren stets überlegt und treffsicher gewesen. Dabei waren all ihre Bewegungen grazil und geschmeidig gewesen.
Als er kurz darauf alleine mit Nyah zurückblieb, während Ashad und Alex jeweils nach den Pferden sahen, begleitete Liam Nyah ans Wasser, wo sie sich hinkniete um sich Hände und Arme zu waschen.
„Wo hast du so gut kämpfen gelernt?“, fragte er nach einem Moment.
Zunächst schwieg Nyah und wusch sich zu Ende. Als sie Liam nach einer Weile ansah konnte er ihren Blick nicht deuten und glaubte schon, sie würde ihm nicht antworten. Ihre schwarzen Augen waren unergründlich auf ihn gerichtet und Liam wünschte sich, in diesem Moment ihre Gedanken lesen zu können. Es gab immer wieder Augenblicke in denen er fürchtete, Nyah durch irgendeine unbedachte Handlung oder Bemerkung zu nahe getreten zu sein oder verletzt zu haben ohne es zu wollen und ohne überhaupt ahnen zu können, etwas falsch gemacht zu haben. Er meinte dann meistens, für einen winzigen Moment einen kaum wahrnehmbaren Schatten über ihr schönes Gesicht huschen zu sehen, so als habe er eine unangenehme Erinnerung wach gerufen. Sie war oft sehr verschlossen, doch daran hatte Liam sich bereits gewöhnt. Er hatte jedoch den Verdacht dass es gute – oder schlimme – Gründe dafür gab, dass Nyah nur wenig über sich erzählte. Und dass sie in manchen Situationen auf einmal den Eindruck erweckte, sich in sich selbst zurückzuziehen. Es konnte sein, dass sie in einem Augenblick noch ausgelassen mit ihm lachte und im nächsten auf einmal ernst und ganz still wurde. Liam glaubte dann oft, etwas Falsches gemacht oder gesagt zu haben, doch Nyah hatte ihm einmal versichert, dass es nicht an ihm lag. Sie hatte sich sogar für ihren plötzlichen, unerklärlichen Stimmungswandel entschuldigt, obwohl es dafür gar keinen Grund gab. Liam wünschte sich nur einfach, sie besser verstehen zu können. Er wünschte sich zu wissen, was sie bedrückte. Und er wünschte sich, sie in solch einem Moment zu trösten. Dies war jedoch ein völlig abwegiger Wunsch, denn er spürte dass Nyah ihn nicht an sich heranlassen würde. Etwas in ihrer Haltung gebot ihm Vorsicht und Zurückhaltung, auch wenn ihm das manchmal sehr schwerfiel. Sie vertraute ihm nicht und das konnte Liam ihr nicht einmal übel nehmen. Obwohl er sich, wie er sich selbst eingestehen musste, nichts mehr wünschte. Was war es, das diese bezaubernde, schöne Frau so misstrauisch und überaus vorsichtig gemacht hatte? Was hatte sie erleben müssen? Würde er das jemals erfahren? Würde sie irgendwann bereit sein, sich ihm zu öffnen? Er wünschte es sich. Mehr als alles andere. Doch wenn überhaupt, so würde er Geduld haben müssen. Und das würde er, auch wenn er normalerweise kein sehr geduldiger Mensch war. Doch mit Nyah war es anders. Alles war mit ihr anders. Doch eben das zog ihn so sehr in ihren Bann. Wer bist du, schöne Frau fragte Liam sich immer wieder. Würde er die Antwort irgendwann herausfinden?
Nun erhielt er zu seiner Freude aber erst einmal eine Antwort auf seine laut ausgesprochene Frage. Als Nyah aufstand lächelte sie ihn an und etwas blitzte in ihren Augen auf.
„Nun, ich bin eine gute Beobachterin“, sagte sie. „Ich hatte häufig die Gelegenheit, verschiedenen Kämpfern beim Training zuzusehen. Beim Training mit dem Degen, aber ebenso mit Schusswaffen. Schließlich bat ich Ashad darum, mit mir zu trainieren.“
Liam war beeindruckt – und fasziniert. Er hatte nie zuvor eine Frau kämpfen sehen. Schon gar nicht derart elegant und geschickt. Nyah war wirklich eine ungewöhnliche Frau.
Auch der Schwarze hatte einen sehr geschmeidigen, jedoch ebenso gefährlichen Kampfstil, wie Liam beobachtet hatte. Und ihm war aufgefallen dass Nyah und Ashad beim Kampf extrem gut auf einander abgestimmt gewesen waren. Alle ihrer Bewegungen hatten sich perfekt ergänzt.
Er wollte gerne wissen wie Nyah dazu gekommen war, fechten und wohl auch schießen zu lernen, doch bevor er seine Frage laut aussprechen konnte schien Nyah seine Gedanken bereits zu erahnen.
„Ich weiß, es ist ungewöhnlich für eine Frau, kämpfen zu lernen. Vor allem kämpfen zu lernen, wie es eigentlich nur Männer tun. Doch ich finde, jeder sollte sich zu verteidigen wissen. Jeder! Auch eine Frau – vielleicht gerade eine Frau.“
Sie lächelte noch immer leicht, als sie das sagte, doch Liam meinte, noch mehr aus ihrer Stimme heraushören zu können, konnte es aber nicht deuten. Als er über Nyahs Worte nachdachte musste er ihr Recht geben. Was sie sagte stimmte, aber dennoch käme wohl kaum eine Frau auf den Gedanken, wie ein Mann kämpfen zu lernen. Schon gar nicht mit solchen Waffen. Dennoch war er nach wie vor tief beeindruckt von Nyah. Als er schließlich nickte, lächelte er sie an.
„Du bist eine wunderbare Kämpferin.“
„Danke“, antwortete Nyah lächelnd auf Liams Kompliment. Sie freute sich ehrlich darüber.
Auch er war ein guter Kämpfer, der äußerst geschickt mit seinem Degen umgehen konnte.
„Du und Ashad, ihr hättet diese Kerle vermutlich auch ohne unsere Hilfe in die Flucht geschlagen“, fuhr Liam dann fort.
„Ja, vielleicht“, antwortete Nyah. „Dennoch bin ich froh, dass ihr gekommen seid. Wie kann ich dir nur für deine Hilfe danken?“
Liam dachte einen Moment lang nach, dann leuchteten seine Augen plötzlich auf.
„Oh, da hätte ich schon eine Idee“, entgegnete er und Nyah sah ihn fragend an. Er schenkte ihr ein atemberaubendes Lächeln.
„Sei heute Abend mein Gast“, bat er sie. „Ich lade dich in mein Haus in Port Lantago ein. Mein Bruder Alex und seine Frau Elena werden auch da sein. Und du könntest Ashad ebenfalls mitbringen, wenn du möchtest. Dann könnte ich dir auch meine Pferde zeigen…“
Als Nyah schwieg fügte er leise hinzu: „Es wäre mir wirklich eine große Freude.“
Schließlich erwiderte Nyah Liams Lächeln.
„Ich werde gerne kommen“, nahm sie seine Einladung an. „Und Ashad ebenfalls.“
Liam hatte das Gefühl, sein Herz würde vor Freude einen Sprung machen und sein Lächeln wurde noch strahlender.
„Wie schön! Ich freue mich sehr.“
Kurz darauf kehrten Ashad und Alex mit den Pferden zurück. Bevor sie in Hörweite kamen ergriff Liam rasch Nyahs Hand. Obwohl er sie nur ganz sanft berührte spürte er, wie sie leicht zusammenzuckte und sich anspannte. Daher ließ er ihre Hand sofort wieder los. Als sie ihn ansah lächelte sie jedoch und Liam erwiderte ihr Lächeln.
„Dann bis heute Abend?“, fragte er leise und mit hoffnungsvollem Blick.
„Ja, bis heute Abend“, erwiderte Nyah ebenso leise.
Dann traten sie auseinander und gingen zu ihren Pferden. Corazón wieherte leise als Nyah zu ihm trat. Er lehnte sanft seinen Kopf an ihre Schulter als sie ihm über den Hals strich. Sie sah dem Hengst an, dass er sich während des Kampfes aufgeregt hatte. Sie wusste dass er sie hatte verteidigen wollen, doch Nyah hatte ihn fortgeschickt um ihn zu schützen. Die Tatsache jedoch, dass er ihr nicht hatte helfen können hatte dem Pferd schwer zugesetzt. Corazón war eine Kämpfernatur. Nun, während Nyah ihn sanft streichelte, beruhigte er sich jedoch sofort. Wenige Augenblicke später saß Nyah auf. Dabei fing sie noch einmal Liams Blick auf, der sie beobachtet haben musste. Als sie seinen Blick erwiderte lächelte er sie an und hob zum Gruß die Hand. Dann ritten sie in entgegengesetzte Richtungen auseinander.
Während des restlichen Rückritts nach Port Lantago war Liam sehr schweigsam. Er dachte über das merkwürdige Zusammentreffen mit Nyah nach. War es wirklich Zufall gewesen, ihr hier und unter diesen Umständen zu begegnen? Liam glaubte eigentlich nicht an Schicksal, doch seit er Nyah kannte hatte dieser Begriff eine ganz neue Bedeutung für ihn bekommen.
Dabei dachte er weniger über den Überfall auf Nyah und den darauffolgenden Kampf nach. Viel mehr beschäftigte ihn, was danach geschehen war. Warum war Nyah so erschrocken zusammengezuckt, als er sie berührt hatte? Es war schließlich nicht das erste Mal gewesen dass er ihre Hand ergriffen hatte. Für einen Moment hatte er gemeint, Furcht in ihren Augen aufflackern zu sehen, bevor sie ihn wieder angelächelt hatte. Dabei hatte sie ihre Anspannung nicht ganz verbergen können. Hatte es einfach nur an dem vorangegangenen Kampf gelegen? Wobei sie eigentlich einen sehr ruhigen und gefassten Eindruck gemacht hatte. Erstaunlich ruhig sogar. So, als wäre dieser Kampf kaum bemerkenswert gewesen. Was Liam wiederrum wunderte. Aber was war es dann gewesen? Nyah gab ihm immer wieder Rätsel auf.
Als er sie dann später mit ihrem Pferd gesehen hatte, war er für einen Moment ganz gefangen gewesen von ihrem Anblick. Diese stille Zwiesprache zwischen Nyah und ihrem Hengst, die so viel Vertrauen und auch Liebe ausgedrückt hatte, hatte ihn tief berührt.
Nun riss Alex Liam jedoch aus seinen Gedanken als er ihn, wohl zum wiederholten Mal, ansprach.
„Liam, ist alles in Ordnung?“, fragte sein Bruder und sah ihn aufmerksam an. Liam nickte.
„Ja, ich war nur in Gedanken.“
„Das dachte ich mir“, erwiderte Alex schmunzelnd.
„Und jetzt kann ich auch verstehen warum“, fügte er noch hinzu. „Sie ist wirklich eine bemerkenswerte Frau. Schön, furchtlos und eine hervorragende Kämpferin.“
„Ja“, gab Liam einsilbig zurück. Er hing immer noch seinen Gedanken nach. Doch dann riss er sich zusammen und sah Alex endlich an.
„Ich habe sie für heute Abend zu uns eingeladen. Nyah und ihren Begleiter. Ashad.“
„Oh“, entgegnete Alex überrascht. „Gut.“
Nach kurzer Überlegung fuhr er fort.
„Dieser Ashad hat etwas Furchteinflößendes an sich. Weißt du, in welcher Beziehung er zu Nyah steht? – Ich meine, er folgt ihr schließlich wie ein Schatten und sie scheinen einander sehr vertraut zu sein.“
Jedenfalls hatte ihr Umgang miteinander darauf schließen lassen, fügte Alex im Stillen hinzu, als er Liams ernsten Blick sah. Auch Liam war aufgefallen, wie zuvorkommend und selbstverständlich sie mit einander umgegangen waren. Und sie schienen einander wortlos zu verstehen. Liam war ebenfalls der düstere Blick aufgefallen, den ihm der Schwarze zugeworfen hatte, als er mit den Pferden zurückgekommen war und ihn mit Nyah gesehen hatte. Er hatte wie eine stille Warnung gewirkt, obwohl Ashad ihm gegenüber durchaus höflich, wenn auch ein wenig reserviert gewesen war. Erst jetzt erkannte Liam jedoch, dass er, als er Nyah an der Seite des Schwarzen hatte wegreiten sehen, für einen kurzen Moment so etwas wie Eifersucht verspürt hatte. Wer war dieser Mann, dass Nyah ihm ihr Vertrauen schenkte? Etwas, das er sich selbst ebenfalls wünschte. So sehr wünschte, dass es ihm beinahe den Verstand raubte.
Dann schalt er sich jedoch einen Narren. Wer war er denn selbst dass er sich irgendetwas von Nyah hätte wünschen dürfen? Von dieser wundervollen, geheimnisvollen Schönen? Eines wusste er jedoch mit absoluter Sicherheit. Nyah war die Frau, auf die er so lange gewartet hatte. Obwohl er so wenig über sie wusste war er sich völlig sicher. Und er wusste dass er nicht wieder von ihr loskommen würde. Niemals. Er war ihr völlig verfallen und es gab nichts das er daran ändern konnte. Wenn er nur wüsste, wie sie empfand. Was sie fühlte. Doch sie ließ ihn einfach nicht an sich heran. Und wo er früher, bei anderen Frauen, eher skrupellos und weniger zurückhaltend gewesen war, wusste er jetzt nicht, wie er sich verhalten sollte. Und das quälte ihn am meisten. Er wollte auf keinen Fall irgendetwas tun, dass Nyah verletzte oder ihr unangenehm war. Ständig hatte er Angst, irgendetwas Falsches zu tun oder zu sagen. Eine Tatsache, über die er sich nie zuvor Gedanken gemacht hatte, die ihn nun jedoch belastete. Dennoch konnte er Nyah nicht fernbleiben. Oder gerade deshalb.
Nun riss er sich jedoch von seinen Gedanken los und beantwortete Alex‘ Frage mit einem Kopfschütteln.
„Sie hat Ashad nie erwähnt.“
Doch vielleicht würde er an diesem Abend etwas mehr herausfinden. Schon jetzt konnte Liam es kaum erwarten, bis die Stunden vergingen und er Nyah wiedersah.
Ashad war keineswegs erfreut darüber als Nyah ihm, nachdem sie zurück auf ihrer gemieteten Hacienda waren, sagte, dass Liam sie zum Abendessen eingeladen hatte. Er brauchte nicht zu fragen, ob sie die Einladung angenommen hatte. Natürlich hatte sie das. Und es stand ihm nicht zu, ihre Entscheidung in Frage zu stellen, doch er machte sich dennoch Gedanken.
„Denkst du nicht, dass das zu gefährlich ist?“, fragte er Nyah skeptisch als sie nebeneinander her in Richtung Port Lantago ritten. Nyah sah ihn nur verständnislos an.
„Ich meine, machst du dir keine Sorgen dass Liam Moore zu viel über dich herausfindet? Er wird sich doch sicher ohnehin über den Zwischenfall heute Mittag gewundert haben. Und er ist nicht dumm. Ganz im Gegenteil.“
„Nein“, entgegnete Nyah. „Dumm ist er keineswegs. Und natürlich hat er gefragt wo ich gelernt habe, mit dem Degen zu kämpfen. – Glücklicherweise nicht warum.“
Ihre letzten Worte waren kaum hörbar und Ashad sah, wie sie sich für einen Moment anspannte. Doch dann fuhr sie gleichmütig fort.
„Dennoch glaube ich nicht, dass wir uns Sorgen machen müssen. Er weiß nichts was uns – oder mich – verraten würde. Ich weiß sehr wohl, seinen Fragen auszuweichen. Und er akzeptiert das.“
„Aber wer weiß wie lange noch“, erwiderte Ashad. Dann sah er Nyah nachdenklich an.
„Andererseits, wenn ich gesehen habe wie er dich ansieht, mache ich mir fast weniger Sorgen darum, dass er zu viel weiß. Du könntest ihm wahrscheinlich alles erzählen und er würde dir glauben. Er… Er ist dir völlig verfallen.“
„Ashad!“, entfuhr es Nyah und als sie ihn ansah blitzte es in Ashads tiefschwarzen Augen auf.
„Ich sage nur die Wahrheit, Nyah“, antwortete er ruhig. „Und sag mir jetzt nicht dir wäre nicht aufgefallen, wie Liam dich ansieht. Seine Augen leuchten förmlich auf wenn er dich sieht und er kann den Blick nicht von dir wenden.“
Wieder fiel Ashad auf, wie Nyah sich verspannte.
„Nun ja, vielleicht“, gab sie leise zurück und wandte den Blick ab.
Ashad wusste, dass Nyah das Gespräch nun unangenehm wurde. Doch er musste wissen, wie es um sie stand, wenn er sie schützen wollte.
„Weiß er, dass du Jamaica bald wieder verlassen wirst?“, fragte Ashad schließlich. Nyah schüttelte den Kopf.
„Nein“, antwortete sie. „Aber er wird es noch früh genug erfahren.“
Ashad nickte.
„Was wirst du ihm sagen?“, fragte er dann.
„Ich weiß es nicht“, erwiderte Nyah. „Aber mir wird schon etwas einfallen. – Dabei hasse ich es schon jetzt, ihn anlügen zu müssen.“
Ashad wollte etwas erwidern, doch Nyah bat ihn mit einer Geste zu schweigen. Sie erriet seine Gedanken auch so. Er brauchte ihr nicht zu sagen, dass sie Liam vermutlich nie wieder sehen würde, sobald sie Jamaica verlassen hatte. Und wer weiß was sie überhaupt erwartete, wenn sie ihren Plan, der sie zunächst nach Jamaica geführt und bald wieder weiterziehen lassen würde, in die Tat umsetzten? Dennoch versetzte ihr die Aussicht, Liam dann vielleicht nie wieder zu sehen, einen tiefen Stich. Sie mochte ihn. Sogar sehr. An mehr wollte sie gar nicht denken, denn dann stieg sofort wieder die Angst in ihr auf, die sie wie ein unsichtbarer Schatten ständig verfolgte. Dabei hatte Liam ihr nie Anlass gegeben, sich zu fürchten. Ganz im Gegenteil. Er war sehr zuvorkommend. Ein perfekter Gentleman. Und er war sehr sensibel und vermutlich auch sehr einfühlsam, doch so nah, um das herauszufinden, hatte Nyah ihn nicht an sich herankommen lassen. Und das würde sie wohl auch nicht. Zu groß war ihre Furcht. Und ihre Vernunft sagte ihr zudem, dass das auch keinen Sinn hatte. Es konnte wohl kaum eine Zukunft für sie geben. Dennoch machte dieser Gedanke sie traurig.
Ashad sah Nyah noch einen Moment lange schweigend an. Ihr Gesicht spiegelte in diesem Augenblick deutlich die widersprüchlichen Gefühle wider, die sie empfand. Doch dann nahm ihr Gesicht wieder einen gleichmütigen Ausdruck an und sie verbarg all ihre Gefühle. Eine Kunst, die sie hervorragend beherrschte. Nur in seltenen Fällen verlor sie die Fassung und ließ ihre Maske fallen. Und selbst dann musste man sie gut kennen – so gut wie nur Ashad sie kannte – um es zu bemerken. Sie war eine Meisterin darin, sich zu verstellen. Das hatte das Leben sie gelehrt. Doch seit sie diesen Liam Moore getroffen hatte fürchtete Ashad um ihre Selbstbeherrschung. Um ihre Gefühle. Um ihre Seele. Er machte sich Sorgen um Nyah und er wusste nicht, ob er sie dieses Mal schützen konnte.
„Versprich mir, vorsichtig zu sein“, bat er sie leise. „Pass auf dich auf.“
„Ja, das werde ich“, antwortete Nyah ebenso leise. Doch sie wusste nicht, ob sie ihr Versprechen halten konnte.
Am frühen Abend erreichten Nyah und Ashad Liams Stadthaus. Mit der Wegbeschreibung, die er Nyah mittags mit schnellen Worten gegeben hatte, bevor sie sich voneinander verabschiedet hatten, war es nicht schwer zu finden gewesen.
Nyah war beeindruckt als sie das große, elegante Haus aus hellem Stein sah. Es lag in der Nähe des Hafens in einer ruhigen Seitenstraße, jedoch nicht weit vom Zentrum von Port Lantago entfernt. In dieser Straße befanden sich mehrere hübsche Häuser und Villen, doch Liams Anwesen übertraf sie all. Es war von einem kleinen Park umgeben und lag ein Stück von der Straße zurückversetzt. Das Grundstück war von einem schmiedeeisernen Zaun umgeben, das große Tor an der Straße stand jedoch offen. Nyah und Ashad ritten den geschotterten Weg hinauf und stiegen erst auf dem Platz vor der großen Eingangstüre von den Pferden. Ashad sah sich ebenfalls um, jedoch eher um sicher zu gehen, dass keine Gefahr drohte. Er war wie meist schwer bewaffnet, obwohl er eigentlich nicht glaubte dass hier eine Gefahr für Nyah bestand. Dennoch blieb er wachsam und vorsichtig. Auch als die zweiflügelige Eingangstüre geöffnet wurde und Liam lächelnd zu ihnen trat.
„Wie schön“, begrüßte Liam sie. „Ich freue mich sehr, dass ihr hier seid.“
Er deutete eine Verbeugung vor Nyah an, wobei er seinen Blick nicht von ihren schwarzen Augen wenden konnte. Sie sah hinreißend aus in ihrem langen, dunkelbraunen Seidenkleid, das mit unzähligen cremefarbenen Stickereien und Perlen verziert war. Ihr dunkles Haar hatte sie zum Teil aufgesteckt und es fielen nur noch ein paar lange glatte Strähnen über ihren Rücken. Er meinte einen Hauch von Anspannung auf ihrem schönen, ebenmäßigen Gesicht zu sehen, doch als sie seinen Gruß erwiderte lächelte sie ihn an und ihre Augen leuchteten auf. Wie schön sie war, dachte Liam.
Dann reichte er Ashad höflich die Hand.
„Willkommen.“
Ashad erwiderte Liams Händedruck, blieb jedoch ernst.
„Vielen Dank.“
Dann nahm Ashad Nyah die Zügel ihres Hengstes aus der Hand und fragte Liam, wo er die Pferde unterstellen und trinken lassen konnte. Liam rief daraufhin einen jungen Stallburschen herbei, der Ashad abholte. Der Junge bot dem Schwarzen an, sich um die beiden Pferde zu kümmern, Ashad lehnte jedoch höflich ab und bestand darauf, sich selbst um sie zu kümmern. Als er dem Jungen schließlich mit den Pferden folgen wollte weigerte sich Nyahs Schimmelhengst zunächst, mitzugehen. Ashad warf Nyah einen kurzen Blick zu und sie trat noch einmal zu Ánima. Liam beobachtete sie schweigend, als sie dem Hengst über den anmutig gewölbten Hals strich und ihm etwas zuflüsterte. Der Schimmel hörte Nyah aufmerksam zu. Dann berührte er sie leicht mit seiner Nase am Arm. Als Nyah Ashad daraufhin erneut schweigend ansah, führte der Schwarze die Pferde weg. Dieses Mal folgte ihm der edle Schimmel ohne zu Zögern.
„Ist etwas nicht in Ordnung mit ihm?“, fragte Liam, als Nyah Ashad und den Pferden noch einen Moment lang nach sah.
„Nein, es ist alles in Ordnung“, antwortete sie lächelnd, als sie sich zu Liam umwandte und in seine schönen, dunkelblauen Augen blickte, die strahlend ihr Lächeln erwiderten. Das war es gewesen, was Ánima ihr hatte sagen wollen. Dass alles gut war. Doch als sie Liam nun ansah hätte sie ohnehin keinen Zweifel mehr daran gehabt. Sein Lächeln und das Funkeln in seinen Augen ließen ihr Herz schneller schlagen.
„Ich freue mich wirklich sehr dass du heute Abend hier bist“, sagte Liam, als sie alleine waren. Nyah antwortete mit einem Lächeln.
Dann bot Liam ihr seinen Arm an und sie hakte sich leicht bei ihm unter um ihm ins Haus zu folgen. Drinnen wurde sie von Alex und seiner Frau Elena begrüßt. Die beiden Frauen verstanden sich auf Anhieb und schon bald waren alle in ein fröhliches Gespräch vertieft, an dem sich sogar der sonst eher schweigsame Ashad beteiligte, als er wenig später zu ihnen stieß und sie gemeinsam zu Abend aßen.
Da es nach diesem sonnigen Tag noch lange hell blieb begaben sie sich nach dem Essen auf einen kleinen Spaziergang durch den Park, der das Haus umgab. Alex und Ashad waren schnell in ein Gespräch über verschiedene Kampfstile und Waffen vertieft. Beide kannten sich in diesem Thema gut aus und konnten so ihre Erfahrungen austauschen. Nyah war überrascht, dass Ashad scheinbar all seine Skepsis vergessen hatte und nun ganz offen und zwanglos mit Alex sprach. Doch auch ihr selbst war Liams Bruder sympathisch und sie freute sich darüber, dass Ashad sich ebenfalls wohl zu fühlen schien. Nur Alex‘ Frau Elena tat ihr ein wenig leid, da sie sich an diesem Gesprächsthema so gar nicht beteiligen konnte und einfach schweigend neben Alex her ging. Sie machte jedoch einen gleichmütigen Eindruck.
Nyah hatte sich erneut, wenn auch zuerst ein wenig schüchtern, bei Liam untergehakt und sie folgten den anderen langsam in einigem Abstand. Liam hatte sanft seine linke Hand auf Nyahs Hand gelegt, die an seinem rechten Arm ruhte. Wieder hatte er gespürt, wie sie sich für einen Moment angespannt hatte und er hatte schon gefürchtet dass sie ihm ihre Hand wieder entziehen würde, doch zu seiner Freude hatte sie sich gleich darauf wieder entspannt.
„Würdest du mir deine Pferde zeigen?“, fragte Nyah auf einmal und entlockte Liam damit ein Lächeln.
„Aber natürlich“, antwortete er. „Sehr gerne.“
Er gab Alex ein kurzes Zeichen und bedeutete ihm, dass er mit Nyah zu den Ställen hinüber ging, die sich auf der Rückseite an das Wohnhaus anschlossen. Alex nickte ihm zu und ging dann mit Elena und Ashad weiter. Zuvor warf Ashad Nyah einen kurzen, dunklen Blick zu. Nyah schüttelte jedoch kaum merklich den Kopf.
Auch Liam hatte den Blick des Schwarzen bemerkt.
„Es ist ihm nicht recht, dass wir uns abseilen, nicht wahr?“, fragte er und etwas blitzte in seinen Augen auf.
„Nein“, bestätigte Nyah. „Das ist es nicht.“
„Möchtest du… lieber wieder zurück?“, fragte Liam leise.
Nyah schüttelte den Kopf.
„Nein“, antwortete sie lächelnd und Liam freute sich über ihre Antwort.
„Gut“, erwiderte er lächelnd und langsam gingen sie weiter. Bevor sie die Ställe erreichten hielt Liam plötzlich an und wandte sich Nyah zu.
„In welchem Verhältnis steht ihr zueinander?“, fragte er unvermittelt. „Du und Ashad, meine ich.“
Liam hatte versucht, seine Neugierde zu unterdrücken, doch er musste es einfach wissen. Nyah sah ihn einen Moment lang schweigend an. Ihre dunklen Augen wirkten im schwächer werdenden Licht tiefschwarz.
„Das ist nicht so einfach zu erklären“, begann Nyah leise. Ihre Miene war dabei sehr ernst.
„Wir kennen uns schon sehr lange. Unsere beiden Leben sind seitdem untrennbar miteinander verbunden.“
Einen Augenblick lang unterbrach Nyah sich und wandte den Blick ab, so als überlegte sie, wie sie es Liam erklären sollte. Dann sah sie ihn wieder an.
„Vor langer Zeit, als jeder von uns Hilfe am allernötigsten brauchte, sind wir für einander da gewesen. Seitdem hat sich eine tiefe Freundschaft zwischen uns entwickelt. Wir sind einander… sehr vertraut und waren selten mehr als ein paar Tage voneinander getrennt.“
Liam nickte und freute sich über diese ehrliche Antwort. Wenngleich er wieder meinte, bei Nyahs Worten einen Schatten über ihr ernstes Gesicht huschen zu sehen. Er war jedoch froh darüber, dass Nyah nur von Freundschaft sprach. Unendlich froh sogar.
„Man merkt dass ihr euch schon lange kennt. Ihr scheint euch wortlos zu verstehen, nicht wahr?“
Nyah nickte.
„Es ist schön wenn man jemanden so gut kennt, dass man sich sogar ohne Worte versteht und weiß, was der andere fühlt und denkt“, fuhr Liam fort. „Bei Alex und mir ist es genauso.“
Er machte eine kurze Pause, dann fuhr er fort.
„Bei Ashad habe ich zusätzlich den Eindruck, als wolle er dich beschützen. Habe ich Recht?“
Nun musste Nyah lachen und ihr Gesicht hellte sich auf.
„Oh ja, das stimmt. Er macht sich ständig Sorgen. Dabei weiß er genau, dass ich sehr gut auf mich selbst aufpassen kann.“
„Das kannst du allerdings“, entgegnete Liam und lächelte Nyah an. „Ich habe selten jemanden so gut kämpfen sehen wie dich. Das würde man jedoch nicht erwarten wenn man dich sieht. Und – nun ja, ich würde mir auch ständig Sorgen um dich machen, wäre ich an Ashads Stelle.“
Sie wirkte so zart, dachte Liam. Und manchmal so verletzlich. Nyah erwiderte sein Lächeln und sah ihn einen Moment lang schweigend an. Seine letzten Worte waren sehr leise gewesen. Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte und beschloss daher, um ihre Verlegenheit zu verbergen, nur auf seine vorherigen Worte einzugehen.
„Ich weiß“, erwiderte sie leise. Der Umstand, dass sie eher zart und schutzlos wirkte, war schon oft von Vorteil und eine natürliche Tarnung für sie gewesen. Jedoch vor vielen Jahren auch ihr Verhängnis. Denn damals war sie tatsächlich schwach und hilflos gewesen. Doch davon durfte Liam nichts wissen. Niemand durfte davon wissen.
Nyah war froh als Liam nach einem kurzen Schweigen weitersprach.
„Mit Ashad an deiner Seite kann dir jedenfalls nicht viel passieren“, sagte er mit einem verschmitzten Lächeln. „Sein düsterer Blick kann einem wirklich Furcht einflößen.“
Das meinte Liam ganz ehrlich. Er selbst fühlte sich unwohl, wenn der großgewachsene Schwarze ihn mit seinem durchdringenden, dunklen Blick fixierte.
Nun lachte Nyah wieder leise.
„Das stimmt. Dabei meint er es gar nicht böse.“
Dennoch wusste sie, dass Ashad sie immer schützen und wenn es sein musste sogar sein Leben für sie geben würde.
Sie sahen sich noch einen Moment lang lächelnd an, dann ergriff Liam Nyahs Hand – dieses Mal ganz vorsichtig – und sie gingen weiter zu den Ställen. Liam freute sich, dass Nyah den sanften Druck seiner Finger leicht erwiderte.
Als sie die Ställe erreichten öffnete Liam das große Tor und ließ Nyah den Vortritt. Dann bat er sie jedoch, einen Augenblick zu warten während er die beiden Lampen entzündete, die zu beiden Seiten des Tors an der Wand hingen. Im Stall war es bereits sehr dunkel, obwohl jede der Pferdeboxen ein großes Fenster hatte. Doch das dämmrige Licht war nicht mehr stark genug, um den Stall zu erhellen. Als die Lampen ein angenehmes, gedämpftes Licht auf den Stallgang warfen gingen Liam und Nyah weiter.
Nyah war beeindruckt, wie sauber und großzügig der Stall und die Boxen waren. Liams Stall glich ihrem eigenen, obwohl ihr Stall natürlich kleiner war. Sie selbst brauchte nur Platz für ihre beiden Hengste Ánima und Corazón, sowie Ashads Pferd und zwei weitere Kutschpferde, die sie jedoch nur selten einspannte. Liam hingegen besaß über zwanzig Pferde, wie er Nyah gerade erzählte, darunter einige Nachwuchspferde und Fohlen. Die Pferde sahen durchweg gut genährt und gesund aus. Es waren alles reinrassige Cartujanos, wie Nyah unschwer erkennen konnte. Das spanische Blut ihrer Vorfahren war unverkennbar, genau wie bei ihren eigenen Hengsten, wenngleich Nyahs Hengste nicht mit anderen Pferd vergleichbar waren. Liam freute sich als er erneut feststellte, wie sehr Nyah seine Leidenschaft für Pferde teilte. Dass sie sich gut mit Pferden auskannte wusste er ohnehin. Das hatten ihre präzisen Fragen schon früher deutlich gemacht. Doch der Glanz ihrer Augen, die Zärtlichkeit, mit der sie die Pferde, die ihr neugierig die Köpfe entgegen streckten, streichelte und die kaum hörbaren freundlichen Worte, die sie ihnen zuraunte zeigten ihm deutlich, wie sehr sie diese Tiere liebte. Genau wie er selbst. Natürlich war es bei ihren eigenen Pferden noch intensiver. Liam wusste, dass Nyah für ihre beiden Hengste etwas ganz Besonderes empfand. Er konnte es deutlich spüren, wann immer sie mit ihnen zusammen war. Zwischen Nyah und ihren Pferden existierte ein sehr intensives Band, das mit Worten kaum zu beschreiben war. Er wusste, dass sie die beiden Hengste bei sich hatte, seit sie Fohlen gewesen waren, wenngleich sie ihm nicht erzählt hatte, woher sie sie hatte. Ein weiteres Geheimnis, das er noch nicht hatte lüften können. Doch vielleicht irgendwann.
Auch er hatte seinen Hengst Nando bereits als Fohlen gehabt – er hatte ihn selbst gezogen – aber dennoch war sein Verhältnis zu dem Pferd nicht so tief wie Nyahs zu ihren beiden Pferden.
Bewegt sah er ihr nun dabei zu, wie sie eines der Fohlen am Hals kraulte und die kleine Rappstute ihren Kopf an Nyah drückte. Dieser Anblick berührte ihn zutiefst und er konnte den Blick nicht von Nyah wenden. Vor allem als sie sich schließlich zu ihm umsah, während sie noch immer das Fohlen streichelte. Selbst im schwachen Licht der beiden Lampen konnte er ihre Augen leuchten sehen. Und er sah auch wie sie leicht errötete als ihr klar wurde, dass er sie die ganze Zeit über beobachtet hatte. Wie bezaubernd sie war. Es faszinierte ihn, dass sie auf der einen Seite sehr selbstsicher und furchtlos auftrat und dabei wie eine Löwin kämpfen konnte – noch immer stand ihm das Bild der stolzen Kriegerin vor Augen, die sie am Vormittag unbestreitbar gewesen war – und auf der anderen Seite eine solch bezaubernde Natürlichkeit und Unschuld bewahrte, die Liam tief berührte. In manchen, kurzen Augenblicken, wirkte Nyah sogar beinahe schüchtern und in sich gekehrt und Liam wünschte sich zu wissen, warum. Sie hatte doch keinen Grund, sich zu verstecken. Ganz im Gegenteil.
In Momenten wie diesem jetzt gerade verspürte Liam den fast unbändigen Wunsch, Nyah zu berühren. Am liebsten hätte er sie an sich gezogen und in seine Arme geschlossen, oder ihr doch zumindest zärtlich über die Wange gestrichen. Sie sah so hinreißend aus, als sie ihn nun anlächelte. Und so wunderschön. Dennoch widerstand er seinem drängenden Wunsch. Etwas hielt ihn zurück und er erwiderte nur still Nyahs Lächeln.
„Du hast wundervolle Pferde“, sagte Nyah leise und Liams Augen leuchteten auf beim Klang ihrer Stimme.
„Komm“, sagte er dann ebenso leise. „Ich möchte dir noch etwas zeigen.“
Fragend sah Nyah ihn an und folgte ihm dann zu einem kleinen Raum am Ende des Stalls. Der Raum lag neben der Sattelkammer und Liam entzündete eine weitere Lampe, um ihn zu erhellen. Als Nyah eintrat sah sie sich erstaunt um. Die Wände waren mit prunkvollen Zäumen geschmückt und auf hölzernen Sattelböcken hingen reich verzierte Sättel. Die Sättel waren mit verschiedenfarbigem Samt überzogen und reich verziert, ebenso wie die meisten Zäume mit goldenen, silbernen und messingfarbenen Beschlägen verziert waren. Diese Stücke mussten ein Vermögen wert sein.
Andächtig strich Nyah über einige der Sättel und Zäume und betrachtete sie näher.
„Sie sind wunderschön“, sagte sie und wandte sich für einen Moment zu Liam um.
„Die meisten davon stammen aus Südspanien“, erwiderte Liam, während Nyah sich weiter umsah. Er ließ unerwähnt, dass einige der Stücke nicht ganz rechtmäßig in seinen Besitz gelangt waren, sondern zur Beute einer lange zurückliegenden Kaperfahrt gehörten.
Durch einen plötzlichen Luftzug fiel die Tür des kleinen Raums auf einmal unvermittelt zu. Nyah musterte gerade einen mit dunkelblauem Samt überzogenen Sattel, als die Tür ins Schloss fiel. Erschrocken fuhr sie herum und erstarrte. Auch Liam hatte sich nach der Tür umgesehen und Nyahs Reaktion daher nicht bemerkt. Erst als er ihre bebende Stimme hörte wandte er sich wieder zu ihr um.
„Würdest du bitte… die Türe wieder öffnen?“, bat Nyah und ihre Stimme klang gepresst, obwohl sie sich bemühte, ihr einen ruhigen Klang zu geben. Als Liam sie ansah erschrak er. Sie war kreidebleich und der Schreck stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
„Nyah…“, begann er überrascht, da er sich ihre Reaktion nicht erklären konnte. Dabei trat er einen Schritt auf sie zu, doch sie wich vor ihm zurück.
„Bitte“, wiederholte sie leise und Liam meinte Angst in ihren Augen zu erkennen. Aber warum?
Dann kam er jedoch unverzüglich ihrer Bitte nach und öffnete die Türe wieder. Da er noch immer einen leichten Durchzug spürte schob er einen flachen Holzkeil unter die Türe, damit sie nicht noch einmal zufiel. Dann sah er sich wieder nach Nyah um und trat langsam auf sie zu. Sie stand noch immer blass und wie erstarrt da und sah ihn unverwandt an als er näher kam. Aus ihren Augen sprach unverkennbar Angst, auch wenn Liam nicht wusste wovor oder warum. Und als er nur noch einen Schritt von ihr entfernt stehenblieb sah er, dass sie zitterte.
„Was ist mit dir?“, fragte er besorgt, denn er konnte sich ihren Schrecken nicht erklären. Er traute sich nicht, ihr noch näher zu kommen denn er fürchtete, sie würde erneut zurückweichen. Ihre Hände hatte sie unbewusst zu Fäusten geballt.
„Es… ist nichts“, antwortete sie leise und versuchte, sich wieder zu entspannen, doch sie konnte ihr Zittern nicht unterdrücken.
„Aber du zitterst“, entgegnete Liam und Nyah erkannte Sorge in seinen schönen dunkelblauen Augen.
„Es… ist schon wieder vorbei“, erwiderte sie, auch wenn der Nachhall sie noch immer erzittern ließ. Sie konnte es Liam nicht erklären. Sie konnte einfach nicht. Doch das war auch nicht nötig, denn er schien etwas zu ahnen. Langsam kam er noch einen Schritt näher und hob vorsichtig eine Hand. Zärtlich und ganz behutsam strich er ihr über die Wange. Dabei sah er ihr ruhig in die Augen. Sie wich nicht zurück, wenngleich er ihre Anspannung spüren konnte.
„War es eine böse Erinnerung?“, fragte er leise und überraschte Nyah damit. Er war tatsächlich sehr einfühlsam.
Schweigend nickte sie und war dankbar als er nickte und deutlich machte, dass ihm diese Antwort genügte. Dann zog er sie sanft in seine Arme und sie ließ es geschehen. Behutsam drückte er sie an sich und schließlich ergab sie sich, immer noch zitternd, in seine Umarmung und lehnte den Kopf sacht an seine Schulter. Sie standen einfach still da und nach und nach fiel die Spannung von Nyah ab. Sie wunderte sich über sich selbst. Ihr erster Impuls als Liam seine Arme um sie gelegt hatte war gewesen, zurückzuweichen. Doch etwas hatte sie innehalten lassen. Und jetzt stellte sie fest, dass sie sich in Liams Umarmung geborgen und sicher fühlte, worüber sie erneut erschrak. Liam, der es spürte, deutete ihre neuerliche Anspannung jedoch falsch.
„Hab keine Angst mehr“, flüsterte er in ihr Haar. „Es ist alles gut.“
Dabei hielt er sie weiter fest doch Nyah spürte, dass er sie sofort loslassen würde, wenn sie es wollte. Doch sie hielt still und entspannte sich wieder.
Nie zuvor hatte sie sich so wohl und geborgen gefühlt wie in diesem Moment. Ein Zustand, der ihr einerseits Angst machte, jedoch auch ein ungeahntes Glücksgefühl in ihr hervorrief. Liams starke Brust, an die sie sich lehnte, seine starken Arme gaben ihr Halt und Sicherheit und sie empfand keine Angst. Wie war das nur möglich, fragte sie sich vage.
Auch als Nyah wieder ganz ruhig war, hielt Liam sie weiter sanft fest, bis sie sich schließlich behutsam von ihm löste um ihm in die Augen sehen zu können. Liam war froh, dass er keine Angst mehr sah, als er ihren Blick erwiderte.
„Danke“, sagte sie leise. „Und – es tut mir leid. Ich wollte nicht…“
Doch Liam unterbrach sie sanft, indem er ihr behutsam seinen rechten Zeigefinger über die Lippen legte.
„Nichts muss dir leid tun“, erwiderte er. „Und du musst mir nichts erklären, wenn du nicht möchtest.“
„Danke“, wiederholte Nyah noch einmal und lächelte ihn an. Dann löste sie sich ganz von ihm. Auf einmal herrschte Befangenheit zwischen ihnen.
Wortlos verließen sie den kleinen Raum und gingen in den Stall zurück. Dort blieb ihnen keine Zeit mehr darüber nachzudenken, was soeben geschehen war, denn Elena betrat auf einmal den Stall und kam auf sie zu.
„Ihr seid ja noch immer hier“, sagte sie mit vorwurfsvoller Stimme, als sie zu Liam und Nyah trat. Ihr Lächeln entkräftete jedoch jeden Vorwurf.
„Habt ihr eine Ahnung, wie spät es bereits ist? Wir dachten schon, ihr wäret verloren gegangen.“
Nyah und Liam hatten keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, seit sie sich von den anderen getrennt hatten und sahen sich nun schuldbewusst an. In ihren Blicken lag jedoch keinerlei Bedauern. Das erkannte auch Elena, als sie sie neugierig musterte. Dann erwiderten Nyah und Liam Elenas Lächeln und folgten ihr nach draußen.
Nyah hatte keine Uhr bei sich, doch ein Blick in den Sternenhimmel über ihnen zeigte ihr, dass es tatsächlich schon spät sein musste. Viel später als sie erwartet hatte.
„Wir müssen wirklich aufbrechen“, sagte sie, während sie an Liams Seite neben Elena herging in Richtung Haus.
Liam warf ihr einen Blick zu.
„Mir wäre es lieber, wenn du und Ashad heute nicht mehr nach Hause reiten würdet“, sagte er und Nyah meinte, einen Hauch von Sorge in seiner Stimme zu hören.
„Du sagtest, der Ritt sei weit, nicht wahr?“, fuhr er fort, wartete Nyahs Antwort jedoch nicht ab.
„Bitte seid heute Nacht unsere Gäste. Wir haben genügend Zimmer. Es gibt keinen Grund weshalb ihr heute Nacht noch zurückreiten müsstet.“
Liam war stehen geblieben und sah Nyah an. Sie wusste dass sie ablehnen sollte. Und doch war sie hin und her gerissen, was sie erwidern sollte. Das würde Ashad nicht gefallen. Andererseits…
„Ich möchte euch keine Umstände machen…“, begann sie langsam, doch bevor sie fortfahren konnte schaltete Elena sich ein.
„Ihr macht uns überhaupt keine Umstände“, sagte sie. „Liam hat Recht. Wir haben genügend Zimmer, die ohnehin vorbereitet sind. Bleibt doch über Nacht und reitet erst morgen, nach dem Frühstück oder gerne auch erst nach dem Mittagessen zurück.“
Nyah wusste nicht was sie sagen sollte. Dann lächelte sie Elena jedoch an.
„Vielen Dank. Das ist sehr nett.“
Als sie zu Liam aufsah erkannte Nyah die Freude in seinen Augen, als er sie anlächelte. Gemeinsam gingen sie weiter bis sie das Haus erreichten. Während Nyah zusammen mit Ashad, Liam und Alex im Salon wartete und alle noch einen kleinen Mitternachtstrunk einnahmen, gab Elena einer Bediensteten Anweisung, zwei der Gästezimmer herzurichten.
Natürlich war es Ashad ganz und gar nicht recht, die Nacht in Liams Haus zu verbringen, doch er hatte nichts gesagt. Es war Nyahs Entscheidung und er stellte ihren Entschluss nicht in Frage. Und es war in der Tat sicherer, in der Nacht nicht mehr nach Hause zu reiten, da konnte er nicht widersprechen, auch wenn er es gerne getan hätte. Hier drohte Nyah keine Gefahr.
Als sich wenig später alle eine gute Nacht gewünscht hatten – Liams Augen hatten vor Freude aufgeleuchtet, als er Nyahs Hand für einen kurzen Moment ergriffen hatte – und Elena ihnen die beiden nebeneinander liegenden Zimmer gezeigt hatte, blieben sie schließlich alleine zurück und warteten noch einen Moment, bevor sie ihre Zimmer betraten. Endlich hatten sie Gelegenheit, ungestört zu sprechen. Nyah erwartete schon fast, Ashad würde ihr einen Vorwurf machen und das hätte sie ihm keineswegs übel genommen. Doch zu ihrer Überraschung tat er nichts dergleichen.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte Ashad stattdessen leise.
Aus irgendeinem Grund hatte er das Gefühl dass etwas vorgefallen war, während Nyah mit Liam fortgewesen war. Sie lächelte ihn jedoch zu seiner Erleichterung an.
„Ja, es ist alles gut“, antwortete sie. „Sehr gut. Mach dir keine Sorgen.“
Beruhigt nickte Ashad.
„Gut.“
Dann ging jeder von ihnen in sein Zimmer. Nyah war sehr müde, doch als sie endlich in dem breiten, gemütlichen Bett lag konnte sie doch nicht einschlafen. Zu viele Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Als sie ihre Augen schloss meinte sie, noch immer Liams Arme zu spüren, die sich sanft um sie geschlossen hatten. Es war ein schönes Gefühl. Schön – und beängstigend zugleich.
Auch Liam konnte in dieser Nacht nicht schlafen. Und zu wissen, dass Nyah nur wenige Zimmer von ihm entfernt war, machte es nicht besser. Er musste all seine Willenskraft aufbringen um nicht aufzustehen und zu Nyahs Zimmer hinüberzugehen. Doch sie schlief bestimmt schon und er wollte sie nicht wecken. Außerdem wäre es nicht recht, jetzt zu ihr zu gehen. Dennoch ließ ihn auch seine Vernunft nicht einschlafen und so lag er noch lange wach und beobachtete durch das große Fenster zu seiner rechten den Mond.
Noch immer konnte er sich viel zu genau daran erinnern wie es sich angefühlt hatte, Nyah in seinen Armen zu halten, ihren Kopf an seine Schulter gelehnt zu spüren und den wundervollen Duft ihres Haars einzuatmen. Beim Gedanken daran wäre er beinahe wirklich wieder aufgestanden, hätte seinen Morgenmantel umgelegt und wäre zu Nyah gegangen. Doch er hielt sich zurück und verwarf den Gedanken vehement. Jedenfalls versuchte er es, wenn auch mit wenig Erfolg. Nyah ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Genauso wenig wie das, was wenige Stunden zuvor im Stall geschehen war. Was hatte ihr nur einen solchen Schrecken versetzt? Was musste sie erlebt haben, dass die Erinnerung daran ihr solche Angst einjagte? Und dass sie Angst gehabt hatte war unverkennbar gewesen. Sie hatte so sehr gezittert, als er sie an sich gedrückt hatte, dass es ihm beinahe das Herz zerrissen hätte. Eine völlig neue Empfindung für Liam, denn nie zuvor hatte er so für jemanden empfunden wie jetzt für Nyah. In diesem Augenblick hatte er sich nichts mehr gewünscht als sie zu trösten. Dass sie ihm tatsächlich erlaubt hatte sie in seine Arme zu schließen hatte ihn ein ungeahntes Glücksgefühl verspüren lassen. Wie sehr er sich wünschte dass sie ihm vertraute. Sie schien von so vielen Geheimnissen umgeben zu sein.
Dabei musste er selbst aufpassen um nicht zu viel über sich zu verraten. Einerseits wollte er Nyah gerne mehr über sich erzählen, genauso wie er gerne mehr über sie erfahren würde. Doch andererseits wollte er sie nicht erschrecken indem er ihr mehr über seine Vergangenheit erzählte. Wie würde sie reagieren wenn sie wüsste, dass er einmal ein Pirat gewesen war? Vielleicht noch immer einer war? Er konnte das Piratenherz, das nach wie vor in ihm schlug, nicht leugnen. Würde sie ihn dafür verachten? Eigentlich hatte er sich nie für das geschämt was er war und es hatte ihn nie interessiert, was andere Leute über ihn dachten. Das tat es auch jetzt nicht. Alleine bei Nyah war es anders. Sie war jemand Besonderes. Alles an ihr war besonders. Und das faszinierte ihn. Wenn er nur wüsste welches Geheimnis sie umgab. Würde er es je lüften können?
Über diese Gedanken schlief Liam irgendwann spät in der Nacht doch noch ein.
Am nächsten Morgen fühlte Liam sich nicht wirklich erholt als er aufstand. Doch als er sich daran erinnerte, dass er Nyah bereits gleich beim Frühstück begegnen würde war all seine Müdigkeit wie fortgeblasen und er war bester Dinge. Er konnte es kaum erwarten, sie zu sehen. Ob sie wohl ebenfalls schon wach war? Er hatte keine Ahnung wie spät es war, doch am Stand der Sonne konnte er ausmachen, dass es noch nicht allzu spät sein dürfte. Und wie er vermutet hatte, war es noch ruhig im Haus als er kurz darauf die Treppe in den Salon hinunterging. Niemand war zu sehen und nichts zu hören außer das leise, jedoch rege Treiben der Hausbediensteten. So beschloss Liam, als Erstes nach den Pferden zu sehen. Die beiden jungen Stallburschen, die er beschäftigte, kümmerten sich zwar verlässlich und gut um seine Pferde, doch deshalb ließ Liam es sich dennoch nicht nehmen, wann immer es ihm möglich war selbst mit anzupacken und sich vom Wohlergehen der Tiere zu überzeugen.
Als er auf den Platz vor dem Haus trat und sich in Richtung Stall wandte breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus, denn Nyah kam ihm mit langsamen Schritten entgegen. Sie war also doch schon wach und hatte wohl denselben Gedanken gehabt wie er selbst und war schon bei den Pferden gewesen. Die Sonne schien ihr ins Gesicht und als sie ihn sah erwiderte sie sein Lächeln.
„Guten Morgen“, begrüßte sie ihn, als sie einander erreichten. Auch Liam wünschte ihr einen guten Morgen.
„Hast du gut geschlafen?“, fragte er Nyah.
„Ja, sehr gut“, erwiderte sie noch immer lächelnd. Dass sie kaum ein Auge zugetan hatte verschwieg sie. Die kurze Zeit, die sie dann doch noch geschlafen hatte, war erholsam genug gewesen.
Gemeinsam gingen sie noch einmal zu den Pferden zurück und machten dann einen kurzen Spaziergang durch den Park, bevor sie ins Haus zurückkehrten.
„Müsst ihr nachher sofort aufbrechen?“, fragte Liam auf einmal, während sie gemütlich nebeneinander her schlenderten.
Überrascht sah Nyah ihn an.
„Nun ja, eilig haben wir es eigentlich nicht“, antwortete sie.
Das stimmte. Sie hatte an diesem Tag nichts zu erledigen. Überhaupt nutzte sie die meiste Zeit, die sie auf Jamaica verbrachte, dazu, sich zu erholen und auf das vorzubereiten, was vor ihr lag. Manchmal fragte sie sich ob Liam sich nicht wunderte, was sie hier eigentlich tat und dass sie so viel Zeit zur Verfügung hatte. Doch selbst wenn er sich darüber wunderte, so ließ er es sich nicht anmerken. Andererseits fragte Nyah sich manchmal ebenfalls, womit Liam eigentlich sein Geld verdiente. Wovon er lebte. Auch er hatte scheinbar unendlich viel Zeit. Zeit, die er in den vergangenen Wochen vor allem ihr gewidmet hatte. Ein Gedanke, der Nyah unweigerlich mit Freude erfüllte. Dennoch mussten seine Geschäfte sehr einträglich sein, wenn sie sah in welchem Wohlstand er lebte. Er hatte ihr nur erzählt, dass er Handel betrieb und sie hatte damals nicht weiter nachgefragt.
„Gut“, erwiderte Liam und seine blauen Augen leuchteten auf. „Dann würde ich dir gerne etwas zeigen, wenn du Lust hast. Wir wären zum Mittagessen wieder zurück.“
„Einverstanden“, stimmte Nyah zu. „Verrätst du mir auch, was du mir zeigen wirst?“
„Das ist eine Überraschung“, antwortete Liam und lächelte sie geheimnisvoll an.
Bester Stimmung kehrten sie ins Haus zurück. Mittlerweile waren auch die übrigen Hausbewohner und Ashad auf den Beinen und sie frühstückten alle gemeinsam. Da es ein warmer Tag war hatten die Bediensteten das Frühstück im Garten angerichtet, wo sie einander im Schatten einiger hoher Bäume gegenübersaßen.
Nach dem Frühstück teilte Liam den anderen mit, dass er mit Nyah zum Hafen gehen würde, sie jedoch spätestens zum Mittagessen zurück sein würden.
„Das trifft sich gut“, entgegnete Alex. „Dann bleibt doch noch genügend Zeit, dass ich Ashad unsere Waffensammlung zeige.“
Sie hatten sich am Abend zuvor darüber unterhalten und Ashad hatte großes Interesse bekundet, doch es war dann schon zu spät gewesen um sich die Waffen noch anzusehen. Nyah wusste, dass ihr treuer Freund ein Faible für Schusswaffen hatte und freute sich, dass er dieses Interesse offensichtlich mit Liams Bruder teilte. Als Ashad ihr dennoch einen stummen Blick zuwarf – Nyah wusste nicht, ob er fragend oder eine Spur vorwurfsvoll war – nickte sie und er erwiderte ihr Nicken. Kurz darauf brachen Nyah und Liam zu Fuß auf.
„Wir gehen also zum Hafen?“, fragte Nyah, als sie nebeneinander die Straße entlang gingen, die direkt auf den Hafen zu führte. Nyah konnte bereits das Wasser glitzern sehen.
Da Liam nicht antwortete sah sie ihn von der Seite an. Als er ihren Blick bemerkte verzog sich sein Mund zu einem Grinsen, woraufhin Nyah ihn gespielt beleidigt gegen den Arm schlug.
„Mach es nicht so spannend“, sagte sie lachend. „Was willst du mir zeigen?“
Nun lachte auch Liam.
„Also gut, ich verrate es. Aber bitte schlag mich nicht mehr.“
Bei seinen Worten tat Nyah so, als drohe sie ihm erneut und beide lachten noch mehr. Dann gingen sie weiter.
„Du hast mir einmal erzählt, dass du Schiffe magst und gerne zur See fährst“, sagte er dann und sah Nyah an. Sie nickte.
„Das stimmt“, bestätigte sie. Er hatte es also nicht vergessen.
Inzwischen hatten sie den Hafen erreicht. Es herrschte reges Treiben an den unterschiedlichen Docks. Der Hafen von Port Lantago war groß, jedoch viel übersichtlicher als der von Port Royal. Alles schien hier geordneter abzulaufen. Als Liam plötzlich stehen blieb und sich Nyah zuwandte, sah sie ihn abwartend an.
„Würdest du dir gerne mein Schiff ansehen?“, fragte Liam schließlich.
Fragend sah er Nyah an. Wie würde sie reagieren? Zu seiner Freude erhellte auf einmal ein bezauberndes Lächeln ihr Gesicht als sie nickte.
„Das würde ich sehr gerne.“
„Gut“, freute sich Liam. „Dann komm mit.“
Sein Schiff lag an einem Anleger ein Stück abseits. Während er Nyah auf das Schiff zuführte konnte er seinen Stolz kaum verbergen und ein Blick auf das imposante Schiff genügte Nyah um zu verstehen, warum.
„Dies ist die Pleasure“, sagte Liam als er mit Nyah das Schiff erreichte.
Die Pleasure war ein großes und doch elegantes Schiff. Nyahs geschulter Blick erfasste sofort, dass sie trotz ihrer Größe schnell und wendig sein musste. Außerdem war sie in tadellosem Zustand, doch das hatte sie nicht anders erwartet. Die dunklen Holzplanken, die nur ein Stück unterhalb der Reling von einigen Reihen hellerer Planken unterbrochen wurden, glänzten im hellen Licht der Sonne.
Liam beobachtete lächelnd und nicht ohne Stolz, wie Nyah sein Schiff musterte.
„Möchtest du an Bord gehen?“, fragte er nach einer Weile und Nyah nickte lächelnd.
Gleich darauf folgte sie Liam über die schmale Rampe an Bord der Pleasure. Er hatte ihr seine Hand angeboten um ihr Halt zu geben, doch er stellte fest dass sie ihm mit sicheren, festen Schritten folgte. An Deck sah sich Nyah aufmerksam um und war erneut beeindruckt, wie ordentlich und sauber alles war. Sie hatte schon ganz andere Schiffe gesehen. Die Pleasure glich jedoch ihrem… Sie unterbrach diesen Gedanken, denn während Liam sie an Deck herumführte und ihr ebenfalls die Kabinen und alles, was sie interessierte, zeigte, machte sich auf einmal ihr Gewissen bemerkbar und sie musste schlucken. Liam war so in seinem Element während er ihr alles zeigte und ihre Fragen beantwortete, dass ihm gar nicht auffiel dass ihre Fragen zum Teil sehr präzise waren und für jemanden, der vermeintlich nicht viel von Schiffen verstand, viel zu gezielt und detailliert waren. Als er ihr schließlich anbot sie zu einer kurzen Fahrt mitzunehmen konnte sie ihr schlechtes Gewissen nicht länger ignorieren. Sie musste ihm die Wahrheit sagen – oder wenigstens einen Teil davon. Und das dürfte sie eigentlich auch nicht in Gefahr bringen.
„Liam, ich würde dich sehr gerne bei einer kurzen Fahrt begleiten. Aber… ich muss dir etwas sagen.“
Sie unterbrach sich und überlegte wie sie es Liam sagen sollte.
„Es stimmt dass ich die See liebe. Ich mag es, an Bord eines Schiffes zu stehen während mir der Wind ins Gesicht weht und ich zusehe wie sein Rumpf sich auf den Wellen hebt und senkt. Genauso wie es immer wieder ein unbeschreibliches Gefühl ist, dem Sonnenunter- oder Sonnenaufgang entgegen zu segeln.“
Während sie sprach sah sie Liam an und in seinem Gesicht las sie, dass er genau wusste wovon sie sprach und ihre Empfindungen sehr gut nachvollziehen konnte. Lächelnd erwiderte er ihren Blick.
„Ich freue mich sehr, dass du mir dein wunderschönes Schiff zeigst und ich würde liebend gerne eine Fahrt auf der Pleasure machen. Ich weiß deine Einladung sehr zu schätzen. Und ich weiß auch, dass du mir damit einen Gefallen tun möchtest.“
Wieder hielt sie einen Moment inne und Liams Lächeln nahm einen verschmitzten Ausdruck an.
„Nun ja, das will ich durchaus“, gab er zu. „Aber wenn du mich begleiten würdest, würdest du mir einen ebenso großen Gefallen tun.“
Nun lächelte auch Nyah, doch dann wurde sie wieder ernster.
„Liam, ich bin nicht ganz ehrlich zu dir gewesen“, gestand sie endlich und Liam sah sie fragend an.
„Es stimmt, dass ich gerne zur See fahre und ein gutes, schönes Schiff zu schätzen weiß“, fuhr Nyah fort. „Es ist nur so, dass es für mich bei weitem nicht so etwas Besonderes ist, wie du vielleicht glaubst. Als ich dir sagte ich habe eine private Mitfahrgelegenheit hierher nach Jamaica gehabt, da habe ich dir nicht die ganze Wahrheit gesagt. Es ist… es ist mein eigenes Schiff, mit dem ich hierhergekommen bin.“
Nyah war beinahe erleichtert, dass sie es Liam nun endlich gesagt hatte. Nun sah sie ihn forschend an und wartete seine Reaktion ab.
„Bist du mir böse?“, fragte sie leise nach einer Weile, während der Liam sie schweigend und mit unbewegter Miene angesehen hatte. Er schüttelte sofort den Kopf.
„Nein! Nein, natürlich bin ich dir nicht böse. Ich bin nur – überrascht. Das hatte ich nicht erwartet.“
Dann lachte er auf einmal herzlich auf.
„Und ich habe mich eben schon gefragt, woher du dich so gut auskennst, dass du mir all diese genauen Fragen stellen konntest. Nyah, wie machst du das nur?“
„Wie mache ich was?“, fragte Nyah verwirrt.
„Immer wieder überraschst du mich! Du bist wirklich die außergewöhnlichste und faszinierendste Frau, die ich je gesehen habe.“
„Ist das jetzt ein Kompliment?“, fragte Nyah und spielte die Entrüstete.
„Oh ja, und ob!“, bestätigte Liam und sein Lächeln raubte ihr beinahe den Atem. Für einen Moment verlor sie sich in seinen tiefblauen Augen. Erst als Liam näher zu ihr trat erlangte sie ihre Fassung zurück und erstarrte für den Bruchteil einer Sekunde als er sich langsam zu ihr hinab beugte, während er sie noch immer anlächelte. Auch Liam merkte es und ergriff rasch ihre Hand und führte sie an seine Lippen um zärtlich ihre Knöchel zu küssen. Sofort entspannte Nyah sich wieder und ließ ihn gewähren. Glücklich erwiderte Liam ihr Lächeln, wenngleich er all seine Selbstbeherrschung aufbringen musste, um sie nicht in seine Arme zu ziehen und richtig zu küssen. Doch er spürte dass das zu viel für sie gewesen wäre. Wieder hatte er einen Hauch von Angst in ihren Augen aufblitzen sehen. Er würde Geduld haben.
Langsam ließ er ihre Hand wieder sinken, hielt sie jedoch weiter fest. Nun wollte er unbedingt mehr über Nyahs Schiff erfahren und sie erzählte ihm bereitwillig von der Dawning Star. Sie war jedoch froh und erleichtert dass er nicht danach fragte, warum sie ein Schiff besaß. Sie vermutete aber dass Liam annahm sie würde ebenfalls Handel treiben, ähnlich wie er selbst. Das würde auch ihre offenbar weitreichenden Beziehungen erklären. Und wenn er das dachte, dann war es auch gut so. Die Wahrheit durfte er nicht wissen, auch wenn Nyah die vage Ahnung hatte dass das irgendwann unvermeidlich sein würde. Auf unbestimmte Weise schien ihr beider Schicksal miteinander verbunden zu sein, auch wenn sie noch nicht wusste warum und auf welche Weise.
Nyah erzählte Liam ausführlich von der Dawning Star und beantwortete all seine Fragen. Sie sah wie beeindruckt er war. Nicht nur von dem Schiff sondern auch darüber, wie gut sie sich mit Schiffen auskannte.
„Fährst du sie selbst?“, fragte er nach einer Weile. „Die Dawning Star meine ich.“
„Ja, natürlich“, antwortete Nyah lachend und Liam stimmte in ihr Lachen mit ein. Nun war er wirklich beeindruckt.
Die Dawning Star war ein verhältnismäßig kleines, jedoch ungemein schnelles und wendiges Schiff. Sie war deutlich kleiner als die Pleasure, wobei das, wie sowohl Liam als auch Nyah wussten, rein gar nichts zu sagen hatte. Nyah hätte jedoch auch problemlos ein Schiff wie die Pleasure steuern können. Völlig problemlos, denn auch ein Schiff dieser Größe war sie gewöhnt. Die Pleasure glich in Bauweise und Eigenschaften beinahe erschreckend der… Doch diesen Gedanken ließ Nyah unvollendet.
„Würdest du mir dein Schiff zeigen?“, fragte Liam auf einmal. „Ich würde die Dawning Star wirklich gerne sehen.“
Einen Augenblick zögerte Nyah, doch dann nickte sie. Es bestand keine Gefahr, sagte sie sich. Nichts an der Dawning Star würde sie verraten. Außer vielleicht die Tatsache selbst, dass Nyah sie besaß.
„Warum nicht“, sagte sie schließlich. „Sie liegt jedoch nicht in einem der Häfen sondern in einer etwas abgelegenen Bucht. Wir müssten hin reiten.“
„Nichts wäre mir lieber“, gab Liam leise zurück und lächelte Nyah an. Sie erwiderte sein Lächeln.
Dann merkten sie dass es an der Zeit war, zu Liams Haus zurückzukehren. Die anderen würden bestimmt schon auf sie warten. Also verließen sie die Pleasure nachdem Liam dem kleinen Teil seiner Crew, der momentan auf dem Schiff war, ein paar kurze Anweisungen gegeben hatte und gingen wieder die Straße zu seinem Haus zurück.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen verabschiedeten Nyah und Ashad sich schließlich. Bereits zuvor hatten Liam und Nyah sich für einige Tage später verabredet. Dennoch fiel es Liam schwer, sie jetzt gehen zu lassen. Unglaublich schwer.
„Ich werde da sein“, raunte er Nyah zu, als sie sich von einander verabschiedeten und sie lächelte ihn an. Wie schon so oft würden sie sich an der traumhaften und meist menschenleeren Botigo Bay treffen.