Читать книгу Baron von Dassel ermittelt — Unrühmlicher Tod eines Gardisten - D. C. Mandel - Страница 4

II

Оглавление

Im Polizeipräsidium, genau gesagt im Bureau des Kriminalsekretärs Bartolini, wartet unter Bewachung der Zeuge Johann Antoni in Habscht-Stellung, der zwar erst gute zwanzig Jahre alt, aber schon Invalide ist. Als Bartolini den Raum betritt, schleppt er einen Packen Akten mit sich und wirft ihn vor sich auf den Tisch, sodass Antoni zusammenzuckt. Der Kriminalsekretär grinst. Er macht gegenüber seinen Klienten gerne eine wenig Wind. Er hat herausgefunden, dass ihm dergleichen im Verhör einen Vorteil verschafft. Ob es der Wahrheitsfindung dient, interessiert ihn erst an zweiter Stelle. Sofort fällt ihm Antonis verkrüppelte Hand auf. Ausgerechnet die rechte, mit der man für gewöhnlich die Waffen führt. Nachdem er sich kurz und knapp vorgestellt hat, sagt er:

»Ich führe die Informativ-Untersuchungen. Lieber täte ich jetzt was anderes. Reizen Sie mich also nicht. Sie sind Johann Antoni?«

»Jawohl«, antwortet dieser gehorsam. »Ehren-Invalidencorps unter Generalleutnant von Zieten.«

»Aha. Daher die ... ungewohnte Uniform.«

Eigentlich hat Bartolini »merkwürdig« sagen wollen, sich aber noch im letzten Augenblick beherrscht. Jetzt erst gestattet er dem Zeugen, sich zu setzen.

»Hübsch, nicht?«, bemerkt Antoni und zuppelt den Stoff seiner Hose zurecht.

Der Kriminalsekretär findet nicht heraus, ob sich der Zeuge der Gefahr, in der er schwebt nicht bewusst ist, oder ob er im Wissen um die Gefahr versucht, arglos zu erscheinen.

»Vor allem die gelbe Hose«, sagt Bartolini und hofft, sein Gegenüber werde vom Hohn empfindlich getroffen wie von einer Kugel. »Die dürfte sich in manchen Situationen als praktisch erweisen.«

Doch Antoni reagiert nicht auf die Unverschämtheit.

»Man muss uns auf den ersten Blick von den anderen unterscheiden können«, erläutert er.

»Verstehe«, sagt der Kriminalsekretär, hält aber schon die nächste Gemeinheit in der Hinterhand. »Ihr Corps gehört nicht zur kämpfenden Truppe. Das macht man kenntlich, damit sich im Ernstfall niemand von einem Krüppel niederschießen lässt.»

Nun ist Antoni doch gekränkt.

»Eigentlich verhält es sich so, dass allen Soldaten befohlen ist, uns vor allen anderen zu grüßen«, sagt er. »Wenn wir aber nur mit Mühe oder gar nicht erkannt werden, kann man uns nicht grüßen, und damit würde man sich strafbar machen.«

Für einen Augenblick muss sich der von solcher Arglosigkeit leicht aus dem Konzept gebrachte Kriminalsekretär sammeln.

»Sie sind gestern als erster auf die Torwache gekommen?«, fragt er dann.

»Nicht ganz freiwillig, wie Sie vielleicht wissen«, sagt Antoni. »Ich hab’ mich zwar nach Kräften gewehrt, aber — je n‘avais pas de chance.«

»Was hatten Sie am Ort des Verbrechens zu suchen?«, fragt er.

Antoni blickt verblüfft drein, oder er tut so, als ob er kein Wässerchen trüben könnte.

»Des Verbrechens?«

Bartolini beschließt, die Treuherzigkeit seines Gegenübers auszuhebeln. Humorlos sagt er:

»Wofür halten Sie einen Totschlag?«

»Gütiger Gott! Ich dachte, es handele sich um einen Unfall«, entfährt es Antoni.

Sein Erschrecken scheint aufrichtig zu sein.

»Überlassen Sie das Denken denen, die dafür bezahlt werden«, sagt der Kriminalsekretär. »Dann werden wir vielleicht fertig, bevor die Jagdsaison zu Ende ist.«

Antoni kneift die Mundwinkel zusammen, streckt die Beine unterm Tisch aus und verschränkt seine Arme vor der Brust.

»Was wollten Sie am Tatort?«, herrscht ihn Bartolini an.

»Meine Filzkappe suchen. Ich hatte sie samt Tabakpfeife und Beutel verloren. Ein paar Leute sind mir bei der Suche zu Hilfe gekommen mit ihren Laternen.«

»Wer genau?«

»Ich kannte nur den Müllerburschen Fricke.«

»Haben Sie Ihre Siebensachen gefunden?«

»O ja. Nicht weit weg vom Abweisstein. Dort sind wir dann auch zufällig auf den Hut mit dem roten Federbusch gestoßen. Und unter dem Hut ... na, das wissen Sie.«

»Keineswegs«, sagt der Kriminalsekretär, wobei er sich über den Tisch nach vorn beugt, um dem Zeugen so nahe wie möglich zu kommen. »Erzählen Sie!«

»Ach, kommen Sie!«, sagt Antoni. »Worum geht‘s denn die ganze Zeit? Unter dem Hut lag der Gardist Berger, erschlagen.«

Der Kriminalsekretär ergreift die Gelegenheit, um mit der nächsten Frage zuzustechen wie mit einem Degen:

»Woher wissen Sie, dass man ihn erschlagen hat?«

»Das sieht man doch«, würgt Antoni heraus und gibt seine lässige Haltung auf. »Wir haben noch versucht, ihn aufzurichten, aber gleich gemerkt, dass er schon hinüber war, obwohl noch warm.«

»Er könnte gestürzt sein«, wendet der Kriminalsekretär ein.

»Unsinn!«, widerspricht der Invalide. »Nicht bei dieser Wunde.«

»Nun gut. Lassen wir das«, wiegelt Bartolini leutselig ab. »Was anderes: Als sie den Gardisten untersuchten, sollen Sie geäußert haben: ›Wenn der Berger hinüber ist, habe ich Schuld auf mich geladen.‹ Was hat es damit auf sich?«

Antoni sackt in sich zusammen.

»Sie wissen’s also doch«, flüstert er.

Insgeheim frohlockt Bartolini. Dass es dermaßen einfach wird, hat er sich nicht vorgestellt. Aber kaum, dass er ihn aus der Reserve gelockt hat, macht Antoni wieder dicht.

»Ich kann mich nicht erinnern, so etwas gesagt zu haben«, antwortet er trotzig. »Wüsste auch nicht, warum. Wenn das alles ist, was Sie gegen mich in der Hand haben, möchte ich nicht in Ihrer Haut stecken.«

Der Kriminalsekretär ist empört und enttäuscht zugleich. Was bildet sich dieser Krüppel ein? Leider hat er Recht. Das macht die Sache umso schlimmer. Zwischen den Zähnen hervor zischt Bartolini:

»Gehen Sie mir aus den Augen!«


Baron von Dassel ermittelt — Unrühmlicher Tod eines Gardisten

Подняться наверх