Читать книгу Fakten Wissen Denkblasen? - D. G. Berlin - Страница 5
Prolog
Оглавление„Es wird in Zukunft keine Entdeckungen mehr geben, die in ihrer Tragweite mit den Enthüllungen
Darwins oder Einsteins oder auch Watsons und Cricks vergleichbar wären.”
(J. Horgan)
„Die Wissenschaft steht an der Schwelle einer weiteren Revolution. ... Die Zeit ist reif, die Rätsel und Anomalien aus einer neuen Perspektive zu betrachten.“
(E. Laszlo)
“Physiker verbringen den Großteil ihres Lebens im Zustand der Verwirrung.“
Auf dieses entwaffnende Eingeständnis eines der führenden Naturwissenschaftler der Gegenwart stieß ich völlig unvermutet. Es stand ja auch erst auf Seite 527 des 553 umfassenden Textes über die genialen Theorien und Modelle, die das aktuell vorherrschende physikalische Weltbild dominieren.
(Brian Greene; Der Stoff, aus dem der Kosmos ist; Wilhelm Goldmann Verlag 2008 / Seite 527)
Das ist doppelt erstaunlich. Erstaunlich, dass es mir so weit hinten in einem Buch über die moderne Physik überhaupt noch auffiel. Da bin ich für gewöhnlich geistig längst erschöpft oder wütend, häufig beides. Erstaunlich auch als so offenes Eingeständnis eines Wissenschaftlers. Handelt es sich hier nur um eine spontane Selbsteinschätzung eines genervten Physikers, oder muss man das auch bei anderen Naturwissenschaftlern vermuten?
Wie groß muss unsere Befürchtung sein, solche Leistungen oder Zustände könnten häufig hinter dem stecken, was uns die Naturwissenschaftler darbieten, um dem gesunden Menschenverstand das Sogenannte vorsetzen zu können? Man weiß es eben nicht. Jedenfalls: Nicht unbedingt muss das, was als Wissenschaft daher kommt, wirklich auch solche sein. Es kann auch blanker Unsinn, Irrtum, Missverständnis oder gar Fälschung sein.
In aller Regel verkünden uns die Naturwissenschaftler unserer Tage ihre Erkenntnisse und Theorien, Modelle und Denksysteme allerdings mit ziemlicher Inbrunst, jedenfalls so, als wären sie, die Wissenschaftler, in Bezug auf die Erklärung der Natur völlig Herr der Lage und stünden ziemlich lässig-souverän über den Dingen. Jede kleine wissenschaftliche Vermutung über die Natur klingt mit der üblichen medialen Verstärkung so, als wäre uns da gerade wieder eine göttliche Offenbarung zuteil geworden, verkündet von einem der vielen genialen Propheten, die sich in ihrer Bescheidenheit lediglich Naturwissenschaftler nennen, aber eigentlich wenn nicht die Schöpfer, so doch die Ingenieure des Universums sind.
Es herrschen die Horgans, die Laszlos sind eine kleine und leise Minderheit. Beschäftigt man sich mit dieser oder jener einzelnen Veröffentlichung, so kann man schon ihre Logik, sofern vorhanden, nachvollziehen, die Schlussfolgerungen mit Überzeugung oder mit Ehrfurcht teilen und die Faktenlage muss man in Ermangelung von Möglichkeiten der Überprüfung sowieso akzeptieren.
Das gilt, solange man sich mit einzelnen Werken befasst und nicht dem Bestreben erliegt, allzu breit gefächert das gesammelte Wissen der Naturwissenschaft kennen zu lernen. Je mehr man sich aber in die allgemein zugänglichen Veröffentlichungen unserer Damen und Herren Wissenschaftler vertieft, je mehr man vergleicht und hinterfragt, je mehr man mit Berechtigung be- und an den fachspezifischen Sprachjonglagen ver-zweifelt, umso mehr wird man in die Irrungen und Wirrungen ihrer Ansichten, Auslegungen und Glaubensbekenntnisse verstrickt. In der Gesamtheit zeugt das auch mehr Verwirrung denn Aufklärung. Das kann schon nerven.
Ich bekenne: Der Naturwissenschaft habe ich mich hauptsächlich auf dem Weg der allgemein zugänglichen Literatur genähert. Für die Wissenschaftler mag ich daher ein Amateur sein, der sich unberechtigt auf ihrem Gebiet tummelt; die Personifizierung jener „Touristen“, vor denen sich der große amerikanische Physiker Richard Feynman schon vor Jahren so sehr fürchtete. Man mag mir vorwerfen, meine Zweifel und kritischen Bewertungen, wie ich sie im Folgenden unterbreite, seien Anmaßung und würden einem Nichtwissenschaftler so nicht zustehen.
Ja, sie sind anmaßend. Ich maße mir an, zu fragen und zu hinterfragen, denn ich habe meine Zweifel, die, je mehr ich mich in die Veröffentlichungen der Naturwissenschaftler vertiefe, nicht beseitigt, sondern regelmäßig vervielfacht werden. Das bestärkt mich in der Überzeugung, der Weg der Naturwissenschaft auf den zunächst sehr erfolgreichen, aber immer verschlungeneren Pfaden der reduktionistischen Vereinfachung aller Natur in das Dickicht der mathematischen Abstraktionen könnte an einen Punkt gelangt sein, von dem aus uns die Naturwissenschaft Natur immer weniger erklärt.
Aber die Natur und das Universum sind nicht das Eigentum der Naturwissenschaftler. Wir alle haben Fragen nach der Natur der Natur, nach dem Wie und dem Warum. Antworten erwarten wir von den Naturwissenschaftlern, aber sie gehen uns alle an. Es ist unser Recht, nicht alles ehrfürchtig hinzunehmen, unsere Pflicht, misstrauisch zu zweifeln und kritisch zu hinterfragen. Es darf uns auch ein Vergnügen sein, etwas spaßig zu finden, was ernst zu nehmen schwer fällt.
Die aktuell üblichen Antworten der Naturwissenschaftler darzustellen, auf fehlende Antworten oder Unklares zu verweisen, Widersprüche zu kritisieren und auch Unzufriedenheit zu äußern – das ist mein Anliegen mit diesem Text. Man kann mir vorwerfen, kritisieren könne ja jeder, aber Kritik ohne Lösungsvorschläge sei doch moralisch verwerflich, jedenfalls nicht sehr ernst zu nehmen.
Das ist eine merkwürdige Forderung, die ich schon mehrfach in verschiedenen Zusammenhängen gelesen habe. Wer hat denn diesen Unsinn in die Welt gesetzt? Wenn die Berliner die mitunter katastrophale Unpünktlichkeit der S-Bahn und des Busverkehrs kritisieren, kann man das doch nicht mit der Bemerkung zurückweisen, die Bürger sollten doch erst einmal vormachen, wie man den reibungslosen S-Bahnbetrieb bei Signalausfall organisiert oder selbst mal einen Bus streng nach Fahrplan durch den dichten Stadtverkehr bugsieren.
Und die Kritik am Jahrhundert-Fehl-Bau Flughafen Berlin mit der Aufforderung beantworten zu wollen, der Kritiker könne ja gern selbst einen Flughafen bauen, ginge wohl weit an der Realität des Lebens vorbei. Kritik darf jeder äußern, dem Missstände, Widersprüche, Fehlverhalten oder Unklares auffallen. Für die Lösungen gibt es fachspezifisch Zuständige.
Es wird wohl so sein, dass naturwissenschaftlich intern, also in den Instituten, auf den Symposien und Fachkonferenzen, noch mehr in den Kantinen und Uni-Cafeterias anders geredet wird; mitunter schon Ansichten in Frage gestellt, vielleicht sogar eigene Interpretationen bezweifelt und Verwirrungen zugegeben werden. Das wollen wir doch hoffen, obwohl ich nicht recht daran glaube. In der allgemeinen Öffentlichkeit stellt sich das nämlich regelmäßig anders dar.
Die Oberflächlichkeit der Medien und unsere Ehrfurcht vor Professoren und Doktoren, besonders wenn ihre Namen englisch klingen, werden wohl auch dazu beitragen, dass in der öffentlichen Wahrnehmung ein hauptsächlich problemloses Bild von der Naturwissenschaft der Gegenwart dominiert. Daran mag auch die Unmöglichkeit ihren Anteil haben, die Summe aller Veröffentlichungen und die Vielzahl der Theorien und Modelle zur Kenntnis nehmen oder gar erfassen zu können.
Wir „Touristen“ sind zudem zeitlich überwiegend mit ganz anderen Fragen beschäftigt und die Naturwissenschaft ist für uns tatsächlich nur eine gelegentliche touristische Attraktion.
Wissenschaftler, die mehr oder weniger zufällig in die Nähe dieses Textes geraten, sollten nicht gleich in Aufregung über die Anmaßungen eines Außenstehenden geraten. Der Text kann ihnen durchaus gewissen Aufschluss darüber bieten, was von ihrem Schaffen bei uns „Touristen“ so ankommt und wie wir es bewerten. Das ist für sie auch nicht gerade unwichtig.
Hauptsächlich habe ich den Text aber für alle „Mit-Touristen“ verfasst, um sie in ihren Zweifeln zu bestärken und anzuregen, nicht einfach zu glauben, wo Wissen und Verstehen notwendig sind.