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Wirklichkeit oder Realität

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Die Wirklichkeit sieht anders aus als die Realität. Dieser Satz wird dem Ex-Kanzler der Deutschen Republik, Helmut Kohl, zugeschrieben. Ob er ihn tatsächlich formuliert hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Wahrscheinlich diente der Satz und seine Zuordnung mehr dem Zweck, Intellektuellen und solchen, die es gern sein möchten, Gelegenheit zu geben, sich lustig machen und ihren überlegenen Geist demonstrieren zu können.

Es passt mir nicht und viele Intellektuelle wird es entsetzen, aber wenn Kohl den Satz aussprach, könnte das im Sinne der modernen Physik von weisem Durchblick zeugen. Tatsächlich gibt es Wissenschaftler, die die Begriffe Wirklichkeit und Realität unterschiedlich verwenden. Sie definieren die Wirklichkeit als alles das, was der Mensch als seine Lebenswelt wahrzunehmen imstande ist, was ihn als die ihm sinnlich zugängliche Umwelt umgibt, von der er sich klare Vorstellungen machen, vor allem als das wirklich Existierende erleben kann.

Außer dieser, sagen wir mal, „Physischen Zugangswelt“, also der subjektiv zugänglichen, empfundenen und verarbeiteten Welt aber gibt es etwas, was außerhalb dieser Subjektivität existieren muss. Das nennen sie dann Realität.

Diese Differenzierung hat einen in Grenzen nachvollziehbaren Hintergrund. Schließlich gehen wir mit Überzeugung und belegt durch Tatsachen davon aus, dass die Welt schon existierte, bevor der Mensch auftauchte. Auch ist für die meisten von uns die Überzeugung selbstverständlich, dass es auch außer unserer individuellen Existenz ungezählte Objekte und Prozesse der Natur gibt, von denen weder der einzelne Mensch noch die Menschheit in der Gesamtheit ihrer räumlichen und zeitlichen Existenz je auch nur ein Zipfelchen „zu Gesicht“ bekommen werden. Das ist die objektive Außenwelt.

Der Mensch als Subjekt bewegt sich in einer Außenwelt und steht zu ihr in Beziehung. Jeder Mensch sieht, hört, schmeckt, riecht, spürt die Welt außer ihm, macht mit ihr und in ihr seine Erfahrungen, lernt mit ihr umzugehen und leitet daraus Erkenntnisse, Weisheiten, Wahrheiten und Vorstellungen über die Zustände und Zusammenhänge der Außenwelt und seiner Rolle darin ab. Die Summe dessen ist das, was wir als gesunden Menschenverstand ansehen und was wir auch in der Beurteilung einzelner Vorgänge als Maßstab setzen.

Guten Gewissens hält der Mensch das für verlässlich, denn es entspricht ja dem, was er selbst erleben durfte, ertragen musste, beobachten konnte oder von anderen erfahren hat. Und doch ist der Sogenannte, also das, was sich der „gewöhnliche“ Nichtwissenschaftler so vorstellt und für wirklich gegeben oder logisch hält, das muss man anerkennen, schon eine recht trügerische Sicht. Was wir gewöhnlichen Sterblichen so oder anders als Welt wahrnehmen und empfinden, ist nämlich etwas, was die gelehrten Naturerklärer verächtlich, aber nicht unberechtigt, als nur naiven Realismus bezeichnen.

Das deshalb, weil wir die Welt sowieso nur in Falschfarben sehen, etwas empfinden, wo Empfindungen keinerlei Bedeutung haben und nach Sinn suchen, wo die Sinnlosigkeit regiert.

Natürlich liefern uns unsere Sinnesorgane Informationen über unsere Außenwelt. Aber das sind keine originalgetreuen Abbilder der Außenwelt. Die Sinnesorgane wandeln das, was als Information der Außenwelt zu ihnen vordringt und was sie, gefiltert und reduziert durch ihre Beschaffenheit und Empfindlichkeit, aufzunehmen imstande sind, mittels bestimmter sensorischer Zellen in Nervenimpulse um. Diese sind höchst einfacher Natur. Da geschieht nichts weiter, als dass der Ladungszustand der Nervenzellen, lokal und zeitlich stark begrenzt, verändert wird. Man nennt das ein Ladungsumkehrpotential. Dieses pflanzt sich von Zelle zu Zelle fort, jagt durch den Nervenstrang bis zum Gehirn.

Erst das Gehirn macht dann aus den einfachen Folgen von Ladungsumkehrpotentialen Bilder der Außenwelt, Vorstellungen von Vorgängen, Empfindungen von Farben, Gerüchen und Tönen, die uns die Welt erleben und empfinden, fühlen und genießen lassen.

Das müssen wir uns immer mal wieder vor Augen führen: Die Sinnesorgane liefern dem Gehirn keine 1 x 1-Abbilder der Außenwelt, sondern lediglich Erregungszustände in Form einfacher Ladungspotentiale. Diese sind nicht einmal spezieller Natur, also keine Seh-Potentiale oder Geräusch-Potentiale. Alle Sinnesorgane liefern die gleichen eigenschaftsarmen Ladungsumkehrpotentiale. Und daraus macht das Gehirn alles das, was wir als unsere Umwelt wahrzunehmen glauben.

Das Geschehen hat Konsequenzen. Diesen Fakt machen wir uns selten bis nie bewusst: Wir kennen die Welt, in der wir leben, nicht wirklich. Ganz selbstverständlich neigen wir dazu, unsere Außenwelt als eine objektive Welt zu akzeptieren. Die Dinge außer uns sind halt – das ist unser Grundeindruck – so wie sie sind; sie sind es ohne unser Zutun, wir können sie nur zur Kenntnis nehmen.

Aber tatsächlich wissen wir gar nicht genau und verlässlich, wie die Dinge außer uns sind. Es mag und wird eine objektive Außenwelt geben, aber wie diese wirklich beschaffen ist, können wir nicht sinnlich erfahren. Das ist so, weil wir die Welt nicht so wahrnehmen wie sie ist. Die Welt außer uns besitzt keine Farben, produziert keine Geräusche oder Gerüche, ja sie ist sogar – die Ästheten unter uns mögen geschockt sein – gefühllos und geschmacklos.

Alles, was wir von der Welt außer uns sehen, hören, riechen, schmecken oder fühlen, entsteht erst in uns. Die Welt unseres Erlebens, die Wirklichkeit, ist streng genommen keine Außen-, sondern eine Innenwelt. In der Welt außer uns existieren Strahlung ganz verschiedener Wellenlängen, Atome und Moleküle, viele verschiedene chemische Elemente, wirken Kräfte und energetische Felder unterschiedlicher Stärke, vollziehen sich physikalische oder chemische Prozesse. Mehr ist nicht.

Die Welt außer uns hat nichts von all dem, was wir Menschen an ihr im Allgemeinen so schätzen. Sie ist, trotz aller Vielfalt der Erscheinungen in ihrem Innersten eigenschaftsreduziert, verweigert uns allerdings hartnäckig den Zugang zu ihr oder erschwert ihn uns, verwirrt uns und täuscht uns auch manchmal.

Wir leben also in einer Welt, die wir uns lediglich vorstellen können. Man kann auch sagen, wir leben ausschließlich in einer eingebildeten Welt. Das soll nicht die Welt beleidigen und uns nicht erniedrigen, sondern nur unsere objektive Situation unmissverständlich kennzeichnen.

Jeder von uns muss täglich neu seine Welt erfinden. Er macht das in seinem Kopf, eine andere Möglichkeit hat er nicht. Er benutzt dazu Eindrücke und Informationen, Vorstellungen und Phantasien, Einflüsse und Erfahrungen. Er hat – ererbt, erworben und anerzogen – Modelle von der Außenwelt in seinem Kopf. Nach diesen urteilt er über die Welt außer ihm. Das Gehirn vergleicht die aktuellen Informationen der Sinnesorgane mit den Modellen, korrigiert und modifiziert sie und übermittelt uns, wie die Welt außer uns sein könnte. Es macht sich und uns ein Bild von der Welt.

Deshalb ist das, was wir naturwissenschaftliches Weltbild nennen, so wichtig und unverzichtbar für uns und unser Leben und Überleben, denn es beeinflusst die Entwicklung von Vorstellungen, gibt unserer Phantasie Richtungen vor und setzt ihr notwendige Grenzen, ergänzt und vervollständigt vielleicht sogar die Engramme des Gehirns, liefert Daten und Fakten, die unserer Rationalität Halt geben.

Dann aber müssen wir es schon zugeben: Unsere subjektive Welt ist eine Konstruktion unseres Gehirns. Zwar basiert sie mehr oder weniger – wie viel mehr oder weniger wissen wir allerdings auch nicht – auf Informationen der Außenwelt, aber sie ist eine subjektive und individuelle Konstruktion.

Wenn die Wissenschaftler uns Nichtwissenschaftlern freundlich zugeneigt sind, nennen sie es: Modellabhängige Wirklichkeit. Damit drücken sie aus, dass unsere Lebenswirklichkeit lediglich das ist, was unser Gehirn als solche konstruiert bzw. modelliert. Es besteht daher schon eine gewisse Berechtigung, den so genannten gesunden Menschenverstand in die Nähe von Naivität zu rücken. Wir bilden uns ein, die Welt müsse genau so sein, wie wir sie „sehen“. Aber so ist sie nicht wirklich.

Der Naturwissenschaftler tritt anders an die Welt heran. Jedenfalls behauptet er das und glaubt es in aller Regel auch. Er entkleidet sie aller sinnlichen Wahrnehmungen und der von diesen bestimmten Vorstellungen des Menschen. Er untersucht die Natur, wie sie unabhängig von den subjektiven Wahrnehmungen und Konstruktionen des menschlichen Denkens, also auch unabhängig vom so genannten gesunden Menschenverstand in ihren unmittelbarsten Strukturen und Beziehungen existieren mag, lässt er uns wissen. Er beobachtet und misst, seziert und sortiert, vergleicht und ordnet ein, sagt er.

Dann kann es auch nicht überraschen, dass zwischen der erfundenen Welt unserer Wahrnehmung und der Welt in der objektiven Sicht der Naturwissenschaftler häufig Widersprüche aufwallen, da unserer Anspruch auf einen gesunden Menschenverstand mit der nackten Logik wissenschaftlicher Betrachtungsweise kollidiert. Und so würde sich dieser Widerspruch als eine ziemlich natürliche Selbstverständlichkeit erklären und könnte uns versöhnlich und bescheiden stimmen.

Uns schon, die Naturwissenschaftler weniger. Sie beharren sehr häufig darauf, die reale, sozusagen ungeschminkte Welt zu beschreiben und daher die einzig richtige, da objektive Sicht auf die Welt, die einzig vernünftige Einsicht in die Natur der Natur zu besitzen. Nur selten räumen sie die Legitimität anderer Sichten auf die Welt ein. Die Abfälligkeit, mit der sie solche beurteilen, können sie häufig nur schwer verbergen. Außerhalb ihrer Theorien und Laboratorien, wenn sie die Türen der Institute und Akademien hinter sich schließen und sich auf den Weg zu Frau und Kinder machen, bewegen sie sich jedoch auch in unserer eingebildeten Welt, die sie gleich uns nur dank ihrer Einbildungen einigermaßen sicher durchstreifen können.

Wie real und objektiv ist die Welt der Wissenschaftler eigentlich, wie viel ist da auch nur Vorstellung und Erfindung, Vermutung und Behauptung?

Längst schon hat sich für uns naive Träger des Sogenannten die Berechtigung eingestellt, zurückzuschlagen. Was nämlich der Naturwissenschaftler da in der objektiven Außenwelt so alles beobachtet, analysiert, definiert und kategorisiert, ist ja da auch nicht genau so.

Ja schon, der Naturbeobachter ist nicht mehr nur auf seine Sinneswahrnehmungen angewiesen. Er benutzt Geräte oder Untersuchungsmethoden, die ihn tief in das Innere der Materie eindringen lassen, ihm Blicke in die fernste Ferne des Kosmos erlauben, ihm Strahlungen in Frequenzen weit außerhalb des menschlichen Wahrnehmungsvermögens zur Kenntnis geben und Felder, Ladungen, Moleküle und Atome aufspüren lassen.

Aber der Konstruktion der Beobachtungsgeräte, der Technologie und Anlage der Experimente liegen bereits Vorstellungen zu Grunde. Die Experimentatoren führen ihre praktischen Beobachtungen ja nicht auf der Basis reiner Intuition oder göttlicher Eingebung aus – in aller Regel jedenfalls – , sondern benutzen Geräte und Methoden, denen Modelle und Theorien, Interpretationen und Abstraktionen zu Grunde liegen. Felder, Ladungen, Moleküle und Atome sind auch Konstruktionen, Modelle, häufig vor allem mathematische Gleichungen, immer aber Vorstellungen.

Wer den Wellencharakter elementarer Teilchen feststellen will, kann das weder mit Nachdenken noch mit dem Lasso erreichen, sondern muss etwas benutzen, das die Beobachtung von Wellen zulässt. Dem liegt aber das Modell zu Grunde, was eine Welle ist und woran man sie erkennt. Und wer feststellen will, aus welchem Stoff ein bestimmtes kosmisches Objekt besteht, der muss das von ihm ausgehende Licht mit einem Spektrographen aufnehmen und es so analysieren, dass er bestimmten Linien im Spektrum bestimmten Elemente zuordnen kann. Der Spektrograph ist so konstruiert, dass er gemäß den Modellen das Licht in verschiedene Wellenlängen zerlegen kann, denn die Modelle des Lichtes besagen, dass es aus Strahlung verschiedener Wellenlängen besteht.

Natürlich, die Modelle sind in der Regel das Ergebnis akribischer Experimente und Beobachtungen. Das ist vielfach geprüft und gilt als hinreichend gesichert. Aber es handelt sich trotzdem um Modelle. Schon die Theorie entscheide, bemerkte Albert Einstein, was beobachtet werden kann.

Der Naturwissenschaftler sammelt Messergebnisse und Beobachtungstatsachen. Diese stehen jedoch im Einzelnen nur und ausschließlich für sich; es sind Rohdaten, die erst dann etwas aussagen, wenn sie „bearbeitet“ werden.

Der Wissenschaftler muss die Ergebnisse der Beobachtungen immer interpretieren, sie in Denkmodelle einordnen, den theoretischen Vorstellungen zuordnen, um ihre Herkunft erklären, die Zusammenhänge aufzeigen und ihren Charakter definieren zu können. Strahlung, Stoffe, Felder, Energie, Masse, Ladung – das sind Vorstellungen. Es sind Abstraktionen und Interpretationen. Eigentlich sind es sogar nur erfundene Begriffe, deren Beziehung zur Natur eine reine Konstruktion ist. Selbst das Atom ist mehr ein mathematisches Modell, denn eine reale Erscheinung.

Ohne theoretischen Hintergrund, ohne Entwicklung von Vorstellungen und ohne Phantasie kann der Wissenschaftler nur hilflos auf seine Messdaten starren und sich wundern, was es so alles Wunderliches gibt in der objektiven Welt.

Wenn die Naturwissenschaft uns die Realität beschreibt, so ist das ebenfalls nur eine Realität, die vom jeweiligen Modell abhängt, also eine modellabhängige Realität. Das heißt, auch die Naturwissenschaft ist eine Form der subjektiven Betrachtung der Außenwelt. Und auch der Naturwissenschaftler weiß nicht wirklich, wie die Außenwelt, die er da beobachtet, analysiert und interpretiert, objektiv beschaffen ist und funktioniert.

In seinen Interpretationen ist er zudem weitestgehend an Übliches, an die konventionellen Modelle und die herrschenden Lehrmeinungen gebunden; durch Uni-Hierarchien und Autoritätenherrschaft, Anstellungsabhängigkeiten und Forschungsgeldzuteilungen in Denkvorgaben und Ideologien gezwungen. Auch Wissenschaftler sind keine unabhängigen Beobachter einer objektiven Realität, obwohl sie das von sich unablässig behaupten, sondern mehr oder weniger befangene Vertreter einer modellabhängigen Realitätsvorstellung.

Die Beobachtungsfelder, die Wahrnehmungsmethoden und die Art und Weise der Interpretation sind in der Naturwissenschaft andere als bei dem, was das Gehirn dem gesunden Menschenverstand liefert. Ja, die Wissenschaft arbeitet mit konkreten Zahlen und Messwerten, in Kategorien höchster Abstraktion, mit stimmigen mathematischen Algorithmen und logischen Folgen, abseits von Gefühlen. Aber gerade das hat auch Konsequenzen.

Was die Wissenschaftler da mit ihren Theorien und Modellen, mit den komplizierten mathematischen Relationen und unverständlichen Formeln, den fundamentalen Gesetzen und den noch fundamentaleren Naturkonstanten beschreiben, scheint eine Welt zu sein, die mit der Kälte der formalen Logik, der Brutalität unerschütterlicher Gesetze, der Gewalt der mathematischen Abstraktion und der Kaltschnäuzigkeit der Reduzierung des unendlich Verschachtelten auf den einfachsten Zusammenhang in ein geistiges Korsett gezwängt wurde, dem man mehr den Charakter einer Denkblase denn Beschreibung einer lebendigen Realität zubilligen muss.

Wir leben aber nicht in einem Cosmic Comic und Sprech- oder Denkblasen erklären uns das Universum nicht. Wir haben es mit einer vielschichtigen, unendlich komplexen, sich ständig verändernden Welt zu tun. Diese unsere einheitliche, vertraute und doch irgendwie immer wieder neu unbekannte Welt wollen wir geistig nachvollziehen können.

Die Naturwissenschaftler haben keinen Grund, sich über den gesunden Menschenverstand als einen nur Sogenannten zu mokieren. Wo wir die Welt mit Naivität betrachten und die wirklichen Zusammenhänge nicht erkennen, dürfen und müssen sie uns aufklären. Das dulden wir nicht nur, wir verlangen es auch. Aber wir haben andererseits auch das Recht und die Pflicht, den Naturwissenschaftlern „auf die Finger“ zu schauen, ihre Theorien kritisch zu hinterfragen, nicht alles zu glauben und ihre allzu vollmundigen Verkündungen auch mal zurückzuweisen.

Kein Geringerer als Einstein hatte es ihnen schon „ins Stammbuch geschrieben“, als er konstatierte, da wir nur indirekt Kunde von den Dingen der Außenwelt erhalten, können sich die Physiker der Realität nur auf spekulativem Wege nähern und müssten stets bereit sein, ihre Auffassungen auch zu modifizieren. Die Auffassungen vom physikalisch Realen können niemals endgültig sein, betonte Einstein. (Einstein; Mein Weltbild).

Das wird heute von Vielen offensichtlich ziemlich anders gesehen. Wissenschaftler und Medienfuzzis sind eifrig dabei, die moderne Naturwissenschaft überschäumend optimistisch und euphorisch für eigentlich so gut wie am Ziel angekommen darzustellen. Nicht wenige Wissenschaftler sind der festen Überzeugung, die Naturwissenschaft sei nahe ihrer Vollendung, da würde nun nicht mehr viel Neues hinzu kommen, jedenfalls nichts Wesentliches mehr. Sie meinen, man könne nun bald die Naturwissenschaft als ein historisches Kapitel in der Geschichte der Menschheit wegen Vollendung schließen und müsse sich nur noch den Verfeinerungen und den Präzisierungen, vor allem aber den praktischen Anwendungen widmen.

Es sind jene Wissenschaftler, die die Naturwissenschaft in dem Sinne für abgeschlossen halten, dass ihre Grunderkenntnisse und Hauptdenkrichtungen ausgearbeitet und absolut richtig sind. Sie sind der Überzeugung, dass das Bild, das uns die heutige Naturwissenschaft vom Universum, der Materie, vom Leben und auch von der Evolution der Lebewesen und des Menschen zeichnet, im Prinzip richtig ist, wir also im Grundsätzlichen sowieso, aber auch in vielen Details wissen, wie die Natur beschaffen ist und wie sie funktioniert.

Dieses unser Wissen, das propagieren die Vertreter dieser Richtung mehr oder weniger offen, weise da und dort noch kleine Lücken auf, einige Fragen sind noch unvollständig, manche vielleicht auch noch gar nicht beantwortet. Aber das betrifft nicht die Hauptstränge, nicht die Grundprinzipien, sondern einzelne Fragen, Teilgebiete, kleine Lücken im Ensemble der gesicherten Erkenntnisse. Richard Feynman, der große amerikanische Physiker, war beispielsweise überzeugt, in der bevorzugten Zeit der Entdeckung der fundamentalen Naturgesetze zu leben, einer Zeit, die nicht wiederkehren wird.

Ganz offensichtlich sind viele Naturwissenschaftler, vor allem Physiker, der festen Ansicht, ihre Theorien und Modelle würden uns die Welt schon hinreichend umfänglich und nachvollziehbar, vor allem glaubwürdig erklären. Jetzt käme es darauf an, die da und dort noch vorhandenen kleinen Lücken zu schließen, leidige Missverständnisse zu klären und die vereinzelten Ungereimtheiten aus der Welt zu schaffen.

Das wird noch einige Arbeit kosten, es wird schon noch einiges an Zeit darüber vergehen, viel Geld wird auch noch benötigt werden und dieser oder jener Forscher wird noch diese oder jene Idee einbringen müssen, um das noch Ausstehende zu leisten. Aber eigentlich könne man sich schon in Erwartung der Preise und Ehrungen genüsslich zurücklehnen, denn die offenen Fragen würden auch noch gelöst werden, das sei kein großes Problem, da die Grundprinzipien ja erkannt sind und daher das, was jetzt zu leisten ist, sozusagen Fingerübungen seien, verbunden mit notwendiger Ausdauer und ein wenig Geduld.

Die Naturwissenschaft der Neuzeit habe uns, so die Überzeugung, im Wesentlichen und endlich verbindlich erklärt, was die Natur ist, woher sie kommt, wie sie beschaffen ist.

Gegenwart hat wohl immer Züge von Arroganz, denn das hatten wir alles schon einige male. Max Planck wurde, als er sich 1875 zum Studium einschrieb, von einem Professor der Universität zu München geraten, um die Naturwissenschaft doch lieber einen Bogen zu machen, denn da gäbe es nichts mehr herauszufinden. Albert Michelson vermutete 1894, künftige Entdeckungen seien noch in der 6. Stelle nach dem Komma zu erwarten. Womit er sagen wollte, im Prinzip sei nun alles klar, es könne höchstens noch um Verfeinerungen und Präzisierungen gehen.

Und was wurde dann noch alles entdeckt. Die Röntgenstrahlen 1895, die Radioaktivität 1896, das Elektron 1897, das Plancksche Wirkungsquantum 1900 und schließlich noch die Relativitätstheorien und die Quantenphysik, die Expansion und der Urknall, das Quarksmodell und die Strings (na ja, die noch nicht wirklich), die Gene und die Doppelhelix und vieles mehr.

Obwohl das hinreichend bekannt ist, wiederholt es sich schon wieder. Tatsächlich gab es schon lange Konferenzen, in denen Wissenschaftler sehr ernst darüber diskutierten, wie denn die bevorstehende Vollendung der Naturwissenschaft aussehen wird, wie man sie bewältigt und was man danach so treiben könnte.

Es wird schon darüber philosophiert, man habe endlich die Sprache Gottes verstanden und in spätestens 20 Jahren werde die Formel für Alles alles erklären und der Endpunkt des naturwissenschaftlichen Strebens nach Kenntnis von den Gesetzen der Natur sein.

Stephen Hawking hat das schon zweimal im Abstand von 20 Jahren vorausgesagt. Zuletzt verkündet er, die M-Theorie sei der Kandidat für eine vollständige Theorie des Universums. Sie werde der erfolgreiche Abschluss der vor 3000 Jahren begonnenen Suche sein.

Dazu muss man vielleicht mit dem gesunden Menschenverstand einwerfen, dass die M-Theorie gar keine Theorie ist, sondern die Vermutung, die etwa 10^500 möglichen Varianten der Stringgleichungen könnten auf einen gemeinsamen Nenner zurückzuführen sein, eben dem M, was immer das auch sein mag.

(Nicht einmal die Bedeutung dieses „M“ konnte von den Physikern bisher aufgeklärt werden. Man vermutet, es sei ein auf den Kopf gestelltes W und stehe für Witten. Ed Witten war es nämlich, der die M-Theorie als eine mögliche Basis-Theorie der verschiedenen Stringtheorien verkündete. Ein Physiker vermutete, dass M stehe für Masturbation, denn die Stringphysik sei ja wohl nichts anderes.)

Der Abschluss einer 3000jährigen Suche also lediglich eine Vermutung, es könne da etwas geben, was alles erklärt? Da war die Menschheit vor 3000 Jahren auch schon. Das jetzt zur vollständigen und endgültigen Lösung aller Fragen zu erklären, geht am gesunden Menschenverstand tatsächlich weit vorbei.

Aber die Physiker grämt es offensichtlich nicht. Nahezu täglich verkündet irgendwo irgendwer in irgendeinem wissenschaftlichen Zusammenhang irgendeine wichtige Erkenntnis, die uns so nahegebracht wird, als wäre das nun höchstens noch das vorletzte Steinchen zur Vervollständigung des Mosaiks, das uns die wahre Natur der Natur zeigt.

Der amerikanische Wissenschaftsjournalist John Horgan brachte es auf den Punkt:

“Ich vermute, dass diese Geschichte, die die Wissenschaftler aus ihren Erkenntnissen zusammengetragen haben, dieser moderne Schöpfungsmythos, hundert oder sogar tausend Jahre lang unverändert Bestand haben wird. Wieso? Weil er wahr ist. Zudem ist es in Anbetracht der bereits erzielten Fortschritte und der physikalischen, gesellschaftlichen und kognitiven Grenzen, die weiteren Fortschritten entgegenstehen, unwahrscheinlich, dass die Wissenschaft den vorhandenen Fundus an Erkenntnissen noch erheblich erweitern wird. Es wird in Zukunft keine Entdeckungen mehr geben, die in ihrer Tragweite mit den Enthüllungen Darwins oder Einsteins oder auch Watsons und Cricks vergleichbar wären.”

(John Horgan; An den Grenzen des Wissens; Fischer Taschenbuch Verlag 2000 / Seite 35)

Da ist es also wieder mal, das Tausendjährige Reich, hier als das der modernen Naturwissenschaft und ihrer „Schöpfungslehre“. Kann ja sein, dass dieses naturwissenschaftliche Weltbild tausend Jahre Bestand haben wird. Aber wenn, dann nicht weil es wahr ist, sondern weil der Menschheit unglücklicherweise tausend Jahre lang nichts Besseres einfällt oder das Bessere sich nicht durchsetzen kann.

Das Weltbild des Ptolemäus mit der Erde im Mittelpunkt und den verwirrenden Epizykeln herrschte mehr als 2000 Jahre. Warum? Weil es wahr war?

Ja gut, tatsächlich scheint die Naturwissenschaft unserer Tage ein Bild von der Welt zu zeichnen, das sich sehr prinzipiell von dem unterscheidet, was uns in früheren Zeiten über die Welt außer uns dargestellt wurde. Ganz offensichtlich hält sich die Naturwissenschaft nicht mit naturphilosophischen Vermutungen auf, stochert auch nicht mit alchemistischem Eifer im Nebel zufälliger Erkenntnisse herum, verkündet stattdessen stolz, in prinzipieller Distanz zur mystischen Verklärung der Natur als einer göttlichen Ordnung zu sein. (Letztere Feststellungen sind freilich mitunter anzuzweifeln, wie ich noch zeigen werde.)

Sie betreibt die Suche nach den Zusammenhängen und Bedingungen der in der Welt stattfindenden Prozesse, nach der Herkunft und der Rolle von Objekten und Ereignissen in der Natur, nach der Erklärung von Natur systematisch und akribisch. Die moderne Naturwissenschaft, besonders die Physik, macht Eindruck, denn sie scheint ganz auf die objektive Außenwelt gerichtet zu sein, auf die Gesetze der Natur, die alles regeln, die Ursache-Wirkungsfolgen im Griff haben und keine Ausnahmen oder Abweichungen zulassen.

Und wo das offensichtlich nicht der Fall ist, helfen Wahrscheinlichkeitsrechnungen und nichtlineare Mathematik über die schlimmsten Klippen hinweg. Die moderne Naturwissenschaft gibt sich alle Mühe, ihre Erkenntnisse nicht als anwendungsferne Modelle, platonische Gespinste, geistige Trugbilder oder intellektuelle „Wolkenkuckucksheime“ erscheinen zu lassen, sondern als „handliches“ Wissen darzubieten.

Tatsächlich ließ sich vieles von dem, was die Naturwissenschaft uns offenbarte, ganz praktisch anwenden, führte zu völlig neuen technischen Anwendungsmöglichkeiten, zu neuen Technologien und zu neuen Produkten, die das Leben vieler Menschen sehr prinzipiell veränderten. Das machte die Naturwissenschaft so glaubwürdig. Wenn sich Erkenntnisse dermaßen vielfältig und wirksam anwenden lassen, müssen sie bedeutsam und richtig sein. Daher ist es kein Wunder, dass die moderne Naturwissenschaft uns ein Weltbild vorgibt, an dem sich kaum zweifeln lässt.

Nun ja, auch die alten Ägypter hatten ihr Weltbild. Es war zwar stark mythologisch definiert, aber durchaus auch mit geprüftem Wissen und exakten Beobachtungen unterlegt. Vor allem aber waren die Menschen von seiner Richtigkeit überzeugt, so überzeugt, dass sie vielfach bereit waren, ihr Leben dafür hinzugeben.

Und die alten Griechen zweifelten wohl auch nur wenig an dem, was ihre Naturphilosophen ihnen an Welterklärungen lieferten.

Hatte ich das über viele Jahrhunderte unantastbare geozentrische Weltbild des Ptolemäus schon erwähnt?

Und dass sich aus Schöpfungsmythen religiöse Weltbewegungen entwickelten, die nicht nur Gutes taten, ist hinreichend bekannt.

Zu jeder Zeit und in jeder Gesellschaft etabliert sich ein für die jeweilige Gesellschaft und ihre Zeit typisches Bild von der Welt. Es ist für lange Zeit dominierend, häufig durch religiöse Unantastbarkeit geschützt. Die Menschen sind in ihrer Mehrheit von seiner Richtigkeit überzeugt. Erst nachfolgende Gesellschaften und Generationen erkennen dann, nicht selten widerwillig und in einem schmerzlichen Prozess, die Denkirrtümer, Schwächen und Fehler, die dem Weltbild zu Grunde lagen, auch die Gefährlichkeit der Denkrichtungen und Handlungsmotive, die von ihm gestützt oder gefordert wurden.

Aus historischer Sicht ist kein Grund erkennbar, der uns verpflichten sollte anzunehmen, das von der gegenwärtigen Naturwissenschaft verbreitete Weltbild sei nun das vollständige, endgültige und endlich auch richtige. Man muss weder Prophet noch Nörgler sein, um mit Überzeugung verkünden zu können: Auch das Weltbild unserer Zeit, mit dem wir die Natur betrachten, ihre Herkunft und Entwicklung einordnen und uns die Phänomene und Erscheinungen erklären, ist nur ein Weltbild in der Zeit. Es ist keine ewige Wahrheit, es wird korrigiert und gestürzt werden und neuen Sichten und Denkweisen platz machen müssen.

Das mag den derzeitigen Naturwissenschaftlern fremd vorkommen, sie mögen es bestreiten oder weit von sich weisen, aber sie können die Entwicklung von Denken und Wissen nicht verhindern, wohl aber es befördern. Sie müssen sich nur entschließen, was sie diesbezüglich wollen: An Paradigmen festhalten, auch wenn Zweifel angebracht sind, oder ihre eigenen Erkenntnisse, Modelle und Denkmuster immer wieder kritisch prüfen, gegebenenfalls bezweifeln.

Vielleicht aber lag Michelson damals genau richtig und wir interpretieren ihn nur falsch. Röntgenstrahlen, Radioaktivität, Elektron, Plancksches Wirkungsquantum, allgemeine Relativität, Quantenphysik, Urknall, Quarks, Strings, Gene, Doppelhelix, Micro-RNA und noch manches andere in der modernen Naturwissenschaft sind ja tatsächlich Entdeckungen „hinter dem Komma“. Das heißt, es sind Modelle von Objekten und Vorgängen in sehr viel kleineren Dimensionen, als wir sie mit unseren sinnlichen Wahrnehmungen zu erfassen vermögen.

Größenordnungen von 10^-7 bei der magnetischen Feldkonstante des Vakuums, von 10^-10 cm oder 10^-13 cm bei den Comptonwellenlängen von Elektron, Proton und Neutron, 10^-19 bei der Elementarladung, 10^-21 beim Planck‘schen Wirkungsquantum, 10^-33 cm bei der Planck‘schen Elementarlänge sind die schon fast selbstverständlichen Dimensionen, in denen die heutige Physik, vor allem Quantenphysik und Stringtheorien ihre Modelle ansiedeln.

Und die Genetiker jonglieren auch nicht gerade mit fußballgroßen Objekten, wenn sie sich mit Gendrift, Methylierungen oder Proteinfaltung befassen.

Tatsächlich hat sich die Mehrzahl der neueren Erkenntnisse der Wissenschaft über die Natur gerade dann ergeben, wenn die Wissenschaftler mit ihren experimentellen Möglichkeiten und/oder ihren theoretischen Überlegungen in Bereiche des materiellen Seins vordrangen, die weit von unserer Lebenswelt entfernt sind. Kleinste oder größte Distanzen, niedrigste oder höchste Temperaturen, maximaler Druck, große Dichte, starke Strahlung, gigantische Kräfte – das sind die Felder, wo Neues, Unvermutetes und Ungewöhnliches lauert.

Aber ob eine Distanz von 10^-33 Zentimeter oder eine Zeitspanne von 10^-43 Sekunden oder virtuelle Teilchen, mit denen man zwar rechnen kann, die aber niemand zu beobachten vermag, oder Fädchen, die nur in einer Dimension eine Ausdehnung haben, oder punktförmige Teilchen überhaupt noch als etwas Reales angesehen werden können, daran darf man schon zweifeln.

Wenn wir Theorien, die in solchen unwirklichen Dimensionen angesiedelt sind, mehr als mathematische Spielerei und theoretisches Gefasel ansehen, denn als Beschreibung von objektiver Realität, sollte die Wissenschaft das nicht dem Sogenannten zuschreiben dürfen, sondern sich dem Misstrauen stellen.

Modellabhängige Realität ist, auch und möglicherweise gerade, wenn sie in Form höchst komplizierter Theoreme und abstruser mathematischer Formalismen daherkommt, immer noch Konstruktion, Meinung, Vermutung und nicht Abbildung des objektiv Existierenden. Der Begriff ist trügerisch, denn er suggeriert eine selbstverständliche Nähe der Naturwissenschaft zur Realität. Das aber ist nicht immer, speziell in der Physik seit Jahrzehnten sogar immer weniger gegeben.

Die modellabhängige Realität der Naturwissenschaft reduziert Natur auf Einzelnes, auf einfachste Beziehungen, lineare Abhängigkeiten und abstrakte Formalismen. Ihr entgeht damit weitestgehend die Komplexität, die nun mal der Natur eigen ist. Die modellabhängige Wirklichkeit des menschlichen Gehirns ist dagegen mehr auf Ganzheiten, auf komplexes Geschehen, auf Wirkungen, auf das Panorama gerichtet.

Das können wir durchaus als eine gewisse Überlegenheit des gesunden Menschenverstandes relativ zum selektiven Wissenschaftsdenken werten. Der gesunde Menschenverstand betrachtet Natur so, wie sie ihm begegnet, als ein Ensemble von Beziehungen und Ein- oder Unterordnungen, als vielschichtiges Geschehen in Abhängigkeiten und Hierarchien, als etwas, zu dem der Mensch in Beziehung steht und sich in Beziehung setzen muss. Die modellabhängige Wirklichkeit unseres Gehirns ist menschennah, die modellabhängige Realität der Naturwissenschaft ist es nicht.

Selbstverständlich dürfen die Naturwissenschaftler uns belehren, wenn die Weltsicht unseres gesunden Menschenverstandes an der Naivität unserer Denkgewohnheiten zu scheitern droht. Natürlich soll sie unsere naiven Sichten korrigieren, unseren leichtfertigen Glauben kritisieren und unseren Blick auf die Natur weiten und schärfen.

Aber ich will das im Folgenden mal umkehren und die Probleme und Fragen diskutieren, bei denen der gesunde Menschenverstand sich von der Naturwissenschaft im Stich gelassen oder gar hinters Licht geführt (man könnte auch verarscht schreiben) fühlt. Das will ich vorerst auf Physik und Kosmologie beschränken. Es sind Fragen zu stellen. Diese sind in der Regel gar nicht so neu, aber sie wurden von der Physik bisher entweder als nicht relevant zurückgewiesen oder in einer Art beantwortet, die sofort neue Fragen aufwirft.

Der Text hat nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Arbeit, sondern will nur als ein Diskussionsbeitrag verstanden werden. Naturwissenschaft wird man wohl in unserer aufgeklärten Zeit nicht nur immer zur Kenntnis nehmen und bewundern müssen, sondern auch mal wieder diskutieren dürfen. Unter diesen Gesichtspunkten will ich mich im Folgenden mit einigen Modellen der modernen Physik auseinandersetzen, Fragen aufwerfen, Unklares aufzeigen, Probleme diskutieren.

In diesem Zusammenhang noch eine Bemerkung zu dem von mir gebrauchten Begriff der Denkblasen. Ich will damit nicht nur Falsches oder zu kurz Gedachtes verbunden wissen, das auch, aber noch mehr isolierte, aus dem komplexen Zusammenhang gerissenen Modelle, akrobatische Denkvirtuositäten ohne erkennbaren Wirklichkeitsbezug, die reduktionistische Konzentration auf das Einzelne des Einzelnen, bei dem man Zusammenhänge mit komplexen Geschehen nur noch mit abenteuerlichen oder sehr gebrechlichen Konstruktionen behaupten kann.

In Verkürzungen können auch Wahrheiten liegen, keine Frage. So mancher kurze Satz in einer der vielen Sprechblasen in den Comics kann das, was gemeint ist, ausreichend beschreiben, besonders wenn die Handlung ohnehin recht dürftig ist. Aber Schmerz auf „Aua“ zu reduzieren oder Wut auf „Schnauf, schnauf“, das sind Verkürzungen, die dem, der lieber Bildchen ansieht als Dialoge verfolgen zu können, entgegenkommen.

Die Natur der Natur können wir so aber nicht erklären und nicht verstehen. Das Einzelne zu kennen kann nützlich sein, aber um Potenzen wichtiger ist das Verstehen von Zusammenhängen. Deshalb ordne ich Denkmodelle oder naturwissenschaftliche Paradigmen, die mir die größeren Zusammenhänge vorenthalten, sie wenig glaubwürdig erklären und nicht nur künstliche, sondern auch abenteuerliche Konstruktionen sind, der Kategorie der Denkblasen zu. Das mag mitunter ungerecht sein, auch anmaßend erscheinen, aber es ist notwendige Verdeutlichung. Und zur Klarstellung: Mit Denkblasen meine ich nicht nur die der anderen.

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