Читать книгу Spielzeit - Dani Merati - Страница 3
Kapitel 1
ОглавлениеKöln, Freitag, 26.9.14
Er betrat das Spielzimmer, als gehörte es ihm. Seine Selbstsicherheit war greifbar und brachte jeden im Raum dazu, den Neuankömmling anzusehen, ihn zu begehren. Sebastian lehnte sich an die Wand zurück. Er brauchte die Dunkelheit, die der Schatten ihm gab, um sich auf die Präsenz des anderen Mannes vorzubereiten.
Niemand ging wie er, mit einem wiegenden Schritt, als lausche er einer nur ihm zugänglichen Melodie und bewegte sich in ihrem Rhythmus. Keiner sah aus wie er, groß und ein wenig schlaksig, mit Muskeln genau an den richtigen Stellen und einer Haut wie Milchschokolade. Und nicht einer hatte die Fähigkeit ihm den Atem zu rauben, wie Diego Mahler es tat.
Auch nach den mittlerweile fünf Jahren, die er ihn jetzt kannte - und unzähligen Affären später - zwang ihn dieser Typ in die Knie.
„Du bist dran.“ Bedauernd riss Sebastian die Augen von seinem Traummann los und konzentrierte sich auf den Mann vor ihm. Jo Weber, sein bester Freund seit dem Sandkasten. Bis vor einigen Jahren waren sie sogar ein Trio gewesen, mit Torsten als Dritten im Bunde. Dessen Tod hatte einen riesigen Krater hinterlassen und Jo beinahe zerstört, der ihn unendlich geliebt hatte. Unwillkürlich glitt sein Blick zu dem Lockenkopf, der auf einem Barhocker thronte und dem Billardspiel nur zusah. Andy hatte seinem Freund wieder neues Glück gebracht und allein das war schon Grund genug für ihn, den Kleinen ins Herz zu schließen.
Der zwinkerte ihm jetzt zu. „Willst du nicht mal loslegen? Ich hatte eigentlich gehofft, Jo heute noch zu entführen, aber ...“ Er zeigte zum Billardtisch, wo die Kugeln unangefochten auf den Anstoß warteten.
Sebastian runzelte die Stirn, nahm den Billardstock entgegen und studierte den Tisch. Es fiel ihm schwer sich zu konzentrieren, da er Diego aus den Augenwinkeln näher kommen sah. Verdammt, er mochte Billard nicht einmal. Er lernte es nur, weil es ihm die Gelegenheit gab, eine Beziehung zu seinem Objekt der Begierde aufzubauen. Der Barkeeper war ein Profi und gewann eigentlich immer und hatte nach anfänglichem Zögern eingewilligt, ihm die Regeln und alles andere beizubringen.
Er lehnte sich letztendlich über den Tisch und nahm seinen Stoß wahr. Er war überrascht, dass die weiße Kugel genau das tat, was er wollte und zwei der getroffenen Kugeln tatsächlich versenkte. Sebastian sah rasch hoch und fragte sich, ob Diego seinen Schuss gesehen hatte. Obwohl er sich sofort einen liebeskranken Idioten schalt, waren das Lächeln und das anerkennende Nicken ausreichend, um ihm Hoffnung zu geben.
„Ausgezeichneter Stoß, Bastian“, meinte der Barkeeper mit seiner samtweichen Stimme. „Du lernst schnell.“ „Das liegt am hervorragenden Lehrer“, wiegelte er ab und beobachtete, wie der Mann an den Tisch kam.
„Stimmt.“ Diego lachte leise und trat nah genug an ihn heran, dass Sebastian die anziehende Mischung aus Aftershave und frischem Schweiß wahrnehmen konnte. Unauffällig sog er den betörenden Duft tief ein. „Aber ich hatte auch einen begierigen Schüler.“
Oh, ich bin begierig. Gierig danach, mit dir allein zu sein, dir zu zeigen, was ich mit einem langen Stock, zwei Bällen und einer flachen Oberfläche anstellen kann. Bastian schluckte den Kloß in seinem Hals mühselig hinunter. Er hatte sich geschworen, sich nicht mehr diesen Tagträumen und erregenden Vorstellungen hinzugeben. Sie brachten ihm nichts als Kummer. Doch diesen Mann aus seinem Kopf zu verbannen, war ein sinnloses Unterfangen.
Das Vibrieren seines Handys gab ihm die willkommene Ausrede, sich von dem laufenden Spiel zurückzuziehen. Er hielt den Apparat hoch und warf Jo einen fragenden Blick zu. Der nickte und konzentrierte sich dann darauf, von Diego nicht ungespitzt in den Boden gerammt zu werden. Bastian grinste, verließ das Billardzimmer und suchte sich seinen Weg zu den hinteren Räumen, um in Jos Büro den Anruf zu beantworten.
Es war die Klinik. Seine Mutter hatte einen ihrer heftigen Anfälle erlitten und man fragte nach, ob er noch heute kommen könnte. Sebastian bestätigte und legte mit einem dicken Kloß in seinem Hals auf. Wann wurde das endlich besser? Schweren Herzens hatte er sich vor beinahe zehn Jahren entschlossen, seine Mutter einweisen zu lassen, denn selbst die rund um die Uhr Pflege hatte weder sie noch andere schützen können.
In den letzten Jahren war es zwar sehr viel besser geworden - doch besser war relativ. Von der brillanten, lebenslustigen Frau, die er als Junge in Erinnerung hatte, war nur eine leere Hülle übrig geblieben. Seine Besuche wurden immer seltener, während sein schlechtes Gewissen sprunghaft anstieg, aber Sebastian fühlte sich einfach nicht in der Lage, dem Verfall weiter zuzusehen.
In Gedanken versunken kam er aus dem Büro und stieß mit Diego zusammen, der es gerade betreten wollte. „Sorry, ich wusste nicht ... Ist alles in Ordnung, Bastian?“ Samtbraune Augen bohrten sich bis tief in seine Seele, brachten sein Herz zum Rasen und seinen Schwanz zum Anschwellen. Der Blick der dunklen Iriden trieb ihn beinahe dazu etwas völlig Dummes zu tun - wie sich vorbeugen und die vollen Lippen zu verschlingen, um endlich den Geschmack dieses Mannes zu kosten. Weil das jedoch ein fataler Fehler wäre, wich er zurück und sagte barscher, als beabsichtigt: „Mir geht’s gut“, und mit schnellen Schritten ging er den Flur retour ins Billardzimmer, um sich von den anderen zu verabschieden. Dann verließ er fluchtartig die ‚Spielzeit‘.
***
Diego sah dem Mann, der ihm in den vergangenen Wochen den letzten Nerv geraubt - und schlaflose Nächte bereitet - hatte verwundert hinterher. Etwas war heute anders gewesen, anstatt mit ihm zu flirten, hatte es eher so ausgesehen, als würde Sebastian ihm aus dem Weg gehen. Solltest du nicht froh darüber sein, fragte ihn seine innere Stimme sarkastisch. Du hast schließlich alles dafür getan, dass er dich für unausstehlich hält.
„Ach, halt doch die Klappe.“ Genervt marschierte Diego ins Lager. Er hatte das Spiel so rasch wie möglich für sich entschieden und war dann mit der gemurmelten Ausrede, er müsse etwas überprüfen hierherkommen. Neugier hatte ihn zum Büro geführt und was hatte es ihm gebracht? Noch miesere Laune als vorher. Unzufrieden murmelte er vor sich hin, als er die Bestandsliste mit dem tatsächlichen Vorrat verglich.
Er verstand nicht, warum ausgerechnet dieser Kerl nicht aus seinem Kopf verschwinden wollte. Es war ja nun nicht gerade so, dass er keine freie Auswahl hatte. Sein exotisches Aussehen - Diego schnaubte abfällig, als er an die Aussage eines Exliebhabers dachte - bescherte ihm mehr als genug Bewunderer. Doch immer kehrten seine Gedanken zu Sebastian zurück. Wenn der Mann nicht Jos bester Freund wäre, hätte er ihn schon vor Wochen aus seinem System gevögelt.
Obwohl das wahrscheinlich ebenfalls nicht funktionieren würde. In Bastian, mit seinem sonnigen Gemüt, seinem ansteckenden Humor, steckte eine Intensität, die ihm eine Heidenangst einjagte. Er würde sich nicht mit einem einmaligen Fick zufriedengeben, nein, der Mann wollte viel mehr - und das mehr konnte Diego ihm nicht geben. Hinzu kam noch die Tatsache, dass er vermutete, dass Sebastian kein Bottom war. Und egal, wie sein Magen auch flatterte, wenn er daran dachte, wie dieser Mann ihn in Besitz nehmen könnte ... Stopp! Vergiss es gleich wieder, Diego. Du liegst nicht unten. Nie!
Schweren Herzens beschloss er, sich Bastian ein für alle Mal aus dem Kopf zu schlagen. Sollte doch wohl nicht so schwierig sein, es gab ja genug Auswahl. Und schließlich suchte er nicht den Partner fürs Leben, sondern nur einen schnellen Fick. Mehr wollte er nicht! Niemals!
***
Zu dem Zeitpunkt, als Sebastian sein Haus betrat, war er körperlich und emotional so ausgelaugt, dass er alles für eine Abwechslung gegeben hätte. Doch nur Stille empfing ihn, als er die Haustür schloss und mit schweren Schritten ins Wohnzimmer ging. Ohne sich auszuziehen, plumpste er auf die Couch und lehnte den Kopf in den Nacken.
Er wusste nicht, wie viel Druck er noch ertragen konnte. Nach einer hitzigen Diskussion mit dem behandelnden Psychiater seiner Mutter hatte er schließlich zugestimmt, dass sie in Ausnahmesituationen - und nachts - fixiert werden durfte, um ihre eigene und die Sicherheit der anderen Patienten zu gewährleisten. Die Dosis ihrer Medikamente wurde ebenfalls erhöht.
Stöhnend sank Sebastian nach vorne. Es wollte ihm einfach nicht gelingen, die sanftmütige Frau von früher, die keiner Fliege ein Leid zufügte, mit dem keifenden Teufel in Verbindung zu bringen, die heute eine andere Patientin mit einem zerbrochenen Stuhlbein attackiert hatte.
In Momenten wie diesen wünschte er sich wirklich jemanden zum Reden, zum Anlehnen, einen Partner, der die Bürde mit ihm teilen würde. Samtbraune Augen und Haut wie Milchschokolade flackerten durch sein Bewusstsein, wie so oft in den letzten Wochen. Egal, was er auch anstellte, er bekam Diego Mahler einfach nicht aus dem Kopf. Verärgert stand er auf, ging zurück in den Flur, wo er hastig Jacke und Schuhe auszog. Der Mann, den er im Grunde nur flüchtig kannte, hatte mit einem einzigen Blick aus diesen dunklen Iriden ein Brandmal auf ihm hinterlassen, von dem er fürchtete, es nie mehr loszuwerden.
Tja, nur umgekehrt war das leider nicht der Fall. Der Barkeeper hatte sein Desinteresse nur allzu deutlich gemacht. Anfangs hatte Bastian ihre Kabbeleien noch genossen, gedacht, er müsse nur die Schale des anderen Mannes knacken. Aber rasch war ihm klar geworden, dass er sich an diesem wohl sein gesamtes Gebiss ausbeißen würde.
Hinzu kam, dass jedes Mal, wenn Sebastian ihn eingeladen und eine Ablehnung kassiert hatte, Diego später mit irgendeinem Twink verschwunden war. Ob er ihm damit nur vor Augen führen wollte, auf welchen Typ Mann er stand oder etwas ganz anderes kaschierte, konnte Bastian beim besten Willen nicht sagen. Er wusste nur, dass es wehtat. Nicht, dass er einen Anspruch auf den Barkeeper besaß, aber das kleine grünäugige Monster störte sich nicht an solchen Formalitäten.
Er sollte sich den Kerl einfach aus dem Kopf schlagen, dachte er müde, als er zwischen die Laken krabbelte. Vielleicht ein Hobby suchen. In den letzten Jahren hatte er so viel gearbeitet, die Firma aufgebaut, dass sein Privatleben irgendwie auf der Strecke geblieben war. Jetzt, wo Jo wieder eine Rolle in seinem Leben spielte, wurde ihm bewusst, wie sehr er seine alten Freunde vermisst hatte. Also, welchen Grund hatte er bitteschön zu jammern? Ein gutgehendes Unternehmen, Freunde, auf die er sich verlassen konnte, er war finanziell abgesichert und dennoch ... Hoffentlich war er mit Mitte dreißig noch nicht in der Midlife-Crisis, wundern täte ihn das allerdings auch nicht mehr. Sollte er morgen mal googeln, wenn er die Energie dafür aufbrachte - oder die Lust. Mit diesem Gedanken driftete er weg.
***
Müde schob Diego die letzten Gläser in die Spülmaschine, schloss die Tür und stellte sie an. „Vorne ist alles klar Schiff. Ich nehme den Müll mit raus, wenn du willst!“
Erschrocken machte er einen Satz weg von der Maschine und drehte sich wütend zu Nguyen um, der ihn unschuldig ansah. „Jesus! Musst du dich so anschleichen?“
Der vietnamesischstämmige Kellner betrachtete ihn von Kopf bis Fuß, klickte mit der Zunge und grinste frech. „Ich hab zweimal gerufen, ehe ich reingekommen bin. Vielleicht wird es Zeit, dass du dir ein Hörgerät besorgst, alter Knacker.“
Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte Diego den zierlichen Mann. „Nur, wenn ich dir mit deinem Krückstock den Hintern versohlen darf, Opi.“ Beide lachten. Dann legte Nguyen eine Hand auf sein Herz, verdrehte theatralisch die Augen und sagte todernst: „Das kann ich nicht verantworten. Ich möchte ja nicht, dass du einen Herzanfall erleidest bei so viel Aufregung. Und außerdem würde Bastian mir den Arsch verhauen - und nicht auf die angenehme Art - falls ich dich mit irgendeinem Körperteil von mir anfasse.“
Diego versteifte sich. „Was hat Sebastian damit zu tun?“ „Oh bitte.“ Nguyen sprang auf den großen Tisch, der mitten in der Küche stand, und ließ die Beine baumeln. „Das sieht man auch als Blinder mit einem Krückstock. Da läuft was zwischen euch. Komm schon, spann mich nicht so auf die Folter. Wie ist er in der Kiste?“
Heiß und kalt durchfuhr es ihn bei den Worten seines Kollegen. „Ich weiß es nicht.“ Aber ich würde es unheimlich gerne herausfinden. Nur leider geht das nicht. Sebastian Hellmann ist tabu!
Nguyens Mund klappte auf und imitierte einen Moment lang einen Fisch auf dem Trockenen. „Du verarscht mich gerade, oder? Du willst mir doch nicht ernsthaft weismachen, dass du an diesem absoluten Traumtypen kein Interesse hast?“
Ungläubig funkelten ihn die honigfarbenen Augen an. Ja, warum nimmst du ihn dir nicht, Diego. Weil er mir gefährlich werden könnte, darum. Feigling! „Wenn du ihn so toll findest, versuch du doch dein Glück“, schnappte er irritiert und wünschte sich die Worte im gleichen Augenblick zurück.
„Hab ich ja schon - ohne Ergebnis.“ Diego versuchte verzweifelt die Wut - und den Schmerz - die diese Worte auslösten, zurückzuhalten. Es gelang nicht. Scheiße! Es war hoffnungslos.
„Aber es ist ja nicht so, dass er der einzige tolle Kerl auf Erden ist. Hey, wieso kommst du heute Abend nicht mit ins ‚Darkside‘? Dann wirst du auch wieder lockerer.“ Stirnrunzelnd sah er seinen Freund an. Was wollte Nguyen denn in dem abgehalfterten Schuppen? „Nein, danke, kein Bedarf. Und wenn ich dir einen Rat geben darf? Du solltest da ebenfalls nicht hingehen.“
Mandelaugen blinzelten ihn verwirrt an. „Warum? Ist doch nur ein Gay-Club wie alle anderen. Man kann unverbindlich und schnell Spaß haben und ...“ „Nicht wie jeder andere Club. Im ‚Darkside‘ gibt es keine Security, niemanden, der sich daran stört, falls irgendetwas nicht ganz koscher ist. Du solltest zumindest nicht ohne Begleitung dort rumhängen.“
„Oh Mann, bist du mein Vater oder was? Und außerdem hatte ich nicht vor allein loszuziehen. Ich hab dich doch grad gefragt, ob du mitkommst oder?“ Nguyen rollte mit den Augen. „Hör zu, ich bin weg. Ich brauch meinen Schönheitsschlaf. Schick mir einfach eine SMS, wenn du Lust hast. Ich bin ab 21 Uhr dort. Ciao!“
Scheiße! Es sah wohl so aus, als ob er heute Abend etwas vorhatte. Aber vielleicht war das auch genau das Richtige. Er musste Sebastian endlich aus seinem System kriegen.
***
Samstag, 27.9.14
Diego verzog das Gesicht, als er den x-ten Twink in die Wüste schickte. Es war ein Fehler gewesen, ins ‚Darkside‘ zu gehen. Nervös hielt er nach Nguyen Ausschau, der bis eben auf der Tanzfläche den Jägern den Kopf verdreht hatte.
Ein lautes Grölen lenkte seine Aufmerksamkeit Richtung Darkroom und er sah gerade noch einen großen, schlanken Mann zu Boden stürzen. Im nächsten Augenblick drängte sich sein Freund durch die gaffende Menge und Diego kam ihm in höchster Alarmbereitschaft entgegen. „Was ist passiert?“, rief er über den tosenden Lärm der Musik.
Nguyen schüttelte den Kopf und zog an seinem Arm. „Lass uns bloß verschwinden. Für heute ist mein Bedarf an Arschlöchern gedeckt.“ Nur zu willig ließ er sich aus dem dunklen Club ziehen, nicht ohne kurz zurückzuschauen. Der Kerl, den der Kleine aufs Kreuz gelegt hatte, stand wieder und sah ihnen hinterher, machte allerdings keine Anstalten ihnen hinterherzukommen. Dennoch spürte er den Blick, der sie verfolgte, auch wenn das Gesicht des Typen im Schatten lag und nicht zu erkennen war.
Draußen hielt sein Freund nicht an und zog ihn direkt zur gegenüberliegenden Bushaltestelle, wo Diego sich schließlich von ihm löste und ihn aufmerksam ansah. „Raus mit der Sprache. Was war da los?“ Starr sah der beinahe einen Kopf kleinere Mann ihn an. „Ein Irrtum“, antwortete er tonlos. „Nur eine Verwechslung, nichts weiter.“
Das glaubte er keine Sekunde. Dafür wirkte Nguyen viel zu aufgewühlt. Er sah aus, als hätte er etwas sehr Wichtiges verloren. „Okay, Amigo, wie du meinst. Aber wenn du reden willst ...“ Nguyen winkte ab. „Nicht nötig, doch gegen ein bisschen Trost hätte ich nichts einzuwenden.“ Mit diesen Worten fasste der andere ungeniert in Diegos Schritt, was ihm wider Erwarten eine Gänsehaut bescherte. Trotzdem schob er die Hand seines Freundes behutsam beiseite. Auch wenn sie schon öfters miteinander im Bett gelandet waren, ihm stand heute nicht der Sinn nach bedeutungsloser Vögelei. Bereits seit langem nicht mehr, wenn er ernsthaft darüber nachdachte.
„Sorry, Kleiner, kein Interesse. Komm, ich ruf ein Taxi und wir teilen uns die Kosten.“ Kurz glaubte er so etwas wie Enttäuschung in der Miene des jungen Mannes zu erkennen, aber dann zwinkerte Nguyen ihm zu. „Dein Verlust, Amigo.“
Während sie auf das Taxi warteten und angeregt plauderten, wurde Diego das Gefühl nicht los, dass jemand sie beobachtete. Doch ein unauffälliger Rundumblick zeigte ihm keine auffälligen Schatten. Auch vor dem ‚Darkside‘ war keine Menschenseele zu sehen. Vermutlich war er einfach überlastet. Er arbeitete seit dem Umbau beinahe nonstop, wollte Jo beweisen, dass er sich hundertprozentig auf ihn verlassen konnte. Ja klar rede dir das nur weiter ein. Du arbeitest so viel, damit du Sebastian so oft wie möglich siehst und ihn gleichzeitig auf Abstand halten kannst.
Diego war klar, dass ihr Spiel sich langsam dem Ende zuneigte. Einer von ihnen musste irgendwann nachgeben. Und er hatte das untrügliche Gefühl, dass es nicht Bastian sein würde.