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Vom Mangel und vom Überfluss: Das Trinkwasser

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Wasser ist der Anfang von allem, wusste bereits Thales (um 624–546 v. Chr.), einer der sieben Weisen. Richtig ist, dass Wasser für die Entstehung des ersten Lebens von entscheidender Bedeutung war, was heute noch sichtbar ist: Der menschliche Körper besteht zu drei Vierteln aus Wasser wie auch ein Großteil seines Lebensraums: 70 Prozent der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt. Das macht die Erde aus dem Weltall betrachtet zum „blauen Planeten“, einem einzigartigen Lebensraum, wie es ihn in unserem Sonnensystem nur einmal gibt.

Wasser ist ein ganz besonderer Stoff, was angesichts seines großen Vorkommens immer wieder vergessen wird: Gebaut aus zwei Atomen Wasserstoff und einem Atom Sauerstoff, verändert es seinen Aggregatzustand je nach Temperatur. Bei null Grad Celsius gefriert es zu Eis und geht bei 100 Grad Celsius in Wasserdampf über. Zwischen Gefrier- und Siedepunkt ist es flüssig. Wasser ist zudem nicht einfach gleich Wasser: Nur ein verschwindend geringer Teil der riesigen Wassermengen auf der Erde, knapp drei Prozent, sind Süßwasser. Davon ist der größte Anteil (69 Prozent) an den Eiskappen am Nord- und Südpol und in Gletschern der Gebirge gebunden. Doch was in Seen und Flüssen an Süßwasser bleibt und was der Regen an trinkbarem Nass bringt, ist theoretisch mehr als genug, um den Bedarf an Trinkwasser zu decken.

Lebenselixier Wasser

Je nach geographischer Lage wird Wasser aus Grund-, Oberflächen- (Seen, Rieselanlagen) oder Regenwasser gewonnen. Bei Grundwasser unterscheidet man je nach Herkunft zwischen Quellwasser und Uferfiltrat. Die Qualität des Trinkwassers wird nach der sensorischen, chemischen und bakteriologischen Beschaffenheit bewertet.

Trinkwasser steht jedoch nicht überall auf der Welt in gleicher Menge zur Verfügung. Das hat die Geschichte der Menschheit zutiefst geprägt: Das „Wasserwesen“ Mensch ist auf eine regelmäßige Aufnahme von Wasser angewiesen. Sinkt der Wassergehalt zu sehr, gerät der menschliche Stoffwechsel durcheinander. Bereits bei einem Wasserdefizit von einem halben Prozent des Körpergewichts verspürt man Durst. Bei fünf Prozent tritt leichtes Fieber ein, bei acht Prozent bilden die Drüsen keinen Speichel mehr und die Haut färbt sich blau; bei zehn Prozent kann der Mensch nicht mehr laufen und bei zwölf Prozent schwebt er in Lebensgefahr. Die tägliche Aufnahme von Wasser ist für den Menschen deshalb unabdingbar. Das gibt Trinkwasser im Unterschied zu allen anderen Getränken eine Sonderstellung: Wasser ist lebensnotwendig. Wir müssen Wasser trinken, um nicht zu verdursten.

Wasser hat den Gang der Geschichte nachhaltiger beeinflusst als jedes andere Getränk. An Orten, an denen Wasser knapp war, wo die Suche nach Trinkwasser zu einer langwierigen und zeitraubenden Angelegenheit wurde, ist in der Regel keine hochentwickelte Zivilisation entstanden. Die bedeutenden Hochkulturen – in Ägypten, Mesopotamien, China – bildeten sich alle in der Nähe wichtiger Flüsse heraus. Plakativ gesagt: ohne Wasser keine Kultur, ohne Wasser keine Macht. Rein mengenmäßig spielte die Bewässerung dabei die Hauptrolle, denn sie sicherte eine Landwirtschaft, die reiche und regelmäßige Ernten abwarf. Die Versorgung mit Trinkwasser war vom Umfang weniger wichtig, aber wenn sie zusammenbrach, wurde jeder noch so hoch technisierten Zivilisation wieder bewusst: Durst kommt vor Hunger.

Wasserversorgung in der Antike

Mit der Zivilisation tat sich ein Teufelskreis auf: Die ersten Hochkulturen waren Stadtkulturen; viele Menschen lebten auf engstem Raum zusammen. Zivilisationsmüll, Abfall und Fäkalien wurden bald zu einem Problem. Gewässer wurden verschmutzt, Trinkwasser ungenießbar oder mit gefährlichen Stoffen – Krankheitserregern, Giften, Schwermetallen – angereichert, die Krankheiten und Epidemien auslösen konnten. Typhus, Ruhr und Cholera, aber auch Bleivergiftungen waren typische Zivilisationskrankheiten. Die Geschichte des Trinkwassers ist deshalb auch eine Geschichte der Seuchen.

Besonders hohen Risiken war das Leben in der Stadt unterworfen. Hier starben in der Summe mehr Menschen an Krankheiten oder Seuchen, die durch verschmutztes Trinkwasser übertragen worden waren, als in allen kriegerischen Konflikten zusammen.

Im antiken Rom war man sich der Gefahren durch verseuchtes Trinkwasser bewusst und verstand es, die auftretenden Probleme in einer Weise zu lösen, wie es erst der modernen Industriegesellschaft wieder möglich sein sollte. Nachdem die Römer das Wasser jahrhundertelang aus dem Tiber, aus Schöpfbrunnen oder Quellen entnommen hatten, markierte das Jahr 312 v. Chr. einen entscheidenden Wendepunkt in der römischen Wasserversorgung. In diesem Jahr ließ der censor Appius Claudius Caecus die erste Wasserleitung Roms erbauen: Die Aqua Appia brachte Wasser von sehr guter Qualität aus den Quellen im Tal des Anio nach Rom, rund 73 000 Kubikmeter pro Tag.

Beeindruckt von der technischen Meisterleistung der Wasserversorgung in Rom, schreibt bereits Plinius d. Ä. (ca. 23–79):

Doch wer die Fülle des Wassers sieht, das so geschickt in die Stadt geleitet wird, um öffentlichen Zwecken zu dienen – Bädern, Häusern, Rinnsteinen, Vorstadtgärten und Villen; wer die hohen Aquädukte betrachtet, die erforderlich sind, um die richtige Beförderung zu garantieren; wer an die Berge denkt, die deshalb durchstoßen, und die Täler, die aufgefüllt werden mussten, der wird zugeben, dass der Erdkreis nichts Bewunderungswerteres aufzuweisen hat.1

Insgesamt wurden bis in das Jahr 226 n. Chr. elf Wasserleitungen gebaut, die alle Teile der Stadt mit Wasser versorgten. Man geht davon aus, dass Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. bereits ein Wasserdargebot von rund 600 000 Kubikmetern Frischwasser täglich zur Verfügung stand – bei damals rund einer Million Einwohner ergibt das die stattliche Pro-Kopf-Menge von 600 Litern.2 Zur Zeit der Plünderung Roms durch die Goten im Jahre 410 n. Chr. versorgten die elf Wasserleitungen, die teils unterirdisch und teils oberirdisch über Aquädukte geführt wurden, 1212 Brunnen, elf große kaiserliche Thermen und 926 öffentliche Bäder in der Weltstadt.

Wasser war für die Bevölkerung kostenlos. Teuer bezahlt werden musste dagegen für die Konzession privater Anschlüsse – auch eine Wasserzuleitung zu Privathäusern mussten die jeweiligen Eigentümer selbst finanzieren. Die Mehrzahl der Römer holte sich das Wasser aus Becken oder Laufbrunnen, die so flächendeckend angelegt waren, dass sich der nächste Brunnen in der Regel in einem Umkreis von 200 bis 250 Metern fand. Wer das Wasser nicht selbst holen konnte oder wollte, der nahm die Dienstleistung eines so genannten aquarius, eines Wasserträgers, in Anspruch.

Trinkwasser im Mittelalter

Das Mittelalter konnte nicht an dieses hohe Niveau anknüpfen. Die Wasserversorgung funktionierte weitgehend über Schöpf- oder Ziehbrunnen. Sie waren schachtartig in den Untergrund eingelassen und enthielten Sicker- oder Grundwasser. Von diesen Nutzbrunnen gab es Tausende in mittelalterlichen Städten. Sie bestimmten die Wasserversorgung – freilich in technisch abgeänderter Form – bis weit in das 19. Jahrhundert hinein.

Während der Großen Pest in Europa im Jahr 1347/48 wurde eine Reihe dieser Schöpfbrunnen in aller Eile zum Schutz vor vermeintlichen Brunnenvergiftern übermauert und mit einem schmalen Zugang versehen, der nachts verschlossen gehalten werden konnte. Als besonders gefährdet galten Schöpfbrunnen, die auf Straßen und öffentlichen Plätzen standen und für jedermann zugänglich waren. Die Angst vor einer Brunnenvergiftung als Quelle einer Epidemie ist alt. Der griechische Geschichtsschreiber Thukydides (ca. 455–400 v. Chr.) führte das Auftreten einer schweren Seuche in Attika auf sie zurück, und auch die Kreuzritter sahen die Ursachen für die nicht abreißen wollenden Epidemien im Heiligen Land in dem Brunnenwasser, das von den Sarazenen angeblich vergiftet worden sei. Im Jahr 1313 bezichtigte man in Frankreich die Aussätzigen der Brunnenvergiftung und verbrannte sie auf Befehl König Philipps des Schönen (1268–1314) im ganzen Land. Als man die Juden anklagte, die Brunnen zu vergiften, weil sie damit die gesamte Christenheit vernichten wollten, folgten auf die ersten Pesttoten im Jahr 1348 die Lynchmorde an Juden. Den Gegenbeweis vermochten die Verfolgten nicht anzutreten, denn für eine objektive Beurteilung der Wasserqualität fehlten sowohl maßgebende Kriterien als auch verlässliche Prüfmethoden.

Maßnahmen gegen Verunreinigungen des Trinkwassers

Systematische bakteriologische und chemische Analyseverfahren, wie sie heute gebräuchlich sind, waren in früheren Jahrhunderten noch unbekannt. Trinkwasser wurde nach Herkunft, äußerem Erscheinungsbild, Geschmack und Wirkung auf den Menschen unterschieden und in bestimmte Kategorien eingeteilt.

In diesem Zusammenhang schrieb der sächsische Arzt Georgius Agricola (1494–1555), einer der bedeutendsten Naturforscher der Frühen Neuzeit, in seinem vierbändigen Werk Über die Natur der Dinge, die aus der Erde hervorquellen (1545):

Vier Sinne hat die Natur dem Menschen gegeben, mit denen man die Mischungen der Wässer aufnehmen und über sie urteilen kann, Gesicht, Geschmack, Geruch und Tastsinn. Die meisten nimmt man mit den Augen wahr, viele mit der Zunge, mit der Nase dagegen nur wenige, mit dem Tastsinn in der Regel nur die durch Einwirkung von Wärme und Hitze gekennzeichneten.3

Agricola gab daher einem Brunnen- oder Quellenprüfer den Rat, nicht nur das Wasser zu kosten, sondern auch den Bodensatz zu prüfen:

Wenn sich nichts abgesetzt hat, dampft er das Wasser ab; wenn es verdampft ist, betrachtet, kostet, verbrennt, beriecht er das, was am Boden des Gefäßes sich gesetzt hat, und pflegt alles auf das Genaueste zu untersuchen.4

Als Trinkwasser nahm man mit Vorliebe kühles, sauerstoffreiches Wasser. Dabei wurde darauf geachtet, dass es aus Fließgewässern, also aus Quellen und Wasserläufen kam. Sofern das Wasser Trübungen aufwies, ließ es sich im Notfall je nach Art der Verunreinigung durch Belüften, durch Filtern oder einfach durch Stehenlassen in Absetzbecken reinigen. Im Orient geschah dies unter Zugabe von Mandelkernen. In den südlichen, wasserarmen Gebieten wurde das Regenwasser in Zisternen gesammelt und durch Sandfilter gelassen. Am sichersten war es, sich auf Erfahrungswerte zu verlassen. Eine erfrischende Quelle, ein sauberer Bach war den Ansässigen bekannt und gerne suchte man solche Orte auf oder siedelte sich in unmittelbarer Nähe an. Berggebiete ganz allgemein waren für ihren Reichtum und ihre Wasserqualität bekannt. „Doch beym Dreyschlatt da hat es das herrlichste Quellwasser; und wir in unserm Haus und Scheur aneinander hatten einen Brunnen, der nie gefror“5, wusste Ulrich Bräker (1735–1798), der weit über seine Heimat bekannte „arme Mann aus dem Toggenburg“, stolz zu verkünden.

Aus bakteriell verunreinigtem Wasser lässt sich durch Abkochen oder durch Zugabe von Mitteln, die aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung und ihres Säuregehaltes eine keimtötende Wirkung besitzen, Trinkwasser machen. Der Nürnberger Arzt Hermann Schedel (gest. 1485) empfahl neben Abkochen die Zugabe von saurem Apfelwein oder Berberitzensirup sowie den Verzehr von Knoblauch, Zwiebeln oder mit Essig versetztem Lattich.

Wer es sich leisten konnte, „neutralisierte“ das Wasser mit Wein. In München wie in anderen Städten war das Wasser bis weit ins 19. Jahrhundert derart schlecht, dass man Besucher vor dem Genuss warnte. Als Gottfried Keller (1819–1890) im April 1840 nach München kam, um Landschaftsmaler zu werden, wurde ihm gesagt, er solle sich ans Biertrinken halten, um dem Unterleibstyphus, der fast jeden Neuankömmling befalle, zu entgehen. Der trinkfreudige Zürcher befolgte diesen Rat nur allzu gern, erkrankte jedoch trotzdem bereits im August an „Schleimfieber“ (d. h. Typhus), dem er aber glücklicherweise nicht erlag.

In den Städten, ob groß oder klein, war die Wasserversorgung wie die Abwässerbeseitigung ein elementares Problem. Im Mittelmeergebiet legte man lange Wasserleitungen, die klares (Berg-)Wasser zu den Städten brachten. Aber da das Grundwasser in der Regel verseucht war, blieben die Brunnen weiterhin gefährlich und „wassergeborene“ Krankheiten wie Typhus oder Cholera an der Tagesordnung. Eine Verbesserung habe, so meint der französische Historiker Pierre Chaunu (1923), das Teetrinken gebracht. Es habe einen Rückgang der Sterblichkeit zur Folge gehabt, weil für die Zubereitung von Tee das Wasser abgekocht werden musste und damit Infektionskeime abgetötet wurden.

Der Breslauer Botaniker Ferdinand Cohn (1828–1898) erforschte die in verschmutzten Gewässern und in Abwässern auftretenden Organismen systematisch, unter anderem im Jahr 1852 während der Cholera-Epidemie in Breslau. Gesicherte Erkenntnis, dass Mikroorganismen Epidemien hervorrufen konnten, erlangte man jedoch erst mit den Experimenten, die Robert Koch (1843–1910) durchführte. Was früh im Zusammenhang mit anderen Seuchen erahnt worden war, erhielt nun eine klar fassbare Ursache: Mikroorganismen im Trinkwasser sind keine harmlose Zutat wie eine Made in einer Pflaume. Die Trinkwasserreinigung wurde in der Folge zu einem wichtigen Instrument gegen die Ausbreitung von Seuchen.

Fließendes Wasser: bequemer Direktanschluss

Während sich in hygienischer und seuchenprophylaktischer Hinsicht im späten 19. Jahrhundert eine eigentliche Revolution vollzog, fand man hinsichtlich des Komforts erst jetzt wieder den Anschluss an die Antike. Die Versorgung mit fließendem Wasser brach sich in den städtischen Zentren langsam Bahn. Die Entwicklung vollzog sich nicht überall mit dem gleichen Tempo. Noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ruhte in Paris die Wasserversorgung noch immer buchstäblich auf den Schultern der rund 20 000 Wasserträger.

Bis zum Jahr 1848 waren rund 5300 Häuser an das rudimentäre städtische Wasserleitungsnetz angeschlossen. Es war eine Bequemlichkeit, die ihren Preis hatte und die sich nur die Wohlhabenderen leisten konnten. Erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts setzte sich das „l’eau-à-l’étage“ in Paris durch. Die Versorgung mit fließendem Wasser brachte eine Verhaltensänderung mit sich: Das ehemals kostbare Nass wurde stärker verbraucht, weil es mit weniger Aufwand und geringeren Kosten zu bekommen war. Rasch wurde Wasser zu einem profanen Verbrauchsgut. Diese Entwicklung hat sich stetig gesteigert. Heute geht die moderne Industriegesellschaft mit Wasser äußerst verschwenderisch um: Zum Duschen, zum Waschen und zur Spülung der Toilette wird bedenkenlos Trinkwasser gebraucht, das in der Regel in Kläranlagen aufwendig gereinigt wird. Im Schnitt verbraucht ein Europäer zwischen 130 und 170 Liter Trinkwasser pro Tag. Der gedankenlose Verbrauch ist das Eine, die gedankenlose Verschmutzung das Andere. Besonders viel Wasser verbraucht die Landwirtschaft, die einen Großteil des Süßwassers für sich beansprucht und gleichzeitig mit einem immer noch zu hohen Einsatz von Pestiziden das Grundwasser verseucht.

Wasserträger in Paris

„In Paris kauft man das Wasser“, berichtet der französische Schriftsteller Louis Sébastien Mercier (1740–1814) in seiner Pariser Stadtgeschichte. „Die öffentlichen Brunnen sind so selten und so schlecht instand gehalten, dass man auf das Flusswasser zurückgreift. Kein Bürgerhaus ist mit ausreichendem Wasser versorgt. Zwanzigtausend Wasserträger steigen von morgens bis abends mit zwei Eimern vom ersten bis zum siebten Stockwerk und manchmal noch höher; die Tracht Wasser kostet sechs Liards oder zwei Sols. Wenn der Wasserträger kräftig ist, macht er den Gang dreißigmal am Tag.

Ist der Fluss trübe, trinkt man trübes Wasser. Man weiß nicht genau, was man da schluckt; aber man trinkt immerhin: Demjenigen, der es nicht gewöhnt ist, entkräftet das Seine-Wasser den Magen. Den Fremden bleibt fast nie die Unpässlichkeit einer leichten Diarrhö erspart; sie könnten sie aber vermeiden, wenn sie als Vorsichtsmaßnahme einen Esslöffel guten weißen Essigs jedem Schoppen Wasser beimengten.“6

Von der Verschlechterung der Trinkwasserqualität hat vor allem die Mineralwasserbranche profitiert. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Ein Italiener trank 2003 im Jahr durchschnittlich 203, ein Franzose 149, ein Deutscher 129, ein Schweizer 110 und ein Brite 34 Liter Mineralwasser. Die Popularität der Mineralwässer ist ein globales Phänomen: Weltweit gibt es rund 3000 Marken, und die großen Nahrungsmittelkonzerne kämpfen verbissen darum, ihren Absatzmarkt stetig zu vergrößern.

Mineralwasser und andere Wässer

Die besonderen Anforderungen an Mineralwasser sind seine natürliche Reinheit und sein ernährungsphysiologischer Wert. Diese Kriterien müssen wissenschaftlich belegt und amtlich anerkannt sein. Sie hängen letztlich von der Art und Menge der gelösten Stoffe und die wiederum von der geologischen Eigenart der Quellregion ab. Ein weiteres Merkmal ist die Kohlensäure: In Deutschland wird allgemein stark kohlensäurehaltiges Mineralwasser (6–9 g Kohlensäure pro Liter) bevorzugt. Für Quellwasser gelten nicht so strenge Reinheitsanforderungen wie für Mineralwasser; ernährungsphysiologische Eigenschaften werden nicht berücksichtigt. Bei Tafelwasser handelt es sich um eine Art, nachgemachtes‘ Mineralwasser: Normalem Trinkwasser werden Mineral- und Kochsalze zugegeben.

Mineralwässer und andere Getränke

In früheren Zeiten wurden Mineralwässer direkt an den Kurorten, die sehr häufig auch Badeorte waren, getrunken. Im 18. Jahrhundert begann man damit, die Qualität der Mineralwässer chemisch zu analysieren, um ihren medizinischen Nutzen fassen zu können. Wusste man einmal, welche Inhaltsstoffe die Wässer enthielten, war es ein kleiner Schritt, Mineralwasser auch auf künstlichem Weg herzustellen. Joseph Priestley (1733– 1804), dem bedeutenden englischen Chemiker, gelang es, Wasser mit Sauerstoff anzureichern. 1772 publizierte Priestley eine Schrift mit dem Titel Impregnating Water with Fixed Air. Das Sodawasser war erfunden, dessen kommerzielle Nutzung jedoch andere übernahmen. Johann Jacob Schweppe (1740– 1821) erfand 1765 einen Apparat, der normales Wasser zu Sprudel machte. 1783 gründete er zunächst in Genf, dann in der Drury Lane in London seine Fabrik zur Herstellung von Sodawasser. Heute gehört Schweppes wie Coca-Cola zu den meist verbreiteten Getränken in Europa und der Welt.

Schweppes und Malaria

Die Bezeichnung „Indian Tonic Water. Limonade, chininhaltig“ auf jedem Schweppes-Tonic-Water-Etikett weist auf Schweppes geniale Idee hin, die damals zur Malariaprophylaxe benutzte, aber lästige Chinintablette in etwas Limettensaft und Tonic Water aufzulösen. Die in Indien stationierten Kolonialoffiziere nahmen das Getränk begeistert an. Schon bald erwies sich das Getränk im ganzen Commonwealth als enormer Erfolg. Schweppes gelang es sogar königlicher Hoflieferant zu werden.

Dass Mineralwasser direkt in den verschiedenen Badeorten getrunken wurde, hatte eine einfache Bewandtnis: Das Abfüllen in Glasflaschen war lange Zeit die Ausnahme und nicht die Regel, der Transport über weite Strecken eine logistische Herausforderung. Wenn wir uns heute Getränke in ganz bestimmten Behältnissen vorstellen, die wir überall mitnehmen können, so vergessen wir darüber, dass die Verpackung eine junge Geschichte hat. Dies trifft in einem doppelten Sinn zu: Einerseits wird in der modernen Konsumgesellschaft eine Verpackung häufig nur einmal benutzt. Die Dose Cola oder die Kunststoffflasche (PET-Flasche bzw. die Polyethylenterephthalat-Flasche) landet einfach im Abfall. Andererseits hat erst die Industriegesellschaft die billige und massenhafte Verpackung möglich gemacht. Im Mittelalter, wo Fensterglas ein Luxus war, wäre die Trinkflasche aus Glas eine Sensation gewesen. Auch der Wein wurde in Fässern gelagert. Erst Rohstoffknappheit führte dazu, dass Wein in Flaschen abgefüllt wurde: In England war nämlich Holz aufgrund des Raubbaus knapp geworden, und man verlegte sich darauf, den Wein in Flaschen einzukellern. Nur langsam machte man aus der Not eine Tugend: Glasflaschen sind relativ schwer und können leicht zerbrechen, der Transport war deshalb ein heikles Geschäft. Aber auf die Dauer setzte sich die Glasflasche nicht nur in England bei Wein und anderen Getränken durch, sondern auch im restlichen Europa. Dabei spielte die Ästhetik eine immer wichtigere Rolle. Das erklärt auch, warum das durchsichtige Weinglas im 16. Jahrhundert den irdenen Becher oder den Pokal aus Metall zu ersetzen begann. Man wollte sehen, was man trank, zumal die Farbe des Weines viel über seine Güte verraten konnte. Weil dem Mineralwasser die Farbe fehlte, musste es sich in anderer Form der Ästhetik unterwerfen. Die Flaschenform sollte in erster Linie zum Verkauf animieren: Der Inhalt hatte sich über die Verpackung zu verkaufen. Die grüne bauchige Perrier-Flasche bietet das klassische Beispiel, die Cola-Flasche die Vollendung dieser Marketingstrategie.

Coca-Cola: Ein Süßgetränk erobert die Welt

Coca-Cola ist zum Symbol des westlichen Lebensstils geworden. Um das koffein- und kohlensäurehaltige Süßgetränk ranken sich zahllose Legenden. John Stith Pemberton (1831– 1888), ein Pharmazeut aus Atlanta, braute aus Wein, Kolanüssen, Damiana und einem Extrakt aus den Blättern der Kokapflanze einen Sirup als Mittel gegen Müdigkeit, Kopfschmerzen und Depressionen, das er Pemberton’s French Wine Coca nannte. Mit Sodawasser gemischt wurde der Sirup erstmals am 8. Mai 1886 als Medizin in Jacob’s Pharmacy in Atlanta für 5 Cent pro Glas verkauft. Zufälle, geschicktes Marketing, Zeitgeschmack und das wirtschaftliche und soziale Umfeld machten aus Coca Cola ein Volksgetränk. In Amerika verdankt Coca Cola seinen Siegeszug nicht zuletzt der Prohibition, die den Alkohol in den Untergrund verbannte. Den endgültigen Durchbruch brachte dann der Zweite Weltkrieg.

„Mobiles“ Wasser hätten sich die Seeleute gewünscht. Auf langen Schifffahrten stellte die Versorgung mit Trinkwasser ein großes logistisches Problem dar, denn Meere sind eigentliche Wasserwüsten. „Water, water everywhere, nor any drop to drink“, schrieb Coleridge in the Rime of the Ancient Mariner.7 Auf hoher See zu verdursten ist nicht selten vorgekommen, und so war die Mitnahme von genügend Trinkwasser unabdingbar. Einige der großen portugiesischen Schiffe waren mit hölzernen Behältern ausgerüstet, die bei schlechtem Wetter leicht mit Regenwasser gefüllt werden konnten. Die meisten europäischen Schiffe benutzten jedoch Fässer zur Aufbewahrung ihres Wasservorrates. Wasser in Fässern neigt jedoch dazu, rasch schlecht zu werden. Die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durchgeführten wissenschaftlichen Seeexpeditionen suchten die Trinkwasserversorgung mit Hilfe von Destillationsapparaten zu sichern.

Durch die Filtration von Seewasser durch einen Sand- oder Schotterfilter und eine nachträgliche chemische Behandlung mit Knochenasche, Silbernitrat oder pulverisierter Kreide schmeckte das Wasser jedoch so ekelhaft, dass sich die Leute weigerten, es zu trinken. James Lind (1716–1794), der große Pionier in der Bekämpfung von Skorbut, entwickelte schließlich einen Apparat, mit dem aus 256 Litern Seewasser in fünf Stunden 193 Liter Trinkwasser gewonnen werden konnten. James Cook führte auf seiner zweiten Reise um die Welt (1772–1775) eine verbesserte Version dieses Destillationsapparates mit sich. Aber selbst jetzt vermochte man damit nur einen geringen Teil des benötigten Trinkwassers zu produzieren. Erst mit dem Aufkommen der Dampfschiffe gelang es, Vorrichtungen einzubauen, die die geforderten Leistungen erbringen konnte. Seit 1881 gehörten sie auf englischen Schiffen zum Standard.

Die Gewinnung und Verteilung von sauberem Trinkwasser ist in den Industriestaaten gesichert. Weltweit gesehen ist sauberes Trinkwasser hingegen bereits heute ein äußerst rares Gut. Dieser Trend wird sich verstärken. Es scheint sicher, dass künftige kriegerische Konflikte immer häufiger auch um Wasser geführt werden. Lebensspendendes Wasser zu besitzen bedeutet damals wie heute Macht.

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