Читать книгу Morde und andere Gemeinheiten - Daniel Juhr - Страница 6

Die Vernehmung

Оглавление

Einführung: Paula und wie sie die Welt sieht

„Hör mal, haste das gelesen?“ Paula Petrova stellt den Putzeimer beiseite, der Boden hinter der Rezeption im Waldhotel ist jetzt langsam mal sauber genug, findet sie, und hält Ulla die Zeitung hin. Ulla macht heute auch hier sauber, wie jeden Mittwoch.

„Da, in Radevormwald. Da hört einer Schreie in der Wohnung der Nachbarin, tritt deren Tür ein, und da liegt der Vater von der armen Frau blutüberströmt in der Bude. Haste dafür Worte?“

Ulla zuckt die Schultern. „Kommt vor, woll.“

Paula kann es nicht fassen. „Wie, kommt vor? Jetzt stell du dir doch bitte mal vor, du besuchst den Hans von gegenüber …“

„Wie käm ich dazu, den Hans von gegenüber zu besuchen?“

„ … und dann liegt da ein Toter! Warte, vielleicht weiß man ja schon, ob es ein Mord war. Ah, guck, die haben natürlich die Beteiligten direkt nach der Tat alle vernommen. Mal sehen …“

Die Geschichte

Was haben Sie von dem Vorfall in der Wohnung von Frau Hermann mitbekommen, Herr Fuchs?

Ich war gerade mal eine halbe Stunde zu Hause und wollte einfach nur mal meine Ruhe haben. Hatte einen Stresstag, wissen Sie. LKWs ein- und ausladen im Hochsommer. Meine Kinder waren noch in der Grundschule in der Stadt, und meine Frau würde jeden Moment von der Arbeit zurück kommen. Ich sitze also auf der Couch, als unten in der Wohnung von den Hermanns ein furchtbares Geschrei losgeht. Der Alte schreit. Verdammt, denke ich, springe auf, stürze fast die Treppe hinunter. Wissen Sie, wir wohnen einen Stock höher. Ich bin schnell da und frage mich: Soll ich klingeln oder gleich die Tür eintreten? Innen höre ich ein furchtbares Geschrei. Da habe ich zugetreten. War mir in dem Moment egal. Ich laufe dahin, wo die Schreie aufhören. Dort liegt der Alte. Überall Blut. Da sehe ich sie. Ihre Augen haben solche Angst. Da heule ich nur noch: „Was hast Du getan? Was hast Du nur getan?“ Nein, ich schreie das.

Frau Fuchs, Sie sind dann dazu gekommen. Was genau haben Sie denn beobachtet?

Ich sehe das alles noch genauso vor mir, als ob es gestern gewesen wäre. Ich parke vor unserer Tür auf der Grabenstraße und schon beim Aussteigen höre ich ein fürchterliches Geräusch in unserem Haus, und dann schreit mein Mann irgendwas, was ich nicht verstehen kann. Da ist etwas Schlimmes zugange, wird mir sofort klar. Ich renne zu unserer Haustür und schließe sie zitternd auf, laufe die paar Stufen hoch, und da sehe ich auch schon die eingetretene Türe. Es ist inzwischen ganz still. Ich gehe durch die Tür, und da sehe ich meinen Mann und die Frau Hermann, unsere Mieterin. Ihr Vater liegt tot auf dem Boden. Blut überall. So viel Blut, dass mir schlecht wird und ich raus will. Aber ich kann nicht rausrennen, weil Wolfgang da ist. Was um Himmels Willen ist da passiert? Er sagt nichts. Schaut mich nur mit ganz leeren Augen an, vor denen ich Angst bekomme. Dann kann ich nicht anders. Ich schreie gegen diese Stille an: „Was ist hier los, Wolfgang?“ Und er schreit voller Verzweifelung, dass ich nach oben gehen und die Polizei anrufen soll. Und da wird mir klar, dass da ein Mord passiert ist. Ich konnte das überhaupt nicht fassen, dass mein Mann ein Mörder sein soll. Konnte das nicht fassen.

Warum sind Sie mit dem Brotmesser auf Ihren Vater losgegangen, Frau Hermann?

Seit ich ein Kind bin, denke ich darüber nach, ihn mit unserem Brotmesser in den Rücken zu stechen. Ich habe ihn mal gefragt, wo denn „Heide“ in Radevormwald liegt. Da wohnte damals eine Klassenkameradin von mir, die ich besuchen wollte. Damals wusste ich nicht genau, wo das ist. Er grinste mich nur an und sagt, dass das in der Lüneburger Heide liegt. Viel zu weit weg. Da könnte ich nicht hin. Ich solle gefälligst hier bleiben und meine Hausaufgaben machen. Da wusste ich sofort, dass er mir damit nur sagen wollte, wie dumm ich doch eigentlich bin.

Ich habe mich so lange zusammengerissen, aber das Band zwischen uns ist so dünn geworden, dass es gerissen ist. Ich konnte ihm einfach nicht mehr zuhören. Seine Worte waren nur noch Schmerz.

Ich stehe hinter ihm und steche zu. Eine aberwitzige Sache ist das mit dem Brotmesser. Er schreit mich an „Du blöde Kuh“ und was das solle. Selbst als er stirbt, hat er nur solche Worte für mich. So ist er. Er findet einfach keine lieben Worte. Nie. Kein einziges Mal hat er mich mit Worten lieb gehabt. Da habe ich so lange zugestochen, bis die Klinge abgebrochen ist. Und dann weiß ich noch, wie es laut gegen die Tür rumste und der Herr Fuchs hereinkam. Was ich da getan hätte, hat er mich gefragt und hat geheult. Und da standen wir beide, und ich konnte den Mann doch nicht in den Arm nehmen, der mir das Liebste auf der ganzen Welt ist. Ich war doch so voller Blut. Ich hätte ihn so gerne in den Arm genommen. Da habe ich auch angefangen zu weinen, und dann stand seine Frau plötzlich in der Tür.

Was für ein Verhältnis haben Sie zu Frau Hermann, Herr Fuchs?

Die Frau Hermann ist meine Blumenfrau. Das überrascht Sie, nicht wahr? Wegen ihres Balkons. Der ist völlig verwildert. Ich kenne das Grünzeug nicht, was da wächst. Bäume, die sich selbst ausgesät haben - so viele wie ein kleiner Wald. Sie strecken ihre Baumkronen bis zu unserem Balkon hoch. Unkraut wächst da, das blüht ganz bunt. Hängende Erdbeeren und Tomaten, die sich wild zu meinem Balkon hochziehen. Und schön sieht sie aus, meine Blumenfrau, wenn sie so da steht, wenn wir miteinander sprechen, während ich den Müll rausbringe und ich nicht von ihr weg will.

Als ich meine Sterilisation hatte, war sie die einzige Frau – außer meiner Frau natürlich – der ich davon erzählt habe. Der ich davon erzählen konnte. Ich bin danach mit so dicken Eiern rumgelaufen wie Django. Da hat sie mich gefragt, was mit mir sei. Beinahe hätte ich sie gefragt: „Wollen Sie mal die Schnitte sehen?“, aber das ging ja nicht. Aber vor ihr hätte ich mich nicht geniert. Nee, vor ihr nicht.

Warum haben Sie denn gedacht, dass Ihr Mann der Mörder ist, Frau Fuchs?

Bei mir lief sofort ein Film ab. Der brennt mit ihr durch und lässt mich allein. Ich weiß das schon lange, dass er sie liebt. Wissen Sie, wie sich das anfühlt, wenn der Mann, mit dem Sie verheiratet sind, mit dem Sie zwei Kinder haben, nur noch Augen hat für Ihre Mieterin?

Erst ganz langsam habe ich begriffen, dass die Tür eingetreten war und die Frau Hermann ja voller Blut war. Erst dann wurde mir klar, dass Wolfgang damit nichts zu tun hat, dass Wolfgang unschuldig ist. Dass sie es ist, die in den Knast wandert. Dass Wolfgang bei mir bleibt und bei den Kindern. Da habe ich das erste Mal wieder geatmet, glaube ich. Ich meine, so durchgeatmet.

Wie war denn das Verhältnis zwischen Frau Hermann und Ihrem Vater, Herr Fuchs?

Über den hat sie nie viel geredet. Nur über ihre Mutter, die vor ein paar Jahren gestorben ist. Seitdem lebte sie hier alleine mit ihrem Vater. Ich war nicht oft da drin; nur wenn da was repariert werden musste. Ich bin nie gerne drin gewesen, wenn nur ihr Vater da war.

Einfach stell ich mir das Leben mit ihm nicht vor. Wenn Sie mich fragen, mit dem wollte ich keinen einzigen Abend verbringen. War ein mürrischer Kerl. Hatte an dem Balkon immer was auszusetzen. Eigentlich an allem.

Sie haben mit Ihrem Vater zusammengelebt, Frau Hermann. Wie war das für Sie?

In der Kaiserstraße hat ein Frühstückscafé, das „Brunch-Haus“ neu aufgemacht, und manchmal hatte ich richtig Lust da auf eine Tasse Kaffee hinzugehen. Ja, das kam vor. Einmal habe ich ihn dazu überreden können, mit mir mitzugehen. Nachher habe ich gedacht: er ist nur mitgekommen, um mir das Café mies zu machen. Die Bedienung hat etwas länger gebraucht, bis die uns bedient hat, und da wollte er unbedingt nach Hause, weil er das nicht aushalten wollte, dass die Frau erst bei den anderen Gästen abkassiert hat. Der Kaffee wäre sowieso billiger zu Hause. Er hat das so laut gesagt, dass man das an allen Tischen hören konnte. Die Bedienung hat sich geschämt, und ich habe weggeguckt. Wissen Sie, wir wohnen ja nur zehn Minuten entfernt, aber manchmal muss man einfach mal raus und was anderes sehen.

Zu Hause lag das Geld in der Bibel. Lauter Hunderter. „Diebe schauen nicht in Bibeln nach“, kam er sich schlau vor. Nachdem meine Mutter gestorben war, fanden wir noch Hundertmarkscheine in Babyschuhkartons von mir, als ich noch klein war. Da hätten Diebe auch nicht reingeschaut, aber wir fast auch nicht.

Meine Mutter war seine zweite Frau. Und ich war das Kind mit ihr. Manchmal denke ich: „Wäre besser gewesen, wenn Du auch tot wärst wie Deine tote Schwester. Aber ich war nicht tot wie Mariechen, dafür hatte ich eine Seele, aus der es blutete.“

Wie war denn Ihr Verhältnis zu Ihrem Vater, Frau Hermann?

„Glaub’ bloß nicht, was in Büchern steht. Ist alles erstunken und erlogen. Du glaubst aber auch jeden Mist, den du liest“, sagte mein Vater immer, wenn ich mit einem Buch im Wohnzimmer saß und mir ein bisschen Gesellschaft wohl getan hätte. Aber mein Vater war keine Gesellschaft. Mein Vater war sich Gesellschaft genug und hing seinen Gedanken nach. Hing wahrscheinlich irgendwo fest – irgendwo um den Zweiten Weltkrieg herum, als er noch jung war. Während des Krieges hat er seine erste Frau Margot geheiratet. Sie kam auch aus Radevormwald, von Bergerhof. Mein Vater wurde eingezogen, kam zuerst nach Wuppertal, dann ist er mit einer Sanitätseinheit in den Osten. Der Arzt war ein Schüler von Dr. Sauerbruch. Ein Halbgott war das damals. Mein Vater als Schüler eines Schülers von Dr. Sauerbruch. Wie ich diese Heldengeschichte hasse.

Wer ist denn Mariechen, Frau Hermann?

Direkt nach dem Krieg wird Margot das erste Mal schwanger. Mariechen hat nur ein paar Tage gelebt wegen Folsäuremangel wahrscheinlich. Wer damals in Radevormwald keinen Garten hatte oder sich Kaninchen und Hühner halten konnte, war arm dran, hat mein Vater immer erzählt. Die Rationen, die man auf Lebensmittelkarten nach dem Krieg bekommen hat, reichten gerade mal, um nicht zu verhungern. Mein Vater ist abends immer losgezogen und hat auf den Feldern genommen, was er finden konnte. Ein Bauer hätte ihn bei einem seiner Beutezüge mal deswegen aus Wut beinahe erschossen. Er konnte aber auch noch nie jemanden um Hilfe bitten. Lieber hat er gestohlen und sein schlechtes Gewissen mit sich selber ausgemacht.

Es gibt kein einziges Bild von Mariechen. So hat sie auch in meinen Träumen nie ein Gesicht. Als ich noch klein war, hat mir meine Mutter einmal ihr Grab auf dem Friedhof auf der Kaiserstraße gezeigt. Später wusste dann keiner mehr so genau, wo es lag. Später, als die anderen Mariechen ganz vergessen hatten. Nur ich habe sie nie vergessen. Habe in Gedanken oft mit ihr geredet, aber das waren traurige Gedanken.

Im Haus meines Vaters waren damals noch Flüchtlinge untergebracht, und Mariechen kam als Hausgeburt auf die Welt. Wer den Krieg und alles überlebt hatte, überlebte noch lange nicht sein totes Kind und eine tote Frau. Margot starb Jahre später im Johanniter Krankenhaus auf der Intensivstation. Mein Vater konnte meine Schwester und seine Frau nicht retten. Konnte sie nicht retten, so wie er seine Kameraden im Krieg gerettet hatte, die ohne ihn ihr Leben verloren hätten.

Er konnte damals so kurz nach dem Krieg keinen Sarg für Mariechen bekommen. Er hat bei Keusen dann doch noch einen aufgetrieben. Es war mitten im Winter. Die Erde war so tief gefroren gewesen, dass die Männer noch nicht einmal mehr ein Loch für einen Kindersarg graben konnten. Als ich geboren war, wurde er so krank, dass meine Mutter dachte, dass er ihr wegstirbt. Da wurde er von den Ärzten „kaputt geschrieben“.

Damals haben sie ihm alles genommen, was ihn zusammengehalten hat.

Wie stehen Sie zu Herrn Fuchs, Frau Hermann?

Im Sommer hat er einen Sessel ganz alleine nach oben in seine Wohnung getragen. „Soll ich mit anpacken?“, habe ich ihn gefragt, und er hat mich nur angelächelt und ihn alleine weiter getragen. Er ist einfach eine Sonne für mich, und ich spüre Wärme, wenn ich an ihn denke. Wir sehen uns nur, wenn ich auf dem Balkon bin, die Straße fege oder wenn ich mal wieder nicht genug Eier für den Kuchen habe, und ich seine Frau fragen muss, ob sie mir aushilft. Einmal hat er mich nach einem Cinch-Stecker gefragt. „Was ist das denn?“ fragte ich ihn. „Ein Stecker für einen Lautsprecher.“ Das ist das schönste Geschenk, das er mir je gemacht hat. Er hat das Vertrauen, dass ich das habe, was er braucht.

Erzählen Sie mehr von ihrem Zusammenleben mit Ihrem Vater, Frau Hermann, damit wir uns ein Bild machen können von Ihnen.

„Der ist eine Schande für das Haus“, beschwerte sich mein Vater ständig über meinen Balkon. „Der Balkon ist meine Sache. Das ist unsere Abmachung“, erwiderte ich scharf. „Eine Schande!“ Er musste immer das letzte Wort haben. Ich ging auf den Balkon und drückte die Tür hinter mir zu. Sperrte ihn aus.

Später kommt Herr Fuchs und bringt den Müll raus. Trägt statt einer Jeans eine Jogginghose und läuft träge und breit. „Was ist los?“, frage ich, und er erzählt mir von seiner Sterilisation. „Ist ja ein kleiner Eingriff für einen Mann“, sage ich und denke, dass ich das nie gedacht hätte, dass er das für seine Frau machen würde. Wir reden miteinander, bis er zu ihr wieder nach oben muss. Abends habe ich dann nachgeschlagen, wo die Samenstränge in den Eiern entlanglaufen. Die Schnitte hätte ich ja gerne einmal gesehen. Wo sie genau sind, und ob die so klein sind, wie ich sie mir vorstelle.

Wie kamen Sie dazu, Ihren Vater mit dem Brotmesser umzubringen?

Als ich noch ein Kind war, sind mein Vater und ich zu meiner Tante nach Lindlar gefahren. Da sitze ich auf dem Rücksitz mit meinem Vater allein im Auto, sehe das brutale Profil seines Gesichts. Ich habe solche Angst vor ihm. Eine Angst, für die ich gar keinen Namen habe.

Wenn ich mein Geburtstagsgeschenk bekommen habe von meiner Mutter, hat sie mir immer gesagt, dass ich mich bei meinem Vater bedanken soll. Und es ist klar: Ich soll ihm einen Kuss geben. Aber ich kann das nicht. Ich mag ihn nicht küssen. Aber ich musste das tun.

Unser Brotmesser läuft vorne so spitz zu. Ich habe ihn in Gedanken hunderte Male erstochen. Mein Vater hat mein Leben jeden Tag mit seiner Freudlosigkeit und seinem Scheißhumor umgebracht. Für ihn war ich im Grunde genommen so tot wie Mariechen.

Warum haben Sie denn überhaupt mit Ihrem Vater zusammengelebt, Frau Hermann?

Ich konnte meine Mutter doch nicht mit ihm alleine lassen. Er war ein schwieriger Mensch, wissen Sie. Er konnte doch nichts dafür, dass ihn das Leben so gemacht hat. Es gibt Fotos von ihm, als er noch ein ganz junger Mann war. Darauf sehe ich einen strahlenden Mann am Radevormwalder Bahnhof. Damals gab es ihn ja noch. Das Leben hat ihn aus der Bahn geschleudert. Hilfe wollte er auch nicht, wollte nicht zum Seelenklempner oder nach Marienheide in die Klapse. Er wollte alles mit sich alleine abmachen.

Da treffe ich einen Freund von mir Jahrzehnte später in der Stadt, und der sagt: „Ich habe Deine Eltern am Busbahnhof gesehen.“ „Aha.“ „Sie standen händchenhaltend an der Haltestelle.“ „WAS?“ Mehr brachte ich nicht heraus. So kannte ich meine Eltern nicht. Ich kannte nur den Entzug, aber ich begriff nun, dass es auch Liebe gab. Liebe, die entzogen werden konnte.

Frau Fuchs, haben Sie von den Spannungen zwischen Frau Hermann und Ihrem Vater etwas mitbekommen?

Wie soll ich es sagen: das Verhältnis war angespannt. Ja, das habe ich bemerkt. Herr Hermann war ein lustiger Mann, hat seine Späße mit mir gemacht und mich immer „junge Frau“ genannt. Er war ein Charmeur, würde man sagen. Gut, habe ich mir gedacht, er ist ein älterer Herr. Lass ihm seinen Spaß. Im Grunde genommen war das alles harmlos. Seine Frau hat mal zu mir gesagt: „Bei Ihnen benimmt er sich wie ein junger Gott.“ Das hat ganz schön bitter geklungen, als sie das sagte, aber ich habe mir nichts dabei gedacht. Damals wusste ich ja noch nicht, wie das alles endet.

Warum sind Sie denn nicht ausgezogen, Frau Hermann?

Mein Vater pisste ins Waschbecken im Bad, verstehen Sie? Er kam vom Klo nicht mehr so gut hoch. Meine Mutter hat ihm dann ein Behindertenklo einbauen lassen. Da hat er so lange Theater gemacht. „Ich bin kein Behinderter!!!“ Bis sie es wieder ausbauen ließ.

So genau wollen wir das nicht wissen, Frau Hermann!

Doch, so genau müssen Sie das wissen! Er pisste nämlich daneben. Und wenn meine Mutter oder ich ihm das sagten, dann brüllte er, wir würden lügen und würden ihn immer schlecht machen.

Frau Hermann, bitte, so genau …

Ich habe seine Pisse weggewischt. Als ich einmal die Schnauze voll hatte, habe ich ihm gesagt, er solle gefälligst aufs Klo gehen, da hat er mir die Fernbedienung an den Kopf geworfen. Einmal hat er seine Tasse Kaffee nach meiner Mutter geworfen. Da haben wir ihm die Medikamente gegeben, die wir für ihn vom Arzt bekommen haben. Ich wollte nicht, dass er in ein Altenheim kommt. Dort hätten sie ihn mit Medikamenten abschießen müssen. Anders hätten sie meinen Vater nicht ertragen. Er hat das nicht verdient, nach all dem, was er im Leben durchgemacht hat. Ich wollte ihm das ersparen.

Herr Fuchs, was passierte zwischen Ihrem Eintreffen am Tatort und dem Eintreffen der Kollegen von der Mordkommission?

Ich habe meine Blumenfrau in den Armen gehalten.

Die Autorin: Irmgard Hannoschöck

Irmgard Hannoschöck lebt und arbeitet in Hückeswagen. Sie ist mit Leidenschaft Fachkraft für Suchtvorbeugung, Künstlerin, Autorin und Lektorin. Zahlreiche ihrer Kurzgeschichten hat sie bereits bei Lesungen vorgestellt.

Morde und andere Gemeinheiten

Подняться наверх