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Einleitung

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Der vorliegende Text ist eine Kritik der Populärphilosophie. Das bedeutet zunächst, dass er die Selbstdarstellung einiger Populärphilosophen in Frage stellt und zum Problem macht. Ihr stellt er die Schwierigkeit der Philosophie gegenüber, sich einem Publikum mitzuteilen, das gerade die Voraussetzungen schon akzeptiert hat, um deren Infragestellung es der Philosophie geht.

Der Streit um die Populärphilosophie bewegt sich aber für gewöhnlich in genau diesen Bahnen: Einem selbstbewussten Bild der Populärphilosophie wird ein ideales Bild der Philosophie gegenübergestellt. Genau das kritisieren aber viele Populärphilosophen. Ihr Gegner ist also nicht die Philosophie, sondern die akademische Philosophie, der sie bescheinigen, unverständliche und hochtrabende oder voraussetzungsreiche und hochspezialisierte Texte zu verfassen. Sie sei deswegen für die große Masse der Leser irrelevant geworden.

Hier wird der Versuch unternommen, dem unproduktiven Streit zwischen Populärphilosophie und akademischer Philosophie eine dritte Position vorzuschlagen. Der Streit gerät deswegen unproduktiv, weil beide Parteien sich hochgerüstet gegenübertreten: die Populärphilosophie mit der Autorität des Publikums und die akademische Philosophie mit der Autorität der Wissenschaft. Aus Sicht der Populärphilosophie ist jede Erwiderung der akademischen Philosophie auf ihre Kritik nur eine Bestätigung dieser Kritik. Und ebenso ist jede Erwiderung der Populärphilosophie auf die Kritik der akademischen Philosophie für diese Ausweis einer generellen Inkompetenz dieser Philosophie.

Um diesem unproduktiven Kreislauf zu entkommen, muss man die Sache einerseits etwas vereinfachen. So erscheinen Populärphilosophie und akademische Philosophie in diesem Essay als wenig sympathische Idealtypen. Das soll dazu dienen, im Leser eine kritische Haltung gegenüber beiden wachzurufen. Da es dabei um die Populärphilosophie geht, spielt außerdem die akademische Philosophie nur eine Nebenrolle. Der unproduktive Zirkel gewinnt dadurch in der Darstellung eine populärphilosophische Schlagseite. Das ist, neben dem Thema, auch der Form des Essays geschuldet – eine Kritik, die Populärphilosophie und akademische Philosophie in gleicher Weise umfasste, hätte zu letzterer eine ganze Menge mehr zu sagen.

Andererseits musste die Sache, ganz entgegen dem Einfachheits- und Verständlichkeitsdrang der Populärphilosophie, etwas komplizierter gemacht werden. Kompliziert ist etwa das Problem, mit dem es die Philosophie zu tun bekommt, wenn sie andere Menschen Philosophie lehren will. Es ist auch deswegen so kompliziert, weil die radikale Haltung der Philosophie darin besteht, jegliche Autorität, die von anderen akzeptiert wird, in Frage zu stellen – sei es diejenige der eigenen, festgehaltenen Meinung, diejenige der etablierten Wissenschaften oder diejenige der applaudierenden Menge.

Dennoch tritt die Philosophie hier der Populärphilosophie und der akademischen Philosophie nicht wie ein dritter, von ihnen unabhängiger Mitspieler gegenüber. Ihre dritte Position besteht vielmehr darin, dass Populärphilosophie und akademische Philosophie auf jeweils ihre eigene Weise mit dem Problem zu tun bekommen, mit dem es die Philosophie zu tun bekommt, wenn sie Philosophie lehren soll oder will. Beide haben dieses Problem wiederum auf jeweils ihre eigene Weise gelöst – die akademische Philosophie durch Verwissenschaftlichung, die Populärphilosophie durch Popularisierung der Philosophie.

Eine Kritik der Populärphilosophie kann, wenn sie selbst die radikale Haltung der Philosophie bewahren will, nicht bei einer Gegenüberstellung von Populärphilosophie und akademischer Philosophie stehenbleiben. Sie muss vielmehr diese Kategorien selbst noch einmal kritisch befragen, die Voraussetzungen ihrer Beschreibung sind. Auch hier wird das, was am Anfang des Essays einfach klingt, im weiteren Verlauf komplizierter: Die Populärphilosophie erscheint dort als ein wesentlicher Teil der philosophischen Tradition, auf die die akademische Philosophie sich beruft. Umgekehrt erscheint die akademische Philosophie – historisch betrachtet – als ein junges Ideal, das sich nicht zuletzt einer Situation verdankt, in der Philosophen für ihre Forschungen – zumindest in manchen Ländern und Landschaften dieser Welt – nicht mehr mit dem Tode bedroht werden.1

Nur wenn Populärphilosophie und akademische Philosophie einsehen, dass das Dritte, das sie miteinander vermittelt, die Philosophie ist, können sie aus ihrem unproduktiven Zirkel herausfinden. Und nur wenn sie verstehen, dass »die Philosophie« zunächst keine Ansammlung von Weisheiten, Inhalten, Themen und Methoden ist, sondern eine Haltung, eine Praxis und ein aus dieser Haltung entstehendes radikales Problem ihrer Weitergabe, können sie einen Weg finden, der sie von Gegnern zu Partnern werden lässt. Diese Partnerschaft wird hier nicht als Eintracht oder absolute Harmonie vorgestellt. Sondern als eine Bereitschaft, die Philosophie als Frage zu akzeptieren, ohne dabei schon die Wissenschaft oder das Publikum als selbstverständlichen Horizont vorauszusetzen.

Wenn hier also von »der Philosophie« die Rede ist, ist damit keine irgendwie schon ausgeformte Disziplin gemeint. Was »die Philosophie« ist, ist ein philosophisches Problem. Weil er dieses Problem gesehen hat und nicht, weil er eine Lehrautorität darstellt, greife ich vor allem auf Platon zurück. Bei ihm gewinnt »die Philosophie« einen Ausdruck, der das Problem der Lehrbarkeit der Philosophie reflektiert und Lösungen vorschlägt.

Dass diese Lösungen selbst nicht verfangen haben, zeigt die Tatsache, dass es nach Platon eine umfassende philosophische Tradition gibt, die nach Ansicht manches Philosophen nur eine »Fußnote zu Platon« darstellt. Dass Platons Lösungsvorschläge dennoch für die gegenwärtige Philosophie relevant sein können, versucht dieser Essay anzudeuten. Zumindest der akademischen Philosophie und der Populärphilosophie könnten sie einen Anhaltspunkt bieten, inwiefern ihre jeweilige Selbstdarstellung gerade das verhindert, was sie zu tun beanspruchen: die Philosophie anderen Menschen zu vermitteln.

Ein Essay ist keine Abhandlung und beansprucht auch keine Vollständigkeit in der Darstellung. Er gibt einen Anstoß, oft aus einem bewusst perspektivischen Blickwinkel heraus. Dass man die Möglichkeit einer perspektivischen oder partikulären Darstellung heutzutage betonen muss, zeigt vielleicht, wie weit das Problem um sich greift, das akademisches und populäres Philosophieren erfasst hat. Zugleich ist der hier eingenommene Blickwinkel selbst ein Prüfstein für die Haltung, die er zumindest indirekt zu lehren beansprucht.

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