Читать книгу MONDWELT - Daniel Schiller - Страница 11
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Lokation: freier Weltraum
41 … 42 …43 … Leona zählte still im Kopf weiter. … 44 …45 …
Da war es wieder! Ein metallisches Klacken klang durch die Hülle, eigentlich ganz schwach, aber doch klar und deutlich zu erkennen. Alle 45 Sekunden kam das. Was immer das Schiff da tat …
Das Schiff machte so viele Geräusche. Immer wieder hallte etwas durch den Rumpf. Klacken, Summen, Zischen, Fauchen. Man musste nur genau hinhören. Das Schiff arbeitete. Und einige der Geräusche kamen in beständiger Regelmäßigkeit. Auch Jan konnte ihr nicht alles erklären. Aber er beruhigte Leona. Das war wohl alles normal. Das musste so sein.
Sie zählte wieder 5 …6 … 7 …sonst war es einfach zu langweilig. Es passierte nichts mehr.
Sie waren unterwegs. Irgendwann hatte das große Schiff heftig beschleunigt, wieder ohne Vorwarnung! Wer nicht festgeschnallt war, trieb quer durch den Raum und stürzte am anderen Ende gegen die Wand. Ein paar Leute trugen Verletzungen davon. Verstauchungen, Prellungen, so etwas. Nichts Schlimmes. Dann war die Erde außer Sicht geraten. Die letzte Sichel war am Fensterrand verschwunden. Jetzt war da draußen nur noch das leere, dunkle Weltall … oder die Leere und Dunkelheit des Weltalls. Jede Minute kletterten sie jetzt von der Alten Welt weg und kamen sie der Neuen Welt näher. Es würde Tage dauern …
„Wo warst du eigentlich?“, fragte Jan. Er schwebte neben ihr.
Wieso hatte sie das noch nicht gefragt? Das war doch die typische Frage ihrer Generation. Wo warst du 2110 … als es passierte?
„Im Zug, kurz nach Ober-Amsterdam.“
Leona erinnerte sich, klar und deutlich. Die Passagiere hatten sich plötzlich angeschaut. Die Blicke waren genug. Jeder hatte die Nachricht erhalten. Und jeder fragte wortlos den Nachbarn: Was jetzt?
„Und du?“
„Im Psiloritis-Massiv.“
„Kreta?“
Sie hatte Jan überrascht. Er nickte lächelnd. „Ich war da oben ganz allein, wollte das so. Lieber allein sein ....“
„Ich hatte noch Hoffnung.“
„Ich nicht.“, sagte Jan. „Irgendwann musste uns das Glück verlassen. Die Prognosen waren auch eindeutig.“ Er schüttelte den Kopf. „Mir war klar, wie das ausgehen würde …“
„Aber so … so schlimm?“
Jan zuckte mit den Schultern. „Ein bisschen weniger schlimm wäre doch immer noch katastrophal. Wir hatten keine Chance … und Glück reicht nicht immer.“
Leona erinnerte sich, an dieses bange Warten, diese ständige Unruhe, diesen Wechsel zwischen Hoffen und Verzweifeln. Alle Menschen hatten gewartet, jeder. Die Welt hielt den Atem an … und trotzdem ging auch das normale Leben weiter. Eine seltsame Stimmung. Das war fast schon schizophren gewesen.
Schon seit Wochen war C/2109 X1 das Thema, in allen Feeds, auf allen Kanälen, bei jeder Plattform gewesen. Der Komet kam und er würde sehr nahe kommen … bis zum Schluss war nicht klar, was tatsächlich passieren würde. Jeden Tag gab es eine neue Prognose. In den letzten Julitagen hatte aber nur noch banges Hoffen in den Köpfen einen anderen Ausgang ersehnt. Die Zahlen waren eindeutig gewesen.
Die Menschheit wartete …
Am sechsten August schlug das erste Fragment ein. Es zertrümmerte Indonesien. Das zweite Fragment passierte die Erde, so nahe, dass es sogar am Taghimmel über dem Mittelmeer sichtbar war. Da hatten sie wieder gehofft. Drei Tage später traf das dritte Fragment, das schwerste, den Indochinesischen Bund. Der Einschlag verwüstete den Kontinent. Eine Milliarde Menschen tot, mit einem Schlag … Aber nicht die Beben und Flutwellen brachten weltweites Chaos und globale Zerstörung. Erst die unzähligen Trümmer, die hoch aufgeschleuderten Erdmassen, trugen die Energie der Einschläge um die ganze Welt. Zwei, drei Tage lang … überall fielen die Brocken aus dem Himmel zurück. Die meisten erreichten noch nicht mal den Boden. Sie zerbarsten in der Atmosphäre, drückten Schockwellen auf die Oberfläche hinab, heizten die Atmosphäre auf. Es war ein unablässiges, mächtiges, globales Bombardement.
Alles Hoffen hatte nichts genutzt. Es war schlimm gekommen, sehr schlimm … ultimativ … die Welt ging unter.
Leona dachte an Ben. Das war alles schon so fern, so undeutlich und fast vergessen. „Wen hast du zurückgelassen?“
„Heisenberg.“
Wer sollte das denn gewesen sein? Ein komischer Name …
„Meine Katze.“
Eine Katze? Ernsthaft? Sie wunderte sich wieder über Jan. „Der durfte nicht mit?“
„Kein Tier kommt mit. Dafür ist im Kreislaufbudget der Biosphären kein Platz.“ Jan sagte das ganz gelassen, ungerührt … auch schon vergessen.
Aber das ergab Sinn. Klar. Wieso sollten sie ihre Ressourcen so verschwenden? Nur, der Gedanke an all diese Kleinigkeiten, aus denen das Leben der Menschen bestanden hatte, und dass all das jetzt zurückblieb, rausflog, verschwand … aus der Bilanz gestrichen wurde … das war traurig. Es machte die Welt leer.
Leona schaute wieder hinaus. Die Erde war ja schon nicht mehr zu sehen …
*
1533 war ‘zufrieden‘. Die drei Frachtfähren hatten erfolgreich angedockt. Das große Beschleunigungsmanöver hatte funktioniert. Fast perfekt, wenn es das mit den Daten der alten Manöver verglich. Es hatte noch Reserven an Bord. Jetzt spürte es die Ladung, seit die drei Fähren angedockt hatten. Kleine Impulse, schwache Stöße. Da bewegte sich etwas im Inneren. 1533 bemerkte die Reaktion in seinen Kreiseln. Es musste immer wieder korrigieren.
Sonst passierte nichts. Es war wieder unterwegs, auf seiner alten Tour zwischen Erde und Mond.