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1. Einleitung

1.1 Forschungsgegenstand und -ziele

1.1.1 Forschungsgegenstand

Die vorliegende Arbeit stellt die Entwicklung der Gemeinschaft Katholischer Gemeindereferentinnen von ihrer Entstehung bis zu ihrer Auflösung dar. Sie soll einen Beitrag dazu leisten, die innerkirchliche sowie gesellschaftliche Wahrnehmung des Beitrags der Frauen in der (katholischen) Kirche zu vergrößern. Frauen in der Seelsorge stellen sich selbst und ihre Arbeit häufig nicht in den Vordergrund, und doch haben sie eine Bedeutung, die historisch selten aufgearbeitet wird. Da die Berufsgemeinschaft sich beim Entstehen dieser Arbeit in der Auflösung befand, bestand die Gefahr, dass die jahrzehntelange Arbeit und das erfolgreiche Bemühen um die Festigung eines mittlerweile selbstverständlichen und anerkannten hauptamtlichen Berufes für die Frau in der katholischen Kirche in Vergessenheit geraten würde.

1.1.2 Fragestellungen

Neben der historischen Aufarbeitung und Darstellung der Entwicklung der Berufsgemeinschaft mit ihren Inhalten und Zielen wird insbesondere die Bedeutung der Berufsgemeinschaft zum einen für den Berufsstand insgesamt und zum anderen für die einzelnen Mitglieder der Berufsgemeinschaft in den Fokus der Arbeit gestellt. Die Gründe für den Mitgliederrückgang und damit auch für die Auflösung der Berufsgemeinschaft sollen dargestellt werden. Somit ergeben sich folgende Fragestellungen:

■ Mit welchem Hintergrund wurde die Berufsgemeinschaft gegründet und welche Ziele verfolgte sie?

■ Welche Möglichkeiten besaß die Berufsgemeinschaft, ihre Ziele zu verfolgen und wie nutzte sie diese konkret?

■ Welche Bedeutung hatte die Berufsgemeinschaft für ihre Mitglieder?

■ Welche Begründungen für den Mitgliederrückgang in der Berufsgemeinschaft lassen sich finden?

■ Inwieweit kann die Berufsgemeinschaft als relevante Institution betrachtet werden in Bezug auf die Entwicklung der pastoralen Laienberufe für die Frau in der katholischen Kirche, vor allem in Bezug auf das Berufsbild der heutigen Gemeindereferentin und des heutigen Gemeindereferenten?

Der Psychologe Heinz Schuler ist der Auffassung, dass auch Kirchen und Verbände als Organisationen zu gelten haben. Als solche sind sie demnach auch für die Organisationspsychologie interessant.2 Für die vorliegende Arbeit können vor allem folgende Themen als besonders relevant betrachtet werden: Das Commitment in Organisationen, die Organisationsentwicklung sowie die Unternehmenskultur.3

Das Commitment sowie die Unternehmenskultur werden schwerpunktmäßig im empirischen Part dieser Arbeit durch eine Befragung von (ehemaligen) Mitgliedern mithilfe von Interviews sichtbar. Preisendörfer empfiehlt drei Fragen, die zu stellen sind, um eine Organisation zu untersuchen:

„Für diejenigen, der [sic!] eine Organisation wissenschaftlich beschreiben und analysieren wollen, empfehlen sich stets die drei Fragen: Wer sind die relevanten Akteure bzw. Akteurgruppen, welche Interessen haben sie, und über welche Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer Interessen verfügen sie […]?“4

Die vorliegende Arbeit versucht, den hier genannten Fragen nachzugehen und die Akteurinnen der Berufsgemeinschaft mitsamt ihren Interessen und Optionen zur Durchsetzung derselben darzustellen.

1.2 Forschungsstand und Quellenlage

1.2.1 Stand der Forschung

Während zu dem Thema pastorale Berufe in der Katholischen Kirche auch in Bezug auf Frauen in der Katholischen Kirche einige Veröffentlichungen zu finden sind, existiert eine Publikation zur Geschichte der Berufsgemeinschaft bisher nicht. Zu dem Thema wurde eine Masterarbeit von der Verfasserin selbst verfasst, die allerdings nicht publiziert wurde und lediglich die ersten 40 Jahre der Berufsgemeinschaft erforschte.5 Die Berufsgemeinschaft selbst gab weiterhin einige Jubiläumsschriften heraus.

Eine Publikation von Almut Rumstadt über Margarete Ruckmich leistet bereits einen wertvollen Beitrag über die Initiatorin des Berufes der heutigen Gemeindereferentin.6

Die an der Theologischen Fakultät Freiburg mit dem Titel Frauen als Seelsorgerinnen. Die Entwicklung des Berufs Seelsorgehelferin, dargestellt am Lebenswerk von Margarete Ruckmich (1894-1985) eingereichte Dissertation bearbeitet sowohl eine umfassende Biografie Ruckmichs als auch die Darstellung der Entwicklung des Berufes der Seelsorgehelferin. Hierbei wird auch ein besonderes Merkmal auf die erste Ausbildungsstätte (Katholische Gemeindehelferinnenschule) in Freiburg gelegt, die von Ruckmich wesentlich geprägt wurde. Die Berufsgemeinschaft findet ebenso Erwähnung, wird aber nicht umfassend dargestellt.7

1.2.2 Quellenlage

Im Archiv des Deutschen Caritasverbandes, welches sich in der Zentrale des Deutschen Caritasverbandes in Freiburg befindet, finden sich einige Akten zur Berufsgemeinschaft. Kurz vor Beginn des Dissertationsvorhabens wurde von der Berufsgemeinschaft eine große Auswahl an Akten in das Archiv des Deutschen Caritasverbandes übermittelt. Eine außerordentliche Zugangsberechtigung wurde von der damaligen Vorsitzenden der Berufsgemeinschaft an die Verfasserin erteilt, sodass ein Zugang zu diesen einzigen Archivunterlagen möglich wurde. Die dortigen 64 Akten sind zum Zeitpunkt der Dissertation noch nicht inventarisiert worden, befanden sich aber größtenteils in mit Jahreszahlen gekennzeichneten Aktenordnern. Das Archivmaterial umfasst beispielsweise einen allgemeinen Schriftwechsel ab 1926, Protokolle der Vorstandssitzungen und Mitgliederversammlungen, Protokolle und Berichte aus der Arbeit der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Berufe der Gemeindereferentinnen und Religionspädagogen (ab 1978), Protokolle und Unterlagen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Gemeindereferentinnen und Religionspädagogen (ab 1987), Unterlagen der Jubiläumsfeiern der Jahre 1951 (25 Jahre), 1976 (50 Jahre), 1986 in Limburg, 1996 in Vierzehnheiligen und 2009 in Limburg. Außerdem befinden sich Unterlagen zu Entwicklung des Berufs und der Gemeinschaft im Archiv.

Korrespondenzen seitens der Berufsgemeinschaft mit dem Ausland, die allerdings hauptsächlich von Ruckmich geführt wurden und nach ihrer Tätigkeit als Leiterin des Seminars und der Berufsgemeinschaft ins Leere verlaufen, befinden sich ebenfalls dort. Eine nahezu vollständige Zusammenstellung der internen Mitgliederzeitschrift Unsere Mitteilungen ist im Archiv des Deutschen Caritasverbandes zu finden und ist ebenfalls in der Bibliothek des Deutschen Caritasverbandes8 öffentlich zugänglich.

Eine Umfrage der Berufsgemeinschaft führte dazu, dass einige Berichte von Mitgliedern zu ihren beruflichen Erfahrungen gesammelt und archiviert wurden. Diese liefern wertvolle Hintergrundaspekte des Arbeitsalltags der damaligen Seelsorgehelferin sowie Hinweise auf die Bedeutung der Berufsgemeinschaft für die einzelnen Mitglieder.

Neben dem Archiv des Deutschen Caritasverbandes bot sich auch das Archiv des Bonifatiuswerk in Paderborn als wesentliche Informationsquelle an, die dort vorhandenen Archivmaterialien beziehen sich hauptsächlich auf Korrespondenzen und die Art der Zusammenarbeit zwischen der Berufsgemeinschaft und dem Bonifatiuswerk. Darüber hinaus existieren einige Unterlagen von ehemaligen Mitgliedern, die der Autorin übermittelt wurden, allerdings nicht öffentlich zugänglich sind.

Weitere als Basis für diese Arbeit relevante Quellen stellen mehrere Publikationen zur Thematik der Gemeindereferentin und des Gemeindereferenten dar, die vor allem in den letzten Jahrzehnten veröffentlicht wurden. Allerdings sind in diesen Publikationen wenig bis keine Bezüge zur Berufsgemeinschaft vorhanden.

Dirk Rietmann erörterte in seiner 2000 an der Universität Münster eingereichten Diplomarbeit mit dem Titel Von der Seelsorgehilfe zur beruflichen Mitarbeit der Frau in der Seelsorge – Pater Wilhelm Wiesen am Deutschen Caritasverband von 1920 bis 1947 bereits den wesentlichen Beitrag, den Pater Wilhelm Wiesen für die Entstehung des neuen Berufes der Seelsorgehelferin geleistet hat.9

Franz-Joseph Wothe zeichnete 1985 die Entwicklung des Berufsbildes, ausgehend vom Deutschen Caritasverband und dem Bonifatiusverein für die Diaspora in groben Zügen nach, dabei erwähnte er die Berufsgemeinschaft lediglich am Rande: „Es hat sich zumindest eine Berufsgemeinschaft entwickelt.“10 Diese hätte sich der Weiterbildung angenommen, das Gemeinschaftsleben gepflegt und soziale Interessen der Mitglieder vertreten. Allerdings wird der Leserin und dem Leser suggeriert, dass die Berufsgemeinschaft sich erst im Laufe der Jahre gebildet hat. Dass diese bereits vor dem ersten Gemeindehelferinnenseminar entstand und darüber hinaus auch für die Stellenvermittlung, soziale Absicherung und mehr sorgte, wurde von ihm außen vor gelassen.11

Ebenfalls 1985 erschien ein Sammelwerk von Josef Hochstaffl mit dem Titel Von Beruf Gemeindereferent. Aufnahme eines Bestandes. Perspektive einer Zukunft. Beim Blick in das Inhaltsverzeichnis fällt auf, dass sich keine einzige weibliche Autorin in diesem Sammelwerk befindet. Das erstaunt, bedenkt man, dass das Berufsbild wesentlich durch Frauen geprägte wurde. Der Titel stimmt ebenso nachdenklich: Von Beruf Gemeindereferent. Wurde hier bewusst die männliche Form gewählt? Wenn diese Frage zu bejahen wäre, ist nach der Begründung zu fragen. Im Jahr 1985 hat sich das Bild des männlichen Gemeindereferenten bereits etabliert, und doch war das Berufsbild von den 1920er Jahren bis hinein in die 1960er Jahre des 20. Jahrhunderts ausschließlich von Frauen geprägt.12

So stellte Annabelle Pithan (1997) in ihrem Sammelwerk Religionspädagoginnen des 20. Jahrhunderts dann auch Frauen vor, die einen wesentlichen Beitrag in der Seelsorge leisteten. Sie begründete diese Darstellung damit, dass Frauen in der Kirche nicht vergessen werden dürfen. Sie erwähnte dabei das Werk Die vergessenen Väter der modernen Religionspädagogik (Pfister, Gerhard), welches 1989 veröffentlicht wurde. Pithan bezeichnete ihr Werk als „Porträtband“, in dem protestantische wie katholische Frauen vorgestellt werden.13 Pithan wollte durch ihre Porträts von Religionspädagoginnen des 20. Jahrhunderts „einen Beitrag zum affidamento und zur weiblichen Genealogie leisten.“14 Sie war der Meinung, dass es Frauen durch das Kennen Lernen von vergangenen und gegenwärtigen Frauenbiografien „möglich [wird, Anm. DB], ihre individuellen Erfahrungen zu transzendieren und symbolisch auszudrücken.“15

Schließlich stellte Rebecca Müller in der Publikation ihrer im Wintersemester 2012/13 eingereichten Dissertation mit dem Titel Ausbildung zur Gemeindehelferin – Das Seminar für kirchlichen Frauendienst im Burckhardthaus e. V. (1926-1971) die Entwicklung des Berufes der evangelischen Gemeindehelferin in Deutschland anhand der Entwicklung des Burckhardthauses dar.16

1.3 Methodisches Vorgehen und Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Arbeit speist sich zu einem großen Teil aus Archivmaterial verschiedener Archive sowie aus privaten Quellen und („grauer“) Literatur.

Um einen Eindruck zu bekommen, welchen Wert die Berufsgemeinschaft für ihre Mitglieder hatte, als auch zusätzliche Informationen über die Arbeit der Berufsgemeinschaft zu erhalten, wurde es in einer eigens angelegten Studie möglich, Interviews mit Mitgliedern durchzuführen. Hier konnten einige relevante Aspekte gewonnen werden, die durch das Archivmaterial allein nicht ersichtlich wurden. Das methodische Vorgehen der empirischen Studie wird im vierten Kapitel näher beschrieben.

Aufbauend auf den Recherchen in den Archiven beginnt die Arbeit im zweiten Kapitel mit einer Darstellung der historischen Entstehung und Entwicklung der Berufsgemeinschaft vor dem gesellschaftlichen und kirchlichen Kontext und stellt ebenso die Auflösung der Berufsgemeinschaft dar. Nachdem die historischen Grundlagen dargelegt wurden, wird im dritten Kapitel ein Blick auf die inhaltliche und organisatorische Ausrichtung der Berufsgemeinschaft geworfen. Das vierte Kapitel stellt die qualitative Studie vor, die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführt wurde. Ein wesentlicher Fokus wird hier auf die subjektiven Erfahrungshorizonte der befragten Mitglieder gelegt. Im darauf folgenden fünften Kapitel wird der Beitrag der Berufsgemeinschaft vor dem Hintergrund der vorangegangenen historischen Erarbeitungen betrachtet, vor allem in Bezug auf die Berufsbildentwicklung der Seelsorgehelferin zur Gemeindereferentin und zum Gemeindereferenten. Das Kapitel wirft einen Blick auf die konkreten Beiträge, die die Berufsgemeinschaft zur Entwicklung des neuen Berufes innerhalb der Katholischen Kirche gegeben hat. Schließlich gibt das sechste Kapitel Impulse aus der Historie der Berufsgemeinschaft heraus für die heutigen und zukünftigen Herausforderungen der Caritas17 und Pastoral. Dies schließt sowohl einen Rückblick als auch einen Ausblick auf das Verständnis von caritas18 gestern und heute ein.

2 Vgl. Schuler (2004), 10.

3 Ebd., 11.

4 Preisendörfer (2011), 61.

5 Vgl. Pochert, Daniela: Die Berufsgemeinschaft Katholischer Seelsorgehelferinnen. Errungenschaften und Herausforderungen in den Jahren 1926-1966. Freiburg, Uni., Masterarbeit, 2011.

6 Vgl. Rumstadt, Almut: Margarete Ruckmich (1894-1985). Pionierin der hauptberuflichen Seelsorge durch Frauen. Würzburg, Echter: 2003.

7 Vgl. Rumstadt (2003).

8 Bestellbar unter: Z 1977, Berufsgemeinschaft Katholischer Seelsorgehelferinnen.

9 Rietmann (2000). Von der Seelsorgehilfe zur beruflichen Mitarbeit der Frau in der Seelsorge: Pater Wilhelm Wiesen am Deutschen Caritasverband von 1920 bis 1947.

10 Wothe (1985), 176.

11 Ebd.

12 Hochstaffl (1985).

13 Vgl. Pithan (1997), 9f.

14 Ebd., 13.

15 Ebd.

16 Vgl. Müller (2014).

17 Unter dem Begriff der Caritas wird in dieser Arbeit die institutionalisierte, professionelle Sozialarbeit der Katholischen Kirche verstanden. (Die kursiv gedruckte Caritas bezieht sich auf die verbandseigene Zeitschrift.)

18 Der kursive und kleingeschriebene Begriff caritas bezeichnet in der vorliegenden Arbeit den Wesensvollzug der diakonia der Katholischen Kirche.

Verwurzelt in der Caritas

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