Читать книгу Tod unter Eukalyptusbäumen - Daniela Vilela - Страница 3

28. Juni

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Eigentlich hasste Melanie Partys. Die Jungs benahmen sich jeweils wie Idioten. Dachten, nach einigen Promillen im Blut, sie hätten alle Rechte der Welt. Deshalb war sie einfach abgehauen und trippelte jetzt einsam durch die dunklen, menschenleeren Strassen von Perth.

Im letzten Moment wich sie einer grossen Pfütze aus, was absurd war, denn es regnete sinnflutartig und sie war sowieso bereits bis auf die Unterwäsche nass. Es schien, dass sich ausgerechnet heute die gesamte Regenmenge des Monats Juni über Perth ergiessen würde.

Na toll! Sie fluchte laut vor sich her als sie mit ihren viel zu hohen Absätzen über den Asphalt balancierte. Eine unangenehme Kälte machte sich in ihr breit. Sie begann mit den Zähnen zu klappern und rieb sich wärmend mit den Händen über die nackten Arme während ihre Gedanken zurück zur Party schweiften die sie vor knapp dreissig Minuten als Erste verlassen hatte.

Ian, der Rugbystar der Schule, war sich heute ganz besonders toll vorgekommen mit seinen plumpen, anzüglichen Sprüchen zu denen seine unterbelichteten Freunde artig gegrölt hatten. Dabei wusste sie, dass Ian ausser gut proportionierten Muskeln verteilt auf ein Meter neunzig, absolut nichts in der Birne hatte. Seine Noten waren derart beschissen, dass seinem Vater bestimmt schon die halbe Schule gehörte, soviel Geld wie der schon gespendet hatte. Sie verzog angewidert den Mund.

Wie auch immer, ihr Ding waren solche Anlässe nicht und sie fragte sich, ob sie als siebzehnjährige da eine krasse Ausnahme bildete. Sicherlich. Wenn sie es sich recht überlegte, war sie es jedoch gewohnt, eher die Aussenseiterin zu sein als das Mädchen um die sich alle scharten und bewunderten. Kurzerhand hatte sie sich deshalb entschlossen, diesem qualvollen Ausharren ein Ende zu setzen und zu gehen. Dann würde sie den Kilometer bis zur Busstation eben laufen müssen.

Prüde Gans und Langweilerin waren noch die harmlosesten Ausdrücke gewesen, die hinter ihrem Rücken getuschelt wurden und die sie natürlich allesamt gehört hatte. Wie giftige Pfeile hatten die Worte der sogenannten Freundinnen sie durchbohrt. Ihre Stimmung hatte inzwischen den Nullpunkt erreicht und vor lauter Selbstmitleid spürte sie, wie ihr die Tränen in die Augen schossen. Solche Schwächen zu zeigen waren ihr zuwider. Reiss dich verdammt nochmal zusammen, sagte sie laut in die Nacht hinaus und musste sogleich kichern bei der Vorstellung, dass sie jemand bei ihren Zwiegesprächen hören würde.

Sie zog die Nase hoch und zupfte an ihrem Kleid das ein Vermögen gekostet hatte und dennoch an allen Ecken und Enden kratzte und zwickte.

Gerade wollte sie ihre Schuhe ausziehen und barfuss weiter gehen, da hörte sie, wie sich ein Auto im Schritttempo näherte und neben ihr abbremste.

Ihr Puls hämmerte. Immerhin war es fast Mitternacht und die Strasse war einsam und verlassen. Nicht einmal ein Hundehalter streifte bei diesem Sauwetter durch die dunkle Nacht. Sie warf einen schnellen Blick auf den Wagen doch die nächste Strassenlaterne war einige Meter entfernt, so dass sie den Fahrer nicht erkennen konnte.

Sie wich instinktiv einen Schritt vom Randstein weg, beschleunigte ihre Schritte.

Die Beifahrerscheibe des Wagens senkte sich und sie hörte wie jemand in die Stille der Nacht rief:

"Hei Melanie! Du bist ja klatschnass!"

Die Stimme kannte sie doch! Erwartungsvoll blieb sie stehen und drehte sich zu dem Auto hin. Als sie ihn erkannte fiel ihr ein Stein vom Herzen und sie lächelte erleichtert. "Ach Du bist es! Du hast mich ganz schön erschreckt."

Der Fahrer lachte. Ein freundliches, angenehmes Lachen. "Komm, steig ein. Ich fahr dich nach Hause."

Ohne zu zögern und erleichtert über die unerwartete Rettung riss sie die Beifahrertüre auf. Ihre Füsse schmerzten. Sie hatte bestimmt riesige Blasen an den Fersen. Verdammte Pumps. Mit einem geschickten Handgriff löste sie die Riemen und entledigte sich der Schuhe. Befreit seufzte sie auf während ihre nassen, schulterlangen Haare auf den abgewetzten Ledersitz tropften.

"Entschuldige, aber ich glaube, ich werde deinen Wagen ganz schön aufweichen." Sie kicherte und spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss.

"Mach dir deswegen keine Sorgen. Das ist eine alte Karre, kein Problem."

Sie lachten beide verlegen über die Nähe die sie beide plötzlich verband und wussten nicht, was als nächstes sagen.

Melanie brach als erste das Schweigen. "Du kannst mich auch bei der nächsten Busstation ausladen", sagte sie bewusst leichthin obwohl sie schon jetzt keinerlei Lust mehr verspürte, wieder in die Kälte hinaus zu gehen. Sie räkelte sich im Sitz. Müdigkeit machte sich breit. Dieser verdammte Alkohol! Nur zwei Bier und ein Glas Sekt hatte sie den ganzen Abend getrunken und doch fühlte sie wie der Alkohol durch ihre Blutbahnen zirkulierte und in den Kopf stieg. Das lag wohl an der Wärme die im Auto herrschte.

"Was redest du den da?", erwiderte er. "Das kommt doch gar nicht in Frage. Ich fahr dich nach Hause. Wer weiss schon, was für Typen sich hier herum treiben." Er warf ihr einen dieser Blicke zu, die ihren Puls zum rasen brachte.

Nachdem sie ihm ihre Adresse genannt hatte, entspannten sich beide allmählich und sie redeten eine Weile über die Schule und über Physik. Das Lieblingsfach von beiden. Melanie frohlockte. Endlich jemand, mit dem sie über solche Dinge reden konnte.

An der Princess Road bog er jedoch überraschend nach links ab und fuhr in Richtung Nedlands Golf Klub. Was sollte das denn? Kannte er etwa eine Abkürzung? Sie sah mit gerunzelter Stirn aus dem Fenster. "Randy, das ist nicht die Strasse in der ich wohne."

"Ich weiss."

"Ja aber, warum..?"

Seine Hand landete mit einem Klatschen auf ihren Knien. Er grinste sie anzüglich an. "Na komm schon. Ein bisschen Spass kann doch nichts schaden."

Kaum gesagt, bog er ziemlich rasant in den verwaisten Parkplatz des Golfklubs ein und hielt in einer dunklen Ecke an. Ihr Kopf wurde dabei unsanft an die Nackenstütze geschleudert.

Mit steigender Unruhe sah sie ihren Klassenkameraden an und wollte empört widersprechen, da konnte sie bereits seinen warmen Atem vor ihrem Gesicht spüren und schon pressten sich warme, feuchte Lippen auf ihre. Er roch kräftig nach Alkohol und einem Gemisch aus Zwiebeln und gebratenem Fleisch. Seine Zunge bohrte sich in ihren Mund. Zuerst war es ihr unangenehm, doch dann spürte sie, wie ihr Körper auf ihn reagierte. Es war ja nicht so, dass sie Randy nicht mochte. Das Gegenteil war der Fall. Seit einer Ewigkeit schwärmte sie heimlich für ihn. Trotzdem sträubte sich etwas in ihr als er so grob über sie herfiel. Schliesslich stemmte sie ihre Hände gegen seine Brust und versuchte, ihn wegzustossen. Das ging ihr eindeutig zu schnell. Doch Randy gab nicht so schnell auf und schliesslich wehrte sie sich nicht mehr und liess sich treiben. Seine heissen Hände erforschten inzwischen ihren Körper. Flink glitt die eine Hand ihren Oberschenkel entlang immer tiefer unter den Rock während die Andere ihren Nacken unangenehm umklammerte.

"Aua!" Mit aller Kraft stiess sie Randy diesmal erfolgreich von sich und verspürte gleichzeitig den Geschmack von Blut auf ihrer Zunge. Was zum Teufel... hatte dieser Mistkerl sie etwa gebissen?

"Sag mal, spinnst Du?", zischte sie fassungslos während sie mit ihrem Zeigefinger an ihre Lippen fuhr um die Wunde zu fühlen.

"Jetzt hab dich nicht so", murmelte Randy atemlos.

Wütend blickte sie ihn an und erschrak. Seine Stirn war klatschnass, seine Augen funkelten dunkel und bedrohlich mit tiefschwarzen, riesigen Pupillen die das grün seiner Augen beinahe komplett überdeckten. Ein Schauer durchfuhr ihren Körper.

Noch immer ruhte seine linke Hand auf ihrem Innenschenkel.

Sie griff danach und schob sie aufgebracht zur Seite.

"Lass das gefälligst."

"Verdammt Mel, stell dich doch nicht so an!", rief er gereizt. Erneut packte er sie am Nacken, riss ihn leicht nach hinten und starrte in ihr Gesicht. Ihr wurde plötzlich flau im Magen.

"Hör endlich auf, das tut weh!", wimmerte sie und versuchte sich aus dem Griff zu befreien.

Da liess er plötzlich ruckartig von ihr ab. Sie wollte schon erleichtert aufatmen, als sich seine Hand fest in ihre rechte Brust krallte.

Ihr wurde schwarz vor den Augen, Tränen schossen in ihr hoch. Doch Randy lachte nur heiser auf und wollte sie gerade wieder küssen als endlich Leben in sie zurückkehrte.

Sie begann so heftig wie möglich das Knie in seinen Magen zu rammen, kratzte, boxte, einfach alles, was sie in dem Schnellkurs für Selbstverteidigung gelernt hatte. Ihr Herz hämmerte dabei zum zerspringen und Tränen liefen unkontrolliert über ihre Wangen.

So überraschend wie alles begann, so abrupt endete es.

Mit einem Aufschrei und wütenden Flüchen liess er von ihr ab und rieb sich die schmerzende Nase die Melanie mit der rechten Faust ganz gut getroffen hatte. Ihr Vater wäre bestimmt stolz auf sie gewesen.

"Was ist den mit dir los? Ich dachte, Du willst das auch!" Wütend tastete er seine Nase ab. Zum Glück schien nichts gebrochen zu sein. So ein Mist aber auch! Er brauchte Eis um seine Nase zu kühlen.

Melanie begann inzwischen mit zitternden Händen ihr Kleid zurecht zu streichen.

"Du bist tatsächlich so eine Zicke wie alle sagen", murmelte er noch immer stinksauer.

Zu gerne hätte sie ihm ihre Meinung gesagt, ihn für sein Verhalten zu Rechenschaft gezogen, doch sie fand einfach keine Energie mehr dafür. Alles was sie jetzt noch wollte, war nach Hause gehen.

"Steig aus." Seine Stimme klang frostig. Mit keinem Blick würdigte er sie während er mit seinem angekratztem Ego neben ihr sass und seine Wunden leckte.

So schnell es ihre zitternden Hände zuliess, öffnete Melanie die Tür und stolperte in die Nacht hinaus.

Ohne eine Minute zu verlieren, startete Randy den Motor, riss mit quietschenden Reifen eine so rasante Wende durch eine Pfütze dass ihre Beine von oben bis unten bespritzt wurden, und brauste in die Dunkelheit der Nacht hinaus.

Das alles war ihr vollkommen egal. Sie war einfach nur froh, dass Randy endlich weg war. Erleichtert blickte Melanie ihm hinterher, dann lief sie mit wackeligen Knien auf den Eingang des Golfklub zu, setzte sich auf die halbwegs trockenen Treppenstufen, fischte mit der einen Hand nach ihrem Handy und wählte schluchzend die Nummer ihrer Mutter.

Tod unter Eukalyptusbäumen

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