Читать книгу Die Göttliche Komödie - Dante Alighieri - Страница 4

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So gings hinab vom ersten Kreis zum zweiten,

Der kleinern Raum, doch größres Weh umringt,

Das antreibt, Klag und Winseln zu verbreiten.

Graus steht dort Minos, fletscht die Zähn und bringt

Die Schuld ans Licht, wie tief sie sich verfehle,

Urteilt, schickt fort, je wie er sich umschlingt.

Ich sage, wenn die schlechtgeborne Seele

Ihm vorkommt, beichtet sie der Sünden Last;

Und jener Kenner aller Menschenfehle,

Sieht, welcher Ort des Abgrunds für die paßt,

Und schickt sie soviel Grad hinab zur Hölle,

Als oft er sich mit seinem Schweif umfaßt.

Von vielem Volk ist stets besetzt die Schwelle,

Und nach und nach kommt jeder zum Gericht,

Spricht, hört und eilt zu der bestimmten Stelle.

"Du, der in diese Qualbehausung bricht,"

So rief mir Minos, als er mich ersehen,

Und ließ indes die Übung großer Pflicht;

"Schau, wem du traust! Leicht ists hineinzugehen,

Doch täusche nicht dich ein verwegner Drang."

Mein Führer drauf: "Laß dir den Groll vergehen!

Nicht hindre den von Gott gebotnen Gang,

Dort will mans, wo das Können gleicht dem Wollen.

Nicht mehr gefragt, denn unser Weg ist lang."

Bald hört ich nun, wie Jammertön erschollen,

Denn ich gelangte nieder zu dem Haus,

Zur Klag und dem Geheul der Unglückvollen.

Jedwedes Licht verstummt im dunkeln Graus,

Das brüllte, wie wenn sich der Sturm erhoben,

Beim Kampf der Winde lautes Meergebraus.

Nie ruht der Höllenwirbelwind vom Toben

Und reißt zu ihrer Qual die Geister fort

Und dreht sie um nach unten und nach oben.

Ihr Jammerschrei, Geheul und Klagewort,

Nahn sie den trümmervollen Felsenklüften,

Verlästern fluchend Gottes Tugend dort.

Daß Fleischessünder dies erdulden müßten,

Vernahm ich, die, verlockt vom Sinnentrug,

Einst unterwarfen die Vernunft den Lüsten.

So wie zur Winterszeit mit irrem Flug

Ein dichtgedrängter breiter Troß von Staren,

So sah ich hier im Sturm der Sünder Zug

Hierhin und dort, hinauf, hinunterfahren,

Gestärkt von keiner Hoffnung, mindres Leid,

Geschweige jemals Ruhe zu erfahren.

Wie Kraniche, zum Streifen lang gereiht

In hoher Luft die Klagelieder krächzen,

So sah ich von des Sturms Gewaltsamkeit

Die Schatten hergeweht mit bangem Ächzen.

"Wer sind die, Meister, welche her und hin

Der Sturmwind treibt, und die nach Ruhe lechzen?"

So ich—und er: "Des Zuges Führerin,

Von welchem du gewünscht, Bericht zu hören,

War vieler Zungen große Kaiserin.

Sie ließ von Wollust also sich betören,

Daß sie für das Gelüst Gesetz erfand.

Um nur der tiefen Schmach sich zu erwehren.

Sie ist Semiramis, wie allbekannt,

Nachfolgerin des Ninus, ihres Gatten,

Einst herrschend in des Sultans Stadt und Land.

Dann Sie, die, ungetreu Sichäus Schatten,

Aus Liebe selber sich geweiht dem Tod"

Sieh dann Kleopatra im Flug ermatten."

Auch Helena, die Ursach großer Not,

Im Sturme sah ich den Achill sich heben,

Der allem Trotz, nur nicht der Liebe, bot.

Den Paris sah ich dort, den Tristan schweben,

Und tausend andre zeigt und nannt er dann,

Die Liebe fortgejagt aus unserm Leben.

Lang hört ich den Bericht des Lehrers an,

Von diesen Rittern und den Fraun der Alten,

Voll Mitleid und voll Angst, bis ich begann:

Mit diesen Zwein, die sich zusammenhalten,

Die, wie es scheint, so leicht im Sturme sind,

Möcht ich, o Dichter, gern mich unterhalten.

Und er darauf: "Gib Achtung, wenn der Wind

Sie näher führt, dann bei der Liebe flehe,

Die beide führt, da kommen sie geschwind."

Kaum waren sie geweht in unsre Nähe,

Als ich begann: Gequälte Geister, weilt,

Wenns niemand wehrt, und sagt uns euer Wehe.

Gleich wie ein Taubenpaar die Lüfte teilt,

Wenns mit weitausgespreizten steten Schwingen

Zum süßen Nest herab voll Sehnsucht eilt;

So sah ich sie dem Schwarme sich entringen,

Bewegt vom Ruf der heißen Ungeduld,

Und durch den Sturm sich zu uns niederschwingen.

"Du, der du uns besuchst voll Gut und Huld

In purpurschwarzer Nacht, uns, die die Erde

Vordem mit Blut getüncht durch unsre Schuld,

Gern bäten wir, daß Fried und Ruh dir werde,

War uns der Fürst des Weltenalls geneigt,

Denn dich erbarmt der seltsamen Beschwerde.

Wie ihr zu Red und Hören Lust bezeigt,

So reden wir, so leihn wir euch die Ohren,

Wenn nur, wie eben jetzt, der Sturmwind schweigt.

Ich ward am Meerstrand in der Stadt geboren,

Wo Seinen Lauf der Po zur Ruhe lenkt,

Bald mit dem Flußgefolg im Meer verloren.

Die Liebe, die in edles Herz sich senkt,

Fing diesen durch den Leib, den Liebreiz schmückte,

Der mir geraubt ward, wies noch jetzt mich kränkt.

Die Liebe, die Geliebte stets berückte,

Ergriff für diesen mich mit solchem Brand,

Daß, wie du stehst, kein Leid ihn unterdrückte.

Die Liebe hat uns in ein Grab gesandt—

Kaina harret des, der uns erschlagen."

Der Schatten sprachs, uns kläglich zugewandt.

Vernehmend der bedrängten Seelen Klagen,

Neigt ich mein Angesicht und stand gebückt.

Was denkst du? hört ich drauf den Dichter fragen.

Weh, sprach ich, welche Glut, die sie durchzückt,

Welch süßes Sinnen, liebliches Begehren

Hat sie in dieses Qualenland entrückt?

Drauf säumt ich nicht, zu jener mich zu kehren.

"Franziska," So begann ich nun, "dein Leid

Drängt mir ins Auge fromme Mitleidszähren.

Doch sage mir: In süßer Seufzer Zeit,

Wodurch und wie verriet die Lieb euch beiden

Den zweifelhaften Wunsch der Zärtlichkeit."

Und sie zu mir: Wer fühlt wohl größres Leiden

Als der, dem schöner Zeiten Bild erscheint

Im Mißgeschick? Dein Lehrer mags entscheiden.

Doch da dein Wunsch so warm und eifrig scheint,

Zu wissen, was hervor die Liebe brachte,

So will ich tun, wie wer da spricht und weint.

Wir lasen einst, weils beiden Kurzweil machte,

Von Lanzelot, wie ihn die Lieb umschlang.

Wir waren einsam, ferne von Verdachte.

Das Buch regt in uns auf des Herzens Drang,

Trieb unsre Blick und macht uns oft erblassen,

Doch eine Stelle wars, die uns bezwang,

Als das ersehnte Lächeln küssen lassen,

Der, so dies schrieb, vom Buhlen schön und hehr.

Da naht er, der mich nimmer wird verlassen,

da küßte zitternd meinen Mund auch er—

Galeotto war das Buch, und ders verfaßte—

An jenem Tage lasen wir nicht mehr.

Der eine Schatten sprachs, der andre faßte

Sich kaum vor Weinen, und mir schwand der Sinn

Vor Mitleid, daß ich wie im Tod erblaßte,

Und wie ein Leichnam hinfällt, fiel ich hin.

Sechster Gesang

Bei Rückkehr der Erinnrung, die sich schloß

Vor Mitleid um die zwei, das so mich quälte,

Daß das Bewußtsein mir vor Schmerz zerfloß,

Erblickt ich neue Qualen und Gequälte

Rings um mich her, ob den, ob jenen Pfad

Zum Gehn und Schaun sich Fuß und Auge wählte.

Es war der dritte Kreis, den ich betrat,

Von ewgem, kaltem, maledeitem Regen

Von gleicher Art und Regel früh und spat.

Schnee, dichter Hagel, dunkle Fluten pflegen

Die Nacht dort zu durchziehn in wildem Guß;

Stank qualmt die Erde, dies empfängt, entgegen.

Ein Untier, wild und seltsam, Zerberus,

Bellt, wie ein böser Hund, aus dreien Kehlen

Jedweden an, der dort hinunter muß.

Schwarz, feucht der Bart, die Augen rote Höhlen

Mit weitem Bauch, die Hände scharf beklaut,

Vierteilt, zerkratzt und schindet er die Seelen.

Sie heulen, wie die Hund, im Regen laut,

Und sie verschaffen sich durch öftres Drehen

Auf einer Seite mindstens trockne Haut.

Der große Höllenwurm, der uns ersehen,

Riß auf die Rachen, zeigt uns ihr Gebiß

Und ließ kein Glied am Leibe stillestehen.

Virgil streckt aus die offnen Händ und riß

Erd aus dem Grund, die in die giergen Rachen

Er alsogleich mit vollen Fäusten schmiß.

Wies pflegt ein keifig böser Hund zu machen,

Des Bellen schweigt, wenn er den Fraß erbeißt,

Der wilden Grimm vermocht, ihm anzufachen;

So jetzt mit schmutzgen Schlünden jener Geist,

Der so durchdröhnt die armen Leidensmatten,

Daß jeder hochbeglückt die Taubheit preist.

Wir gingen über die gequälten Schatten,

Indem wir auf ihr Nichts, das Körper schien,

Im tiefen Schlamm gestellt die Sohlen hatten.

Sie lagen allesamt am Boden hin,

Nur einen sahn wir sich zum Sitzen heben,

Wie er uns dort erblickt im Weiterziehn.

Er sprach: "Der du zur Hölle dich begeben,

Erkenne mich, dafern dirs möglich ist;

Du Iebtest, eh ich aufgehört zu leben."

Und ich zu ihm: "Die Angst, in der du bist,

Zieht dich vielleicht aus meinem Angedenken;

Mir scheint, ich sähe dich zu keiner Frist.

Wer bist du? Sprich, was konnte dich versenken

In eine Qual, die, gibts auch größre Pein,

Nicht widriger kann sein, noch ärger kränken."

"In eurer Stadt," so sprach er, "die allein

Der Neid erfüllt, und bis zum Überfließen,

Genoß ich einst des Tages heitern Schein.

Ich bins, den Ciacco eure Bürger hießen,

Zur Qual für schnöde Schuld des Gaumens muß,

Du siehsts, auf mich sich ewger Regen gießen.

Und mich allein nicht züchtigt dieser Guß,

Nein, alle diese leiden gleiche Plagen

Für gleiche Schuld."—So seiner Rede Schluß.

Und ich: "Mich haben, Ciacco, deine Klagen

Zum Mitleid und zu Tränen fast gerührt.

Allein, wenn du es weißt, so magst du sagen,

Wohin noch unsrer Stadt Parteiung führt?

Ob wer gerecht ist? Was in diesen Zeiten

In ihr die Glut der wilden Zwietracht schürt?"

Und er darauf zu mir: "Nach langem Streiten

Kommts dort zu Blut, dann treibt die Waldpartei

Die andre fort mit vielen Grausamkeiten.

Doch in drei Sonnen ists mit ihr vorbei,

Neu günstig sind der andern die Gestirne,

Durch eines Mannes Macht und Heuchelei.

Hoch hebt sie dann auf lange Zeit die Stirne

Und hält den Feind mit großer Last beschwert,

Wie er auch sich beklag und sich erzürne.

Zwei find gerecht dort, aber nicht gehört.

Neid, Geiz und Hochmut—diese drei sind Gluten,

In welchen sich der Bürger Herz verzehrt."

Als hier des Schattens Jammertöne ruhten,

Sprach ich zu ihm: "Noch weiteren Bericht

Erlaube mir, dir bittend anzumuten.

Tegghiajo, Farinata, treu der Pflicht,

Arrigo, Rusticucci, Mosca—sage!—

Und andre, nur auf Gutestun erpicht,

Wo find sie? Welches ist ihr Los? Ich trage

Verlangen, hier ihr Schicksal zu erspähn,

Obs Himmelswonne sei, ob Höllenplage?"

Und er: "Sie stürzte mancherlei Vergehn

Zu schwärzern Seelen nach den tiefern Gründen.

Steigst du so tief, so wirst du alle sehn—

Kehrst du zur süßen Welt aus diesen Schlünden,

Bring ins Gedächtnis dann der Menschen mich.

Mehr sag ich nicht, mehr darf ich nicht verkünden."

Scheel ward sein grades Aug und wandte sich

Nach mir; dann sank er mit dem Haupte nieder,

So daß er ganz den andern Blinden glich.

Drauf sprach mein Führer: "Nie erwacht er wieder,

Bis er vor englischer Posaun ergraust,

Und der Gewalt, dem Sündenvolk zuwider.

Zum Grab kehrt jeder, wo sein Körper haust,

Empfängt sein Fleisch zurück und die Gestaltung

Und hört, was ewig widerhallend braust."

Wir gingen langsam fort in schwerer Haltung,

Durchs Kotgemisch von Schatten und von Flut.

Vom künftgen Leben war die Unterhaltung.

Drum ich: "Mein Meister, wird der Qualen Wut

Sich nach dem großen Urteilsspruch vermehren?

Vermindert sich, bleibt sich nur gleich die Glut?"

Und er: "Gedenk an deines Weisen Lehren:

So sehr ein Ding vollkommen ist, so sehr

Wird sichs im Glücke freun, im Schmerz verzehren

Und kann gleich der Verdammten zahllos Heer

Vollkommenheit, die wahre, nie erringen,

So harrt es doch in jener Zeit auf mehr."

Wir fuhren fort, im Kreise vorzudringen,

Mehr sprechend, als zu sagen gut erscheint,

Bis hin zum Platz, wo Stufen niedergingen,

Und fanden Plutus dort, den großen Feind.

Siebenter Gesang

Aleph, Pape Satan, Pape Satan!

Erhob, rauh kluchzend, Plutus seine Stimme.

Und er, der alles wohl verstand, begann:

"Getrost, nicht fürchte dich vor seinem Grimme,

Durch alle seine Macht wirds nicht verwehrt,

Daß ich mit dir den Felsen niederklimme."

Und dann, zu dem geschwollnen Mund gekehrt,

Rief er: "Wolf, schweige, du Vermaledeiter!

Von deiner Wut sei in dir selbst verzehrt!

Wir gehn nicht ohne Grund zur Tiefe weiter,

Dort will mans, dort, wo einst den Stolz mit Schmach

Gezüchtigt Michael, der Himmelsstreiter."

Gleichwie die Segel, wenn der Mast zerbrach,

Erst aufgebläht zum Knäuel niederrollen,

So fiel das Untier, das so drohend sprach.

So gings zum vierten Kreis im schmerzenvollen

Unselgen Schacht, der alle Schuld umfängt,

Von welcher je im Weltall Kund erschollen.

Gerechtigkeit des Herrn, dein Walten drängt

So neue Mühn zusammen, solche Plagen!

O blinde Schuld, die hier den Lohn empfängt!

Wie der Charybdis Wogen sich zerschlagen,

Zum Gegenstoß gewälzt von Süd und Nord,

So muß sich hier das Volk im Wirbel jagen.

Noch nirgend war die Schar so groß wie dort.

Laut heulend kamen sie von beiden Enden

Und wälzten Lasten mit den Brüsten fort.

Und stießen sich, um sich beim Prall zu wenden,

Und dann zurück im Bogenlauf zu ziehn,

Und schrien sich zu: Was halten?—Was verschwenden?

So durch den Kreis, in dem kein Lichtstrahl schien,

Gings beiderseits dann nach der andern Seite,

Indem sie beid ihr schändlich Schmähwort schrien.

Dann wandte jeder sich zum neuen Streite,

Sobald er seines Zirkels Hälft umkreist;

Und ich, der ich den Armen Mitleid weihte,

Sprach: "Meister, o wie zagt, wie bangt mein Geist

Wer ist dies Volk? Die links hier scheinen Pfaffen!

Ists jeder, der uns eine Glatze weist?

Und er: "Dies sind die Blinden, Geistesschlaffen.

Sie wußten in der Welt zum Geben nie

Und nie zum Sparen sich ein Maß zu schaffen.

Und dies erhellt aus dem, was jeder schrie,

Wenn sie im Kreis gelangt zu zweien Orten;

Da trennt der Gegensatz des Lasters sie.

Die mit den Glatzen waren Pfaffen dorten;

Auch öffneten wohl Papst und Kardinal

Dem Geiz als Zwingherrn ihres Herzens Pforten."

Drauf sprach ich: "Meister, kenn in dieser Zahl

Ich keinen, der im Schmutz so eitlen Strebens

Sich hier erworben hat die ewge Qual?"

Und er zu mir: "Dein Suchen ist vergebens,

Unkenntlich macht sie ihr verdientes Los

Durch Kot und Schmutz bewußtlos dunkeln Lebens.

So kommen stets zum Stoß und Gegenstoß,

Bis sie erstehn—die mit verschnittnen Haaren,

Die mit geschlossner Faust—dem Grabesschoß.

Versetzt hat sie schlecht Geben und schlecht Sparen

Von jener heitern Welt in diesen Zwist;

Nicht sag ich welchen, denn du kannsts gewahren.

Sieh hier, mein Sohn, welch eitles Ding es ist

Um jenes Gut Fortunens, das die Leute

Zum Kampfe reizt und zu Gewalt und List.

Gib diesen Müden alles Gold zur Beute,

Das sie gehabt, ja alles Gold der Welt,

Und keine Stunde Ruh gibts ihnen heute."

Und ich: "Mein Meister, sprich, wenn dirs gefällt,

Wer ist Fortuna doch, die, wie ich hörte,

In ihren Klaun der Erde Güter hält?"

Und er zu mir: "O Arme, Trugbetörte!

Unwissende, zum Schlimmsten stets geneigt!

O daß mein Spruch jetzt aller Wahn zerstörte!

Er, dessen Weisheit alles übersteigt,

Erschuf die Himmel und gab ihnen Leitung,

Daß jedem Teil sich jeder leuchtend zeigt,

Durch seines Lichts gleichmäßige Verbreitung.

So gab er schaffend auch die Dienerin

Dem Erdenglanz zur Führung und Begleitung.

Von Volk zu Volk, von Blut zu Blute hin,

Bringt sie das eitle Gut, das nirgends dauert,

Und kümmert nicht sich um der Menschen Sinn.

Dies Volk befiehlt, ein andres dient und trauert,

Wie jene Führerin das Urteil spricht,

Die, wie die Schlang im Gras, verborgen lauert.

Nichts gegen sie hilft eurer Weisheit Licht,

Sie sorgt, erkennt, vollzieht in ihrem Reiche,

Und weicht darin den andern Göttern nicht.

Nie haben Stillstand ihre Wechselstreiche;

So macht sie, von Notwendigkeit gejagt,

Aus Reichen Arme, dann aus Armen Reiche.

Sie ists, die ihr ans Kreuz oft wütend schlagt,

Von der ihr oft, wenn ihr, anstatt zu schmollen,

Sie loben solltet, fälschlich Böses sagt.

Doch sie, die Selge, hört nicht euer Grollen;

In andrer erstgeschaffnen Seligkeit

Und Wonne, läßt sie ihre Kugel rollen.—

Doch eilig weiter jetzt zu größerm Leid!

Die Stern, aufsteigend, als ich fortgeschritten,

Gehn abwärts itzt, und unser Weg ist weit."

Am andern Rand ward nun der Kreis durchschnitten,

An einem Quell, der siedend dort entspringt,

Des Wellen fort durch einen Graben glitten.

Mehr trüb als schwarz ist seine Flut und bringt,

Wenn man ihr folgt, hinab zu rauhen Wegen,

Durch die man mit Beschwerde niederdringt.

Dann qualmt ein Sumpf, mit Namen Styx, entgegen

Dort, wo der traurge Fluß vom Laufe ruht,

Am Fuß des greulichen Gestads gelegen.

Dort stand ich nun und sah nach jener Flut,

Und jäh im Sumpfe Leute, kotge, nackte,

Zugleich des Jammers Bilder und der Wut.

Man schlug sich nicht mit Fäusten nur, man hackte

Mit Haupt und Brust und Füßen auf sich ein,

Indem man wild sich mit den Zähnen packte.

Mein Meister sprach: "Sohn, sieh in dieser Pein

Die Seelen derer, so der Zorn bezwungen.

Auch unterm Wasser müssen viele sein;

Und wenn ein Seufzer ihnen sich entrungen.

Dann steigen Blasen auf von ihrer Not,

Drum sieh von Kreisen diese Flut durchschwungen.

Und immer rufen sie, versenkt im Kot:

Wir waren elend einst im Sonnenschimmer

Und hegten Groll und Tücke bis zum Tod,

Und elend sind wir nun im Schlamm noch immer.

Dies Lied klingt gurgelnd vor aus ihrem Schlund,

Stets schluckend, enden sie die Worte nimmer.

So gingen, zwischen Pfuhl und festem Grund,

Wir an dem schmutzgen Teich in weitem Bogen,

Den Blick gewandt zum Volk mit Schlamm im Mund,

Bis wir zu eines Turmes Fuß gezogen.

Achter Gesang

Lang eh wir noch, so fahr ich fort, zu sagen,

Dem Fuß des hohen Turms uns konnten nahn,

War unser Blick zur Zinn emporgeschlagen,

Weil wir zwei Flämmchen dort entzünden sahn,

Als Rücksignal ein andres, So entlegen,

Daß es das Auge kaum noch könnt erfahn.

Da kehrt ich meinem Weisen mich entgegen:

"Was ist dies? Welch ein Zeichen wohl bezweckt

Das dritte Feur? Wer sind sie, dies erregen?"

Und er zu mir: "Sieh hin, dein Aug entdeckt.

Was unsrer harrt, dort auf den schmutzgen Wogen,

Wenn dirs der Qualm des Sumpfes nicht versteckt."

Und rasch, wie ich den leichten Pfeil vom Bogen

Je fortgeschnellt durch hohe Lüfte sah,

Kam durch das Moor ein kleiner Kahn gezogen.

Bald war er uns am grauen Strande nah,

Obwohl von einem Rudrer nur gefahren,

Der schrie: Verruchte Seele, bist du da?

"Phlegias, Phlegias, du magst dein Schreien sparen,"

So sprach mein Herr, "umsonst ists angestimmt;

Wir sind nur dein, solang wir überfahren."

Wie wer von einem großen Trug vernimmt,

Den man ihm angetan zu Schmach und Schaden,

So zeigte Phlegias wild sich und ergrimmt.

Mein Führer stieg ins Schiff von den Gestaden,

Und zu sich setzen hieß er mich sodann,

Und als ich drin war, schien es erst beladen.

Sobald wir beid uns eingesetzt, begann

Des Nachens Fahrt und furchte tiefre Zeilen,

Als er mit andrer Bürde furchen kann.

Indessen wir die tote Moorflut teilen,

Kommt einer, kotbedeckt, vor mich und spricht:

"Wer heißt dich vor der Zeit herniedereilen?"

"Ich komme," sprach ich, "aber bleibe nicht.

Doch wer bist du, So widrig und abscheulich?"—

"Ein Heulender, dies sagt dir dein Gesicht."—

Und ich: "Denkst du, dein Heulen sei erfreulich?

Vermaledeiter Geist, fort, weg von mir!

Ich kenne dich, sei noch so wild und greulich!"

Die Hände streckt er nun zum Kahn voll Gier,

Und mit Gewalt mußt ihn mein Herr verjagen,

Der sprach: "Mit andern Hunden, weg von hier!"

Drauf hielt er seinen Arm um mich geschlagen

Und küßte mich und sprach: "Erzürnter Geist,

Beglückt die Mutter, welche dich getragen!

Stolz war im Leben dieser—niemand preist

Von ihm nur einen guten Zug auf Erden,

Daher er hier sich noch in Wut zerreißt.

Viel Fürsten gibts dort, die sich stolz gebärden,

Die, Schmach nur hinterlassend, wie die Saun,

Im Schlamme hier auf ewig wühlen werden."

Und ich: "Begierig war ich wohl, zu schaun,

Wie er in diesem Schlamme tauchen müßte,

Eh wir verlassen diesen See voll Graun."

Und er zu mir: "Bevor sich noch die Küste

Dir sehen läßt, erfreut dich der Genuß.

Befriedigung gebühret dem Gelüste."

Bald sah ich, wie zu Qual ihm und Verdruß

Die Kotigen mit ihm beschäftigt waren,

Drob ich Gott loben noch und danken muß.

Frisch, auf Philipp Argenti! schrien die Scharen;

Dann sah ich, selbst sich beißend, auf sie los

Den tollen Geist des Florentiners fahren.

Und dies erzähl ich nur von seinem Los.

Ich ließ ihn dort und hört ein Schmerzensbrüllen

Und macht, um vorzuschaun, die Augen groß.

"Bald wird sich, Sohn, dir jene Stadt enthüllen,"

So sprach mein guter Meister, " Dis genannt,

Die scharenweis unselge Bürger füllen."

Und ich: "Mein Meister, deutlich schon erkannt

Hab ich im Tale jener Stadt Moscheen,

Glutrot, als ragten sie aus lichtem Brand."

Drauf sprach mein Führer: "Ewge Flammen wehen

In ihrem Innern, drum im roten Schein

Sind sie in diesem Höllengrund zu sehen."

Bald fuhren wir in tiefe Gräben ein,

Den Zugang sperrend zu dem grausen Orte;

Die Mauer schien von Eisen mir zu sein.

Dann aber hörten wir des Steurers Worte,

Nachdem vorher wir auf dem Pfuhle weit

Umhergekreuzt: "Steigt aus, hier ist die Pforte."

Wohl tausend standen auf dem Tor bereit,

Vom Himmel hergestürzt. Es schrien die Frechen:

"Wer wagts, noch lebend, voll Verwegenheit

Ins tiefe Reich der Toten einzubrechen?"

Mein Meister aber, ihnen winkend, lud

Sie klüglich ein, ihn erst geheim zu sprechen.

Da legte sich ein wenig ihre Wut.

Sie sprachen: "Komm allein, laß gehn den Toren,

Der hier hereindrang mit so keckem Mut.

Find er den Weg, den sich sein Wahn erkoren,

Allein zurück—erprob er doch, wie er

Sich durch die Nacht führt, wenn er dich verloren."

Und nun bedenk, o Leser, wie so schwer

Mich der Verdammten Rede niederdrückte,

Denn ich verzweifelt an der Wiederkehr.

"Mein teurer Führer, du, durch den mirs glückte,

Daß ich gerettet ward schon siebenmal,

Des Schutz mich drohender Gefahr entrückte,

Verlaß mich", sprach ich, "nicht in dieser Qual,

Und darf ich auch nicht weiter vorwärts dringen,

So komm mit mir zurück durchs dunkle Tal."

Und er, befehligt, mich hierher zu bringen,

Sprach: "Fürchte nichts; erlaubt hat unsern Gang

Er, dem nichts wehrt, drum wird er wohl gelingen.

Hier harre mein, und ist die Seele bang,

So magst du sie mit guter Hoffnung speisen,

Denn nicht verlass ich dich in solchem Drang."

So ging er.—ich, getrennt von meinem Weisen,

Dem süßen Vater, fühlte Ja und Nein

Beim Zweifelkampf in meinem Haupte kreisen.

Nicht hört ich, was sein Antrag mochte sein,

Allein er blieb bei jenem Volk nicht lange,

Denn alle rannten in die Stadt hinein

Und schlugen ihm das Tor im wilden Drange

Vorm Antlitz zu und sperrten ihn heraus.

Da kehrt er sich zu mir mit schwerem Gange.

Den Blick gesenkt, die Braun verstört und kraus,

Ließ er in Seufzern diese Worte hören:

"Wer schließt mich von der Stadt der Schmerzen aus?"

Und dann zu mir: "Nicht mög es dich verstören,

Wenn du mich zürnen siehst—ich siege doch,

Wie keck sie auch dort drinnen sich empören.

Schon früher stieg ihr kecker Mut so hoch,

An einem Tor, nicht so geheim gelegen,

Und ohne Schloß und Riegel heute noch,

Am Tor, von dem die schwarze Schrift entgegen

Dem Wandrer droht—doch diesseits schon von dort

Kommt, ohne Leitung, auf den dunkeln Wegen

Ein andrer her und öffnet uns den Ort."

Die Göttliche Komödie

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