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Fortsetzung Tagebuch

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In der Familie lief alles prima, aber bei meiner Schwester und mir lief gar nichts. Richtige enge Freunde hatten wir wenige.

Wir versagten bei fast allem, was wir taten und fingen nun doch an, als Erwachsene an unseren Eltern zu hängen. Das machte mich noch unglücklicher. In diesem Alter lösen sich Kinder normalerweise von ihren Eltern, aber bei uns war das Gegenteil der Fall. Wir schämten uns sehr dafür. Sehr früh mussten und durften wir alles allein machen. Damals hingen unsere Freunde an ihren Eltern, die sich sehr um sie kümmerten. Wir machten uns darüber lustig, da sie immer eine Erlaubnis von Mama und Papa brauchten, um ins Kino zu gehen. Wir lachten sie aus, wenn sie sich beklagten, dass sie nicht ausgehen durften, bis sie ihre Matheaufgaben richtig gemacht hatten. Wir fanden es cool, mit 13 oder 14 auszugehen und nach Hause zu kommen, wann wir wollten, wenn unsere gleichaltrigen Freunde um 23 oder 24 Uhr zu Hause sein mussten. Wir machten uns darüber lustig, wenn Kinder, die nur eine Stunde länger draußen blieben, als es vereinbart worden war, von ihren Eltern angerufen wurden, um zu wissen, was los ist, ob etwas passiert sei. Aber insgeheim wünschten wir uns das auch. Ich spürte schon damals, dass ich diesen Schutz brauchte, um keine Angst zu haben.

Ja, es war komisch, nun dabei zuzusehen, wie die meisten Freunde nach ihrem Abi aus dem elterlichen Haus ausgezogen waren und jetzt in einer WG oder in ihrem eigenen Studentenzimmer wohnten. Andere verließen Darmstadt und gingen ganz woanders hin, studierten sogar im Ausland.

Aber wir blieben zu Hause und konnten doch nicht mit der uns viel zu früh gegebenen Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung, umgehen. Der Erziehungsstil meiner Eltern war nach hinten losgegangen.

Sie hatten nun zwei gebrochene Kinder, die mit sich selbst kämpften und ihren Weg suchten. Anstatt dass unsere Eltern uns unseren Weg konsequent blieben und uns allein suchen ließen, wie sie es schon seit Jahren machten, kam jetzt wieder alles anders. Sie wurden wieder fürsorglicher und machten uns somit finanziell und emotional noch abhängiger von ihnen denn je. Das ist verrückt. Damals, als sie sich um uns hätten kümmern sollen und für uns hätten sorgen sollen, hatten sie uns für unabhängig erklärt. Jetzt aber, in diesem Alter, in dem ein normales Kind von den Eltern loskommen sollte, banden sie uns wieder fest an sich. Ich frage mich echt, jetzt und hier in dieser Zelle: „Was wollten sie denn mit uns? Hatten sie sich auch nur einmal die Frage gestellt, was für uns gut gewesen wäre?“ Nein, ich glaube nicht, ich bin überzeugt, dass sie nur ihre eigene Lebensphilosophie leben wollten. Sie haben uns sehr geliebt, da bin ich mir sicher. Aber diese Liebe hat uns nieder gedrückt und zerstört. Sie haben am Ende immer nur das getan, was zu Ihnen selbst besser passte.

Als sie Zeit für sich brauchten und noch jung waren und noch ihr Leben leben wollten, hielten sie es für eine gute Idee, uns früh in die Freiheit zu schicken. Nun, wo sie älter sind und uns brauchen, drehen sie das Spiel einfach um und am Ende bleiben sie die guten Eltern und wir die unfähigen Kinder, die Versager, die ohne Papa und Mama nichts schaffen können. Vielleicht finden sie darin einen Sinn ihres Lebens?

Alles wurde noch schlimmer, als meine Eltern sich entschieden, eine Villa im Steinbergviertel zu kaufen. Die Entscheidung dazu fiel mehr auf Druck meiner Mutter. Meinem Vater war das ziemlich egal, glaube ich. Das Haus, das wir in Bessungen hatten, war schon sehr schön, aber meine Mutter wollte ein Statussymbol haben und sie hatten inzwischen ja auch genug Geld verdient.

Wir kauften das neue Haus, ein sehr schönes Haus, wie ich fand. Aber an diesem Zeitpunkt fing auch meine Mutter an, abzubauen. Das neue Haus raubte ihr die letzte Kraft.

Es ging meiner Schwester immer schlechter. Um sich den Mann ihres Lebens zu angeln, hungerte sie monatelang und war nun richtig dünn. Sie kam auch tatsächlich mit dem Mann zusammen, obwohl ihr Psychologe ihr davon abgeraten hatte. Er hatte ihr gesagt: „Du bist, wie du bist, hungere nicht, damit er dich liebt. Er wird dich gerade auch deswegen wieder verlassen.“ Meine Eltern aber unterstützen sie in diesem Wahn. Mit diesem Mann blieb sie genau gesagt auch nur 3 Wochen zusammen, bis er sich doch in eine kräftigere Frau verliebte und sich von Mia trennte. Er begründete es damit, dass meine Schwester sehr dünn geworden wäre und jetzt nichts mehr Weibliches an sich hätte. Weiter sagte er, die neue Frau wäre eine richtige Frau und Sex mit ihr wäre toll. Ein Mann muss etwas anfassen können, betonte er. Ja, genauso machte er mit ihr in einer Mail Schluss. Da meine Schwester diesen Mann sehr liebte, versuchte sie, nach der Trennung wieder zuzunehmen, in der Hoffnung, Jonas würde zu ihr zurückkommen. Leider kam Jonas nicht zurück, im Gegenteil: Er verlobte sich mit seiner neuen Freundin, die wenig später ein Kind von ihm bekam.

Meine Schwester ertrug diese Niederlage nicht und wurde immer dicker und dicker. Sie ging kaum noch raus und keine Therapie konnte ihr mehr helfen.

Eines Tages, an einem Wintertag, wollte sie zum einem Hofgut herausfahren, um reiten zu gehen. Eine Stunde später erreichte uns die Nachricht, dass Mia tot sei. Wir wissen bis heute nicht, ob es ein Unfall war, wegen des Eises und der Glätte, oder Selbstmord. Auf jeden Fall schlug das Auto gegen einen Baum, so heftig, dass von dem Auto nur noch Schrott übrig blieb. Sie wurde zerquetscht und war nicht mehr wieder zu erkennen.

Nach diesem plötzlichen, aber irgendwie schon vorhersehbaren Tod meiner Schwester veränderte sich meine Mutter. Sie machte sich immer häufiger Vorwürfe, dass sie mit uns falsch umgegangen wäre.

Als Einzelkind wurde ich noch mehr bemuttert, anstatt, dass sie mich frei ließ.

Meine Mutter fing auch an, in Therapie zu gehen. Es dauerte Monate, bis die Therapie erste positive Wirkungen zeigte. Meine Mutter wurde wieder stärker und das neue Haus wurde immer wichtiger.

Es schien alles wieder vorwärts zu gehen, als meine Mutter an einen Nachmittag vor dem neuen Haus plötzlich zusammenbrach. Sie wurde ins Krankenhaus gebracht, wo ihr Krebs in Endstadium diagnostiziert wurde. Obwohl sie regelmäßig zur Krebsvorsorge ging, wurde anscheinend zu spät festgestellt, dass sich der Krebs schon sehr verbreitet hatte. Die Ärzte waren sehr erstaunt, dass sie bis zu diesem Tag durchgehalten hatte. Nur zwei Wochen nach der Einlieferung starb sie.

Das war ein Schock für mich. Innerhalb von einem Jahr hatte ich meine Lieblingsschwester und nun auch meine Mutter verloren. Ich hasste das Leben, ich hasste das Geld und ich hasste das luxuriöse Haus, weil es das ganze Materielle symbolisierte, was meinen Eltern immer so unglaublich wichtig gewesen war. Ich beschuldigte mich selbst. Ich beschuldigte meinen Vater. Ich beschuldigte alle, die ich konnte.

Es ging mir total schlecht. Ich wollte nicht einmal an der Beerdigung meiner Mutter teilnehmen. Ich wollte weg. Ich wollte verschwinden. Ich wollte dahin, wo die beiden sich befanden.

Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Wie ich weiter leben sollte. Ich hatte keine echte Beziehung zu meinem Vater. Alles lief immer über Mama. Mama hier, Mama da. Es war immer Mama. Mein Vater war mehr ein ruhiger Typ, der sich bei fast allem heraus hielt. Er hasste Konfrontationen und gab bei Streitereien mit meiner Mutter immer schnell klein bei.

Nun mussten wir zu zweit leben und auskommen.

Ich wollte nicht ausziehen. Ich sah in dem neuen Haus einen Fluch. Erst nachdem das Haus gekauft worden war, fing es an Tote in der Familie zu geben. Dieses Haus brachte nur Pech und Unglück. Mein Vater glaubte, ich würde lieber gestern als heute das Haus wieder verkaufen.

Dann fanden wir einen Brief meiner Mutter, der uns 2 Monaten nach ihrem Tod zugestellt wurde. Der Brief war ein Schock, aber auch eine Befreiung. Meine Mutter hatte schon gewusst, dass sie Krebs hatte und bald sterben würde. Sie hatte uns nicht Bescheid gesagt, damit wir uns keine Sorgen machen mussten und außerdem, weil sie unbedingt wollte, dass das Haus bleibt, das Haus, für das sie so viel getan hatte, so viel angekauft hatte. In dem Brief bat sie meinen Vater, das Haus nicht zu verkaufen und noch im gleichen Jahr einzuziehen. Also zogen wir ein paar Monaten später in das Haus ein und lebten nun zu zweit darin weiter.

Ich war eigentlich schon zu alt, um noch bei meinem Vater zu leben, aber ich wollte ihn nicht alleine lassen. Er wollte keine andere Frau haben, was ich nicht gut fand. Ich dachte immer, dass vielleicht eine neue Frau ihm das Lachen wieder bringen könnte.

Ehrlich gesagt, jetzt, wo ich sehr oft alleine mit meinem Vater war, fragte ich mich, ob sie sich wirklich geliebt hatten. Ich meine, er und meine Mutter. Ich habe ein komisches Gefühl, dass meine Mutter zu dominant war und mein Vater doch nicht ganz glücklich mit ihr war, aber trotzdem mitgemacht hatte, weil es so für ihn einfacher war.

Auf jeden Fall war ich fertig mit meinem Jurastudium und arbeitete nun in einer Anwaltskanzlei in Frankfurt. Ich musste jeden Morgen hin und kam erst wieder abends zurück nach Hause. Das tat mir gut, weil ich so wenig Zeit zu Hause verbrachte. Aber gleichzeitig ärgerte mich genau das sehr, weil ich wie mein Vater früher nur noch an die Arbeit dachte. Aber ich beruhigte mich damit, dass ich Single war und niemand darunter leiden musste. Die Anwaltskanzlei gehörte einem Freund meines Vaters. Deswegen wollte ich so schnell wie möglich da weg, um mein eigenes Ding zu machen. Ich wollte nicht mehr von Papa abhängig sein und ihm alles verdanken. Aber irgendwie schaffte ich es nicht. Ich war am Ende doch viel abhängiger von meiner Familie, als ich es gedacht hatte.

Eines Tages kam eine Klientin in die Kanzlei, um die ich mich kümmern sollte. Sie kam wegen eines Scheidungsfalls zu uns. So lernte ich meine zukünftige Frau kennen.


BLUTIGER TANZ - Ein One-Night-Stand mit fatalen Folgen

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