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Johnny hatte schnell einen Termin bei Dr. Camara bekommen und war an diesem Tag um Punkt 9 Uhr da. Dr. Camara empfing ihn mit Freude, wie immer.

Dr. Camara: Guten Morgen, Herr Walker, wie geht es Ihnen?

Johnny: Wenn ich sage gut, würden Sie mich fragen, was ich dann hier tue.

Dr. Camara: Richtig geahnt.

Johnny: Die Stimme ist wieder da.

Dr. Camara: Was heißt, wieder da?

Johnny: Sie war nach dem Gespräch mit meiner Frau weg, wie sie geraten haben, aber mitten im Urlaub auf Mauritius fing sie wieder an.

Dr. Camara: Oh, Sie haben mit Ihrer Frau gesprochen!

Johnny: Ja, Doktor.

Er erzählte ihm, wie das Gespräch abgelaufen war, und wie es jetzt zu Hause war.

Dr. Camara: Das ist gut, dann können wir die Situation mit Ihrer Frau als Ursache dieser Halluzination, nein, das wollte ich nicht sagen, als Ursache dieser Persönlichkeitsstörung ausschließen.

Johnny: Warum entstand die Stimme erst, als ich diesen Schwangerschaftstest gefunden habe?

Dr. Camara: Dass Ihre Frau Sie schon lange betrog, das wussten Sie eigentlich schon, auch wenn Sie es unterdrückt haben. Auf jeden Fall hätte jede extreme Situation diese Störungen auslösen können, aber ich habe den Eindruck, dass die Ursache woanders liegt.

Johnny: Ich bin nicht gestört, Dr. Camara. Ich habe keine Multiple Persönlichkeit. Es ist nicht so, dass ich eine Identitätsstörung habe. Ich kann alles genau unterscheiden. Da ist wirklich eine andere Person, ein Kind, das mit mir redet. Das Kind ist nicht in mir, aber es redet mit mir. So würde ich es definieren.

Dr. Camara: Ich glaube Ihnen. Ich habe nur kein anderes Wort gefunden, um diese Situation zu definieren, aber ich glaube Ihnen. Ich glaube Ihnen, weil Sie sich sicher sind und alles auch gut beschreiben können. Hören Sie die Stimme in ihrem Kopf oder in Ihren Ohren?

Johnny überlegte.

Dr. Camara: Sagt die Stimme jetzt etwas?

Johnny: Ja, sie weint ganz still, wie jemand, der müde ist. Der lange geweint hat und erschöpft ist.

Dr. Camara: Wie hören Sie sie? Hören Sie in sich hinein, seien Sie ruhig, versuchen Sie Ihre Atmung ruhig fließen zu lassen, und konzentrieren Sie sich einfach auf diese Stimme.

Johnny schloss seine Augen und tat, was der Arzt gesagt hatte.

Dr. Camara: Was fällt Ihnen auf? Auf welcher Seite ist die Stimme stärker zu hören, links oder rechts? Atmen sie aus und ein. Entspannen Sie sich, einatmen und ausatmen, einatmen, ausatmen. Nun konzentrieren Sie sich auf die weinende Stimme, alle Ihre Aufmerksamkeit ist auf diese Stimme gerichtet. Sie halten ihre Atmung an, konzentrieren Sie sich auf die Stimme. Sie hören nun das Kind weinen, Sie hören es sehr gut, ja, Sie hören es. Nun die Atmung wieder zulassen. Atmen Sie langsam aus, und ein. Auf welcher Seite Ihres Körpers war die Stimme lauter?

Johnny lächelte ein bisschen.

Johnny: Ich bin ziemlich sicher, Doktor. Ich bin ziemlich sicher. Ich hatte Recht. Ich höre die Stimme abwechselnd von rechts und von links. Es ist, als ob jemand neben mir stehen würde und weinte. Ich höre ganz sicher in meinen Ohren, was von außen kommt, von Ihnen. Dennoch ist das Kind in mir. Kompliziert, oder?

Dr. Camara: Sie haben definitiv keine Persönlichkeitsstörung, keine Einbildung oder Halluzinationen. Wir müssen mit diesem Kind, bzw. du musst mit diesem Kind Kontakt aufnehmen. Ab diesem Moment werden wir uns duzen. So läuft es eigentlich mit allen meinen Patienten.

Johnny: Von mir aus kein Problem, aber wie werden wir, beziehungsweise wie werde ich mit einer Stimme Kontakt aufnehmen?

Dr. Camara: Wir werden es versuchen, aber davor möchte ich noch beim nächsten Treffen mit dir über deine Kindheit reden. Gehe nach Hause, ziehe dich zurück und schreibe alles über deine Kindheit und deinen Werdegang nieder, bis zum Auftauchen der Stimme.

Johnny: Ich habe aber schon vor Wochen darüber nachgedacht.

Dr. Camara: Sehr gut, dann schreibe jetzt dein Leben auf, und wir treffen uns in 3 Tagen wieder.

Johnny: Ich kann aber mit diesem weinenden Kind in mir nicht so lange warten.

Dr. Camara: Johnny, du musst jetzt leider lernen zu warten. Geduld wird dein zukünftiger Freund sein. Es wird ein steiniger Weg sein, es wird nicht leicht sein. Ein langer, langer Weg steht dir bevor. Geh nun und schreibe alles auf. Nachdem du alles aufgeschrieben hast, schickst du es mir per Mail und wir sehen uns in drei Tagen um 9 Uhr wieder.


Johnny hatte gedacht, dass die Sitzung mehrere Stunden dauern würde. Hätte er gewusst, dass es so kurz sein würde, hätte er das Angebot seiner Frau angenommen, mit zu Ikea zu fahren.

Er konnte wegen seines Zustands nicht Auto fahren, deswegen bewegte er sich nur noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Von Dr. Camaras Praxis in Frankfurt am Main, Bockenheim, Arndtstraße, bis zum Hauptbahnhof dauerte es nur einige Minuten.

Er hatte aber keine Lust, sofort nach Darmstadt zu fahren, deswegen lief er hin und her, und so landete er in der Kaiserstraße und hatte Lust auf Sex.

Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er käuflichen Sex hatte. Er wusste auch gar nicht, warum er das tat, obwohl er doch mit seiner Frau bis zu dem erneuten Auftauchen der Stimme regelmäßig Sex gehabt hatte. Aber er war danach für den Moment erfüllt. Er fühlte sich besser und ein bisschen druckfrei. Währen des Sex war die Stimme immer stumm, und das tat ihm gut.

Nun wollte er nach Haus gehen und das tun, was Dr. Camara von ihm verlangt hatte, da kam ihm plötzlich die Idee, sich direkt in ein Café zu setzen und mit dem Schreiben anzufangen. Also suchte er ein Schreibwarengeschäft, kaufte ein Heft, setzte sich in ein Café und fing an zu schreiben.

Er schrieb und schrieb, aber in einem Punkt bleib er lange hängen: An dem Tag, als er beim Fußballspiel sein Gedächtnis verlor. Er wusste noch, wie er sich für einige Sekunden gefühlt hatte und wie er, bevor er ins Koma fiel, hörte: „Schnell, schnell einen Krankenwagen!“

Dieser Unfall hatte sein Leben sehr verändert, danach konnte er keinen Leistungssport mehr treiben. Dabei war der Sport das gewesen, was ihm immer so gutgetan hatte, was ihm geholfen hatte, der Einsamkeit und der Traurigkeit seines Luxuslebens zu entkommen.

Es war schon fast 17 Uhr, als er auf die Uhr schaute, und er beeilte sich, nach Haus zu kommen, um noch pünktlich zum Abendessen da zu sein.


DJOUDJOU - Blut-Organe

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