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Ma Felton

Eine weiche Decke hüllte ihren Körper in wohlige Wärme, während ganz in der Nähe eine Kaffeemaschine gluckerte. Es roch köstlich nach frisch aufgebrühtem Kaffee und Gebäck.

Dary ließ sich von diesen Eindrücken langsam ins Wachsein hinüber geleiten. Doch obgleich die Atmosphäre sehr angenehm war, fühlte sie sich ungewöhnlich träge und schwermütig. Ihr Kopf schmerzte furchtbar. Instinktiv betastete sie noch mit geschlossenen Augen ihre Stirn mit den Fingerspitzen. Sie stieß dort auf etwas, das sie wie ein großes Pflaster anfühlte. Verwundert zog sie die Hand zurück und öffnete die Augen. Die Fremdheit ihrer Umgebung machte ihr klar, dass irgendetwas passiert war, aber sie erinnerte sich nur verschwommen an einen Wald.

Jetzt lag sie auf einem großen, mit weißem Stoff bezogenen Sofa in einem altmodisch, aber angenehm eingerichteten Wohnzimmer. Über ihr hing ein elektrischer Kronleuchter von sicherlich einem Meter Durchmesser, der nicht nur extrem alt, sondern auch extrem kostbar aussah.

Sie runzelte die Stirn. Wo war sie hier?

Vorsichtig setzte sich Dary auf, schob die Wolldecke weg und blinzelte die Benommenheit von sich. Sie trug noch die Kleider, die sie angehabt hatte, nur ihr Rucksack war nirgendwo zu sehen. Ihre Schulter tat weh und sie fühlte, dass ihre Unterlippe angeschwollen war. Sie musste gestürzt sein… aber wie war sie hier her gekommen?

„Oh, du bist wach.“ Die Stimme kam vom anderen Ende des Zimmers, von wo auch das Geräusch der Kaffeemaschine gekommen war. Eine alte Frau kam ihr mit einem Tablett in den Händen entgegen und lächelte freundlich. „Wie geht es dir?“

„Ähm… gut… denke ich“, antwortete Dary. „Was ist passiert? Wo bin ich hier?“

Die Frau stellte das Tablett auf den niedrigen Couchtisch, der vor Dary stand. Darauf befanden sich ein Glas Wasser, eine Kanne Kaffee, zwei Tassen und jede Menge selbstgebackene Cookies und Pralinen in einer Schüssel.

„Du warst im Wald unterwegs und bist unglücklich gestürzt“, erzählte die alte Frau. Dann nickte sie in Richtung des Tabletts. „Du solltest dich etwas stärken.“

Dary war nicht in Stimmung, auf diese Aufforderung zu reagieren. Sie starrte das Wasserglas ein paar Momente lang an, dann hob sie den Blick zu ihrem Gegenüber. Die Frau war wirklich sehr alt. Obwohl ihr weißes Haar noch erstaunlich voll und zu einem Zopf zusammengebunden war, zeigte ihr Gesicht die Falten von sehr vielen Jahrzehnten. Das Alter hatte sie bereits extrem schrumpfen lassen, sodass sie Dary, wenn überhaupt, nur bis zum Kinn reichte. Ihre Augen fand Dary erstaunlich. Sie waren hellgrün und strahlend, wie sie es noch nie zuvor bei einem Menschen gesehen hatte, und von so vielen Lachfältchen umgeben, dass man einfach nichts anderes in ihrem Gesicht beachten konnte… mit Ausnahme der zwei gigantischen Ohrringe, die mit winzigen Diamanten besetzt waren. Die Stimme der Frau war tief und ruhig. Doch ihre Worte verwirrten Dary.

„Ich… ich war wohl ohnmächtig“, murmelte sie vor sich hin. „Aber wie bin ich denn hier her gekommen?“

„Nun, ich habe dich gefunden.“ Die Frau setzte sich Dary gegenüber auf einen Sessel und schenkte sich Kaffee ein. Scheinbar war sie der Meinung, dieser Satz wäre Erklärung genug, denn sie setzte die Tasse an die Lippen und begann langsam und genüsslich zu trinken.

„Sie…?“ Dary sprach nicht weiter. Sie erinnerte sich wieder. An den Pfad im Wald, an die Treppe und an den Sturz. Es kam ihr mehr als nur unglaubwürdig vor, dass diese alte Dame sie dort gefunden und hier her gebracht haben sollte.

„Ich habe natürlich sofort Hilfe herbeigerufen, als ich dich gefunden habe“, erzählte die Frau, als hätte sie Darys Gedanken gelesen. „Ich wollte dich eigentlich in ein Krankenhaus bringen lassen, aber der Arzt meinte, es wäre in Ordnung, wenn du dich nur etwas ausruhst. Was hast du da überhaupt getan, so tief im Wald? Ich dachte, nur die Ansässigen kennen den Weg dorthin.“

„Ich…“ Wieder fand sie keine Worte. Sie hatte noch immer das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Als hätte etwas von dem, was geschehen war, noch nicht wieder in ihre Erinnerung zurückgefunden. Da war eine Lücke, die wie eine geheimnisvolle Melodie ihre Gedanken einnahm. Dann fasste sie sich und lächelte die alte Frau verlegen an. „Ich bin einfach durch den Wald gelaufen, ohne auf die Wege zu achten. Es war Zufall, dass ich dort gelandet bin. Dass sie gerade dort waren, war aber wohl ein noch größerer Zufall.“ Jetzt erst wurde ihr klar, dass sie der Frau ihre Rettung verdankte, egal wie verrückt diese Geschichte klang. „Danke.“

„Nicht der Rede wert. Aber du solltest in Zukunft vorsichtiger sein… einfach so durch den Wald zu laufen kann gefährlich sein, besonders wenn man sich nicht auskennt. Wer weiß, wie lange du dort gelegen hättest, wenn ich nicht zufällig vorbeigekommen wäre. Und ich mache nun wirklich nicht oft so lange Spaziergänge im Wald.“

Darauf konnte Dary nichts erwidern. Sie kam sich ein wenig einfältig vor. Um der Frau nicht in die Augen sehen zu müssen, hielt sie den Blick auf das Wasserglas gerichtet, wobei ihr erst klar wurde, welch schrecklichen Durst sie hatte. Gierig nahm sie mehrere tiefe Schlucke und stellte das geleerte Glas wieder auf den Tisch. Ganz offensichtlich war sie mit mehr Glück als Verstand davongekommen. Möglicherweise verdankte sie dieser alten Dame sogar das Leben.

„Aber lass uns nicht weiter davon sprechen“, sagte die Frau und nickte mit einem beruhigenden Lächeln in Richtung der Schüssel, in der die Naschereien lagen. „Jungen Menschen ihre Fehler vorzuhalten, ist ohnehin meistens sinnlos. Bedien dich doch bitte. Mein Name ist übrigens Elisabeth Felton. Du kannst mich aber Ma Felton nennen, das tun alle.“

„Dary“, stellte sich Dary vor, brachte es aber nicht über sich, in die Schüssel zu greifen. Stattdessen sah sie sich noch einmal gründlicher um. Das Zimmer war riesig und erst jetzt wurde ihr klar, dass sie in einem kleinen Palast gelandet war. Die Wände waren vertäfelt und die Teppiche sahen aus, als wären sie ein Vermögen wert, von dem riesigen Kronleuchter ganz zu schweigen. Jeder freie Zentimeter wurde von Figürchen, kleinen Skulpturen, Bilderrahmen, Büchern oder anderen, teils sogar undefinierbaren Dekorationen beansprucht, die aber allesamt außergewöhnlich und kostbar wirkten. Am Beeindruckendsten war der riesige Kamin. Schließlich konnte sie nicht anders und fragte: „Wo bin ich hier?“

„Ich dachte, es wäre das Beste, dich mit ins Dorf, zu mir nach Hause zu nehmen“, antwortete Ma Felton hinter ihrer Kaffeetasse.

„Dashier ist Ihr Haus?“ Dary staunte. Damit ließen sich zumindest die diamantbesetzten Ohrringe erklären. Wenn das Haus so riesig war, wie dieses Zimmer vermuten ließ, musste diese sonderbare alte Dame steinreich sein.

Auf jeden Fall schien Ma Felton in Darys Gesichtszügen lesen zu können wie in einem Buch, denn sie lachte auf und sagte: „Nun ja, ich bin nicht Bill Gates, aber ich muss mir um meine nicht mehr all zu lang dauernde Zukunft keine Gedanken machen. Ich könnte wahrscheinlich das Leben von zehn Menschen leben, und in keinem davon müsste ich auf etwas verzichten.“ In ihrer Stimme lag weder Stolz noch Überheblichkeit, nur etwas, das Dary höchstens als verträumte Nachdenklichkeit beschreiben konnte. „Du siehst also, du brauchst keine Hemmungen zu haben. Nimm dir endlich etwas von den Pralinen.“

Dary gehorchte und steckte sich eine der kleinen Kugeln in den Mund. Es schmeckte so sonderbar, dass ihr sofort klar war, gerade eine Süßigkeit im Wert einer ganzen Wagenladung der Schokolade zu essen, die sie sonst konsumierte. „Ist dieses Haus so groß, wie ich glaube?“, fragte sie und leckte sich die Finger.

„Es hat fünfzehn Zimmer, von denen die meisten noch größer sind als dashier“, antwortete Ma Felton.

Damit war es sogar noch größer als Dary sich vorgestellt hatte. „Und Sie… leben hier allein?“

Die alte Frau nickte.

„Darf ich mich etwas umsehen?“

„Aber natürlich.“

Darys Neugier war geweckt. Sie stand auf, nahm sich einen der Cookies aus der Schüssel und ging auf den großen Kamin zu, der am anderen Ende des Zimmers fast die Hälfte der Wand einnahm. Auf dieser Seite gab es keine Holzvertäfelungen, stattdessen war die gesamte Front in dem Stil des Kamins gehalten; grauer Stein, der mit zahlreichen Reliefs verziert war. Es erweckte den Eindruck, als wüchse der Kamin direkt aus der Wand heraus. Auf dem Sims standen unzählige Fotos, die allesamt so vergilbt waren, als stammten sie aus einem längst vergangenen Jahrhundert, und eine kleine, goldene Standuhr, die leise tickte.

„Sind das alles… Familienfotos?“, fragte Dary erstaunt.

„Ja.“ Ma Felton war hinter sie getreten, so lautlos, dass sie es gar nicht bemerkt hatte. „Dieses Haus ist schon seit Generationen in Familienbesitz. Was du da siehst, sind ausnahmslos reiche Schnösel wie ich.“ Sie beugte sich vor und wischte den Staub von einem der großen Familenportraits.

Der Humor, mit dem Ma Felton über sich selbst und ihren Reichtum sprach, als wäre es das Belangloseste der Welt, gefiel Dary mit jeder Minute mehr. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es jemanden geben sollte, der diese Frau nicht auf Anhieb sympathisch finden musste. Trotzdem stellten sich ihr immer mehr Fragen, was ihre Retterin anging.

„Aber… wird es Ihnen hier nicht schnell langweilig? Ich meine, in einem so großen Haus, fühlt man sich da nicht schnell einsam?“

„Nicht, wenn man ständig von treuen Freunden umgeben ist“, schmunzelte Ma Felton und ihre Lachfältchen vertieften sich.

Dary erwiderte ihr Lächeln. „Oh, ich kann mir gut vorstellen, dass Sie hier viele Freunde haben.“

„Nein, nein“, winkte Ma Felton hastig ab. „Diese Art von Freunden meinte ich nicht.“

„Was meinten Sie dann?“

„Meine Freunde existieren in zwei anderen Welten als in dieser. In meinem Kopf, und auf dem Papier. Ich bin Schriftstellerin, schon seit vielen, vielen Jahren.“

Jetzt, wo sie es hörte, fragte sich Dary, wieso sie nicht früher darauf gekommen war. Der Anblick von Ma Felton und die Art, wie sie lebte, entsprach dem, wie sie sich eine typische, alternde Autorin vorstelle, zu einhundert Prozent.

„Ich sitze also die meiste Zeit an meiner alten Schreibmaschine und erschaffe jede Menge Menschen um mich herum. In einem so großen Haus mit einer so langen Geschichte begleiten dich die Gestalten deiner Phantasie überallhin. Es ist sehr lange her, seit ich mich das letzte Mal einsam gefühlt habe.“

„Was schreiben Sie?“

Ma Felton lächelte und senkte den Kopf. Fast sah sie stolz aus, dass sich Dary dafür interessierte. „Ich schreibe alles Mögliche. Die meisten meiner Geschichten sind allerdings ein wenig… nun ja… düster.“

„Düster?“, fragte Dary nach.

„Voller Blut, Gemetzel und einer ganzen Menge Leichen, würdet ihr jungen Leute wahrscheinlich sagen. Kurz gesagt: Ich schreibe keine Kinderbücher.“

Zugegeben, Dary hätte eher vermutet, dass die alte Frau historische Dramen oder Liebesschnulzen schrieb. Aber es machte Ma Felton eigentlich nur noch interessanter.

„Könnte ich vielleicht mal etwas von Ihnen lesen?“

„Na, sicherlich. Was wäre ich für eine Autorin, wenn ich mich nicht über Leser freuen würde? Ich fürchte nur, dazu musst du in eine Buchhandlung gehen. Ich habe keine Exemplare hier, nur jede Menge zerfledderter Manuskripte, bei denen du wahrscheinlich verzweifeln würdest. Aber ich muss dich warnen, du wirst meine Bücher nicht in den Bestsellerregalen finden.“

Das verwirrte Dary. „Sie… sind also keine berühmte Autorin?“

„Berühmt, um Gottes Willen, nein. Das Schreiben ist mein Hobby, nicht mein Beruf. Das wenige Geld, das ich damit verdiene, lasse ich einem guten Zweck zukommen. Ich könnte es sowieso nicht gebrauchen.“ Mit diesen Worten ging Ma Felton zum Tisch, nahm das Tablett und verschwand damit in der Küche.

Diese Frau kam Dary immer suspekter vor. Sie glaubte nicht eine Sekunde lang daran, dass diese zwar nicht unbedingt gebrechliche, aber immerhin steinalte Person so weit abseits im Wald unterwegs gewesen war und sie gefunden hatte. Aber sie konnte sich auch nicht erklären, wieso Ma Felton sie anlog.

„Du solltest dich noch ein wenig ausruhen“, tönte die angenehme Stimme aus der Küche, zwischen dem Klimpern des Geschirrs. „Wenn du möchtest, bringe ich dich dann nach Hause.“

„Das wird nicht nötig sein, aber danke.“ Dary setzte sich wieder auf as Sofa. Ihr Kopf tat immer noch weh und es war wahrscheinlich ratsam, noch ein wenig zu schlafen.

Die alte Dame erschien im Türrahmen und zuckte mit den Schultern. „Nun, du kannst natürlich auch bleiben. Ich habe gern mal etwas Gesellschaft. Und vielleicht möchtest du dir ja später das Dorf ansehen.“

Dary legte sich wieder hin und nahm noch einen der köstlichen Cookies aus der Schüssel. Sie wunderte sich ein wenig, dass Ma Felton so selbstverständlich und gelassen mit ihr umging. Es schien sie nicht wirklich zu interessieren, warum Dary überhaupt so weit in den Wald hineingegangen war. Sie hatte keine Fragen gestellt, woher Dary kam oder wer sie eigentlich war und sie legte auch nicht diese überschwängliche, mütterliche Besorgnis an den Tag, die man eigentlich erwartete, wenn eine alte Frau ein ohnmächtiges Mädchen mitten im Wald fand. Dary war sich nicht sicher, woher der Verdacht eigentlich kam, aber sie hatte immer verstärkter das Gefühl, dass diese merkwürdige Person etwas verheimlichte.

Ma Felton werkelte noch einige Minuten lang in der Küche herum und verschwand schließlich in einem anderen Zimmer. Zurück blieb nur das leise Ticken der Uhr auf dem Kaminsims. Der Geruch der Cookies vermischte sich mit dem der alten Bücher und Holzmöbel und ließ in Dary schon nach wenigen Sekunden des Alleinseins die Müdigkeit zurückkehren.

Dary träumte, dass sie auf einem schmalen, gewundenen Pfad auf die Unendlichkeit zuging. Rechts und links von ihr war nichts als Schwärze, ein bodenloser Abgrund, der sie bei nur einem falschen Schritt verschlingen würde. Aus der Tiefe rief eine Stimme nach ihr, lachend und neckend. Es war Rikas Stimme, mit einem vielfachen Echo, so grausam unbeschwert und fröhlich, dass Dary nicht anders konnte, als vor der Stimme fortzulaufen. Doch es half nichts. Rika rief weiter ihren Namen, immer lauter und eindringlicher. Aus dem neckischen Ruf, mit dem man einen Spielkameraden zu sich holt, wurde schon bald ein ungeduldiger Vorwurf, und schließlich ein Hilferuf. Je schneller Dary rannte, desto deutlicher glaubte sie Rikas Gesicht vor sich zu sehen: Mit toten Augen, aus deren Winkeln das Blut über die bleichen Wangen rann. Der Boden neigte sich, plötzlich lag überall loses Laub und Geäst und Dary kam ins Straucheln. Sie rutschte aus, fiel, und landete in den weichen Kissen eines Sofas. Unendlich erleichtert nahm sie sich einen Cookie aus einer Schüssel und wollte gerade hineinbeißen, da spürte sie es. Sie wurde beobachtet. Jemand stand im Türrahmen und belauerte sie, ertastete sie mit neugierigen Blicken. Es war ein Gesicht ohne wirkliche Umrisse, vielmehr ein Schatten, dessen Augen gefährlich glühten. Dann zog ihr unheimlicher Beobachter die Tür zu und erweckte Dary damit aus ihrem Schlaf.

Der Schreck steckte ihr noch in den Gliedern, als sie kerzengerade an der Sofakante saß und die Tür zur Küche anstarrte. Natürlich war da niemand und es war auch niemals jemand dort gewesen, vielleicht mit Ausnahme von Ma Felton, die nach dem Rechten sehen wollte. Dary massierte ihre Schläfen und zwinkerte den verwirrenden Traum fort.

Es war stockdunkel im Zimmer und die Vorhänge waren zugezogen worden. War es etwa schon Nacht? Dary grummelte etwas in sich hinein und lehnte sich in die weichen Polster. Sie hatte sich die denkbar schlechteste Zeit ausgesucht, um aufzuwachen. Sie war nämlich viel zu vital, um jetzt noch einmal einzuschlafen. Seufzend erhob sie sich und ging zu einem der beiden großen Wandfenster des Wohnzimmers. Der Stoff der Vorhänge war überraschend schwer und dick und Dary spürte wieder das unangenehme Ziehen in der Schulter, als sie die Vorhänge aufzog.

Der Blick aus dem Fenster war unspektakulär. Zuerst sah Dary gar nichts außer Schwärze, doch nach ein paar Sekunden schälten sich die Umrisse von anderen Häusern aus der Nacht. Kein einziges Licht brannte hinter den Fenstern und sogar die Straßenlaternen waren außer Betrieb. Trotzdem fühlte sie sich an ihren Traum erinnert und war plötzlich sehr aufgeregt. Hatte sie das wirklich nur geträumt? Oder war sie tatsächlich beobachtet worden? Und streifte dieser Jemand vielleicht gerade dort unten in den Straßen herum, mitten in der Nacht? Dary kam sich törichter denn je vor mit diesen Gedanken, aber das beklemmende Gefühl blieb bestehen, auch als sie die Vorhänge schon wieder zugezogen hatte.

Seufzend widmete sich Dary wieder den Cookies, die Ma Felton auf dem Tisch stehen gelassen hatte und die scheinbar irgendwelche Suchtstoffe enthielten. Mit dem Keks in der Hand wanderte sie ein wenig durch das dunkle Wohnzimmer.

Verdammt, sie war wach. Sehr wach.

Was konnte man tun, wenn man mitten in der Nacht hellwach im Wohnzimmer einer Fremden festsaß? Dary wurde schnell klar, was an dieser Überlegung falsch war. Sie saß hier nicht fest. Zumindest war sie sich ziemlich sicher, dass Ma Felton nicht alle Türen verschlossen hielt. Die Idee schockierte sie ein wenig, nach allem, was bisher geschehen war, aber sie hatte sich schon in ihrem Kopf geformt, ehe sie etwas dagegen tun konnte. Ihr war wieder danach, spontan zu sein. Und gerade verspürte sie den unbändigen Drang zu einem Nachtspaziergang.

Xenon

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