Читать книгу Der Malteser Falke - Dashiell Hammett, Richard Allen, Dashiell Hammett - Страница 7

Kapitel V Der Levantiner

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Spade achtete nicht auf die Pistole. Er hob die Arme, lehnte sich zurück und verschränkte die Finger hinter dem Kopf. Sein Blick war weiter ausdruckslos auf Cairos dunkles Gesicht gerichtet.

Cairo hüstelte entschuldigend und lächelte nervös. Sein Mund hatte jetzt einiges von seiner Farbe verloren. Die dunklen Augen waren feucht, ein wenig verlegen und sehr ernst. »Ich habe die Absicht, Ihre Wohnung zu durchsuchen, Mr. Spade. Ich warne Sie. Sollten Sie versuchen, mich daran zu hindern, werde ich nicht zögern, Sie zu erschießen.«

»Nur zu.« Spades Stimme war ebenso ausdruckslos wie sein Gesicht.

»Darf ich Sie bitten, aufzustehen«, wies der Mann mit der Pistole ihn an und richtete die Pistole auf Spades breite Brust. »Ich muss mich vergewissern, dass Sie keine Waffe bei sich tragen.«

Spade stand auf, schob den Stuhl mit den Waden zurück und streckte die Beine durch.

Cairo trat hinter ihn, wechselte die Pistole von der rechten in die linke Hand und hob Spades Sakko an, um einen Blick darunter zu werfen. Dann hielt er die Waffe an seinen Rücken, schob den freien Arm um ihn herum und tastete seine Brust ab. Sein Gesicht befand sich nur wenige Zentimeter unter und hinter Spades rechtem Ellbogen.

Spades Ellbogen ging nach unten, der restliche Körper wirbelte rechts herum. Cairos Kopf fuhr zurück, aber nicht weit genug: Spades rechter Hacken auf dem Lackschuh des kleinen Mannes sorgte dafür, dass er der Flugbahn des Ellbogens nicht ausweichen konnte. Er traf ihn unter dem Wangenknochen. Cairo taumelte und wäre gewiss gestürzt, hätte Spades Fuß ihn nicht festgenagelt. Spades Arm flog weiter, an dem verblüfften dunklen Gesicht vorbei, und streckte sich, um nach der Pistole zu greifen. Als Spades Finger sie berührten, ließ Cairo los. In seiner Hand wirkte sie winzig.

Spade nahm den Fuß von Cairos Schuh und drehte sich ganz zu ihm um. Mit der linken Hand packte er den kleinen Mann am Revers, wobei das mit dem Rubin verzierte grüne Halstuch hervorquoll, und steckte mit der anderen Hand die erbeutete Waffe in seine Sakkotasche. Spades gelb-graue Augen waren finster, und um den Mund zeigte sich ein Anflug von Missmut.

Cairo verzog das Gesicht vor Schmerz und Enttäuschung. In seinen Augen schimmerten Tränen. Die Gesichtsfarbe erinnerte an poliertes Blei, bis auf die Stelle, wo der Ellbogen die Wange gerötet hatte.

Spade drehte ihn mit der Hand am Revers langsam herum und schob ihn rückwärts, bis er dicht vor dem Stuhl stand, auf dem er eben noch gesessen hatte. Ein verwirrter Ausdruck trat an die Stelle des Schmerzes in dem bleifarbenen Gesicht. Dann lächelte Spade. Das Lächeln war sanft, fast träumerisch. Seine rechte Schulter hob sich ein wenig und der angewinkelte rechte Arm mit ihr. Faust, Handgelenk, Unterarm, Ellbogen und Oberarm bildeten eine feste Einheit, die allein von der lockeren Schulter gelenkt wurde. Dann traf die Faust Cairos Gesicht und bedeckte für einen Moment Kinn, Mundwinkel und den größten Teil der Wange zwischen Jochbein und Kiefer.

Cairo schloss die Augen und verlor das Bewusstsein.

Spade ließ seinen schlaffen Körper auf den Stuhl sinken, wo er, alle viere von sich gestreckt, mit offenem Mund und über der Rückenlehne baumelndem Kopf liegen blieb.

Methodisch leerte Spade nacheinander alle Taschen des leblosen Mannes und breitete den Inhalt auf dem Schreibtisch aus. Anschließend kehrte er zu seinem Stuhl zurück, zündete sich eine selbstgedrehte Zigarette an und nahm seine Beute in Augenschein. Ohne Hast, sorgfältig und gründlich, prüfte er jedes einzelne Stück.

Als Erstes eine große Brieftasche aus dunklem, weichem Leder. Sie enthielt dreihundertfünfundsechzig Dollar in US-amerikanischen Geldnoten unterschiedlicher Größen; drei englische Fünf-Pfund-Scheine; einen griechischen Pass auf Cairos Namen mit Foto und zahlreichen Visum-Stempeln; fünf zusammengefaltete rosafarbene Bögen Luftpostpapier mit offenbar arabischen Schriftzeichen; einen aus der Zeitung gerissenen Artikel über den Fund von Archers und Thursbys Leichen; die postkartengroße Fotografie einer dunkelhäutigen Frau mit verwegen grausamem Blick, zärtlichen Lippen und spöttisch gesenkten Mundwinkeln; ein großes, mit den Jahren verblichenes Taschentuch aus Seide, ein wenig fadenscheinig in den Falten; ein paar von Mr. Joel Cairos geprägten Visitenkarten sowie die Eintrittskarte für einen Parkettplatz im Geary Theatre, gültig an diesem Abend.

Abgesehen davon gab es noch drei weitere Taschentücher aus farbiger Seide, die alle nach Chypre dufteten; eine Platinuhr, Marke Longines, an einer Kette aus Platin und Rotgold, mit einem birnenförmigen Anhänger aus einem hellen Metall; eine Handvoll amerikanischer, britischer, französischer und chinesischer Münzen; einen Ring mit einem halben Dutzend Schlüsseln; einen silbernen, mit Onyx verzierten Füllfederhalter; einen Metallkamm in einem Kunstleder-Etui; eine Nagelfeile in einem Kunstleder-Etui; einen kleinen Stadtplan von San Francisco; einen Gepäckschein der Southern-Pacific-Eisenbahngesellschaft; eine angebrochene Packung Veilchenpastillen; die Visitenkarte eines Versicherungsagenten aus Schanghai sowie vier Bögen Schreibpapier des Hotel Belvedere, einer davon in sauberer kleiner Blockschrift mit Samuel Spades Namen und den Adressen seines Büros und seiner Privatwohnung beschriftet.

Nachdem er alles aufmerksam untersucht hatte – er öffnete sogar den Rückendeckel der Uhr, um zu sehen, ob in ihrem Innern etwas versteckt war –, beugte Spade sich vor, nahm das Handgelenk des reglosen Mannes zwischen Daumen und Zeigefinger und fühlte seinen Puls. Dann ließ er es wieder fallen, lehnte sich zurück und drehte sich eine neue Zigarette. Während er rauchte, war sein Gesicht bis auf ein gelegentliches unwillkürliches Zucken der Unterlippe so still und in sich gekehrt, dass es beinahe geistesabwesend wirkte. Doch als Cairo plötzlich stöhnte und seine Lider flatterten, wurde Spades Gesichtsausdruck wieder höflich, und er legte den Hauch eines freundlichen Lächelns in Augen und Mund.

Joel Cairo kam langsam zu sich. Zuerst öffneten sich seine Augen, doch es verging eine volle Minute, bevor sie einen bestimmten Punkt an der Decke fixierten. Er schloss den Mund und schluckte, atmete dann schwer durch die Nase aus. Er zog einen Fuß heran und drehte die auf dem Oberschenkel ruhende Hand herum. Schließlich hob er den Kopf von der Stuhllehne. Er sah sich verwirrt um, entdeckte Spade und richtete sich auf. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, zuckte schmerzlich zusammen und fuhr mit der Hand zu der Stelle, wo Spades Faust ihn erwischt hatte und wo jetzt ein frischer Bluterguss prangte.

Gequält stieß er zwischen den Zähnen hervor: »Ich hätte Sie erschießen können, Mr. Spade.«

»Sie hätten es versuchen können«, räumte Spade ein.

»Ich habe es nicht versucht.«

»Ich weiß.«

»Warum haben Sie mich dann niedergeschlagen, obwohl Sie mir die Waffe bereits abgenommen hatten?«

»Tut mir leid«, sagte Spade und grinste wie ein Wolf bis zu den Backenzähnen, »aber stellen Sie sich vor, wie peinlich die Entdeckung war, dass Ihr Fünftausend-Dollar-Angebot nichts als warme Luft war.«

»Sie irren, Mr. Spade. Ich halte mein Angebot aufrecht.«

»Was Sie nicht sagen!« Spades Überraschung war echt.

»Ich bin bereit, fünftausend Dollar für die Erstattung der Figur zu zahlen.« Cairo nahm die Hand von seinem geschwollenen Gesicht und richtete sich auf, geziert und geschäftsmäßig wie zuvor. »Haben Sie sie hier?«

»Nein.«

Cairo reagierte mit außerordentlich höflicher Skepsis. »Wenn sie nicht hier ist, warum haben Sie dann Ihr Leben aufs Spiel gesetzt, indem Sie sich einer Durchsuchung widersetzten?«

»Soll ich etwa seelenruhig zusehen, wie wildfremde Leute hier reinkommen und mich bedrohen?« Spade wies mit einem Finger auf Cairos Sachen, die noch auf seinem Schreibtisch lagen. »Sie haben meine Privatadresse. Waren Sie da auch schon?«

»Ja, Mr. Spade. Ich bin zwar bereit, fünftausend Dollar für die Wiederbeschaffung der Figur zu zahlen, aber es ist doch sicher verständlich, dass ich meinem Auftraggeber diese Ausgabe nach Möglichkeit ersparen wollte.«

»Wer ist es?«

Cairo schüttelte den Kopf und lächelte. »Sie müssen mir verzeihen, wenn ich diese Frage nicht beantworte.«

»Muss ich?« Spade beugte sich vor und lächelte mit schmalen Lippen. »Ich habe Sie am Schlafittchen, Cairo. Sie sind hier reinspaziert und haben sich mächtig in die beiden Morde von gestern Abend verstrickt. Die Polizei wird ihre helle Freude an Ihnen haben. Tja, und jetzt müssen Sie sich wohl mit mir arrangieren, sonst …«

Cairos Lächeln war zurückhaltend und in keiner Weise beunruhigt. »Ich habe umfassende Erkundigungen über Sie eingeholt, bevor ich etwas unternommen habe«, sagte er. »Man hat mir versichert, dass Sie viel zu vernünftig sind, um mit übermäßigen Skrupeln eine profitable Geschäftsbeziehung zu gefährden.«

Spade zuckte die Schultern. »Was für profitable Geschäftsbeziehungen?«

»Ich habe Ihnen fünftausend Dollar für die …«

Spade klopfte mit dem Handrücken auf Cairos Brieftasche und sagte: »Hier sind nicht annähernd fünftausend Dollar drin. Sie reden nur. Sie könnten mir eine Million bieten, damit ich Ihnen einen lila Elefanten beschaffe, doch was würde mir das nützen?«

»Verstehe, verstehe«, sagte Cairo nachdenklich. Er verdrehte die Augen. »Sie möchten eine Garantie dafür, dass es mir ernst ist.« Er strich sich mit der Fingerspitze über die rote Unterlippe. »Wäre Ihnen mit einem Vorschuss gedient?«

»Schon möglich.«

Cairo streckte die Hand nach seiner Brieftasche aus, verharrte, zog die Hand wieder zurück und fragte: »Wären Sie mit, sagen wir, hundert Dollar einverstanden?«

Spade griff nach der Brieftasche und nahm hundert Dollar heraus. Dann runzelte er die Stirn, sagte: »Oder lieber zweihundert«, und griff noch einmal zu.

Cairo sagte nichts.

»Ihre erste Vermutung war, dass ich mich im Besitz des Vogels befinde«, sagte Spade, nachdem er die zweihundert Dollar eingesteckt und die Brieftasche wieder auf den Schreibtisch gelegt hatte. »Dem ist nicht so. Was ist Ihre zweite?«

»Dass Sie wissen, wo er sich befindet, oder – wenn nicht – dass Sie ihn wenigstens wiederbeschaffen können.«

Spade sagte weder Ja noch Nein – er schien kaum zugehört zu haben. Er fragte: »Welchen Beweis haben Sie dafür, dass Ihr Mann der rechtmäßige Besitzer ist?«

»So gut wie keinen, leider. Höchstens, dass auch niemand anderes einen rechtmäßigen Anspruch anmelden könnte. Und wenn Sie so viel über die Sache wissen, wie ich vermute – denn sonst wäre ich nicht hier –, ist Ihnen auch klar, dass die Art und Weise, wie man ihm die Figur entwendet hat, der beste Beweis dafür ist, dass er mehr Recht als jeder andere darauf hat. Mit Sicherheit aber mehr Recht als Thursby.«

»Was ist mit seiner Tochter?«, fragte Spade.

Cairo riss vor Erregung Mund und Augen auf, sein Gesicht färbte sich rot und seine Stimme wurde schrill. »Er ist nicht der Besitzer!«

Spade sagte: »So, so«, sanft und vieldeutig.

»Befindet er sich hier, in San Francisco?«, fragte Cairo weniger schrill, aber immer noch erregt.

Spade blinzelte schläfrig und schlug vor: »Ich glaube, es wäre besser, wenn wir unsere Karten endlich auf den Tisch legen.«

Cairo riss sich mit einem kleinen Ruck zusammen. »Dieser Ansicht bin ich nicht.« Seine Stimme klang jetzt aalglatt. »Sollten Sie mehr wissen als ich, werde ich von Ihrem Wissen profitieren, und dasselbe gilt umgekehrt auch für Sie, bis zu einer Summe von fünftausend Dollar. Falls nicht, habe ich einen Fehler gemacht, als ich mich an Sie wandte. Ihrem Vorschlag zu folgen, würde den Fehler nur noch größer machen.«

Spade nickte gleichgültig. Er deutete mit einer Handbewegung auf den Schreibtisch und sagte: »Hier sind Ihre Sachen.« Während Cairo sie wieder in seine Taschen verteilte, fuhr er fort: »Wir sind uns also einig – Sie zahlen meine Spesen, und ich treibe den schwarzen Vogel auf, plus fünftausend Dollar bei Übergabe?«

»Ja, Mr. Spade, das heißt fünftausend abzüglich aller vorab geleisteten Zahlungen – fünftausend insgesamt.«

»Na schön. Das ist nur legitim.« Spades Gesicht blieb ernst, bis auf die Fältchen in den Augenwinkeln. »Sie bezahlen mich nicht für einen Mord oder Einbruch, sondern dafür, mit weitgehend legalen Mitteln den schwarzen Vogel aufzutreiben.«

»Wenn es sich einrichten lässt«, sagte Cairo. Auch sein Gesicht war ernst, bis auf die Augen. »Vor allem legen wir Wert auf Diskretion.« Er stand auf und griff nach seinem Hut. »Ich wohne im Hotel Belvedere, falls Sie mich zu sprechen wünschen – Zimmer 635. Ich bin zuversichtlich, dass unsere Zusammenarbeit zur vollen Zufriedenheit für beide Seiten verlaufen wird, Mr. Spade.« Er zögerte. »Dürfte ich noch um meine Pistole bitten?«

»Klar. Ganz vergessen.«

Spade nahm die Pistole aus der Sakkotasche und reichte sie Cairo.

Cairo richtete sie auf Spades Brust.

»Wenn Sie bitte die Hände auf den Schreibtisch legen würden«, sagte Cairo sehr ernst. »Ich habe die Absicht, Ihr Büro zu durchsuchen.«

»Zum Henker!«, sagte Spade. Dann lachte er kehlig und sagte: »Na schön. Legen Sie los. Ich werde Sie nicht hindern.«

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