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DAVID LAMELAS-A NEW REFUTATION OF TIME

‘Die Zeit, sofern es uns gelingt, diese Identität zu schauen, ist eine Täuschung. Die Ununterschiedenheit und Unauftrennbarkeit eines Augenblicks, ihres scheinbaren Gestern und jenes anderen scheinbaren Heute reichen hin, sie in sich selber aufzulösen.’

Jorge Luis Borges

Geschichte der Ewigkeit

Werk und Person von David Lamelas können sowohl im geographischen, ästhetischen als auch kulturellen Sinn am besten als grenzüberschreitend beschrieben werden. Er hat sich nie an die scheinbare Ordnung der Normen der Kunstwelt gehalten und sie immer in seiner nonchalanten, zerstreuten Art auf ihre Konventionalität hin getestet. Seit Anfang der 60er Jahre unterwarf er den Begriff vom ‘Kunstwerk’ einem wahren Sezierungsprozeß, in dem er es als Kommunikationsmodell neu definierte. Lamelas’ rationale Analysen von Ausstellungskontexten und der passiven Rolle, die die Massenmedien dem Publikum auferlegen, zählen mit Sicherheit zu seinen relevantesten Beiträgen.

Sein Werk ist eines der besten Beispiele für einen Übergangsbereich im kulturellen Einbahnstraßenverkehr der dominanten nördlichen Länder und gleichzeitig auch einer der Motoren in dessen Umkehrung. Immer in Bewegung zwischen den Kontinenten, wurde seine Rolle in der Nord-Süd-Diskussion erst 1988, als er Los Angeles verließ um nach Europa zurückzukehren, wirklich deutlich. Im Gegensatz zu anderen südamerikanischen Künstlern, die ins Exil gegangen sind, wie beispielsweise dem Brasilianer Hélio Oiticica, konzentrierte sich Lamelas nicht auf die unterdrückte präkoloniale Kultur, sondern suchte nach dem Kernpunkt der internationalen Produktion, des Konsums von Massenmedien und Popkultur. Im Rückblick kann sein Entschluß, 1977 nach Hollywood zu gehen, um dort die Film- und Fernsehindustrie seinen eigenen Ansprüchen und seinem Arbeitszusammenhang entsprechend zu adaptieren, als entscheidender Bruch in seiner Biographie gesehen werden. Sein Interesse an den amerikanischen Massenmedien und seine darausfolgende Rückkehr in die Vereinigten Staaten läßt sich auch als ein Umgehen der Zensur und des Informationsstops unter der südamerikanischen Diktatur interpretieren. Als Künstler schuf er Arbeiten, die das Verständnis der Filmindustrie überstiegen.

Die Grundlage von Lamelas’ frühesten Arbeiten wendet sich gegen einen euphorischen Modernismus mit seinen universalistischen Ansprüchen und seinem Glauben an den technischen Fortschritt. Seine Themen fand er in der Popkultur und den Medien, und fragmentierte seine ‘Ikonen’ in Gemälden und Installationen. In wenigen Jahren entwickelt sich sein Werk von den ‘shaped canvasses’ hin zur Skulptur, die Ort und Zeichen als kontrapunktisch zur Form einführte, als auch zu architektonischen Eingriffen, die die Ausstellungsräume drastisch veränderten. Lamelas’ Installation im Biennalepalast von Oscar Niemeyer in São Paulo war sowohl seine erste radikale Kritik am internationalen Stil als auch eine der frühesten Zurechtweisungen von spektakelartigen Ausstellungen, aufgrund architektonisch auferlegter Präsentationsformen. Einen ähnlichen Schock erlebte man im Office of Information about the Vietnam War at Three Levels: the Visual Image, Text and Audio, das er während der umstrittenen Biennale di Venezia von 1968 im argentinischen Pavillon präsentierte.

Ein ausdrückliches Interesse an den Konventionen von Raum und Architektur brachte Lamelas wieder in den 80er Jahren in ortsbezogenen öffentlichen Arbeiten, die sich auf die Stadtlandschaft und die Gegensätze zwischen Natur und Künstlichkeit konzentrierten, zum Ausdruck. Das Symbolische übernimmt hier den, in seinen früheren Film- und Videoarbeiten von rationaler Analyse, Medienkritik, Rollenaneignung und fiktionaler Erzählung eingenommenen Platz.

In der Ausstellung und im Katalog A New Refutation of Time, Titel eines in Lamelas’ Film Reading of an extract from ‘Labyrinths’ by J.L. Borges von 1970 gelesenen Essays von Jorge Luis Borges, haben wir uns im wesentlichen auf die Entwicklung von Lamelas’ Werk von den frühen 60er Jahren bis in die Mitte der 70er Jahre konzentriert. In dieser Periode erscheint der Zeitbegriff in zahlreichen Arbeiten, die die Möglichkeiten von literarischer oder filmischer Fiktion innerhalb der bildenden Kunst untersuchen. In Lamelas’ Augen intensivieren die dialektischen Beziehungen zwischen einem statischen und einem sich bewegenden Bild die Wahrnehmung der Wirklichkeit wie in einer narrativen Konstruktion.

Diese Ausstellung will einen der Gründer einer Kunstpraxis wiederentdecken, die die Institutionen, den Status der Kunst als auch den Kunstmarkt in Frage stellt, und die Realität des Bildes mit analytischer Befragung und poetischer Wahrnehmung verbindet. Mit dieser Vervollständigung der Kenntnis der wirklichen Initiatoren dessen, was heutzutage als selbstverständliche künstlerische Praxis gilt, hoffen wir die Diskussion über die erneuerte Rolle der Kunst heute zu erweitern und zu vertiefen. Wenn die Gegenwärtigkeit eines Kunstwerks im Augenblick seiner bewußten Wahrnehmung beschlossen liegt, muß jetzt die Zeit gekommen sein, in der Lamelas’ eindrucksvolle Produktion in ihrer ganzen Aktualität angenommen werden kann.

Dieses ehrgeizige Projekt kam an erster Stelle dank der Großzügigkeit und des unermüdlichen Engagements von David Lamelas selbst zustande. Wir möchten im weiteren Benjamin H.D. Buchloh und Lynda Morris für ihre Mitarbeit an diesem Katalog danken, als auch Anke Bangma, Barbera van Kooij und besonders Heike Ander für das Zusammentragen von Archiv und Texten, die Katalog und Ausstellung bilden. Wir sind Klaus Richter vom Richter Verlag in Düsseldorf außerordentlich dankbar für seinen Einsatz in diesem Abenteuer. Wir danken ganz besonders den Leihgebern und natürlich denjenigen Institutionen, die mit gemeinsamer Kraft zum Erfolg dieses Projektes beitrugen: die Fundacío Antoni Tàpies, Barcelona und die Fundação de Serralves, Porto.

Dirk SnauwaertKunstverein MünchenBartomeu MaríWitte de With
A New Refutation of Time

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