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PROLOG
ОглавлениеNorfolk, England 1806
Die Frühsommersonne schien strahlend am Nachmittagshimmel. Große weiße flauschige Wolken schwebten über den blauen Horizont. Alle Zeichen deuteten auf einen wundervollen Tag des Vergnügens hin und Lady Diana Thomas hoffte, dass das Wetter hielt, um dies sicherzustellen. Ihr Vater war der Earl of Bristol und zusammen mit dem Earl of Northesk richtete er in der Stadt einen Jahrmarkt zwischen ihren beiden Anwesen aus. Für eine kurze Zeit gab es die Sorge, dass der Jahrmarkt nicht wie geplant stattfinden wird. Der Earl of Northesk war plötzlich verstorben und sein Sohn betrauerte seinen Verlust; er bestand jedoch darauf, dass die Dorfbewohner nicht enttäuscht wurden. Lord Bristol hatte zugestimmt den Großteil der Vorbereitungen zu übernehmen, um den neuen Grafen von der Aufgabe zu befreien. Das bedeutete letztendlich, dass Diana mehr zu bestreiten hatte. Es machte ihr jedoch nichts aus. Der Jahrmarkt blieb weiterhin etwas, das sie liebte und immer lieb und teuer halten würde.
Die jährliche Veranstaltung konnte einige Generationen zurückverfolgt werden und jeder in der Umgebung freute sich darauf. Über die Jahre hatte sich der Jahrmarkt verändert. Neue Dinge wurden hinzugefügt und Verbesserungen wurden vorgenommen. Dieses Jahr gäbe es eine andere Auslegung eines Stücks von Shakespeare. Diana konnte es nicht erwarten zu sehen, wie sich alles entfalten würde. Die Roma, die angeheuert wurden, um manche der Spiele und andere Unterhaltungen zu betreiben, kamen auch jedes Jahr wieder. Sie hatte schließlich viele von ihnen mit Namen kennengelernt und betrachtete sie als eine Art Freunde.
Diana spazierte durch alle Ausstellungen, um sicherzustellen, dass alles bereit war. Die Dorfbewohner kamen bereits an und bald würde der niedere Adel folgen. Es war einer der wenigen Tage, an welchem sich jede Klasse vermischte und sich überhaupt nichts dabei dachte. Sie waren alle Teil der Gemeinde und es sollte ein Tag des Amüsierens sein.
»Lady Diana«, rief ihr ein Mann zu.
Sie wandte sich in Richtung des Geräuschs und runzelte die Stirn. Luther Wright, der neue Earl of Northesk, stand hinter ihr. Was machte er auf dem Jahrmarkt? Ihr Vater hatte klargestellt, dass er nicht erwartete, dass der Herr beiwohnen würde. Die Grafen richteten ihn aus, aber sie nahmen nicht viel an den eigentlichen Aktivitäten teil. Sie traten in Erscheinung und blieben für eine Stunde oder so, gingen dann zurück auf ihre jeweiligen Anwesen. In diesem Fall jedoch hatte niemand gedacht, dass der Earl of Northesk überhaupt kommen würde.
»My Lord«, sagte sie und knickste zügig. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
Er runzelte die Stirn und winkte mit einer Hand auf den Jahrmarkt. »Ich erinnere mich nicht daran, dass er so – umfangreich ist.«
Sie hatten ein paar Stände hinzugefügt und vorübergehend eine Bühne für die Vorstellungen gebaut. Sie verstand nicht, warum er von allem so verwirrt war. Es wurden eventuell ein paar zusätzliche Unterhaltungen hinzugefügt. Nichts, was ihn verblüffen sollte … »Der Jahrmarkt ist, wie ich ihn immer in Erinnerung hatte.« Diana entschied sich zu verhalten, als ob sie nicht verstand, was er meinte. »Ich erinnere mich nicht daran, dass Sie in den vergangenen paar Jahren diesen besucht haben. Waren Sie nicht auf Reisen?«
Zuletzt hatte sie angenommen, dass er Oxford verlassen hatte und für ein Jahr nach Italien gereist war. Er war erst kürzlich zurückgekommen. Diana erinnerte sich nicht daran, dass er so – gutaussehend war. Seine dunklen Locken kräuselten sich um seine Ohren und seinen Hals und erstrahlten hell unter den gleißenden Sonnenstrahlen. Seine grünen Augen hatten die Farbe von Jade und erschienen beinahe so hart wie der Stein.
Er seufzte und rieb sich dann mit seinen Händen über sein Gesicht. »Sie haben nicht Unrecht. Ich habe mich entschieden zu reisen. Etwas, das ich bereue, nun, da ich Zeit verloren habe, die ich mit meinem Vater hätte haben können, wenn ich gewusst hätte …«
Verflixt. Er musste ja dafür sorgen, dass sie sich schlecht fühlte. »Ich bitte um Entschuldigung. Es war unhöflich von mir Sie an Ihren Verlust zu erinnern.«
»Nein«, sagte er mit einem Kopfschütteln. »Die Schuld liegt bei mir. Ich hätte nicht hierherkommen sollen.«
Lord Northesk drehte sich um und machte sich in die entgegengesetzte Richtung des Jahrmarkts auf. Diana seufzte und bedachte, was sie als nächstes tun sollte. Solange sie sich erinnern konnte, war der neue Graf ihr Nachbar gewesen. Ihre Eltern hatten kein Geheimnis daraus gemacht, dass sie erhofften, dass sie irgendwann seine Aufmerksamkeit erhaschen würde. Sie hofften, dass sie ihn heiraten und in der Nähe bleiben würde. Es wäre ein ziemlicher Streich, wenn das passieren würde. Diana hatte allerdings andere Vorstellungen von ihrer Zukunft. Sie war sich nicht völlig sicher, ob sie überhaupt heiraten wollte, und so oder so zeigte sie keinerlei Anzeichen, dass sie zu einer großartigen Schönheit heranwachsen würde. Ihr blondes Haar war glanzlos und ihre blauen Augen waren so blass, dass diese niemanden dazu inspirierten ein Gedicht darüber zu schreiben. Dies war ihr sechszehnter Sommer und bald würde sie in London debütieren. Sie hatte wenig Hoffnung, dass ein Gentleman für sie antragen würde. Sie hatte eine anständige Mitgift und Verbindungen, aber wenig anderes. Dieser Lord wäre nicht einmal in der Lage sie angemessen zu umwerben bis seine Trauerzeit endete – nicht dass es viel ausmachte. Lord Northesk war nicht für sie und würde es niemals sein. Sie würde wahrscheinlich als Mauerblümchen und dann danach als alte Jungfer enden. Ein Schicksal, welches sie bereits akzeptierte und beschlossen hatte nicht dagegen anzukämpfen. Sie hatte der Gesellschaft andere Qualitäten zu bieten und würde sich ein Leben daraus machen, diese zu nutzen. Vielleicht wäre sie eines Tages eine Gesellschafterin oder hätte genug Geldmittel, um die Welt so viel zu bereisen, wie Lord Northesk dies getan hatte.
Sie seufzte und rannte, um zum Grafen aufzuschließen. »Gehen Sie nicht«, rief sie aus.
Er hielt und blickte sie an. »Warum nicht?«
Benötigte er wirklich einen Grund? Sie blies einen Atemstoß aus. Wann war es zu ihrer Verantwortung geworden alles für ihn recht zu machen? Wahrscheinlich, als ihr Vater ihr die Aufgabe gegeben hatte den Jahrmarkt zu planen … »Sie leiden und dies ist wahrscheinlich der letzte Ort, an dem Sie sein wollen, aber ich glaube, dass es der sein könnte, den Sie brauchen. Dies soll ein glücklicher Tag sein, und wenn Sie es sich erlauben es zu genießen, finden Sie vielleicht etwas Freude, auch wenn nur für einen oder zwei Momente.«
»Glück ist etwas, das ich nicht verdiene.«
»Jeder sollte etwas davon in seinem Leben haben – auch Sie. Bleiben Sie.« Sie lächelte ihn an. »Ihr Vater war ein großer Teil des Jahrmarkts. Wenn es nichts für Sie ist, dann bleiben Sie für ihn.«
Vielleicht würde er auf sie hören und versuchen etwas Gutes auf dem Jahrmarkt zu finden. So oder so hatte sie ihren Teil getan und versucht ihn von der Weisheit zu bleiben zu überzeugen. Am Ende lag es an ihm, was er zu tun wählte. Sie wagte es nicht zu versuchen die innere Arbeitsweise des männlichen Verstands herauszufinden.
»Ich komme vielleicht später zurück«, entgegnete er. »Fürs Erste muss ich gehen, wenn Sie mich entschuldigen.«
So kalt, aber sie konnte ihm das nicht wirklich anlasten. An seiner Stelle würde sie wahrscheinlich auf ähnliche Weise reagieren. Diana konnte sich nicht vorstellen, wie es wäre einen ihrer Eltern zu verlieren. Glücklicherweise waren beide sehr lebendig. »Ich hoffe, dass Sie das tun«, sagte sie. »Solange das Wetter so angenehm bleibt, sollte der Rest der Festivitäten reibungslos verlaufen. Guten Tag, my Lord.«
Er nickte und ging dann weiter davon, bis er sein Pferd erreichte. Dann glitt er auf dessen Rücken und gab ihm ein Zeichen für einen leichten Galopp. Bald war er eine kleine Gestalt in der Ferne und dann verschwand er vollständig. Diana wandte sich von der Straße ab, die in Richtung des Northesk Castle führte, und kehrte zum Jahrmarkt zurück. Die Stände waren von Dorfbewohnern umringt und Gelächter schwebte durch die Luft. Ein kleiner Junge warf Bälle auf eine Reihe von Eimern und stöhnte, als er daran scheiterte ihn hineinzubekommen. Sie bummelte zu dem Bereich hinüber, wo die Bühne für die Inszenierung des Theaterstücks geschaffen worden war. Eine Menge Dorfbewohner hatten sich um diese versammelt, während sie darauf warteten, dass die erste Aufführung stattfand. Sie mussten nicht lange warten bis zwei Männer mit Masken herausspazierten.
Der erste Mann schrie seinen Text heraus. »›Ich bitt dich, Freund, laß uns nach Hause gehn! Der Tag ist heiß, die Capulets sind draußen, Und treffen wir, so gibt es sicher Zank: Denn bei der Hitze tobt das tolle Blut.‹« Sie führten eine Szene aus Romeo und Julia auf.
Diana wurde noch aufgeregter. Es war eine Kampfszene und sie hatte schon immer Interesse am Fechten gehabt. Sie konnte es nicht erwarten zu sehen, wie diese zu ihrer Unterhaltung in Szene gesetzt wurde. Bald würden die Capulets und Montagues kämpfen, wobei Tybalt am Ende durch Romeos Hand starb. Zumindest geschah das alles so im Theaterstück von Shakespeare. Diana wusste nicht, ob sie etwas davon ändern würden oder nicht. Das war Teil des Spaßes der Aufführung.
Mehr Männer in Masken kamen auf die Bühne. Sie sagten ihren Text fehlerlos auf bis sie ihre Rapiere zogen. Es war eine ältere Art des Fechtdegens. Diana dachte, dass sie vielleicht Florette benutzten, aber die Rapiere hatten einen anderen Stil. Vielleicht würde sie später erfragen, warum sie diese benutzten. Die Schauspieler waren in einen hitzigen Kampf verwickelt. Die Rapiere klirrten in einem Tanz aneinander, der ebenso tödlich wie auch schön war. Sie war an ihrem Platz gefesselt, nicht in der Lage von all dem wegzublicken. Einer der Männer sprang zwischen zwei der Kämpfer, um den Streit aufzuhalten, aber es war vergebens. Einer wurde getroffen und fiel auf dramatische Art und Weise zu Boden.
»›Nichts kann den Unstern dieses Tages wenden; Er hebt das Weh an, andre müssen’s enden.‹«
Der Mann auf dem Boden wurde ruhig und der Schauspieler, der Romeo spielte, nahm ein Schwert und begann mit dem Mann zu kämpfen, der Mercutio ermordet hatte. Eine weitere sündhaft gute Kampfszene wurde aufgenommen, während Tybalt neben Mercutio starb. Diana klatschte wild, als die Szene endete. Sie wollte lernen so zu fechten – wenn ihr Vater nur einen Lehrer für sie finden würde, der willens war sie zu unterrichten. Die Schauspieler nahmen alle ihre Masken ab und verbeugten sich vor dem Publikum.
»Ein weiteres«, schrie jemand.
Diana starrte die Schauspieler an. Sie hatte angenommen, dass es alle Männer waren, aber das war nicht der Fall. Da war eine Frau unter ihnen. Wunderschön beschrieb sie nicht einmal annähernd. Ihr Körper war schlank, geschmeidig und sie bewegte sich mit einer fließenden Eleganz, die Diana niemals erlangen könnte. Sie hatte mitternachtsschwarzes Haar, das in einem dicken Zopf bis zu ihrer Hüfte fiel. Wie konnte sie das nicht bemerken? War es während des Kampfes versteckt gewesen? Sie musste sie treffen …
Sie verbeugten sich noch einmal und verließen dann die Bühne. Sie wären später für eine weitere Szene, und wahrscheinlich ein neues Publikum, zurück. So oder so wäre Diana zurück, um zuzusehen, aber sie hatte vorher ein weiteres Ziel. Sie bahnte sich ihren Weg durch das Gedränge, bis sie das Zelt erreichte, wo die Schauspieler zwischen den Auftritten Zuflucht suchten.
Die Frau war gerade dabei einzutreten, als Diana das Zelt erreichte. »Verzeihung«, rief sie ihr zu. »Haben Sie einen Moment?«
Von nahem schien sie nicht viel älter als Diana. Vielleicht drei oder vier Jahre, aber nicht viel mehr als das. Ihr Haar schien dunkler von nahem und ihre Augen hatten einen veilchenblauen Farbton, ähnlich dem Himmel vor einem Sturm. »Ich bin beschäftigt«, sagte das Mädchen ziemlich unhöflich.
»Und mein Vater bezahlt Ihre Gehälter für den heutigen Tag. Sie können eine Minute Ihrer Zeit für mich erübrigen.« Sie würde, welchen Vorteil auch immer sie hatte, benutzen, um die Aufmerksamkeit der Roma zu erlangen.
»Kleines Mädchen«, sagte das Mädchen mit einem Akzent, der dem vieler Roma ähnlich war, die sie über die Jahre getroffen hatte. Sie kniff ihre Augen zu kleinen Schlitzen zusammen. Geringschätzung troff von ihrer Stimme, als sie sprach. »Ihr solltet lernen, wann man fordernd sein soll und wann es das Beste ist sich umzudrehen und wegzugehen.«
»Dies ist keine der Zeiten, um aufzugeben«, bestand Diana. Sie würde betteln, wenn es half, aber sie hoffte, dass es nicht so weit kommen würde. »Bitte, könnte ich einen Moment Ihrer Zeit haben?«
Das Mädchen seufzte und nickte dann. »Was benötigt Ihre Hoheit?«
»Ich bin keine …« Diana schüttelte ihren Kopf. Es war egal, was sie von ihr dachte, solange die Roma am Ende half. »Wie ist Ihr Name?«
Sie hob eine Braue. »Das ist alles, was Ihr zu wissen wünscht?«
»Nein«, entgegnete Diana. Wenn sie ihren Kopf durchsetzte, würden sie weit mehr voneinander wissen, wenn alles vorüber war. »Aber es ist höflich zu wissen mit wem ich spreche. Ich bin Lady Diana. Mein Vater ist der Earl of Bristol.«
»Ah«, sagte sie unverbindlich. »Lady Di, die Prinzessin der Grafschaft. Ich habe von Euch gehört.«
Diana begann sie nicht zu mögen, aber sie schüttelte das ab. Das Roma-Mädchen hatte etwas, das sie ersehnte, und sie würde ihren eigenen Stolz begraben, um es zu bekommen. Sie starrte sie an, während sie nicht von ihrer Geringschätzung einlenkte.
Schließlich antwortete sie mit ihrem Namen. »Ich bin Lulia Vasile.«
»Ich freue mich Sie kennenzulernen, Miss Vasile«, erwiderte Diana sympathisch. »Nun, da die Vorstellungen aus dem Weg sind, wie stehen Sie dazu mir das Fechten zu lehren?«
Das Lachen des Mädchens hüllte Diana ein. Sie lachte, wie es schien, ewig weiter. Dann hörte sie auf und wischte Tränen aus ihren Augenwinkeln. »Ihr meint das ernst, oder? Kleine, Fechten ist nichts für Euch.«
Sie hob störrisch ihr Kinn. »Ich kann es lernen, wenn ich einen Lehrer habe. Wenn ich wollte, könnte ich alles lernen.«
Lulia schüttelte ihren Kopf. »In Ordnung. Nachdem der Jahrmarkt vollendet ist, kommt zu mir. Wir werden die Möglichkeit besprechen. Ich brauche jetzt Ruhe.«
Mit diesen Worten ging Lulia ins Zelt. Diana blieb zuversichtlich, dass sie endlich einen Fechtlehrer hatte. Die Roma würde sie unterrichten und dann wäre sie in der Lage auch andere Dinge zu lernen. Diana dürstete nach Wissen und sie hatte das Gefühl, dass Lulia ihr mehr als Fechten lehren könnte. Die Möglichkeit einer Heirat war vergessen und ein völlig anderes Leben präsentierte sich ihr. Es war eine gute Sache, dass sie sich entschlossen hatte das häusliche Glück aufzugeben. Sie würde nicht lange nach Liebe betteln und sie dachte sicherlich nicht, dass diese sie jemals finden würde. Dies war viel besser und greifbarer als irgendein mythisches Gefühl.
Luther schaffte es nicht weit, bevor er beschloss sich umzudrehen, um zum Jahrmarkt zurückzukehren. So sehr er es auch hasste dies zuzugeben, Lady Diana hatte Recht gehabt. Der Jahrmarkt würde ihm eine Atempause vom Kummer geben, den er mit sich trug, und es würde die Wünsche seines Vaters ehren.
Lady Diana war in den Jahren, in denen er fort gewesen war, erwachsen geworden. In seinen Augen war sie noch immer ein kleines Mädchen und würde das auch bleiben. Er war fünf Jahre älter als sie und er konnte das Balg, das ihm über die Jahre hinterhergetrottet war, nicht abschütteln. Zumindest war sie genug erwachsen geworden, um einzusehen, dass sie nicht immer ihren Kopf durchsetzen konnte. Sie war vorhin höflich und aufmunternd gewesen. Er konnte das respektieren. Was er nicht wollte, war sie zu heiraten – auch wenn es der letzte Wunsch seines Vaters gewesen war. Luther wollte nicht aus Pflicht heiraten, zumindest noch nicht. Er könnte die Möglichkeit vielleicht viele Jahre in der Zukunft bedenken. Sein Herz war zu schwer für irgendeinen Gedanken an ein Ehebündnis.
Er erreichte den Rand des Jahrmarkts und fand einen Pfosten, an dem er sein Pferd anbinden konnte. Da stand ein kleiner Junge in der Nähe, um ein Auge auf die Tiere zu haben. Er warf ihm einen Schilling zu und sagte: »Stelle sicher, dass ihn niemand belästigt.« Luther deutete auf das Pferd.
»Ja, Milord.«
Da sein Pferd gesichert war, schlenderte Luther tief in den Jahrmarkt. Eine Gruppe von Schauspielern war auf der Bühne in einem Fechtkampf. Er schien am Ende zu sein. Die Menge hatte sich ringsum versammelt und beobachtete ehrfürchtig, wie die Schauspieler hin und her parierten. Die Rapiere waren echt und das Klirren von Metall schallte über das konstante Surren der Zuschauer. Luther war ebenso gepackt wie die Dorfbewohner. Die Schauspieler waren fähig mit den Rapieren und mussten exzellente Lehrer gehabt haben. Er hatte das Fechten mit einigen der besten Lehrer studiert und er war sich nicht sicher, ob er selbst mit ihnen mithalten könnte.
Am Ende des Kampfs brach die Menge in Applaus aus. Luthers Mund klappte auf, als sie sich demaskierten und verbeugten. Wie war eine Frau in der Lage gewesen mit solcher Fertigkeit zu fechten? Er erachtete es nicht als möglich und dennoch war es das gewesen. Er wollte sie treffen, aber war nicht sicher, ob es ein weiser Zug war. Es könnte die Roma ermutigen eine familiärere Beziehung zu begrüßen. Sein Vater hatte nicht geglaubt, dass sie sich gesellschaftlich mit angeheuerten Hilfen vermischen sollten – sogar auf dem Jahrmarkt.
Luther machte sich zum Zelt auf, das nahe der Bühne für die Schauspieler aufgestellt worden war. Er erhaschte einen flüchtigen Blick auf blondes Haar und runzelte die Stirn. Warum war Lady Diana auf dem Weg zum Zelt? Sie sollte nicht in der Nähe der Roma sein. Wenn er einen Grund brauchte die Roma aufzusuchen, gab ihm Diana gerade einen. Die Roma hielt außerhalb des Zelts an und Diana holte sie ein. Sie besprachen etwas, aber er konnte es nicht hören. Nach einem Moment ging die Roma in das Zelt und Diana bummelte mit einem riesigen Lächeln auf ihrem Gesicht davon. Luther änderte seine Bahn und ging auf Diana zu.
»Lady Diana«, rief er zum zweiten Mal an diesem Tag, aber sie hörte ihn nicht. Sie lief weiterhin auf einen Stand zu, der Fleischpasteten verkaufte. Sie sprach glücklich mit dem Mann, der ihn betrieb, und erstand eine. »Verfluchter Mist«, fluchte er und drängte sich an einigen Dorfbewohnern vorbei, um ihre Seite zu erreichen. Es waren zu viele Leute auf dem Jahrmarkt, um sich mit schnellerer Geschwindigkeit zu bewegen.
Diana bummelte davon, sprach mit einer Menge Dorfbewohner, während sie vorbeiging. Wo war ihr Geleit? Wie konnte ihr Vater sie auf dem Jahrmarkt unbeaufsichtigt frei herumlaufen lassen? Sorgten sie sich nicht um ihre Sicherheit? Sie hielt an, um einen Jungen zu beobachten, wie er Bälle in die Körbe des Spiels warf. Wenn der Bursche gewann, würde er eine süße Leckerei für jeden Korb, in welchem er einen Ball landen ließ, gewinnen – der große Preis waren vier Marmeladentörtchen.
Er war nur noch Schritte von ihr entfernt, als sie beschloss sich wieder zu bewegen. Seine Frustration wuchs mit jeder vergehenden Sekunde. Er streckte seine Hand aus und schaffte es diese um ihren Oberarm zu schließen. Sie ruckte nach hinten, strauchelte und fiel beinahe zu Boden. »Ich bitte um Entschuldigung«, sagte er ein wenig atemlos. »Ich habe versucht Ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Ich wollte Ihnen keinen Schaden zufügen.«
Sie blickte hoch und runzelte die Stirn. Ihre Fleischpastete war auf den Boden gefallen und nun mit Schmutz bedeckt. »Was war so dringend, dass Sie so grob sein mussten?«
Er war ein Arsch … »Ich wollte mit Ihnen über die Roma sprechen.« Das war nicht ganz so herausgekommen, wie er es wollte. Es war unwirsch und rüde. »Und warum schweifen Sie allein umher. Sorgen Sie sich denn nicht um Ihren Ruf?«
Sie schloss ihre Augen und ballte ihre Hände an ihrer Seite zu Fäusten. Nach einigen Herzschlägen öffnete sie ihre Augen und blitzte ihn an. Wo sie zuvor nett und verständnisvoll gewesen war, zeigte sie nun ein volles Spektrum der Wut. »Erlauben Sie mir dies korrekt zu verstehen.« Sie streckte einen Finger aus. »Sie haben ihre Hand auf meinen Arm gelegt und es geschafft, dass ich meine Nachmittagsmahlzeit verlor, um mich dafür zu schelten, dass ich mich nicht um meinen Ruf sorge?«
»Das sollte ein Beispiel dafür sein, warum Sie nicht allein sein sollten. Alles kann einer jungen Dame passieren, wenn sie nicht auf ihre Sicherheit achtgibt.« Er blähte seine Brust auf. Das sollte sie lehren, dass sie nicht mit jemandem streiten sollte, der es besser wusste als sie. »Ihr Vater hätte nicht erlauben sollen, dass Sie, ohne zumindest einer Magd an Ihrer Seite, Bristol Manor verlassen, aber Sie sollten wirklich einen Lakaien bei sich haben. Die Menschenmenge ist gefährlich.«
»Sie sind die einzige gefährliche Person in meiner Nähe«, spuckte sie beinahe aus. »Mir ging es vollkommen gut, bevor Sie mich belästigt haben. Ich habe diesem Jahrmarkt beigewohnt, seit ich ein Mädchen war –«
»Sie sind noch immer ein Mädchen«, unterbrach er sie. »Mancher Gentleman würde Ihre Unschuld als zu verlockend empfinden, um sie sich entgehen zu lassen.«
»Aber Sie sind keiner davon?« Sie hob eine Braue. »Kein Bedarf es zu erklären, my Lord. Ich erkenne, dass ich keine große Schönheit bin. Wenn Sie damit fertig sind mich für meine fehlende Begleitung zu schelten, glaube ich, dass ich mein Mahl ersetzen muss.«
Sie wandte sich, um zu gehen, aber er konnte es nicht erlauben. Wie konnte sie nicht verstehen, dass sie nicht allein sein sollte? Warum nahm sie ihn nicht ernst? »Warten Sie«, brüllte er. »Sie sollten nicht …«
Sie wirbelte auf ihrem Absatz herum und blickte ihm entgegen. »Ich benötige nicht, dass Sie über mich wachen, Lord Northesk. Gehen Sie weg.«
»Die Dame scheint Euch nicht zu mögen.« Der Akzent der Roma schallte durch seine Ohren. »Tut, was sie sagt.«
Es war nicht sein Tag. Er hätte niemals zurück zum Jahrmarkt kommen sollen. Er blickte über seine Schulter und begegnete den veilchenblauen Augen der Roma, die zuvor auf der Bühne gewesen war. Sie hatte ihr Rapier an ihrer Taille und sie wusste definitiv, wie man es benutzte.
»Lady Di braucht keinen Mann, der ihr etwas vorschreibt.« Sie starrte ihn von oben bis unten an, so als ob sie ihn für ungenügend befand. »Besonders einen, der ihr eher Befehle erteilt, anstatt sie zu schätzen.«
»Wer sind Sie, um mich zu verurteilen?« Er blitzte sie an. »Eine Roma, die kein Heim ihr Eigen nennen kann.«
»Zumindest habe ich Ehre«, sagte sie. »Euch fehlt es an etwas Fundamentalerem als mir.«
Lady Diana trat zwischen sie. »Bitte gehen Sie, Lord Northesk. Ich habe Geschäfte mit Lulia, die Sie nicht einschließen.«
Luther ging, aber nicht, weil beide Frauen es befohlen haben. Lady Diana war sicher in Lulias Obhut. Sie wäre in der Lage jeden Raufbold mit einem Schlenzer ihres Rapiers abzufertigen. Er mochte die Roma nicht leiden, aber sie hatte Talent. Er konnte jedoch nicht anders, als sich Sorgen um Lady Diana Thomas zu machen. Etwas an ihr machte, dass er sie beschützen und sicherstellen wollte, dass nichts ihr auf irgendeine Art und Weise Schaden zufügte. Er wollte nicht zu sehr über seine Motivationen nachdenken. Er hatte von den Verantwortungen, die er beim Tod seines Vaters geerbt hatte, bereits sehr viel, das durch seinen Verstand wirbelte. Liebe finden oder Beziehungen aufbauen? Das schien unmöglich … Damen von Dianas Kaliber waren außerhalb seiner Reichweite und blieben es für die nicht absehbare Zukunft. Es wäre das Beste, wenn er sich fernhielt und sie ihren eigenen Weg finden ließ. Wie dem auch sei, er hatte ihr nichts zu bieten.