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Das Geräusch von thailändischem Take-away, das in den Mülleimer geknallt wird, verkündete mir, dass die Bürotür bereits offen war. Das bedeutete, das jemand eingebrochen war. Allerdings musste man kein Genie sein, um das zu bewerkstelligen, die größte Herausforderung dabei wäre, die Tür nicht versehentlich aus den Angeln zu heben. Ein dicker Junge hätte bei mir einbrechen können, bloß indem er sich gegen die Milchglasscheibe lehnte.

Es hätte ein ziemlich gelangweilter dicker Junge sein müssen, denn in meinem Büro gab es nur einen Schreibtisch, zwei Stühle und einen Aktenschrank mit immerhin drei Ordnern, zwei davon mit bezahlten und unbezahlten Rechnungen. Welcher davon der dünnere war, kann man sich denken. Der dritte Ordner war für die Aufträge bestimmt und eindeutig magersüchtig.

Der dicke Junge ging auf die vierzig zu, er sah aus wie ein türkischer Ringer, der in einem rostroten Armani-Anzug feststeckte. Er hatte wulstige Lippen und eine breite Nase. Seine Schweinsaugen waren klein, schwarz und leblos, sein Haar mit viel Gel straff nach hinten gekämmt.

Er nickte mir freundlich zu, als ich eintrat.

»Nett hier«, sagte er mit einer Reibeisenstimme. Er stieß die einzelnen Worte kurz und hastig aus, aus dem Mundwinkel, als wären sie auf diese Weise billiger. Ich nickte zurück, freundlich wie ein ganzer Kirchenchor.

»Hallo. Wer zum Teufel sind Sie?«

»Herrje, entspannen Sie sich.«

»Entspannter geht’s leider nicht. Ich hab zu viel Kaffee intus, ein Magengeschwür und die Folgen des Drogenmissbrauchs in meiner frühen Jugend machen sich allmählich bemerkbar. Ich würde zum Arzt gehen, aber der ist schon zum zweiten Mal in diesem Jahr auf Entzug, und das Heroin hilft uns auch nicht weiter, zumal im Moment ziemlich viel davon in Umlauf ist. Also, wer zum Teufel sind Sie?«

Ich wusste, wer er war. Frank Conway, ein Immobilienhändler, der nebenher mit Gebrauchtwagen handelte. Viele Leute kannten Frank Conway. Er war erst seit achtzehn Monaten in der Stadt, fuhr aber ein silbergraues Cabrio, einen Mercedes SL, Baujahr ‘84, der wie neu aussah und mit einem Motor ausgestattet war, den man nicht überhören konnte. Bislang waren wir einander noch nicht offiziell vorgestellt worden, aber da ich bereits einen .38er im Gürtel stecken hatte und Gonzo zurückkommen würde, brauchte ich wirklich nicht noch mehr Ärger. Und Frank Conway bedeutete Ärger. Gerüchten zufolge kamen Franks Autos vollgestopft wie Apothekerschränke und für jede Party einsatzbereit über die Grenze.

»Ich frage nur, weil montags hier der Müll abgeholt wird, und ich möchte nicht, dass jemand Sie mit dem Abfall verwechselt.«

Er schenkte mir ein dünnes Lächeln und deutete mit dem Kopf zur Milchglasscheibe mit dem Schriftzug »Harry J. Rigby, Unabhängiges Ermittlungsbüro«.

»Wofür steht denn das J?«

»Das bedeutet raus aus meinem Sessel, verdammt noch mal.«

Er stand auf, streckte sich und zeigte mir, dass er wirklich so groß war, wie er glaubte. Er ging um den Schreibtisch herum, um sich in den anderen Sessel zu pflanzen. Ich setzte mich auf meinen Platz, stellte den Kaffeebecher ab und drehte mir eine Fluppe.

Er sagte: »Haben Sie sich hier drin schon mal verlaufen?«

»Tut mir leid, kein Sarkasmus vor dem Frühstück. Also, sind Sie nur gekommen, um die Inneneinrichtung ein bisschen zu verändern, oder kann ich wirklich was für Sie tun?«

Normalerweise verzichte ich auf das Sprücheklopfen, aber ich mochte Conway nicht. Er war mir zu glatt, zu clever, wirkte abgeleckt wie ein zufriedener Kater, und ich hasse Katzen, besonders zufriedene. Er lehnte sich zurück und legte ein Bein übers andere.

»Kriegen Sie viele Aufträge mit dieser Einstellung, Kumpel?«

»Dienstags kriege ich Depressionen wegen meiner Einstellung. Aber montags komme ich mir immer noch schlau vor. Fangen Sie also ruhig noch mal von vorn an. Wenn Sie sich gut benehmen, höre ich vielleicht bis zum Schluss zu, aber nur, weil ich mich schon seit Tagen nicht mehr amüsiert habe.«

Eigentlich hoffte ich, Conway würde den Wink verstehen und sich davonmachen, aber er beugte sich bloß vor und schnippte die Asche seiner Zigarette nachlässig in den Aschenbecher. Er stemmte die Ellbogen auf den Tisch, räusperte sich und sagte: »Sie sind doch Harry Rigby?«

»Wenn Sie nicht vom Finanzamt kommen, dann ja.«

»Und Sie sind Privatermittler?«

»Ich bin Berater für Recherchen.«

»Ist das eine seltene Tierart oder tun Sie wirklich was?«

Ich holte tief Luft und ließ meinen üblichen Sermon ab. »Ich recherchiere Informationen, die Privatpersonen normalerweise nicht zugänglich sind. Überprüfe die Kreditwürdigkeit von potenziellen Geschäftspartnern, mache ehemalige Geliebte ausfindig, solche Sachen. Ich führe verdeckte Observationen für Versicherungsgesellschaften durch, wenn ein begründeter Verdacht auf Betrug besteht. Ich dokumentiere Untreue oder ich beweise, dass die Verdächtigungen eines Ehemanns nicht mehr sind als Verdächtigungen. Ich assistiere Firmen bei der Sicherheitsüberwachung, und manchmal laufe ich geplatzten Schecks hinterher. Verschwundene Hunde und Familienstammbäume gehören zum Standardgeschäft. Als Bonus biete ich kreative Steuerrückerstattung, Fast Food, Nachtschichten und protestantische Verschwiegenheit an. Das Magengeschwür hatte ich schon, bevor ich diesen Beruf ergriffen habe. Der Kaffee wird kalt.«

Er nickte und lehnte sich zurück. Holte tief Luft und drückte die Brust durch. Verdacht auf Untreue, schätzte ich.

»Ich heiße Conway, Frank Conway. Und das hier ist streng vertraulich.«

»Stellen Sie sich vor, ich wäre der Pfarrer, das machen alle Frauen so.«

Er lachte, bellend und nasal.

»Sie sollten mal meine Frau kennenlernen.«

»Mag sie Männer mit Humor?«

»Sie findet alle Männer saukomisch.«

»Hat sie auch einen Namen oder wäre das womöglich wichtig?«

»Helen.«

Ich holte einen Notizblock aus der Schublade und schrieb ein paar Stichworte auf.

»Und ist sie abgehauen, oder hat sie es noch vor?«

»Weder noch. Ich würde ihr alle Knochen im Leib brechen.«

»Und was soll ich tun – das Alibi liefern?«

Er blies ein paar Rauchringe Richtung Zimmerdecke.

»Die meisten Ehemänner wollen eher den Nebenbuhler um die Ecke bringen«, hakte ich nach.

»Scheiß auf den«, knurrte Conway. »Der weiß es nicht besser. Sonst würde er diese Schlampe nicht vögeln.«

»Haben Sie denn Beweise dafür, dass Mrs Conway eine Affäre hat?«

»Sie treibt sich rum, das weiß ich genau.«

»Es wäre sehr unklug, voreilige Schlüsse zu ziehen.« Von meiner Warte aus betrachtet schien es allerdings das Einzige zu sein, was er tat. »Vielleicht sollten sie auch andere Möglichkeiten in Betracht ziehen.«

»Was denn zum Beispiel?«

Ich wusste aus Erfahrung, dass es keinen Sinn machte, an die Vernunft zu appellieren. Wenn ein Mann so überzeugt davon ist, dass seine Frau eine Affäre hat, dass er es einem anderen anvertraut, würde selbst eine Marienerscheinung ihn nicht davon abbringen. Ich versuchte es trotzdem, weil ich dringend einen Job brauchte. Und nach verschwundenen Hunden zu suchen, ist keine Arbeit für einen erwachsenen Mann.

»Meistens ist es bloß Paranoia«, erklärte ich. »Das ist typisch für einen Mann, der hart arbeitet, um seine Schwanzgröße zu kompensieren, und deshalb nicht mehr dazu kommt, den Schwanz zu benutzen. Es ist dann nur eine Frage der Zeit, bis er sich fragt, warum seine Frau mit ihrer Situation zufrieden ist. Manchmal hat der Typ sogar Recht und die Frau geht tatsächlich fremd, aber das kommt eher selten vor. Wie auch immer, in beiden Fällen gibt es kein Happy End.«

»Was zum Teufel war das denn? Das Wort zum Sonntag?«

Big Frank wusste Bescheid, und alles andere war ihm egal. Ich führte nicht aus, dass die Tatsache, dass ihm alles egal war, vielleicht der Grund war, dass Helen Conway einen anderen vögelte. Ich fragte nur: »Hat sie denn die Gelegenheit dazu?«

Die unheilige Dreifaltigkeit – Motiv, Gelegenheit und Beweis. Den Beweis sollte ich liefern, und nach zehn Minuten mit Frank Conway hatte sogar ich schon ein Motiv, mich nach einer Affäre zu sehnen.

»Ich übernachte in der Regel ein oder zwei Mal pro Woche außerhalb«, knurrte er. »Geschäftlich.«

»Wo?«

Er knurrte noch einmal, warnend.

»Mal hier, mal da. Das wechselt.«

Er glotzte mich an. Ich schrieb mit.

»Also? Wollen Sie Beweise dafür, dass sie eine Affäre hat? Wenn Sie ihr den Hals umdrehen möchten, sollten sie warten, bis Sie konkrete Beweise haben.«

Er nickte brüsk.

»Also gut. Ich brauche noch einige Informationen – wo sie arbeitet, wo sie einkauft, zu welchem Friseur sie geht. Ein aktuelles Foto, das Übliche halt.«

Er griff in die Innentasche und reichte mir einen Führerschein, bei dem ein offizieller Warnhinweis angebracht gewesen wäre. Sie war knapp unter vierzig, hatte dunkle, schulterlange Locken, den Kopf leicht nach hinten gelegt, was ihre Adlernase betonte. In ihren dunklen Mandelaugen schwelte das Unheil. Ihr Lächeln wirkte sardonisch und abgebrüht, und falls ihre Unterlippe weniger provokant wirkte als die von Ian Paisley, dann nur, weil sie nicht mit der Faust auf den Tisch schlug.

Ich hatte diese Sorte Frau schon oft gesehen, zumeist durchs Fernglas, also konnte ich nachvollziehen, warum Conway verzweifelt wäre, wenn sie ihn tatsächlich betrog. So eine Frau tritt nur ein einziges Mal in dein Leben, wenn du Glück hast, und dieses Glück ist nicht umsonst. Ich schrieb mir die Daten auf und gab ihm den Führerschein zurück. Ich fragte mich, ob er ihn bei sich hatte, weil er gut vorbereitet war, oder ob er verhindern wollte, dass seine Frau das Auto nahm, wenn er nicht zu Hause war.

»Hat sie ein eigenes Bankkonto?«

»Mehrere. Die genaueren Angaben habe ich nicht bei mir.«

»Eins würde genügen, am besten noch heute. Wie sieht’s mit Hobbys aus?«

»Hobbys?«

»Blumenschmuck, Tanzsport, Tiefseetauchen. Was macht sie denn so, wenn Sie nicht zu Hause sind?«

Er klang jetzt eingeschnappt.

»Sie spielt Golf.«

»The Bridge?«

»Wo denn sonst?«

Im Bridge wurde das Handicap danach berechnet, seit wie vielen Jahren das Kleine Schwarze der Ehefrau aus der Mode gekommen war.

»Spielt sie gut?«

»Was hat das denn damit zu tun?«

Ich machte mir noch ein paar Notizen. Und dann kam der Knüller: »Ich bräuchte noch ein paar Informationen über den Kerl.«

Er gab ein trockenes, abgehacktes Husten von sich.

»Zum Beispiel?«

»Zum Beispiel einen vagen Hinweis, um wen es sich handelt?«

Er starrte mich so lange an, dass ich mich schon selbst verdächtigte. Dann schüttelte er kurz den Kopf: »Nein.«

»Affären finden nur selten zwischen völlig Fremden statt. Normalerweise handelt es sich um Bekannte, Freunde, Kollegen.«

Wieder dieses Husten. Nasal und bellend. Er klang wie ein kranker Seehund.

»Helen arbeitet nicht.«

»Und es gibt keinen Anlass, einen Ihrer eigenen Mitarbeiter zu verdächtigen?«

»Das sollen Sie ja herausfinden.«

»Also gut, dann nehme ich das als Ausgangspunkt. Je weniger Sie wissen, umso besser können Sie schlafen. Wenn ich innerhalb eines Monats nichts finde, oder in sechs Wochen, dann ist an der Sache auch nichts dran.«

»So schnell?«

»Alle fürchten so sehr, von allen beobachtet zu werden, dass sie nicht merken, wenn ein Einzelner sie beschattet. Das ist seltsam, aber wahr. Falls ich irgendwas zutage fördere, werde ich es dokumentieren und Ihnen das Dossier übergeben, inklusive der Negative.«

»Fotos?«

»Unwiderlegbare Beweise, falls es zu einer Gerichtsverhandlung kommt. Außerdem sehr nützlich, wenn man eine vermeiden will.«

»Das ist alles?«

»Ich kriege noch einen Vorschuss.«

»Wofür denn?«

»Spesen. Weiche Drogen. Ein Grundstück auf dem Mond. Keine Ahnung, wer weiß?«

Wieder glotzte er mich eine Weile an. Dann schrieb er den Scheck aus.

»Wann höre ich von Ihnen?«

»Wenn ich anrufe. Wann sind Sie denn verreist?«

»Normalerweise am Donnerstag, und den halben Freitag. Manchmal auch noch Freitagnacht.«

»Nächste Woche bleiben Sie bis Samstag weg. Und sagen Helen – Mrs Conway –, dass Sie beide Nächte wegbleiben. Noch besser wäre, wenn Sie das zwei Wochen hintereinander so machen würden.«

Er stand auf, und kurz sah es aus, als hätte er das Stehen verlernt. Strich die Falten in seiner Hose glatt und drehte sich zur Tür um. Dann schaute er mich wieder an.

»Wofür steht denn nun das J?« Er schien sich wieder gefasst zu haben, wie ein Mann, der seine eigenen Geschicke zu lenken wusste. Aber er sah umso wehleidiger aus, weil er daran glaubte.

»Das ist bloß ein Scherz.«

»Ist nicht witzig.«

»Sie bezahlen mich nicht fürs Witzigsein. Witze kosten extra.«

Er knallte die Tür so kräftig zu, dass mein Magengeschwür vibrierte. Ich zog den .38er aus dem Gürtel und legte sie in die unterste Schreibtischschublade. Dann nahm ich einen Schwung Maaloxan-Tabletten aus der obersten, warf eine Idom hinterher und rief im Erdgeschoss an, um einen Kaffee zu bestellen, der mich langsamer vergiften würde.

Eight Ball Boogie

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