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Wenig später stand sie oben im Schlafzimmer. Konnte nicht erraten welch ungeahnte, noch größere Wonne es ihr bereitet hätte, wäre ihr Plan zur Gänze aufgegangen.

Gestern ist sie schon einmal hier gewesen. Dies war natürlich nicht ihr Haus. Sie hatte Stewart nicht nur durch die Hintertür der Küche gelockt, weil sie befürchtete sie könnten gesehen werden. Vielmehr war sie besorgt gewesen der Kerl hätte an der Haustür auf dem Namensschild die Namen der Hausbesitzer lesen können:

Reinhold und Mechthild Becker

Mittlerweile war sie sich im Übrigen ganz sicher, der Typ hatte außer auf ihren Hintern auf nichts anderes geachtet. Er wäre vermutlich auch an einer Neonbeleuchtung vorbei marschiert, auf der geschrieben stand:

"Gleich wirst du sterben!"

Am Vortag hatte sie Mecki, wie Reinhold seine Frau liebevoll nannte, und ihren Gatten kennengelernt.

Alte Leute waren so herrlich leicht zu ködern. Im adretten roten Hosenanzug hatte sie sich mit Aktentasche und Hochsteckfrisur als Reiseverkehrskauffrau vorgestellt. Eine anfängliche Skepsis des seit vierundvierzig Jahren verheirateten Ehepaares hatte sie im Handumdrehen in zufriedenes Lächeln umwandeln können, indem sie erklärt hatte es ginge nicht etwa darum was sie von ihnen wolle, sondern was sie für sie tun könne.

Den ganzen Quatsch und das folgende Blabla über die tolle Neuigkeit, der grandiose Gewinn: Drei Wochen Urlaub. Purer Luxus. Das wunderschöne Haus in Spanien, direkt am Meer, der riesige Pool, die sieben Zimmer und und und... hatte sie sich schlichtweg ausgedacht.

Die dazu gehörigen Fotos werden in einigen Tagen per Post folgen, ich bin sozusagen nur der Vorbote.“

Nicht einmal besonders kreativ, hatte sie gedacht, doch die beiden wurden von Silbe zu Silbe hellhöriger, waren überaus freundlich, boten Kaffee und Kuchen.

Der Kaffee war herrlich, heiß und stark, der Kuchen grausam überzuckert und schmeckte scheußlich.

Schließlich legte sie ihren Koffer vor sich auf die Tischplatte, der nichts weiter enthielt als einen 20000 Volt Elektroschocker und ihre halbautomatische Parabellum 92F. Sie öffnete ihn. Der Kofferdeckel versperrte ihren nichts ahnenden Opfern die Sicht auf dessen Inhalt.

"Eine abschließende Frage noch Herr und Frau Becker, bevor ich Ihnen die Urkunde überreiche und eine rein formale Unterschrift von Ihnen benötige: Haben sie Kinder oder andere nahe Verwandte? Wir müssten dann deren Personalien aufnehmen, im Falle eines Unfalls oder gar ihres Ablebens, was hoffentlich noch in weiter Ferne liegt."

Insgeheim freute sie sich diebisch über derart Sarkasmus, der ihren Zuhörern komplett verborgen blieb.

Sie zauberte ihr umwerfenstes Lächeln auf ihre geschminkten Lippen, während sie weitersprach:

"In diesem Fall muss eine Abtretung an Verwandte gesichert sein."

Es war Reinhold der den Mund öffnete, um eine Antwort zu geben, doch Mecki schnitt ihm noch beim Luftholen das Wort ab:

"Leider hat uns Gott nie den Segen zuteil werden lassen. Mein Mann..."

Sie zögerte einen Augenblick und schaute mitleidig und seine Hand tätschelnd zu ihm hinüber:

"Er ist nicht zeugungsfähig, eine schlimme Verletzung. Wissen Sie, er hat im Zweiten Weltkrieg gekämpft und..."

"Perfekt! Danke!"

Giselle sprang blitzartig auf und konnte sich kaum sattsehen an der Verwunderung der Beiden, als sie Mechthild so jäh unterbrach.

Mit ihrer Rechten stieß sie den Elektroschocker direkt an Reinholds Hals, der sofort tonlos in sich zusammensackte.

So ein Stromstoß wurde in Filmen immer völlig absurd übertrieben dargestellt.

Die Betroffenen zuckten meist wild umher und sabberten wie blöde, oder schrien auf, gingen unter Krämpfen in die Knie. Manchmal erdreisteten sich übereifrige Filmemacher sogar per Computer blaue Blitze ins Bild einzubauen; wer sagt eigentlich, dass Strom eine Farbe hat?

Nun, der alte Sack hatte ohnehin gesessen, aber die Realität ist nun mal recht simpel: Sämtliche Muskeln verkrampfen sich sofort, Herz und Lunge setzen kurz aus. Der Körper aktiviert einen natürlichen Selbstschutzmechanismus - man wird bewusstlos, Ende. Reinhold saß einfach bewusstlos da, sein Kinn auf die Brust gesackt.

Mit der Schusswaffe in der linken Hand zielte sie auf Mechthild, die noch keine Zeit gehabt hatte überhaupt zu begreifen was vor sich ging.

Mit alten Leuten musste man hin und wieder wie mit Kindern reden, also formulierte sie ihre Bitte an Mechthild auf möglichst unkomplizierte Weise:

"Keinen Mucks, Mecki. Ihm geht’s gut, er schläft nur ne Runde. Bloß nicht aufregen. Was immer sie tun wollen, sie sollten nicht schreien! Nicht bewegen und nicht nicht zwinkern. Könnte sein, dass mich das nervös macht und das wollen wir beide nicht! Diese große Pistole macht große Löcher in Menschen, die nicht genau zuhören."

Sie hatte durchaus langsam und deutlich gesprochen. Doch wie beinahe immer in solchen Fällen, schienen die Leute tatsächlich jeglicher Fähigkeit beraubt, den einfachsten Anweisungen Folge zu leisten. Die alte Frau bewies nicht nur ihr mangelndes Talent in Bezug auf die Zubereitung von Backwaren, sie trat auch den Beweis der hoffnungslosen Selbstüberschätzung an.

Für ihre, vom Altersstarrsinn verwaschenen Begriffe, griff sie "schnell" nach einer der noch halbvollen Kaffeetassen; zweifellos um den Inhalt, oder die ganze Tasse auf ihr Gegenüber zu schleudern. Tatsächlich aber, und aus Giselles Blickwinkel war es eine recht fahrige, vorhersehbare Bewegung. Diese beendete sie abrupt mit einem 9 mm Geschoss, bevor Mechthilds Finger auch nur das vermeintlich teure Porzellan berührten.

Die alte Dame wurde aus ihrer Vorwärtsbewegung in die gegenteilige Richtung geworfen und fiel mit dem Hintern zurück aufs Sofa. Ihr Kopf fiel zur Seite und so lehnte ihre Wange ganz entspannt an Reinholds Schulter. Auf der Vorderseite ihrer gestärkten, schneeweißen Bluse breitete sich ein Blutfleck aus, als würde eine rote Blume aufblühen.

Der Effekt hielt nur kurz an. Da das Herz direkt durchschossen worden war, hörte der Blutfluss schnell auf. Später würde Giselle feststellen, dass die Blutflecken an der Couchlehne daher rührten, dass die Kugel am Rücken wieder ausgetreten und in den Stoff eingedrungen war.

Sie ärgerte sich ein wenig darüber, dass sie den Schalldämpfer nicht aufgeschraubt hatte, die Gefahr bestand, dass Nachbarn den Schuss gehört haben könnten. Aber es hätte ja auch eigentlich ohne Schüsse ablaufen sollen. Giselle entschied kurzerhand derart Eventualitäten fürs nächste Mal einzurechnen.

Wie die beiden hier zusammen auf dem Wohnzimmermöbel saßen hatte etwas durchaus Vorzeigbares. Aber sie glaubte ihr nächstes Opfer würde selbst im Dunkel zu schnell erkennen können, dass sich hier Personen befanden. Das war bei näherer Betrachtung ihres Vorhabens eher ungünstig.

Reinhold hatte sie erst im Schlafzimmer getötet, ihn einfach mit seinem eigenen Kissen erstickt. Der alte Knacker war erstaunlich schnell wieder zu sich gekommen. Er hatte aber seiner Frau einiges voraus, was das Zuhören anging. Möglicherweise ließ er sich aber auch bloß deshalb lammfromm nach oben führen, weil ihn der Anblick seiner, neben ihm auf dem Sofa zusammengesackten, toten Frau gefügig gemacht hatte.

Ihr Ableben ließ zunächst einen kurzen Anflug von Selbsterhaltungstrieb aufflammen, das sah Giselle in seinen Augen. Den gab er aber schnell wieder auf, wohl unter der Prämisse, dass er in den Lauf ihrer Feuerwaffe blickte.

Als er später versuchte das Kissen abzuwehren, und sich von Giselles körperlicher Überlegenheit überzeugt zeigen musste, war es ein Riesenspaß für sie gewesen. Der Greis strampelte mit den Beinen und versuchte sie zu treten. Er umklammerte mit seinen dünnen, fleckigen Fingern ihre Handgelenke. Nur dass sie kaum mehr davon spürte, als würde sie etwa ein zu enges Armband tragen. Anschließend hatte sie sich aber noch mit Mecki abmühen müssen. Sie die Treppen hoch zu schleifen war richtig anspruchsvoll und schweißtreibend.

Zum Glück war die Alte keine von diesen, mit riesen Quarktaschen ausgestatteten, völlig übergewichtigen Rentnerinnen, die sich in vierundvierzig Jahren Ehe nur noch gehen ließen. Eigentlich wunderte Giselle sich sehr darüber, wenn sie an den Zuckergehalt des Kuchens dachte.

Jetzt stand sie erneut oben und betrachtete Stirn-runzelnd ihre "Arbeit".

Wie herrlich wäre es doch gewesen Stewart hier hoch zu locken? Sie hätte ihn rücklings ins Zimmer manövriert. Er wäre vor Geilheit nicht in der Lage gewesen den beginnenden Verwesungsgeruch der Leichen wahrzunehmen. Sie wäre sogar bereit gewesen sich komplett auszuziehen, um ihn dann erst im letzten Moment mit der schrecklichen Szene zu konfrontieren, die sie hier für ihn bereitgestellt hatte.

"Schwamm drüber."

Sagte sie zu sich selbst und den zwei Toten, die im Bett lagen, als wären sie in der Lage ihr zuzuhören. Sah ja auch fast so aus, als wären sie noch lebendig: Sie hatte beide in eine bequeme halb-sitzende Position gebracht. Im Nachtschrank war Mechthilds Lesebrille gewesen, die sie ihr auf die Nase gesetzt hatte. Meckis kalte, tote Finger umfassten ein aufgeschlagenes Buch. Reinhold schaute mit leeren glasigen Augen, in denen kleine rote Punkte schwammen, in Richtung Fernseher. Diese winzigen Blutergüsse im Innern der Hornhaut entstanden, wenn jemand erstickte.

Jeder einigermaßen gut ausgebildete Polizist konnte somit einen natürlichen Tod anzweifeln. Seine Hand hielt die Fernbedienung. Das TV-Gerät hatte sie an-und-stumm-geschaltet. Über den Bildschirm flackerte soeben eine alte Folge der „Golden Girls“

"Wirklich ein Jammer."

Murmelte Giselle beim Verlassen des Schlafzimmers.

Den "verstorbenen" Stewart ließ sie vorerst achtlos im Wohnzimmer liegen, dort blieb auch das Licht an. Allerdings zog sie dem Guten noch schnell die Hose wieder „vernünftig“ an. An der Küchentür angelangt nahm sie das zuvor unter der Spüle versteckte Drehkreuz, das sie, als Rückversicherung parat, aus der Garage hergebracht hatte und schlug damit von außen die Klinke ab und einmal gegen das Türblatt, so dass es deutliche Einbruchspuren aufwies.

Falls die Beamten später darauf hereinfielen und hier einen Einbruch zu erkennen meinten, waren es allerdings wirklich Amateure.

Ihre eigentliche Absicht war ohnehin wesentlich subtiler und sie baute darauf, dass es den einen oder anderen Polizisten gab, der weiter als nur von der Tapete bis zur Wand denken konnte. Sie hatte da auch bereits einen bestimmten Kandidaten in der engeren Wahl. Einer hatte ihrer Meinung nach durchaus das Zeug dazu, hinter die Fassade, und über den Tellerrand hinaus blicken zu können.

Dann würde letztlich ihr Arrangement den Effekt haben, den sie sich erhoffte. Das Spiel hatte begonnen. Sie würde keinen echten Gefallen an ihrem Auftrag finden, wenn sie nicht mit dem Nervenkitzel lebte erwischt zu werden. Eine kleine Chance musste sie der Polizei geben.

Aus ihrem Rucksack, den sie einfach auf einem Küchenstuhl hatte liegen lassen, holte sie die kleinen Packungen mit Erfrischungstüchern aus einem Schnellimbiss. Keine Quittungen oder Kassenzettel, ein Profi bediente sich immer Utensilien, die schwer, oder überhaupt nicht zurück zu verfolgen waren. Erst jetzt zog sie sich Einweg-Latex-Handschuhe über. Gründlich wischte sie, im Obergeschoss beginnend, sämtliche Türen, Türklinken und alle Wände die sie berührt hatte, Fensterrahmen und das Treppengeländer ab. Das Buch, die Fernbedienung.

Meckis Brillengestell, Reinholds Kissen. Mit viel Sorgfalt widmete sie sich Reinholds Handflächen und reinigte auch die Unterseiten seiner Fingernägel mit einer mitgebrachten Feile.

Jede Kleinigkeit, die sie angefasst hatte musste „lupenrein“ sein.

Sie schrubbte den Beistelltisch, die Tischfläche, auf der ihr Aktenkoffer gelegen hatte.

Die Halbautomatik drückte sie einmal in Stewarts Hand und schob sie dann unter das Sofa. Ein halbherziges Versteck, aber das Spiel würde nicht spannend sein, wenn sie den Ermittlern nicht wenigstens ein kleines Erfolgserlebnis gönnte. Zunächst würde die zweite Waffe ohnehin nur für mehr Verwirrung sorgen, als Hinweise liefern.

Allerdings ließ sie es sich nicht nehmen, Stewarts Portemonnaie zu entleeren und sich die Scheine in den BH zu stopfen. Eine nebensächliche Angewohnheit, da sie ja anderweitig entlohnt wurde.

Wie am Vorabend, dachte sie auch daran die ausgestoßenen Patronenhülsen der abgefeuerten Waffe aufzusammeln und mitzunehmen. An den Projektilen selbst konnte niemand Fingerabdrücke feststellen, da sie niemals die Spitzen der Munition berührte.

Zuletzt entriss sie Stewart noch die SIG, säuberte den Griff sowie den Abzug, entfernte den Schalldämpfer und gab sie ihm wieder zurück. Das Wort Leichenstarre machte sich gerade über sich selbst lustig - Stewarts Erektion war wiedergekehrt. Sie wusste, dass sie das Geschlechtsteil ebenfalls säubern musste, er ist immerhin beinahe in sie eingedrungen. Eine bessere DNA-Probe konnte man wohl kaum finden.

Als sie dieser etwas absurden Aufgabe nachkam, versuchte sich ein abwegiger, schmutziger Gedanke gerade einen Weg in ihr Bewusstsein zu bahnen, als das Telefon der Beckers klingelte. Sie fühlte sich ermahnt besser schnell zu verschwinden, denn sie war keineswegs neugierig zu erfahren, wer um 21.15 Uhr abends bei diesem kinderlosen Ehepaar anrief. Es könnten wirklich besorgte Nachbarn sein, die vielleicht am Vorabend so was wie Schüsse wahrgenommen hatten. Vielleicht hatten sie sogar ein wenig Klugheit bewiesen und sich gefragt wieso den gesamten Tag über die Rollläden nicht hochgezogen worden waren. Hatten sie eventuell schon mehrfach angerufen oder waren gar herüber gekommen und hatten geklingelt?

In einem kleinen Ort wie diesem musste man tatsächlich mit so etwas nicht-alltäglichem wie Zivilcourage rechnen.

Sie stopfte sämtliche Erfrischungstücher in mitgebrachte Gefrierbeutel, diese wiederum in ihren Rucksack. Diese würde sie später in irgendeinen öffentlichen Mülleimer an einer Bushaltestelle werfen.

Giselle machte sich mit leisem Bedauern auf den Heimweg.

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