Читать книгу Schweinrich der Achte - Dennis Weis - Страница 5
Rache ist Blutwurst
ОглавлениеNach einer Zeit, nachdem der Schock vorüber war, rannte Schweinrich nach Hause. So sehr er sich auch abwetzte, es kam ihm vor, als renne er eine halbe Ewigkeit. Er ist sogar einmal in eine Pfütze gefallen, weil er vor lauter Aufregung keinen Halt fand während des Laufs ausrutschte- und Platsch! Dann lag inmitten des Matschs.
Eigentlich mögen Schweinchen wie er Suhlbäder, aber heute war nicht die Zeit für sowas, nein, heute würde er alles seiner Mama erzählen und dann werden sie Papa befreien!
„Mama, Mama, etwas Furchtbares ist geschehen!“ brüllte lauthals, als er das Dorf betrat.
Er schrie es immer wieder, bis er schlussendlich bei seiner Mutter ankam.
„Liebster, was ist denn passiert?“ fragte sie besorgt und hielt ihn an den Schultern fest.
„Papapapa…äh, weg, viele….äh, Wöö-öl-lfe….überall“, stotterte er weinend.
Isaude kam hinzu.
„Was hat er denn?“ fragte sie neugierig, denn sie hatte ihren Bruder noch heulen gesehen. Vielleicht hatte er sich ja verletzt, dachte sie sich, aber eine Wunde konnte sie nicht erkennen.
„Es wird alles wieder gut“, versuchte Ringeltraud ihn zu beruhigen, es jetzt viel ihr auf, dass Speckfried nicht dabei gewesen ist.
„Schweinrich?“ fragte sie leicht aufgeregt.
Schweinrich zog immer wieder seine Schnodder in die Nase und seine Tränen kullerten weiter sein Gesicht hinab und landeten auf der Erde.
„Ja?“ sagte er benommen.
„Wo ist dein Vater?“ in Ringeltrauds Stimme hörte man eine wachsende Sorge. Die Sorge um ihren Sohn, aber ebenso die um ihren Ehemann.
„Das ha-habe i-i-ich d-dir ver-ssucht zu-zu erklären“, verriet Schweinrich flüsternd, denn mehr Kraft hatte er nicht mehr in seiner Stimme, „sie haben Papa entführt…“
Schweinrich ging es so schlecht, sodass er sich hinlegen musste. Ringeltraud und Isaude brachten ihn zu Bett und ließen ihn erst einmal ausschlafen. Er benötigte Energie, um aufgetankt seiner Mutter alles zu erzählen.
„Es muss irgendetwas mit Speckfried zu tun haben“, vermutete die Mutter naheliegend.
Noch am gleichen Tag bat sie zwei Freunde, Saureus und Balswin, nach Speckfried zu schauen. Sie wusste, wo sich die Angelstelle ihres Mannes befand und teilte es beiden mit. Sie machten sich sofortig auf den Weg.
Schweinrich schlief den Schlaf der Gerechten. Er verschlief sogar die Rückkehr der beiden Freunde, die eine Nacht und einen Tag fort waren. Ja, Schweinrich hatte dies ganz schön mitgenommen.
„Wir haben niemanden gefunden, liebe Ringeltraud“, berichtete Balswin, nachdem Ringeltraud die Tür öffnete, „wir haben Spuren gefunden, die nichts Gutes verheißen.“
Just in diesem Moment kam Schweinrich aus seinem Zimmer- er wirkte gefasst: „Sie haben Papa mitgenommen, diese hundsgemeinen Wölfe.“
Balswin und Saureus‘ Gesichter erstarrten, sowie alle Schweine, wenn sie von Wölfen hörten.
„Sie haben uns beim Angeln erwischt“, fügte Schweinrich hinzu.
„Ich hab es immer gewusst, eines Tages nimmt diese Heimlichkeit- dieses Angeln- ein böses Ende und heute ist dieser Tag gekommen“, weinte Ringeltraud.
„Wir müssen etwas dagegen unternehmen und Papa befreien“, forderte Schweinrich.
Für einen Moment war es ruhig- ein Schweigen füllte den Raum. Seine Mutter hörte auf zu jammern und starrte ihren Jungen an. Selbst Balswin und Saureus verschlug es die Sprache.
„Was ist denn mit euch los?“ verwunderte es Schweinrich, der diese Situation unheimlich fand.
„Mein Junge“, begann Ringeltraud mit zitternder Stimme, „Papa kommt nicht wieder, wenn das wahr ist, was du uns eben erzählt hast.“
„Genau, wer mit den Wölfen geht, der kommt nicht wieder“, ergänzte Saureus.
„Aber das verstehe ich nicht“, brüllte Schweinrich, „wir können uns doch auf den Weg machen und Papa befreien!“
„Nur, wenn wir alle sterben wollen“, warnte Balswin.
„Das kann es doch aber nicht gewesen sein“, konnte Schweinrich nicht fassen und fing vor lauter Wut an zu weinen.
Ringeltraud ging zu ihm und wollte ihn umarmen, aber Schweinrich stieß ihn weg. Er war sauer! Wie konnte es sein, dass hier keiner etwas unternahm?
„Wenn wir das riskieren, dann wird das ganze Dorf ausgerottet, so wie damals mit Grunzingen“, fing Balswin an zu erzählen, „dort hatte es einen Aufstand gegeben, als man ein ehrenwertes Schwein namens Barkseval zum Sklaven machte.“
„Nein, Balswin, erzähle nicht diese Geschichte“, verlangte Ringeltraud, „er ist dich noch ein Frischling.“
„Ich bin schon groß“, unterbrach Schweinrich seine Mutter harsch, „ich will sie hören.“
Ringeltraud sagte nichts, sie schaute traurig.
„Nun gut“, begann Balswin, „Barkseval war ein tolles Schwein- eines, was seiner Zeit weit voraus war. Er war mutig, intelligent und sehr sportlich. Er schützte die Schwachen und setzte sich für sie ein. Als eines Tages auf dem Marktplatz zu Grunzingen ein kleines Schweinemädchen aus Versehen einen Wolf einen Ball an den Kopf warf- es geschah nämlich mitten im Spiel- wollte dieser große böse Wolf das Mädchen an Ort und Stelle reißen. Schnell schmiss sich Barkseval dazwischen und machte dem Wolf klar, dass er damit nicht durchkommen würde. Da Barkseval aber ein sehr großes Herz besaß, ließ er den Wolf frei. Es vergingen einige Tage, bis der Wolf zurückkam. Er war nicht allein, sondern brachte ein ganzes Rudel mit, welches das Dorf niedermachte. Es riss an jenem Tage etliche Schweine und nahm viele der Kinder mit als Sklaven- man hat sie bis zum heutigen Tage nie wieder gesehen.“
Ringeltraud brach erneut in Tränen aus. Balswin war starr, während Saureus eine kleine Träne nicht unterdrücken konnte.
„Mir macht diese kleine Gruselgeschichte keine Angst“, machte Schweinrich deutlich.
„Aber du wirst nichts machen“, verlangte nun seine Mutter, „hast du verstanden, nichts- ich erlaube es nicht!“
Schweinrich löste sich von seiner Mutter. Er musste wieder weinen! Er rannte, so schnell er konnte weg, einfach nur weg. Er hörte die Rufe seiner Mutter:
„Schweinrich, komm‘ zurück, Schweinrich…“
Die Rufe wurde leiser, bis sie irgendwann ganz verschwanden.
„Ringeltraud“, sagte Saureus leise, aber bestimmt, „lass‘ ihn, er kommt wieder.“
Sie ließ sich beruhigen und ging zurück ins Haus. Balswin und Saureus machten sich auf zu ihren Heimen.