Читать книгу Sind wir nicht alle ein bisschen Alpha- Kevin? - Dennis Weis - Страница 5

Wie man zu einem Alpha- Kevin wird

Оглавление

Natürlich kann man diese Frage einfach beantworten: Wenn einem die eigene Mutter den Namen „Kevin“ verpasst. Aber so einfach ist das eben nicht. Alpha- Kevin sein hat weniger mit dem Namen an sich zu tun, wobei es aber an sich schon einen Hinweis darauf geben kann.

Vor der Geburt haben die Menschen eigentlich eine Tabula Rasa- eine weiße Weste. Das bedeutet, sie haben keine negativen Eigenschaften, aber auch keine guten. Sie fangen bei null an. Beim Alpha- Kevin ist das anders. Wir stellen uns einmal vor, dass jeder bevor er geboren wird, mit dem lieben Gott eine Runde spielt. Wahrscheinlich Roulette oder Poker. Je nachdem wie gut wir abschneiden, entscheidet, in welche Familie wir hineingeboren werden.

„Poker, Texas Hold’em ohne Limit“, erklärt Gott.

Mit am Tisch sitzen bereits tote Persönlichkeiten, wie Napoleon, der im Übrigen ein Sitzkissen benötigt, sonst könnte er gar nicht über den Tischrand schauen. Des Weiteren hat dort Sokrates Platz genommen. Neben Gott komplettieren Martin Luther und Adolf Hitler die Runde. Nein, keine Angst, Hitler soll hier nicht in den Himmel gehoben werden, vielmehr wird eine breite Mischung aus Persönlichkeiten genommen, wobei die letztere eben einen Alpha- Kevin darstellt. Das „Spiel des Lebens“ wird übrigens weder in der Hölle, noch im Himmel ausgetragen, sondern im „rechtsfreien“ Raum. Als letzter Gast kommt der Ungeborene hinzu. Auch wenn alle vorher in unterschiedlichen Sprachen gesprochen haben, können sie nun durch Gottes Kraft alle eine einheitliche von sich geben.

„Ich dachte immer, dass eine Strafe nicht bis nach dem Tot ausgesprochen werden darf“, sagt Luther.

„Ich weiß dazu nur, dass ich nichts weiß“, äußert Sokrates.

„Dann halt doch die Klappe, du Arschloch“, funkt Klaus Kinski dazwischen, der wie eine Diva hineinplatzt.

„Klaus, du spielst nicht mit“, macht Gott deutlich, „wir spielen nur zu Sechst und du hast schon bei der letzten Runde mitgespielt.“

Beleidigt zieht Klaus ab.

„Gut, genug gestritten“, funkt Gott dazwischen und zeigt mit seiner Nasenspitze in die Richtung des noch Ungeborenen, „wir haben ein Spiel vor uns.“

Es hören alle auf zu sprechen, außer Adolf, der irgendetwas von Heiliges Römisches Reich und SS vor sich herbrabbelt. Gott schnippt mit seinen Fingern und der kleine Führer ist ebenfalls ruhig.

„Du sitzt nur hier, weil ich gestern gegen den Herren der Unterwelt, dem Herrn Teufel, Stein, Schere, Papier verloren habe und ich frage mich wie, denn ich kann in die Zukunft sehen“, beschwert sich Gott.

Ein Engel erscheint, der kurz als Myriel vorgestellt wird. Ein typischer Vertreter seiner Spezies- königsblaue Engelsaugen, lockiges, blondes Engelshaar, weiß- mit Perwoll gewaschenes Engelskostüm und eine sanfte Kinderstimme, wie von Heintje. und erklärt kurz die Regeln für das Spiel. Es handelt sich dabei um ganz normale Pokerregeln, keine Extras oder irgendwelche unverständlichen Begrifflichkeiten, wie bei einer Versicherung. Wichtig ist vor allem eines:

„Wir haben nicht ewig Zeit, deshalb spielen wir nur eine Runde“, erklärt der Engel, „und dein Einsatz ist dein Leben. Je besser du abschneidest, desto so besser wirst du geboren. Setzen kannst du, soviel du willst, doch bedenke, dass du dadurch auch alles verlieren kannst.“

Jetzt steht das Fragezeichen offenbar auf das Gesicht geschrieben, deshalb hat Myriel, der diese Erklärungen mehrfach am Tag vollzieht, trotzdem Nachsicht und fügt noch eine Erläuterung hinzu:

„Das bedeutet, dass dich bei einem Sieg das ganz große Glück erwartet, also Milliardär oder König oder dergleichen. Mit jedem Platz, den du dahinter belegst, rutschst du sozusagen an das Ende der Nahrungskette.“

Ein kurzes Nicken bestätigt, dass es verstanden wurde, obwohl es möglicherweise gar nicht der Fall gewesen ist, aber wer will sich schon blamieren. Die Karten werden ausgeteilt. Hier gilt der Hinweis, dass sich kein Mensch im Nachhinein an dieses Ereignis vor seiner Geburt erinnert. Das würde wahrscheinlich auch die Göttlichkeit entmystifizieren.

Ihr erhaltet zwei Karten. Eine Pik sieben, eine Herz acht- eigentlich keine gute Wahl. Aber was hat man für eine Chance. Wenn die Karten weggeworfen werden, ist man raus und es wird deutlich, was für ein Leben einen erwartet. Deswegen riskiert man es, vielleicht doch das Leben zu gewinnen, das alle wollen. Noch bevor der Flop aufgedeckt wird, nämlich der Moment, wenn Myriel als Kartengeber die ersten drei Karten aufdeckt, wird geboten. Man diesen Teil auch Preflop. Hitler ist als erstes an der Reihe und bietet 10000 Reichsmark.

„Das ist ja praktisch nichts“, macht sich Napoleon über den größenwahnsinnigen Diktator lustig, „ ich erhöhe um weitere 10000, aber natürlich Livre.“

Der Ungeborene ist an der Reihe. Da er sich gezwungen fühlt, zu setzen, um in diesem Leben besser dazustehen, setzt auch er. Das blöde ist, dass der noch nicht Geborene bluffen müsst. Da Gott mit am Tisch sitzt, wird das schwer, denn er hatte angedeutet, dass er in die Zukunft schauen kann. Dennoch erhöht ihr um 10000, die Währung spielt hierbei keine Rolle, da ihr keine Vergangenheit habt.

„Mutig“, kommentiert Gott, „aber reicht das aus?“

Wie selbstverständlich erhöht auch er um weitere 10000 Gottis, die Währung im himmlischen Reich.

Martin Luther überlegt zunächst eine Weile, sodass den anderen Beteiligten anzusehen ist, dass es nervt, schließlich haben sie noch weitere Spiele vor sich und wollen schnell damit durch sein. Gott dagegen genießt jedes Spiel, schließlich hat er es erfunden. Er hat eigentlich alles erfunden.

„Ich lege nur die 40000 Gulden“, sagt Luther, „und ich klage, auf das euch klar werde, dass ich enttäuscht bin, welch Frevelei hier im Himmel stattfindet.“

„Deinem Klagen wirst du seit hunderten von Jahren nicht leid“, stänkert Hitler.

„Adolf“, erhebt sich mahnend die Stimme von Gott, „Klappe halten!“

Sokrates legt 40000 Münzen, ohne auch nur ein Wort von sich zu geben.

Der gebürtige Braunauer legt die ergänzenden 30000 Reichsmark hinzu und called damit. Napoleon folgt, wie auch der Ungeborene.

„Ich erhöhe nicht“, spricht Gott, „sonst dauert das Spiel viel zu lange.“

Er called ebenso, wie auch Luther und der griechische Philosoph.

Myriel legt den Flop. Es handelt sich um die ersten drei Karten von insgesamt fünf. Es sind eine Herz drei, eine Karo zehn und ein Kreuz Bube. Hitler schmeißt die Karten weg und in dem Ungeborenen wächst die Hoffnung, eine Stufe aufgestiegen zu sein.

„Das war ja klar“, kann sich der Herr nicht verkneifen, „aber nur zur Erklärung: Jetzt ist er zwar Letzter, aber es ist zum Schluss der Letzter, der die meisten Schulden gemacht hat.“

Noch bevor der Ungeborene über diesen Satz nachdenken kann, setzt Napoleon 50000 Livre und grinst. Es entsteht das Gefühl, dass der Verlierer von Waterloo eine gute Hand hat.

Der Ungeborene erkennt, dass ihm für eine gute Hand eine neun fehlt. Gibt er jetzt auf, so befindet er sich mit Hilter auf dem letzten Platz. Zudem weiß man nicht, ob nach ihm alle anderen ebenfalls wegschmeißen und er mit dem Nazi dort verbleiben muss- deshalb spielt er weiter und riskiert. Er setzt ebenfalls 50000 Münzen.

„Ich gehe ebenfalls mit“, sagt Gott und legt auch 50000 Gottis dazu.

„Ich beende mein Spiel“, äußert Luther und packt seine Karten beiseite.

„Ich denke, dass einer von den noch Spielenden über eine sehr gute Hand verfügt“, vermutet Sokrates.

„Woher nimmst du denn das?“ fragt Napoleon leicht genervt.

„Wenn ich ehrlich antworten soll, dann weiß ich, dass ich nichts weiß“, entgegnet der Philosoph.

Er legt seine Karten kommentarlos weg. Dies ist das Zeichen für Myriel, die Turn Card zu legen, die vierte und vorletzte Karte. Es zeigt sich eine Pik drei.

„Ich mache ein call“, sagt Napoleon.

Der noch Ungeborene zeigt an, dass er ebenfalls mitgeht, denn die neue Karte hat nichts verändert- es fehlt noch immer eine neun.

„Nun gut, dann wollen wir mal nicht so sein“, spricht Gott, „und gehen mit.“

Myriel legt sofort die River Card, die letzte Karte des Spiels auf den Tisch und es ist eine Herz neun! Der Neugeborene kann es kaum fassen. Für einen kurzen Augenblick verrät seine Mimik ihn, nur dann zeigt er ein Pokerface.

Napoleon setzt noch einmal 50000 Livre. Seine Mimik hat sich verfinstert. Das Grinsen ist ihm wohl vergangen. Der Ungeborene setzt sogar 100000 Münzen. In seinem Kopf träumt er bereits von einem Leben im Saus und Braus.

„Ich ziehe mich zurück“, sagt der In- Sechs- Tagen- Welterschaffer und wirft seine Karten zur Seite.

Napoleon zögert nicht, sondern setzt noch einmal 50000 Livre, um mitgehen zu können.

„Nun wird aufgedeckt“, erklärt der Engel, „der Ungeborene zuerst.“

Er legt freudig seine Karten hin.

„Ein Straight“, stellt Myriel fest, „eine Reihe Karten von sieben bis Buben.“

Napoleon knallt seine Karten auf den Tisch. Es sind eine Kreuz drei und eine Karo drei.

„Tja, wir haben einen Gewinner“, verkündet Myriel, „und auch wenn es knapp ist, es handelt sich um Napoleon.“

Kaum ausgesprochen wird alles um den Ungeborenen herum schwarz. Der Tisch und seine Spieler verschwinden. Auf einmal ist alles still. Wie die Ruhe vor dem Sturm. Jetzt stellt euch mal vor, ihr seid der Ungeborene. Ich seid verunsichert, wisst nicht, was da auf euch zukommt. Plötzlich drückt alles. Es wird super- eng. Dann folgt ganz viel Geschrei.

„Und jetzt pressen“, spricht eine weibliche Stimme, die ihr dumpf wahrnimmt.

Begleitet durch Gebrüll werdet ihr durch den Geburtskanal gepresst, ohne etwas dagegen unternehmen könnt.

„Das Köpfchen ist bereits da“, sagt die weibliche Stimme freudig und uns ist klar, dass es sich um die Hebamme handelt, „ihr habt es bald geschafft.“

Während ihr jetzt noch das Gefühl habt, dass jemand euch eine japanische Massage verpasst, da jeder Körperteil gerade derartig gequetscht ist, sodass ihr nicht sagen könnt, was sich gerade wo befindet, geht jetzt alles sehr schnell. Nach einem Pressen eurer Mutter, ist der halbe Oberkörper bereits angekommen. Und ihr stellt fest, dass es arschkalt ist. Nach dem zweiten Pressen seit ihr geboren und friert, als ob es Minus 20 Grad Celsius wäre! Nachdem also Mama nicht mehr brüllt wegen der schmerzverursachenden Wehen, fangt ihr an zu schreien, da es euch an Wärme fehlt!

„So hier ist der kleine“, spricht die Hebamme und legt euch auf den Bauch der Mama, „wie soll er denn heißen?“

„Kevin“, kommt es wie aus der Pistole geschossen.

Sind wir nicht alle ein bisschen Alpha- Kevin?

Подняться наверх