Читать книгу Die Geisterbande und die Kräfte des Dämons - Dennis Weis - Страница 5
Der Dämon und ich
ОглавлениеAls ich meine Augen öffnete, war ich froh, dass ich noch lebte. Mein Kopf schmerzte noch sehr. Reflexartig fühlte ich meinen Körper ab, ob ich noch restliche Wunden hatte. Mir war, als hätte ich im Sterben gelegen, aber ich konnte mich zunächst an Nichts erinnern.
„Tjalf!“ rief eine Stimme, die mir bekannt vorkam.
Ich richtete mich auf, um nachzuschauen, aus welcher Richtung sie kam. Ich erblickte einen jungen Mann, der auf mich zulief. Ich wusste bei aller Anstrengungen einfach nicht, wer diese Person war. Daher schreckte etwas zurück, denn er wirkte auf mich etwas aggressiv und ich hatte einfach keine Ahnung, was er von mir wollte.
„Tjalf, ist alles in Ordnung mit dir?“ fragte er, als er sich in gut sichtbarer Nähe befand.
Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte, daher wich ich weiter zurück. Dieser Fremde könnte mich auch angreifen wollen. Ich wollte auf Nummer sicher gehen. Ich stand auf und wollte mich gerade abkehren, als er mich von hinten festhielt.
„Was ist denn los mit dir?“ fragte er und wirkte auf mich verwirrt.
Es schien als würde er mich kennen, aber wie sollte ich ihm glauben, wenn ich nicht wusste, wer ich war? Ich versuchte, ihn in meinem Gedächtnis zu finden, aber da kam einfach nichts heraus.
„Tjalf, ich bin es, Bartholomäus“, verriet er mir.
Bartholomäus? Was für ein merkwürdiger Name. Ich konnte mir keinen Reim daraus machen. Ich griff zu seiner Hand und riss sie von mir.
„Lassen Sie los!“ rief ich.
„Tjalf, erkennst du mich nicht?“ fragte er das Offensichtliche.
Es verwirrte ihn und er schaute sich hilflos um. Als ich die Gelegenheit nutzen wollte, um meine Flucht fortzusetzen, stellte sich ein junges Mädchen direkt in meinen Weg. Sie schaute mich an, als würde auch sie mich erkennen. Dann lief sie zu mir und nahm mich, ehe ich irgendwie reagieren konnte, in ganz fest in den Arm.
„Lass‘ mich“, sagte ich, während sie zudrückte, „lass‘ mich sofort los!“
Sie wich im gleichen Moment von mir und blickte mich an, als hätte ich etwas Falsches gesagt. Ich hingegen fühlte mich eingeengt und unwohl, wenn mich ein fremdes Mädchen einfach so umschlang.
„Wer bist du und was willst du?“ wollte ich wissen, um sie ein wenig abzulenken.
Zeitgleich hielt ich Ausschau nach einem Fluchtweg. Es kamen aber weitere Gestalten und ich war praktisch umzingelt. Was sollte ich jetzt nur unternehmen?
„Tjalf, irgendwas stimmt nicht mit dir“, antwortete sie, statt auf meine Frage einzugehen, „ich bin es, Hanna. Erkennst du mich etwa nicht? Wir sind doch beste Freunde.“
„Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wer du bist, glaube mir“, entgegnete ich.
„Der hat eine Amnesie“, mutmaßte eine ältere Dame.
„Woher soll er die denn haben?“ fragte ein anderer Kerl, der aussah wie eine Mischung aus Krähe und Mensch.
Obwohl er mir fremd erschien, hatte ich vor ihm keine Angst. Dennoch blieb ich grundsätzlich vorsichtig. Irgendwas in mir gab mir ein Signal, diesen Leuten auf keinen Fall zu trauen.
„Vielleicht war es einfach zu viel“, vermutete dieser Bartholomäus, „Weißt du nicht, wer du bist?“
Sollte ich ihm nun verraten, dass er recht hatte, denn ich wusste es tatsächlich nicht oder sollte ich lügen? Mit unserer anfänglichen Begegnung war dies wohl nur eine rhetorische Frage, denn mein Gegenüber hatte bereits eine Vorahnung, was stimmte und was nicht. Doch plötzlich kam mir ein Name in den Sinn.
„Ich heiße Mereg“, sagte ich und konnte mir tatsächlich vorstellen, diesen Namen zu tragen.
„Mereg?“ fragte Bartholomäus ungläubig, „hast du einen Stein an den Kopf bekommen, oder was ist hier los?“
„Der Professor fehlt im Übrigen“, merkte der Krähenmann an, „sollen wir ihn nicht suchen?“
„Wie sollen wir das tun?“ wollte das Mädchen wissen, „wenn Tjalf unter Gedächtnisschwund leidet.“
„Mit mir ist alles okay“, versuchte ich ihnen klarzumachen, „also kann ich doch gehen, oder?“
Ich musste wissen, ob sie mich einfach ziehen lassen wollten oder eben doch schlecht waren und mich dann aufhalten würden.
„Körperlich scheint er keine Verletzungen zu haben“, stellte die Kleine fest, „dass er keine Ahnung mehr davon hat, wer er ist, das macht mir schon Sorgen.“
„Wo willst du denn hin?“ fragte Bartholomäus.
„Weg von hier“, antwortete ich, „ihr seid mir unheimlich.“
„Wir können ihn nicht einfach gehen lassen“, regte sich das Mädchen auf, „ihm könnte etwas passieren.“
„Aber was ist die Alternative?“ fragte Bartholomäus, „ihn aufhalten- fesseln- knebeln?“
„Nee, das will ich auch nicht“, verdeutlichte sie, „er ist ja mein Freund.“
„Dann lasst mich gehen“, forderte ich und sah meine Chancen für ein Entkommen steigen.
Das Mädchen schaute mich an, als wolle sie mich nicht ziehen lassen, aber Bartholomäus machte eine Handbewegung, sodass die anderen beiden mir Platz machten. Ich nutzte die Lücke und schritt hindurch. Kaum passierte ich die die zwei, lief ich davon, was das Zeug hielt. Als rannte ich um mein Leben und wer wusste das schon, vielleicht tat ich es auch in diesem Moment.
Erst als ich ein kleines Waldstück gelandet war, hielt ich an, drehte mich um, ob mich jemand verfolgte und ließ mich zu Boden sinken. Ich war erschöpft und ich wusste gar nicht, weshalb genau. Es musste von der Angst kommen, die ich hatte, denn die Leute könnten mir gefolgt sein.
Ich entdeckte niemanden. Offenbar hielten sie ihr Wort und ließen mich gehen. Dennoch beschloss ich, ein offenes Ohr und Auge zu behalten, falls dies eine Falle sein sollte. Auf einmal begann es zu regnen. Es tröpfelte leicht von den Blättern des Baumes herunter.
Wo sollte ich nur hin?
Das fragte ich mich, denn nach meinem Fluchtplan, wenn man es überhaupt so bezeichnen konnte, befand sich nur noch Leere in meinem Kopf. Ich hatte einfach keinen Schimmer davon, wohin ich sollte. Ich wusste nicht einmal, wer ich war.
Plötzlich verlor ich das Gleichgewicht, obwohl ich auf der Erde saß, die stetig nasser wurde. Eigentlich hätte ich aufstehen wollen, aber das gelang mir nicht. Ich landete stattdessen mitten auf dem feuchten Boden.
„Mist!“ fluchte ich, denn meine Tollpatschigkeit hatte dafür gesorgt, dass ich hinfiel- so dachte ich zumindest.
„Tjalf!“ rief auf einmal eine Stimme und ich erschrak mich, da sie dermaßen laut und deutlich zu hören war, als stünde sie direkt neben mir.
Aber dort befand sich niemand. Ich war verwirrt und hatte zunächst den Eindruck, dass mich nun doch jemand verfolgt hatte.
„Ist da jemand?“ fragte ich in mit lauter Stimme, immer noch auf den Boden liegend, denn jeglicher Versuch endete erneut im Matsch.
Ich bekam Angst, denn in dieser Position hatte ich wenig Chancen, mich zu Wehr zu setzen, falls es darauf ankommen sollte. Immer wieder blickte ich mich um. Ich wollte herausfinden, ob sich jemand in meiner Nähe befand. Da war niemand- da war nichts.
„Tjalf“, rief die Stimme abermals und ließ mich zusammenzucken.
„Wo bist du?“ fragte ich laut brüllend, denn es machte mich wahnsinnig, nicht zu wissen, woher diese Stimme gekommen war.
Ich drehte mich hektisch um, obwohl ich mich weiter auf dem Boden befand, mitten im Dreck. Ich probierte wieder und wieder mich aufzuraffen. Es gelang mir einfach nicht. Es war als hielt irgendeine Kraft dagegen, da sie nicht wollte, dass ich mich fortbewegen konnte.
„Zeige dich!“ forderte ich rufend, „verdammt noch mal!“
Ich schaffte es nicht, mich zu beruhigen, denn liegend war man jedem hilflos ausgeliefert. Zumal mein Gedächtnis mir partout nicht verraten wollte, wer ich war und was ich bei den Fremden wollte oder weshalb ich bei ihnen gewesen war.
„Ich kann mich nicht zeigen“, brummte die Stimme.
Wieso kann er sich nicht zeigen? Ich verstand es nicht. War er verletzt? Befand er sich ebenso auf der Erde und konnte sich nicht erheben? Dann könnte ich nachvollziehen, warum ich niemanden erblicken konnte, denn mein Radius war immens klein, um überhaupt jemanden zu erspähen.
„Warum? Was ist los mit dir?“ fragte ich, um so noch mehr über den Unbekannten herauszufinden.
„Merkst du es nicht?“ stellte der Fremde seine Gegenfrage, ohne auf meine weiter einzugehen.
„Merke ich was?“ wollte ich nun erfahren, denn ich mochte es nicht, wenn jemand in Rätseln sprach.
„Die Energie“, antwortete er, „das andere Gefühl, die andere Seite…“
„Rede mal Klartext“, verlangte ich und hatte es vorerst aufgegeben, mich zu erheben.
„Mich kannst du nicht sehen, da ich mich in deinem Kopf befinde“, erläuterte die Stimme.
In meinem Kopf? Ich hatte das Gefühl, er veräppelt mich und das Ganze ist nur ein dummes Spiel mit einem jungen Mann, der sein Gedächtnis verloren hatte und der eine leichte Beute war, um hereingelegt zu werden.
„Nicht mit mir“, machte ich deutlich und entwickelte wie aus dem Nichts Kräfte, um einen erneuten Versuch zu starten, endlich stehen zu können.
„Das wird dir nicht gelingen“, erwiderte die Stimme und ich spürte, wie eine Kraft dagegenhielt.
Meine linke Hand steuerte auf mich zu und versuchte gegen meinen Willen, mir an den Hals zu gehen. Ich versuchte, mit meiner rechten Hand gegenzuhalten. Es kam mir reichlich surreal vor, was in diesem Moment mit mir geschah.
Träumte ich vielleicht?
„Versuche dich nicht zu wehren“, flößte mir die Stimme ein, „es bringt nichts.“
„Da hast du leider den Falschen erwischt“, entgegnete ich, „ich weiß nicht warum, aber ich werde mit Sicherheit nicht aufgeben.“
Ich nutzte all meine Energie, um mich aufzurichten und ich sollte es tatsächlich vollbringen. Ich war ein wenig von mir selbst überrascht, da ich nicht mehr damit rechnete, nach all den Versuchen aufstehen zu können, wenngleich ich auf wackeligen Beinen stand.
„Wo bist du?“ fragte ich, denn ich war mir sicher, der Kerl versteckte sich irgendwo und ich konnte ihn nur nicht wahrnehmen.
„Ich bin du“, antwortete die Stimme.
Ein großes Fragezeichen bildete sich in meinen Gedanken. War die Stimme mein Gewissen? Oder eine Art innere Stimme, nur konnte ich sie lauter und genauer hören als andere? Möglicherweise hing es mit meiner Amnesie zusammen und ich konnte mich daher nicht an mein wirkliches Ich erinnern.
„Und wer bin ich?“ wollte ich von mir wissen.
„Dein Name lautet Mereg“, antwortete die Stimme.
„Mereg? Was ist denn das für ein Name?“ fragte ich, da er echt merkwürdig klang, „und warum nennen mich die anderen Tjalf?“
„Weil sie dich nicht kennen“, antwortete er.
„Aber würde mir nicht bei Nennung meines Namens einfallen, wer ich bin?“ wollte ich von ihm wissen.
„Ich denke nicht“, entgegnete die Stimme, „übrigens werden wir beobachtet.“
Ich schaute mich um, konnte aber keine Person entdecken. Wie durch Magie drehte sich mein Kopf in die Richtung des Beobachters. Dort stand Bartholomäus. Er hatte sich hinter Mülltonnen versteckt, war aber bei genauerem Hingucken sichtbar.
„Bartholomäus, ich kann dich sehen“, rief ich, sodass er es hören konnte.
Er erhob sich und ich konnte wahrnehmen, dass es ihm unangenehm war, denn er hatte mich zuvor gehen lassen und hatte er mich doch verfolgt.
„Was willst du?“ fragte ich ihn und stellte fest, dass ich sofort angespannt war.
„Ich mache mir Sorgen, Tjalf“, antwortete er, „und konnte dich nicht dir selbst überlassen.“
Mein Name ist nicht Tjalf, sondern Mereg“, entgegnete ich.
„Mereg?“ fragte Bartholomäus, „ich weiß nicht, was geschehen ist, aber Mereg bist du nicht.“
„Aber warum denke ich das denn?“ wollte ich erfahren.
Es nervte mich, in Unwissenheit zu schwimmen und nicht zu wissen, was stimmte. Eigentlich müsste mir doch meine innere Stimme Sicherheit verleihen, aber stattdessen hatte ich das Gefühl, das etwas faul war. Ich konnte nur nicht sagen, was es war.
„Das weiß ich nicht“, antwortete Bartholomäus in unbefriedigender Weise, „aber ich tue alles, um dir helfen zu können.“
„Aber weshalb erinnere ich mich nicht an dich?“ fragte ich weiter, denn es verwirrte mich.
„Auch das kann ich dir leider nicht beantworten“, äußerte er.
„Was kannst du überhaupt?“ wütete ich und ließ somit einen winzigen Bruchteil meiner Wut, die sich gebildet hatte, ab.
„Kannst du dich an Hanna erinnern?“ fragte er, als hätte er meinen Wutausbruch gerade ignoriert.
„Nein, wer soll das sein?“ antwortete ich fragend.
„Was ist mit Filum oder Corax?“ wollte er von mir wissen.
„Das sagt mir nichts“, teilte ich mir, „aber was soll die Fragerei. Vielleicht verwechselst du mich auch und ich bin tatsächlich Mereg und eben nicht dieser Tjalf.“
„Nein, du bist Tjalf und nicht Mereg“, korrigierte er mich, „erinnerst du dich nicht an deine Eltern oder an Peter?“
In seiner Stimme klang die Verzweiflung. Bei mir sprang mit dem Namen „Peter“ plötzlich ein Bild in meinen Kopf. Ich sah einen Spiegel, einen Jungen, einen Geisterjungen und einen gruseligen Wald.
„Wer ist Peter?“ wollte ich wissen, denn offenbar hatte ich bruchhafte Erinnerungsstücke an ihn, die ich nicht erstmal nicht einordnen konnte.
„Dein bester Freund“, gab Bartholomäus an, „ihr beiden hattet eine Menge Abenteuer zusammen erlebt.“
„Hattet?“ fragte ich, denn es klang, als gebe es den Jungen nicht mehr.
„Er ist leider tot“, verriet er und schaute traurig drein.
Sofort tauchten weitere Fetzen an Erinnerungen in meinem Gedächtnis auf. Ich sah wieder den Jungen vor meinem inneren Auge. Ein Monster und ein altes Schloss. Dann verlief alles sehr rasch und überwältigte mich.
Ich sah ein Mädchen, einen Hexer, einen Golem, Bartholomäus, weitere Monster, einen Nekromanten, eine Hexe, einen Krähenmann und ein älterer Herr.
„Professor Lux“, sprach ich und auf einmal war alles wieder da.
Ich schaute den Venator an, denn nun wusste ich, wer er war. Eine Erleichterung machte sich in mir breit und wir gingen aufeinander zu und umarmten uns. Ich hielt ihn so fest, als wolle ich ihn nie wieder loslassen.
„Wo ist der Professor?“ wollte ich wissen, denn ich konnte ihn genauso wenig erblicken, wie meinen alten Freund Peter.
„Wir wissen es nicht“, antwortete Hanna, ehe es der Diviator tun konnte.
Ich drehte mich zu ihr und rannte auf sie zu und umarmte sie ebenfalls. Ich hatte sie sehr vermisst. Irgendwie konnte ich mir all dieses nicht erklären, als mir plötzlich schwarz vor Augen wurde und ich zu Boden stürzte.
Ich sah nichts, außer Dunkelheit. Es war, als sei ich gefangen in meinem eigenen Körper. Beängstigend und schauderhaft, als bekäme man langsam immer weniger Luft und wüsste, man droht zu ersticken.
Was war geschehen?
Ich konnte es nicht beantworten. Mir war als könnte ich dumpfes Gerede wahrnehmen. War ich in einem isolierten Raum und hatte nicht mitbekommen, dass mir einer einen Streich spielte? Oder befand ich mich erneut in einem (Alb-) Traum, wie ich es früher schon erlebt hatte?
Der Unterscheid zu einstigen Träumen bestand darin, dass es hier absolut nichts gab, außer der Dunkelheit. War ich etwa gestorben und hatte nur noch nicht gemerkt? Ich musste etwas unternehmen, denn durch die Rückgewinnung meines Gedächtnisses fielen mir auch die Bedrohungen wieder ein und dieses helle Licht.
Ich stand auf und beschloss in irgendeine Richtung zu gehen. Es war ganz gleich wohin, denn eine Orientierung hatte ich durch das wenig e Licht eh nicht. Allerdings vernahm ich weitere dumpfe Gespräche, Rufe und dergleichen. Wo kamen diese her?
„Hallo, ist da jemand?“ fragte ich in der Hoffnung, eine der Personen, die sich unterhielten, antworteten mir.
Die Stimmen redeten zwar weiter, aber es kam keine Reaktion auf meine Frage, sodass ich beschloss, lauter zu werden.
„Hallo!“ rief ich“, kann mir jemand helfen? Ich bin hier irgendwie gefangen.“
Dann wurde es merkwürdig oder besser gesagt schaurig. Plötzlich erbebte eine Stimme, als befände ich mich in einem riesigen Saal und als würde sie sich immer wieder um sich selbst drehen. Sie donnerte an mir vorbei und trug meinen Namen: „Tjalf!“
„Ja, ich bin hier“, brüllte ich, denn aus einem mir unbekannten Grund musste ich reagieren, wenngleich mir etwas unheimlich war, da ich nicht wusste, was mich erwartete.
Erstaunlicherweise folgte nichts. Es war absolut ruhig und das störte mich dermaßen. Ich kam mir vor, als würde jemand einen Streich mit mir spielen und mich wirklich veräppeln wollen.
„Jetzt reicht’s!“ brüllte ich, „zeige dich endlich!“
Ich vermutete, dass ein Geist oder Seelenjäger oder etwas ganz anderes dahintersteckte. Vielleicht war Larvaster ja zurück? Auch wenn dies unmöglich erschien, denn er war doch tot. Luzifer hatte ihn geopfert. Der Seelenjäger war immer in der Lage, sich dem Tode zu entziehen. Warum nicht auch dieses Mal?
Es machte mich wütend, dass überhaupt nichts passierte. Ich stand hier rum, wie bestellt und nicht abgeholt und ärgerte mich. Auf einmal fing es an zu beben. Es schien, als gab es einen Zusammenhang zwischen meinem Gefühlszustand und der Erschütterung.
Obwohl mir dies logisch vorkam und ich durch meine Wut alles um mich herum, wenn auch von Dunkelheit durchzogen, sich stärker und stärker zitterte, befand ich mich noch immer an diesem trostlosen Ort. Vor lauter Wut, haute ich meine Faust auf den Boden als ich auf einmal meine Augen öffnete und Hanna anblickte.
„Tjalf?“ fragte sie, „bist du es?“
„Ja“, antwortete ich, denn ich verstand die Frage nicht- wer sollte ich denn sonst sein?
„Er ist wieder er selbst“, freute sich Bartholomäus, der mit seinem Stab auf mich gerichtet etwas seitlich von mir stand.
„Was war hier los?“ wollte ich wissen.
„Sagt dir der Name Mereg etwas?“ fragte Bartholomäus, statt mir meine Frage zu beantworten.
„Nein“, antwortete ich.
Mir wurde mulmig zumute, denn es geschahen Dinge, die ich nicht verstanden hatte. Ich hatte in meinem kurzen Leben viel erlebt, aber das überstieg selbst meiner Vorstellungskraft. War dieser Mereg ein neuer Larvaster?
„Wer soll das sein?“ wollte ich erfahren.
„Du musst nun stark sein“, begann Hanna, „denn Mereg ist ein Teil von dir.“
„Er hat von dir Besitz genommen“, fügte Bartholomäus hinzu.
„Er benutzt mich?“ fragte ich und befürchtete, dass er es in diesem Moment erneut tun würde.
„Ich denke, er ist ein Dämon“, vermutete Bartholomäus, „aber eigentlich würdest du nicht mehr zurückkommen, wenn einer von denen in dir wäre.“
„Ein Dämon?“ fragte ich und dann wurde mir einiges klar.
In diesem Augenblick überkam mich ein Gefühl, welches sich aus Furcht und Entschlossenheit ernährte. Die Angst befand sich direkt in mir, denn ich wollte nicht, dass jemand von mir Besitz ergriff. Die Entschlossenheit wollte herausfinden, wer oder was er war und warum er gerade mich gewählt hatte.
„Gib mir ein Messer“, verlangte ich von Corax, der mit Filum herumstand und nichts dazu beitragen konnte.
„Was willst du damit?“ wollte Hanna von mir erfahren.
„Lass‘ ihn, ich kann es mir denken“, mischte sich Bartholomäus ein, „er wird wissen, was er tut.“
Corax schaute verdutzt. Er tat aber, was ich von ihm verlangte. Er zückte ein Messer und übergab es mir.
„Das wird nicht funktionieren“, meinte Filum.
„Was hat er denn vor?“ wollte Hanna wissen, denn sie hatte nicht die leiseste Ahnung, was ich tun musste.
Ich wollte nicht mehr in der Dunkelheit mein Dasein fristen. Es reichte mir, dass ich keine Kontrolle über meinen Körper und meinen Geist hatte. Also hielt ich mir die Klinge des Messers selbst an die Kehle.
„Nein, Tjalf, tu das nicht“, rief Hanna und wurde von Bartholomäus abgehalten.
„Er wird sich nichts tun“, sprach er, „er hat einen Plan.“
„Los, zeige dich, sonst werde ich mich verletzen“, drohte ich mir selbst.
Das Ganze musste wirklich völlig irre wirken. Da hielt sich jemand ein Messer an den Hals und drohte sich selbst, um einen Dämon herauszulocken. Manch einer wurde dafür in eine Psychiatrie gesperrt, aber die gesamte Geschichte um die Geister wäre schon Grund genug dafür gewesen.
„Der wird sich nicht zeigen“, hörte ich und merkte, wie meine Beine schwach wurden und mir schwarz vor Augen wurde.
Ich fiel zu Boden und befand mich wieder in der Dunkelheit. Schnell stand ich auf, denn damit wollte ich mich nicht zufriedengeben, als ich mich verjagte als sich dort eine Gestalt befand in mir tief in die Augen starrte.
„Mereg?“ fragte ich das Naheliegende.
„Es ist wirklich ungewöhnlich“, begann er ohne zu bestätigen, dass er der gemeinte war, „dass du dich nicht einfach so beherrschen lässt.“
„Dann verlasse mich“, forderte ich, „und zwar auf der Stelle.“
„Das kann ich nicht“, erwiderte er, „auch wenn ich es gewollt hätte.“
„Wieso kannst du das nicht?“ fragte ich mit Unverständnis, „du konntest dich auch einfach in mich schleichen.“
„Ich hatte keine Wahl“, entgegnete Mereg, „ich wäre gestorben.“
„Das interessiert mich herzlich wenig“, machte ich deutlich, „was kümmert mich das Schicksal eines Dämons?“
„Weil es auch dein Schicksal ist“, antwortete er und hinterließ damit mehr Fragezeichen als Antworten bei mir.
„Sprich mal Klartext“, verlangte ich, „ich habe es satt, immer mit Rätseln zu leben.“
„Wie du wünschst“, antwortete Mereg, „ich wäre beinahe gestorben und fand dich. Du lagst ebenfalls im Sterben. Ich konnte so Besitz von dir ergreifen und dich, wie auch mich heilen.“
„Dann kannst du mich ja jetzt wieder verlassen“, forderte ich von ihm.
„Leider nicht“, teilte er mir mit, „denn sollte ich dich wieder verlassen, sterben wir beide, da dann der Ausgangspunkt, als ich dich gewählt habe wiederhergestellt wird.“
„Das riskiere ich“, verdeutlichte ich.
„Um dann zu sterben?“ fragte er irritierend, „das willst du doch nicht wirklich.“
„Aber ich will auch nicht von einem Dämon beherrscht werden“, entgegnete ich.
„Ich kann mich zurückhalten“, bot er an, „und dir die Hauptkontrolle überlassen.“
„Und was ist im Kampf gegen Deinesgleichen?“ wollte ich wissen.
„Dämonen kämpfen in erster Linie für ihre eigenen Vorteile“, antwortete er.
„Und was für einen hast du von mir?“ fragte ich weiter.
„Das Überleben“, schoss es aus seinem Mund wie aus einer Pistole.
Irgendwie überzeugte es mich, aber ich machte mir nichts vor, denn diese Wesen durchtrieben und sie warteten nur auf den Moment. Wenn er kommt und das wird er, würde auch er mich hintergehen.
„Du wirst mich bei der ersten Gelegenheit fertig machen“, sprach ich meinen Gedanken laut aus.
„Ich kann deine Gedanken auch so hören, ich bin ein Teil von dir“, entgegnete Mereg, „und ja, werde ich vermutlich. Es wäre höchst wunderlich, wenn nicht, denn immerhin ich ein Dämon und du ein Venator- das passt nicht.“
Dann befand ich mit de nächsten Wimpernschlag wieder in der Anwesenheit von Hanna, die mich anstarrte, als wüsste sie nun gar nicht mehr, was sie noch unternehmen sollte, Bartholomäus, Corax und natürlich der Hexe Filum.
„Tjalf?“ fragte der Diviator und ich bemerkte in diesem Augenblick erst, dass er seinen Stab auf mich gerichtet hatte.
„Nimm‘ bitte deine Waffe herunter“, bat ich ihn, „ich bin es, Tjalf.“
„Das glaube ich dir gerne“, entgegnete er, „aber solange der Dämon in dir steckt, kann nur eine Hälfte dir trauen, denn ihr seid von außen nicht unterscheidbar.“
„Ich bitte drum“, machte ich dem Diviator klar, „denn er wird es versuchen.“
Ich wusste, dass der Dämon Wort gehalten hatte, denn ich war nun bei vollem Bewusstsein. Ich verdeutlichte den anderen, dass ich nun einen Dämon namens Mereg in mir trug und wies mehrfach darauf hin, dass ich zu jeder Zeit gefährlich werden könnte. Allerdings konnte ich mir nicht ausmalen, was dies genau bedeutete.