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Kapitel 2: Die verstümmelte Leiche

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Mit meinem Dienstwagen fuhr ich Richtung Stadtmitte, Cole saß auf dem Nebensitz, von wo aus er unseren Vorgesetzten anrief, um zu erfahren, wo sich der genaue Tatort befand. Als er auflegte, erzählte er mir, dass wir zum Coregrother See fahren sollten, welcher ziemlich im Westen unserer kleinen Stadt lag. 1738 gegründet, hatten sich hier nach und nach viele Geschäfte niedergelassen. Die Kleinstadt unterlag dem Wandel der Zeit und musste sich regelmäßig verändern, weshalb es deren Bevölkerung an nichts fehlte. Vor über drei Jahren hatte am Highway ein veganer Imbiss eröffnet, welcher seit jeher gut frequentiert wurde. Cole hatte mich beim ersten Besuch in einer Dienstpause dorthin eingeladen, seitdem waren wir immer mal wieder darin anzutreffen.

An diesem Tag, dem 31. Oktober, war viel los auf der Straße. Jede Menge Erwachsene besorgten die letzten Zutaten für ihr Halloween – Menü, während deren Kinder in die kleinen Läden zum Frühshoppen gingen. Entweder kauften sie sich etwas Süßes oder ein neues Kostüm, für das abendliche Umherziehen von Haus zu Haus. Es hatte fast den Anschein, dass es in dieser so friedlich wirkenden Stadt keine größeren Strafdelikte geben würde, doch Bale, mein Lebensgefährte und ich wurden jedes Mal wieder auf´s Neue eines Besseren belehrt. Allgemein war die kriminelle Energie ein Problem, welches es zu lösen galt – nicht nur in Coregroth.

Nach guten dreißig Minuten waren wir am See angekommen. Ich parkte den Wagen auf dem sandigen Weg und stieg nach Cole aus. Er begrüßte den auf uns wartenden Inspector mit einem Handschlag, während ich mir die Umgebung ansah. Weil es ziemlich frisch war, zog ich den Reißverschluss meines Mantels ein Stück höher. Es war viel zu kalt, um im See schwimmen zu gehen – trotzdem lag an dessen Ufer eine männliche Leiche. Um sie herum war ein Bereich von wenigen Metern mit Ästen und einem gelben Flatterband abgesperrt worden.

Schon wieder ein Mord an Halloween, ging es mir seufzend durch den Kopf.

Halloween war nicht ereignisreicher als andere Tage und dennoch gab es immer wieder Fälle, die mir vor Augen führten, welche Monster in dieser Welt lebten. Cole und ich hatten schon viele Menschen, die Straftaten begingen, hinter Gitter gebracht, leider gab es aber noch genug Menschen, die mit unserem englischen Gesetz in Konflikt gerieten.

Ich trat einige Schritte durch den nassen Sand, um mir das Opfer genauer ansehen zu können. Es wirkte noch ziemlich jung und war etwa in meinem Alter. Die dunkelroten Haare des Mannes waren nass, was mir verriet, dass er sich vor seinem Tod im Wasser aufgehalten hatte. Seine körperbetonte Kleidung war fast überall gewaltsam aufgerissen worden. Blut und nackte Haut waren der Öffentlichkeit preisgegeben. Die Augen des Schlanken waren trüb. Da die Haut ansonsten normal aussah, vermutete ich, dass der Mann nicht im See, sondern an Land ermordet worden war. Hätte er sein Leben im Wasser gelassen, wären wir mit einer aufgeschwemmten Leiche konfrontiert worden – so viel wusste ich zumindest schon von Richard, einem befreundeten Gerichtsmediziner. Es gab nicht viele Wasserleichen, doch wenn Cole und ich vor einer standen, klärte uns der Grauhaarige stets über deren genaue Symptome auf. Nicht nur einmal wurde mir von Richard´s gnadenloser Berichterstattung übel, doch da musste ein Detective eben durch. Cole war noch zarter besaitet als ich, weswegen ich ihm bei extremen Fällen zusätzlich eine Stütze sein musste.

Um eine präzise Fallakte zu führen, mussten wir die Details bei einem Leichenfund so detailliert wie möglich beschreiben – auch im Hinblick auf eventuelle spätere Erkenntnisse. War die Leiche erst einmal unter der Erde oder verbrannt, konnten wir eine Menge Spuren und Hinweise vergessen. Es gab zwar die Möglichkeit einer Exhumierung, die wurde aber aufgrund des Geldes von der Stadt nicht gerne gesehen. Auch die Hinterbliebenen wehrten sich aus ethischen Gründen verständlicherweise oftmals dagegen. Selbst die Friedhöfe wollten einer Grabaushebung und dem damit von der Presse entfachten medialen Rummel am liebsten aus dem Weg gehen. Daher galt es, im Vorhinein möglichst sauber zu arbeiten, statt später aufwendige Nacharbeit leisten zu müssen.

Bale kam zu mir und reichte mir ebenfalls die Hand.

„Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, Mason und Ihnen sagen, dass ich es wiedergutmachen werde. Ihr Partner scheint mir bereits verziehen zu haben. Sie wissen, dass ich Sie nur aus Ihrer wohlverdienten Dienstruhe rufe, wenn der Fall brisant ist. Aber gerade jetzt an Halloween feiern wieder viele Ihrer Kollegen ihre Urlaubstage ab und da Sie und Morkride nicht weggefahren sind, war es mir persönlich lieber, Sie zu benachrichtigen.“

Okay, nächstes Mal weiß ich es besser, dachte ich nebenbei und wollte mir merken, später eine digitale Notiz im nächsten Jahreskalender anzufertigen.

„Wer ist der Tote?“ erkundigte ich mich.

Einige Polizeikräfte standen um das Flatterband herum, die Leute von der Spurensicherung machten sich gerade an die Arbeit. Sie fotografierten das bisher namenlose Opfer, bevor sie zwei Männer vom örtlichen Beerdigungsinstitut durch die Absperrung ließen, die den leblosen Körper auf eine eiserne Bahre hievten und mit ihr in einem silbernen Leichenwagen verschwanden.

„Der Mann hatte keine Papiere bei sich“ erklärte Bale.

Sein Diensttelefon klingelte, weshalb der Endfünfziger sich von mir abwandte und einige Meter fortging.

„Wer macht nur so etwas?“ sprach Cole leise. „Der Typ muss in deinem Alter sein. Wenn ich mir vorstelle, dass du da...“

Ich unterbrach den schrecklichen Gedankengang meines Liebsten mit einem Kuss auf seinen weichen Mund.

„Mir wird schon nichts passieren, außerdem habe ich dich an meiner Seite – du passt doch gut auf mich auf.“

Cole´s Lippen formten sich zu einem Lächeln. Ich fuhr ihm über die Wange, als ich hinter ihm etwas am Ufer entdeckte.

„Was ist denn das?“ fragte ich neugierig beim Zusteuern auf einen länglichen schwarzen Gegenstand, der etwa dreißig Meter von der Leiche entfernt lag.

„Sieht aus wie ein Gehstock“ meinte Cole, der mir gefolgt war.

Ich ging in die Knie, hütete mich aber tunlichst davor, den Stock zu berühren, um keine Spuren zu verwischen.

„Vielleicht gehört er dem Opfer“ spekulierte ich und winkte jemanden von der Spurensicherung herbei, um Fotos davon anzufertigen.

„Vielleicht ist es auch einfach nur Müll, den irgendjemand hier achtlos entsorgt hat. Der See ist nicht gerade dafür bekannt, der sauberste Ort Coregroth´s zu sein“ erwähnte mein Partner.

Ich sah ihn schief an, weswegen er noch einmal über mein Gesagtes nachdachte.

„Okay... Aber war er dafür nicht ein wenig zu jung?“ erwiderte Cole überrascht.

„Nicht nur alte Menschen benötigen medizinische Hilfsmittel, Liebling“ klärte ich ihn auf. „Eventuell hatte er gesundheitliche Einschränkungen, die die Nutzung des Stocks notwendig machten.“

Cole überlegte einen Moment und wandte sich dann an den Mitarbeiter der Spurensicherung.

„Können Sie den Stock mitnehmen, wenn Sie mit den Fotos fertig sind?“

Ich musste grinsen, denn nun zog offenbar auch er die Möglichkeit in Betracht, dass der Gehstock etwas mit der Leiche zu tun haben konnte.

„Alles klar! Ich schicke sie euch über´s Internet direkt zu einem Drucker ins Büro“ antwortete der in einem weißen Schutzanzug steckende Mann.

„Danke“ erwiderte ich, ehe ich mich zu Cole wandte: „Die kleinen, aber feinen Wunder der Technik...“

Eine kalte Brise fegte über den See und uns hinweg, weswegen ich meinen Arm um meinen Freund legte und langsam mit ihm zurückging.

„Eines frage ich mich allerdings noch, Jeff: Würde jemand mit einer Gehbehinderung in einem unbefestigten Gebiet schwimmen gehen?“ wollte er von mir nach einer Pause wissen.

Unsicher sah ich ihn an, eine Antwort blieb ich ihm jedoch schuldig, da der Inspector, der sein Telefonat inzwischen beendet hatte, wieder zu uns kam.

„Ein unwirtliches Wetter heute. Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich mit Ihnen beiden gerne zum Police Office fahren.“

Weil wir nichts dagegen einzuwenden hatten und so zumindest wieder zurück in die Wärme kamen, saßen wir eine halbe Stunde später wieder im beinahe leeren Bürogebäude von Scotland Yard.

„Halloween lohnt sich als freier Diensttag – darüber solltest du mal nachdenken“ gab Cole mir neckend zu verstehen, während der Inspector in seinem eigenen, abgetrennten Büro verschwand.

„Das war aber ein kurzes Telefonat eben am See“ meinte ich und nickte mit dem Kopf Richtung Bale´s Bürotür.

„Ich glaube, es war sein Mann, mit dem er telefoniert hat. Bale war jedenfalls ziemlich kurz angebunden.“

Vor einiger Zeit hatte es zwischen ihm und seinem Ehemann gekriselt, doch näheres war uns nicht bekannt. Wir hatten darüber auch nur spekulieren können, da der Inspector nicht gerne über Persönliches sprach. Zudem wollten wir ihn zu nichts drängen. Doch irgendein dunkles Kapitel musste es in seinem Leben geben, zu viel Leid hatte er mit seinen Augen bereits ansehen müssen – immerhin war er seit über dreißig Jahren im Dienst.

Kurze Zeit später kam unser Vorgesetzter in das Großraumbüro zurück.

„Mittels eines Gebissabdrucks wurde unsere Leiche zweifelsfrei identifiziert“ weihte uns Bale in den aktuellen Ermittlungsstand ein.

„Oh, das ging ja schnell!“ entfuhr es mir überrascht.

„Die Leute im Labor sagten irgendetwas von einer neuen Technik und einem Schnelltest. Na ja, das soll uns nicht weiter interessieren. Hauptsache, wir haben den Namen.“

„Wie hieß unser Opfer denn?“ war Cole nun neugierig.

„Scott Avendale“ berichtete Bale, der uns eine neue Akte mit dem Namen auf den Tisch legte.

Mord an Halloween

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