Читать книгу Tödliche Krähen - Denny van Heynen - Страница 5

Kapitel 1: Goodbye, Austin!

Оглавление

Es war ein trüber Morgen. Er war genau so trüb wie Tom´s Vorhaben. Wobei man es nicht wirklich als solches bezeichnen konnte. Tom Rhyer hatte es in der letzten Zeit wirklich nicht leicht gehabt. Während er seine letzten Gegenstände in Pappkartons aus der Wohnung räumte, kamen veraltete Bilder längst vergangener Zeiten wieder hoch.

Der dunkelblonde Mann arbeitete als Schriftsteller. Vor über zwei Jahren hatte er Something Special geschrieben – eine romantische Liebesgeschichte, welche schnell zum Bestseller avanciert war. In dem Buch ging es um ein junges Pärchen, welches nach vielen Irrungen und Wirrungen zueinander fand. Sein Verlag Staples war begeistert und auch Tom konnte es kaum glauben mit dieser bloß hundert Seiten umfassenden Geschichte einen kommerziellen Volltreffer gelandet zu haben. Er war seit vielen Jahren bei Staples unter Vertrag und hatte mehrere Anthologien veröffentlicht, mal über heimische Tiere, mal melancholische Geschichten – aber keine war bisher so erfolgreich gewesen.

Aufgrund seines Erfolges hatte er einen neuen Autorenvertrag unterschrieben, welcher ihn dazu verpflichtete, innerhalb der nächsten zwei Jahre noch ein weiteres Buch zu schreiben. 45.000 Dollar hatte er dafür von dem Verlag als Vorschuss bekommen – eine Summe, welche ein amerikanisches mittelständisches Unternehmen in einem einzigen Monat erwirtschaftete.

Eigentlich war auch alles perfekt in seinem Leben: Tom war zufriedener Single, er hatte sich wohnlich eingerichtet und verfügte selbst über seine Zeit. Aber er hatte ein großes Problem: seine Schreibblockade. Stets mit dem Zeitdruck im Nacken hatte er mehrere Ansätze für ein neues Buch getätigt, doch ihm war einfach nichts gutes eingefallen. Also hatte er stetig die Entfernungstaste seines Laptops betätigt und jene Ideen verworfen, welche nach seinem Befinden einfach nicht gut genug waren. Er war keiner dieser Autoren, die alles mögliche niederschrieben, nur um ein wenig Geld zu verdienen. Nein, er wollte auch hinter den Geschichten stehen, die er veröffentlichte.

Tom ging zu seinem rotbraunen Kleinwagen und öffnete mit dem Karton in den Händen umständlich den Kofferraum. Den Wagenschlüssel hielt er dabei mit den Lippen fest. Als er die Sachen im Wagen verstaute, entglitt ihm der Schlüssel. Ein lautes metallenes Geräusch war zu hören.

Mist, dachte er niedergeschlagen.

Tom hatte bei seinem Glück direkt über einem Gullydeckel geparkt, welcher unter dem Heck seines Kleinwagens lag.

Noch einmal Glück gehabt, freute sich Tom dann, als er den Schlüssel unerwarteterweise aus dem Gitter zog.

Er hatte sich verkantet und war dadurch nicht in die texanische Kanalisation geraten. Tom´s mittellanges Haar fiel ihm beim Aufheben ins Gesicht. Einige hellere Strähnchen reflektierten das wenige Sonnenlicht, welches auf die trübe Ortschaft Austin geworfen wurde. Der geringe Schein förderte auch einige hellere Bartstoppeln in seinem Gesicht zutage.

Diese Großstadt war mit vielen Erinnerungen verknüpft, die meisten davon waren schlecht, weshalb es Tom einigermaßen leichtfiel, die Stadt nun endgültig zu verlassen. Sein künftiges Zuhause würde Arcane Island werden, eine Insel im eintausendzweihundert Meilen entfernten Kalifornien. Texas war zwar berühmt für die heißen Sommermonate, doch allzu oft schwang das Wetter um und verdeckte wochenlang die Sonne. Natürlich war dies nicht nur der Natur geschuldet, sondern auch den riesigen Ölförderungsunternehmen, welche seit Jahrzehnten generationsübergreifend das Stadtbild Texas – und damit auch Austins – prägten. Immer mehr Öl wurde abgebaut und die Fördereinrichtungen wirbelten im wahrsten Sinne viel Staub auf. Ganze Familienclans stritten sich um das kostbare und zur Neige gehende Erdöl. Einmal wollte Tom über genau diesen Hintergrund ein Buch schreiben. Doch da er wenig Ahnung von der Materie hatte und ihm das Thema angesichts der aktuellen Nachrichten zu präsent erschien, verwarf er auch diese Idee wieder.

Ursprünglich sollten sich darin zwei Männer eines unterschiedlichen Familienclans ineinander verlieben, was mächtigen Ärger mit den Familien nach sich zog und eine Belastungsprobe für alle darstellte. Tom war bewusst, dass es diese Geschichte vor Jahrzehnten bereits in ähnlicher Form im Fernsehen gab, doch er war überzeugt davon, darüber ein gutes Buch schreiben zu können – bis ihn eines Nachmittags die heimtückische Schreibblockade heimgesucht hatte. Diese war der ausschlaggebende Grund, weshalb der Schriftsteller beschlossen hatte, Austin den Rücken zu kehren und es auf der sonnigen Insel zu versuchen.

Arcane Island, diese kleine Inselstadt im Norden Kaliforniens, sollte ein Neuanfang werden. Der Verlag hatte dem Umzug zugestimmt und lediglich die Bedingung gestellt, dass mögliche Präsentationstermine für ein neues Buch in Texas stattfinden würden. Staples war ein großes, aber ortsansässiges Verlagshaus, welches befürchtete, in Kalifornien nicht die gleiche Reichweite – und damit die bisherige texanische Umsatzkraft – zu haben. Doch ob es überhaupt bis dahin kommen würde, war ungewiss, schließlich brachte der Schriftsteller seit beinahe einem halben Jahr kein vernünftiges Wort mehr zustande. Er war sogar zu Psychologen gegangen, doch diese hatten nur den Rat, dass er nicht zu sehr über die Blockade nachdenken, sondern einfach mit dem Schreiben beginnen sollte.

Toller Tipp, dachte der Dunkelblonde rückblickend. Das ist ja auch so einfach!

Wie oft hatte er schon versucht, ein neues Kapitel zu beginnen und wie oft hatten sich seine Hände über der Laptoptastatur verkrampft? Es war eine fast magische Barriere zwischen ihm und dem weißen Bildschirm entstanden, dort, wo seine Finger einst über die Buchstaben hinweggefegt waren.

Eine Art Fluch, stellte er betrübt fest.

Das Schicksal, in seinem jungen Leben bloß einen Bestseller gelandet zu haben und danach für immer als unbekannter Autor in Vergessenheit zu geraten. Gerade in den Zeiten der E – Book – Revolution war es für ihn immer schwieriger seinen Namen bekannt zu halten.

Damals, als Tom zu Schreiben begonnen und einige Anthologien veröffentlicht hatte, war sein Name noch ab und an in lokalen Zeitungen erwähnt worden. Doch kurz nach der Erscheinung von Something Special waren die E – Reader in Mode gekommen und plötzlich konnte jeder schreiben.

So eine Schande!, dachte Tom niedergeschlagen.

Er hatte jahrelang Verlage anschreiben müssen, bis eines seiner Manuskripte endlich den Weg zu einem Verlag und damit in eine Buchhandlung gefunden hatte. Und nun? Nun konnte jede normale Person drauflos schreiben und bekam sogar mehr Honorar als er – und das mit oft minderwertigen Geschichten.

E – Book´s waren zu Tom´s elektronischen Feinden geworden. Doch irgendwann hatte er sich dazu entschlossen, sich selbst einen E – Reader zu kaufen und die moderne Technik zumindest einmal auszutesten. Es hatte nicht lange gedauert, bis er schließlich einen romantischen Sammelband über junge Hexen fand, welcher ihm zugesagt und den er regelrecht verschlungen hatte. Doch das waren bisher die einzigen elektronischen Bücher gewesen, welche er gerne mochte. Danach hatte er sich oft irgendwelchen Schund voller offensichtlicher Rechtschreibfehler auf das Gerät geladen und sofort wieder gelöscht. Den E – Reader hatte er daraufhin in irgendeiner Schublade verstaut und seitdem nicht mehr wiedergesehen.

Die Preise waren zudem ein großes Thema. Während man für einen Bestseller in typischer Buchform zwanzig Dollar hinblättern musste, gab es ein E – Book in selber Länge meist für nur neunundneunzig Cent.

Wie können sich die Schreiber das bloß leisten?, hatte er sich mehrmals gefragt. Und vor allem, wie können sie damit noch mehr Geld verdienen, als mit einem gedruckten Buch?

Tom sah ein letztes Mal zu dem tristen Mietshaus zurück, in welchem er jahrelang gelebt hatte. Dann schloss er die Wagentür auf, setzte sich ans Steuer, fuhr sich mit einem rosafarbenen Pflegestift über die Lippen, sah in den Rückspiegel, seufzte kurz und startete den Motor.

Tom wusste noch nicht, dass er einen weiten und harten Weg vor sich hatte – und damit keinesfalls der Umzug gemeint war.

Tödliche Krähen

Подняться наверх