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Prolog

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Der Keller war groß, etwa sechs mal sechs Meter. Die Wände weiß gekalkt, die beiden Kellerfenster zugemauert. Der einzige Eingang mit einer Stahltür verschlossen. Von der Decke hingen einige nackte Glühbirnen, die den Raum in ein trübes Dämmerlicht tauchten. Der Zigarettenrauch, der wie ein feiner Nebelschleier im Raum hing, machte die Lichtverhältnisse nicht besser. Die Zwangsbelüftung arbeitete nur unzureichend. Aber das alles störte die drei Männer nicht, die sich auf einer abgenutzten Polstergarnitur lümmelten und eine Schnapsflasche kreisen ließen, während sie warteten. Gesprochen wurde nichts. Sie rauchten und tranken.

Irgendwann wurde die Tür aufgestoßen. Zwei Kinder stolperten herein, ein Junge und ein Mädchen, dreizehn und fünfzehn Jahre alt, Geschwister möglicherweise, obwohl sie sich nicht besonders ähnlich sahen. Beide waren für die Jahreszeit ungewöhnlich leicht bekleidet, Jeans, T-Shirts, Flip-Flops an den nackten Füßen. Sie froren, das war nicht zu übersehen und auch nicht ihre Angst, mit der sie die drei wartenden Männer betrachteten. Mitten im Raum blieben sie stehen.

Nach ihnen betrat ein großer, schwerer Mann den Raum, einen Meter neunzig groß, weit mehr als zwei Zentner schwer. Er wirkte ungepflegt mit seinen langen, zotteligen, ungewaschenen Haaren, dem Drei-Tage-Bart, dem ehemals weißen und nunmehr vergilbten Unterhemd und der schlabbrigen Trainingshose. Seine nackten Füße steckten in abgewetzten Hausschlappen, deren Sohlen sich allmählich auflösten.

„Zieht Euch aus“, herrschte er die Kinder an.

Sie gehorchten wortlos. Unterdessen ging er zu den anderen Männern und streckte die Hand aus. Sie legten Geldscheine hinein. Mehr und immer mehr, bis der schwere Mann nickte. Wieselflink ließ er das Geld in der Tasche seiner Trainingshose verschwinden. Dann sah er zu den Kindern hinüber, die sich inzwischen ihrer Kleider entledigt hatten und nun nackt und frierend in der Mitte des Raumes standen.

Es kam Bewegung in die Gruppe. Die Männer befingerten die nackten Körper der Kinder. Einer nach dem anderen zog seine Hosen aus.

Die Schreie der Kinder drangen nicht durch die dicken Wände und die schwere Stahltür.

Nach einer Ewigkeit ließen die Kerle von den Kindern ab. Sie brachten ihre Kleidung in Ordnung und ließen sich in die Sessel und auf die Couch fallen. Zigaretten wurden angezündet, erneut machte die Schnapsflasche die Runde. Geredet wurde noch immer nichts, während der lederne Gürtel des Riesen wieder und immer wieder auf Rücken und Beine der Kinder niedersauste. Die Schreie wurden leiser, verstummten schließlich ganz. Mit schmerzverzerrten Gesichtern ließen sie die Züchtigung über sich ergehen. Lediglich ein qualvolles Stöhnen war gelegentlich zu hören, wenn die Gürtelschnalle die Haut aufriß. Die Männer lachten.

„Verschwindet“, bellte der Riese und machte eine Bewegung, als wolle er eine Fliege verscheuchen.

Hastig rafften die beiden ihre Kleidung zusammen und liefen hinaus. Mit dem Zuschlagen der schweren Stahltür verstummte das Lachen der Männer. Wortlos zogen die beiden sich an. Der Junge half seiner Schwester die Treppe hinauf in die Wohnung. Das Mädchen konnte vor Schmerzen kaum laufen. Tränen liefen über sein Gesicht, während der Junge die Lippen zusammengepreßt hatte und wütend vor sich hin starrte. Auch er hatte große Schmerzen, aber die Wut auf den Riesen, seinen Vater, war um vieles größer. Wieder einmal hatte er seine Kinder an irgendwelche geilen Kerle verkauft, um sich das nötige Geld für seinen enormen Schnaps- und Zigarettenkonsum zu beschaffen, den er sich von seiner mageren Arbeitslosenhilfe niemals hätte leisten können.

Hastig zogen sie sich im Badezimmer wieder aus. Die Zeit drängte. Es war nicht ratsam, sich von dem Alten noch einmal sehen zu lassen, wenn er zurück in die Wohnung kam. Der Junge half seiner Schwester. Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten. Ihr Höschen war voller Blutflecken im Schritt. Sie hatten ihr übel mitgespielt. Wieder einmal. Vorsichtig löste er den Stoff von der verletzten Haut. Sie stöhnte vor Schmerzen. Tränen schossen in ihre Augen, als er das Blut mit einem feuchten Waschlappen wegtupfte. Wortlos ließ sie die Prozedur über sich ergehen. Schweigend kümmerte sich der Junge um die Verletzungen seiner Schwester. Er wusch sie und trocknete sie ab und preßte ein Papiertaschentuch auf die blutenden Stellen zwischen ihren Beinen, so lange, bis das Bluten aufhörte. Flüchtig betrachtete er ihren Oberkörper. Sie hatte Glück gehabt. Die Gürtelschnalle hatte sie nicht allzu oft getroffen. Drei, vier blutige Schrammen nur auf dem Rücken und zwei am rechten Oberschenkel. Nicht allzu tief. Es hatten sich bereits Krusten gebildet. Striemen hatte sie allerdings reichlich davongetragen. An mehreren Stellen war die Haut aufgeplatzt. Wenigstens blutete es nicht mehr.

Während das Mädchen still auf dem Badewannenrand sitzen blieb, versuchte er, die Blutflecken so gut es ging aus ihrem Höschen und dem Waschlappen auszuwaschen. Dabei spürte er ihre Hand auf seinem Rücken. Sie wollte nachsehen, ob er irgendwelche Verletzungen davongetragen hatte. Natürlich am Po, aber es war nicht so schlimm, wie sie befürchtet hatte. Ihn hatte die Gürtelschnalle öfter getroffen. Er hatte einige tiefe Schürfwunden auf dem Rücken und den Pobacken. Und natürlich Striemen. Weil er sich bemüht hatte, seine Schwester abzuschirmen, hatte er den Großteil der Schläge abbekommen. Zärtlich strich sie mit den Fingerspitzen über seinen Rücken. Er verstand ihre Geste, drehte sich zu ihr um und lächelte sie an. Sie lächelte zurück, obwohl ihr noch immer die Tränen über die Wangen rannen.

Er drückte das Wasser aus den beiden Wäschestücken und legte sie zum Trocknen über den Rand der Badewanne. Dann schob er noch einmal sanft ihre Beine auseinander. Blut war jetzt keines mehr zu sehen, nur noch die zerschundene, rote Haut. Er hoffte, daß sich nichts entzündete, denn dann würden ihre Schmerzen beim nächsten mal um so fürchterlicher sein. Und es würde mit Sicherheit ein nächstes Mal geben. Auf eine mögliche Entzündung würde der Alte keine Rücksicht nehmen.

Er sammelte die Kleidungsstücke auf und half seiner Schwester hinüber in ihr gemeinsames Zimmer. Achtlos ließ er die Sachen auf den Boden fallen. Aus dem Kleiderschrank nahm er ein frisches Höschen und ein T-Shirt. Beides zog er ihr an, bevor er sie behutsam hinlegte und zudeckte. Er zog ebenfalls ein T-Shirt und eine Unterhose über. Schlafanzüge besaßen sie beide nicht. Ebensowenig wie ordentliche Betten. Schlafen mußten sie auf Matratzen, die auf dem Fußboden lagen. Er schob seine Matratze neben die seiner Schwester, schaltete das Licht im Zimmer aus und legte sich hin. Sie hatte wieder angefangen zu weinen. Ob aus Wut oder Verzweiflung oder wegen der Schmerzen, er wußte es nicht. Es war auch gleichgültig. Er schob sich dicht an sie heran und nahm sie tröstend in die Arme. Noch immer hatten sie kein Wort miteinander gesprochen.

Geschwisterliebe

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